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Am Set von „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2012). | Foto © Stadion Babelsberg

Die Branche hat Krise genug, aber dahinter wächst ein noch größeres Problem: Stell dir vor, du produzierst wieder Filme, und es ist keiner mehr da!

Die deutsche Filmbranche steht unter Druck – um es möglichst neutral auszudrücken. Gefühlt alle zwei Monate erscheinen Offene Briefe, in denen die Lage dramatischer geschildert wird. Von „Abgrund“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Mitunter gibt es auch Zahlen dazu, vereinzelte Umfragen bestätigten bislang den Abwärtstrend.

Einen aktuellen Überblick gibt die „Übersicht der Produktionen 2015 bis heute“ bei Crew United. Auch hier keine gute Nachricht: Es geht weiter nach unten, und das immer schneller. Der Ausblick aufs laufende Jahr spiegelt eine strukturelle Entwicklung wider, die Sorgen macht: Bislang liegt die Zahl an Spielfilmen (Kino und TV) und Serien um ein Viertel unter dem Vorjahr; bei den Dokumentarfilme ist ein Rückgang auf ein Drittel, bei Kinodokus gar ein Zehntel des Vorjahrs (gezählt wurden nur Produktionen mit einem Drehstart in 2025, die im Dreh oder abgedreht sind und einen deutschen Produzenten oder Koproduzenten haben – also auch alle Projekte, die teils oder komplett im Ausland gedreht werden; Dokuformate erscheinen zum Teil verzögert in der Datenbank).

Zwei zentrale Ursachen prägen die aktuelle Lage. Zum einen wirtschaftliche Faktoren: Überall werden Haushalte gekürzt; die Inflation geht weiter; Produktionskosten steigen; Erlöse bei der Verwertung sinken; es herrscht Zurückhaltung bei Investitionen in Inhalte; weniger internationale Produktionen produzieren in Deutschland.

Zum anderen strukturelle Probleme: Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird weiter gespart; Privatsender investieren deutlich weniger in Fiktion; Streamer reduzieren ihre Ausgaben für deutschen „Content“ – zu viel davon findet nur begrenzte Aufmerksamkeit. Derweil drehen deutsche Produktionen zunehmend im Ausland. Oft aus finanziellen Gründen, denn zwei zentrale Förderinstrumente sind immer noch in Arbeit: Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell (inzwischen ohne Steuern).

Zugegeben, die Listen sind lang. Was dabei aber leicht vergessen geht: Es gibt noch zwei Kernprobleme mit Wechselwirkung. Die Auftragsflaute bekommen natürlich auch die Filmschaffenden zu spüren: Mehr als 60 Prozent der aktiven Crew-United-Member mit Berufen hinter der Kamera haben in diesem Jahr noch kein einziges Projekt in ihrer Filmografie eingetragen. Bei den Schauspieler*innen sind es fast 80 Prozent.

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Der neue Kulturstaatsminister will „die Förderlandschaft deutlich aktivieren und umstrukturieren“, verrät aber nicht wie. Und mit der großen Reform lässt auch er sich Zeit (Szenenfoto aus „Comedian Harmonists“, 1997). | Foto © Universum

Jahr 5 der großen Förderreform, Jahr 3 der großen Krise. Und der BKM überlegt noch.

Uns geht’s schon wieder ganz schön gut, erzählte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer vorige Woche der „Rheinischen Post“. Im Interview mit Hagen Strauß und Kerstin Münstermann lobte er erstmal ausgiebig die Arbeit der eigenen Regierung. Im Kabinett herrsche „ernste, fleißige Konzentration, man will pragmatisch Probleme lösen, da ist ganz wenig Ideologie. […] Und in Deutschland startet endlich wieder ein Aufschwung.“ 

Deshalb dauert es eine Weile, bis es um Kultur geht, und in der zweiten Hälfte kommt auch endlich der Film dran. Aber nur ganz kurz. Er wolle „die Förderlandschaft deutlich aktivieren und umstrukturieren“, sagt Weimer, verrät aber nicht mehr. Nur soviel: „Es werden zu viele Filme am Publikum vorbei produziert. Es ergibt keinen Sinn, dass Filme mit viel Geld subventioniert werden und dann nur die Freunde des Regisseurs ihn gucken. Wer Filme macht, sollte vor allem ans Publikum denken.“ 

Da sollte sich der BKM keine Sorgen machen, denn das wurde bereits lange und ausgiebig durchdiskutiert. Und das Referenzpunkte-System im neuen Filmfördergesetz (BKM) wird schon dafür sorgen, dass weniger Experimente gemacht werden. Im Gesetzestext selbst ist die Förderung übrigens nicht an derartige Bedingungen geknüpft.

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Die Erwartung an Vertrauenspersonen sind hoch. Sie sollen die Abläufe in der Filmproduktion kennen, beratungssicher sein und vor allem unabhängig. „Das ist nicht einfach“, sagt Thomas Biniasz. | Foto © Pexels

Im September startet die erste Weiterbildung zur Vertrauensperson – sogar mit Zertifikat. Thomas Biniasz und Christine von Fragstein von Fair Play Film + Kultur haben die  Weiterbildung entwickelt, die Produktionsallianz ist Co-Veranstalterin.

Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Thomas Biniasz:
In Kooperation mit der Produktionsallianz veranstalten wir ja bereits Workshops zum Thema Leadership. Nun gibt es seit vorigem Herbst den Respect Code Film, den die Produktionsallianz mit Verdi, dem BFFS und vielen weiteren Sendern und Verbänden initiiert hat …

… und der unter anderem und vor allem Vertrauenspersonen am Set vorsieht.
Thomas Biniasz:
Und weil es bislang keine zertifizierte Weiterbildung zur Vertrauensperson gibt, gingen wir auf die Produktionsallianz zu und wir entschieden, das gemeinsam in die Welt bringen. Die inhaltliche Arbeit kommt vor allem von Christine und mir. Wobei wir viele Gespräche mit Produktionen und Geschäftsführenden führten und schauten, ob das auch für sie passt.

Den RCF haben Sender, Streamer und Verbände unterschrieben. Darin ist zwar viel geregelt, aber doch mit sehr viel „kann“ und „sollte“. Wie verbindlich ist denn da eine Weiterbildung für Vertrauenspersonen? Oder ein Zertifikat?
Christine von Fragstein:
Der RCF ist ja zuerst mal eine Selbstverpflichtung und eine Handlungsabsicht. Und jetzt kommen im Zuge der ganzen Diskussion aus der Branche schon viele Wünsche. Die Produktionsallianz entwickelt zurzeit eine Handlungsempfehlung für Filmproduktionen aus dem Respect Code Film. Und darin ist der Einsatz von externen Vertrauenspersonen ein ganz wichtiger Baustein. Der Gedanke: Damit schaffen wir einen „Safe Space“ und können auch ein Stück weit dieses Schweigen und diese Angst, die oft herrscht, durchbrechen. Die Weiterbildung ist also ziemlich maßgeblich zur Erfüllung des RCF.

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Wenn das Fernsehen von Ostdeutschland erzählt, wimmelt es meist von Klischees und Stereotypen. „Es fehlt einfach an Entdeckungslust, am Blick für Überraschendes, an Neugierde“, findet der Drehbuchautor Torsten Schulz. Das war mal anders (Szenenfoto aus „Polizeiruf 110: Vor aller Augen“, 2013). | Foto © RBB/Conny Klein

35 Jahre nach der Wiedervereinigung hat der Westen immer noch ein schräges Bild vom Osten. Film und Fernsehen tragen eifrig dazu bei – an den Entscheidungspositionen sind Ostdeutsche eine verschwindende Minderheit. Das muss sich ändern, fordert das  Netzwerk Quote-Ost noch einmal in einem Offenen Brief.   

Wieso gilt Diversität eigentlich nicht für Ostdeutsche? In einem Offenen Brief fordert das Netzwerk Quote-Ost mehr Ostdeutsche in Entscheidungs­positionen. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung seien sie gerade in der Film- und Fernsehbranche noch „erschreckend“ unterrepräsentiert: „Es handelt sich hier ganz klar um eine strukturelle Benachteiligung.“ 

Den Brief gab’s zwar schon im Februar zur Bundestagswahl, doch nun ging er auch an den neuen Kulturstaatsminister und findet mehr Beachtung. Michael Hanfeld hält die Forderungen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke] für „ziemlichen Nonsens“: „Quotenvorgaben bedeuten das Ende der Kreativität und der Kunstfreiheit“ und führten eh „auf den Holzweg“.  

Ganz so einfach macht es sich Torsten Schulz nicht. Er ist Professor für Drehbuch an der Filmuniversität Babelsberg und Mitbegründer der Initiative. „Grundsätzlich und von Hause aus“ sei er selbst „immer noch gegen solche Quoten. […] Aber die Ungerechtigkeiten erscheinen mir hier zu massiv und verfestigt“, erklärt er im Interview mit Michael Pilz in der „Welt“ [Bezahlschranke]. 

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Mitten in die Preisgala platzte die Nachricht vom Tod der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. Der Pianist Igor Levit hielt eine spontane Trauerrede. | Foto © Eventpress Fuhr

Die „Lolas“ zeigen sich politisch, und der neue Kulturstaatsminister hatte seinen ersten Auftritt vor der Branche. In den Berichten zur Verleihung des „Deutschen Filmpreises“ hat der Kulturkampf schon begonnen.

Ein klares Votum haben die Mitglieder der Deutschen Filmakademie abgegeben. Am vorigen Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen, und dass „viele Ehrungen an politische Filme“ gingen, bemerkt nicht nur Jenni Zylka in der „Taz“. 

Genauer genommen, waren es fast alle. Als bester Film wurde „September 5“ geführt, und Tim Fehlbaums Kammerspiel über das Olympia-Attentat von 1972 räumte noch acht weitere „Lolas“ ab. Mit Silber gewann Mohammad Rassoulofs Drama „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ um die Proteste im Iran seit 2022. Bronze ging an „In Liebe, Eure Hilde“, Andreas Dresens Geschichte der Widerstandskämpferin Hilde Coppi. Und der beste Dokumentarfilm ist „Petra Kelly – Act Now!“, in dem Doris Metz die Politikerin porträtiert. 

Unerwartet platzte auch die Wirklichkeit in die Preisgala. Der Pianist Igor Levit sollte die Laudatio für die beste Filmmusik halten. Stattdessen übermittelte er die Nachricht vom Tod der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer, die er mit einer spontanen Trauerrede ehrte. 

Und dann war da noch der neue Kulturstaatsminister, der bei der Preisgala seinen ersten großen Auftritt hatte. Viele spannende Themen also für die Feuilletons, die sich für die Filme selbst nicht weiter interessieren.  

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Jedes Jahr im März gibt’s in Berlin „das Beste des neuen griechischen Kinos (oder mit Bezug zu Griechenland) auf der großen Leinwand zu sehen“, verspricht das Team vom  Greek Film Festival in Berlin. | Foto © Jonas Elsner

Fünf Tage griechisches Kino, das man gesehen haben muss. Das Greek Film Festival in Berlin feierte sein 10. Jubiläum. Dieses Jahr war Crew United auch in der Jury vertreten.

Das Greek Film Festival in Berlin hatte Jubiläum. Im vollbesetzten Kino „Babylon“ schloss die zehnte Veranstaltung mit der Preisgala. Eröffnet wurde das Festival mit „Stelios“, dem Biopic über die griechische Sänger-Ikone Stelios Kazantzidis, über den Frank Sinatra selbst sagte: „Wenn er in den Vereinigten Staaten wäre, hätte er eine größere Karriere als ich“. Ein Juke-Box-Film, der in der Lage ist, Generationen von Zuschauern zu vereinen: die nostalgischen, die mit seiner Musik aufgewachsen sind, und die jungen, die entdecken wollen, was ihre Eltern in ihrem Alter gehört haben. Der Film ist dank Kinostar seit voriger Woche auch in Deutschland zu sehen. „Wir sind hier, um einen wichtigen Kampf zu führen“, so der Regisseur Yorgos Tsemberopoulos, „nämlich den, den Menschen zu helfen, von ihren Bildschirmen wegzukommen und in die Kinos zurückzukehren.“ 

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Willkommen bei den Tykwers! In „Das Licht“ wird eine dysfunktionale Familie von ihrer syrischen Haushälterin durchgerüttelt. Dabei ließ sich Tom Tykwer von einem alten Hit inspirieren. | Foto © X-Filme/Frederic Batier

Die Musik ist für Tom Tykwer nicht bloß ein Soundtrack. Für seinen neuen Film nahm sich der Regisseur die „Bohemian Rhapsody“ von Queen als Vorbild. Weil sie „die Musik in all ihren Facetten feiert“. Das wünscht er sich auch fürs Kino.

Fast zehn Jahre lang hat Tom Tykwer an einer Fernsehserie gearbeitet, jetzt ist er zurück im Kino. Und sein neuer Film „Licht“ sei „ein überbordendes Drama, das den Finger in aktuelle gesellschaftliche Befindlichkeiten legt“, findet Valerie Dirk im „Standard“. Untermalt wird das aktuelle Drama von einem alten Pop-Schlager: „Bohemian Rhapsody“ von Queen.   

„Das Lied hat mich mein Leben lang begleitet und hatte immer wieder überraschende Comebacks“, erklärt Tykwer. „Ich nehme an, es hat damit zu tun, dass man spürt, dass es die Musik in all ihren Sprachen, in all ihren Facetten feiert. Es ist ein Song, eine Oper, eine Ballade, Hardrock und irgendwie auch Elektro. Viele Genres, die geheimnisvoll ineinander verwebt werden. Obendrein ist es auch eine intime Erzählung, fast eine Beichte, die sich langsam, kunstvoll erschließt. ,Das Licht’ ist der Versuch, dazu ein Äquivalent fürs Kino zu schaffen. […] Ich habe das Gefühl, das künstlerische Kino erlebt gerade ein Comeback. Ganz schön wilde Filme finden wieder ein breites Publikum, das macht mich total glücklich. Es gab eine Zeit, in der das Publikum fremdgegangen ist, um herauszufinden, was es alles rausholen kann aus diesem Tsunami, der über die Streamer und die Mediatheken – also über dieses neue, serielle Erzählen – auf uns zugeflogen kam. Jetzt haben wir diese neue ästhetische Form begriffen und können einschätzen, was wir davon haben und was nicht. […] Im seriellen Erzählen gibt es die Freiheit, auch mal abbiegen zu können und Umwege zu gehen. Es ist facettenreich und vielstimmig. Das Kino, das vormals eher dem Joch des ökonomischen Erzählens unterworfen war, kann sich jetzt bestimmter Aspekte bedienen, die früher als zu experimentell wahrgenommen wurden. Filme können auch durchaus mal länger sein, weil wir völlig daran gewöhnt sind, uns auch in längeren Erzählungen aufzuhalten, und das sogar genießen. Es geht jetzt alles im Kino, wonach ich mich sehne. Und Filme, die kraftvoll die Möglichkeit des Kinos austarieren, werden gebraucht, um dem Aberwitz unserer Gegenwart einigermaßen gerecht zu werden.“ 

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Das Team von „No Other Land“ (von links) mit seinen „Oscars“: Basel Adra, Rachel Szor, Hamdan Ballal und Yuval Abraham. | Foto © Etienne Laurent/AMPAS

Vor drei Wochen gewann „No Other Land“ den „Oscar“, doch das Team hinter dem Dokumentarfilm ist in Gefahr. Der Koregisseur Hamdan Ballal wurde im Westjordanland schwer verletzt und festgenommen. Vorwürfe richten sich gegen israelische Siedler, Militär und Polizei.

Voriges Jahr auf der Berlinale hatte „No Other Land“ seine Weltpremiere. Seitdem sammelt der Dokumentarfilm Preise bis hin zum „Oscar“. Das israelisch-palästinensische Regie-Quartett aber fürchtet um seine Sicherheit. 

Am Montag war Hamdan Ballal, einer der Vier, im Westjordanland schwer verletzt, dann verhaftet und wieder freigelassen worden, meldet die Österreichische Presseagentur (APA). „Der israelische Co-Regisseur Yuval Abraham zitierte die Anwältin mit den Worten, Ballal sei die ganze Nacht in Handschellen und mit verbundenen Augen festgehalten und von zwei Soldaten verprügelt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Anwältin sowie die israelische Polizei äußerten sich auf Anfrage zunächst nicht. Israels Armee verwies auf die Polizei.“ 

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Na also – geht doch! Fürs ZDF erzählt Rainer Matsutani die alte Sage vom Rattenfänger modern. „Es gibt keine existentiellere Form des Filmemachens als den Horrorfilm“, findet der Filmemacher. Mit der Quote von „Hameln“ ist er mehr als zufrieden: „Mit über 2 Millionen Klicks innerhalb von 30 Tagen und einer rekordverdächtigen Completion Rate von 70 Prozent hat sie sich zu einer Binge-Sensation entwickelt.“ | Foto © Roland Guido Marx/ZDF/Red Sun Films

Rund um die Welt werden Filme und TV-Serien in den Genres Horror, Science Fiction und Fantasy produziert. Nur in Deutschland tut man sich immer noch schwer – obwohl es an fantastischen Gruselthemen doch eigentlich nicht mangelt. Die Horror-Serie „Hameln“ auf ZDF Neo ist eine der wenigen Ausnahmen. Creator, Regisseur und Showrunner Rainer Matsutani blickt auf eine 30-jährige Karriere als Genre-Filmemacher zurück und gibt Tipps für Filmemacher*innen, die sich für Horror interessieren:

#1 – Du musst dein Genre kennen
Wenn du jemand bist, der/die im Kino ausschließlich deutsches Arthouse oder Komödien anschaut, bist du wahrscheinlich nicht der/die Richtige für das Genre. Es gibt ein etabliertes Horror-Universum, das reich ist an Codes, Mustern und Referenzen. Horror definiert sich über strenge Regeln und Stereotypen, die man kennen muss, um sie lustvoll zu zitieren, variieren und innovativ zu erweitern: wie gestalte ich einen Jump Scare oder wie kommt das Opfer zu Tode? Horror-Konsumenten haben viel gesehen und eine Erwartungshaltung, die du nicht enttäuschen darfst.
Vor einigen Jahren wurde ein deutscher Horrorfilm bei einem Streamer in Auftrag gegeben. Das Drehbuch war solide, aber der Produzent merkte schnell, dass die Regie sich eigentlich nicht im Genre auskannte. Er stellte ihr einige Wochen vor dem Dreh einen Karton voller DVD mit Horror-Klassikern zur Verfügung. Doch der Crash-Kurs hat nicht ausgereicht. Das filmische Ergebnis war von Ahnungslosigkeit und Langeweile geprägt, so dass der Streamer seither keinen deutschen Horror mehr in Auftrag gab.
Also: das Genre muss bereits in deinen Adern fließen, bevor du dich an ein Projekt machst.

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Arjun Talwar dokumentiert den Alltag vom Balkon. Für die Szene posiert er mit einer Schmalfilmkamera, tatsächlich drehte er digital mit einer „Bolex 16“. Die „sieht nicht wie eine Fernsehkamera aus, sondern wie ein freundliches altes Ding. Das macht sie weniger furchteinflößend“, erklärt Talwar. „Die Leute müssen sich wohlfühlen, wenn man sie filmt.“ | Foto © Arjun Talwar/Uni-Solo Studio

Der indische Filmemacher Arjun Talwar dokumentierte das Leben in seiner Straße: In der Wolfstraße in Warschau zeigt sich der gesellschaftliche Wandel. „Letters from Wolf Street“ lief im Panorama der Berlinale. Ein Gespräch mit dem Regisseur und der Editorin Bigna Tomschin.

„Listy z Wilczej“ („Letters from Wolf Street“) von Arjun Talwar (Regie und Drehbuch) lief in der Sektion Panorama der 75. Berlinale. Der Film ist als dokumentarisches Format angekündigt. Das stimmt auch. Was dem Filmemacher und seinen wichtigen Kooperationspartner*innen gelungen ist, geht aber weit über das Dokumentarische hinaus. „Letters from Wolf Street“ erzählt von polnischen Lebenswelten, vielleicht sogar europäischen Verhältnissen und persönlichen Erfahrungen – gebündelt in einer Warschauer Straße, der Ulica Wilcza. Der aus Delhi/Indien stammende Filmemacher Arjun Talwar und die Schweizer Filmeditorin Bigna Tomschin lebten zusammen in dieser Straße, in einer Wohnung mit Balkon. All das gehört zur Entstehungsgeschichte des schlauen, amüsanten, vielschichtigen Filmkunstwerks.

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Wim Wenders (oben) und Juliette Binoche (unten) bei der europäischen Filmpreisgala. Der Regisseur wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ansonsten fehlte der Deutsche Film auf der Bühne. | Foto © EFA/Sebastian Gabsch

Beim „Europäischen Filmpreis“ war vom Deutschen Film wenig zu sehen. Aus Frankreich umso mehr. Dort werde die Siebte Kunst halt ganz anders unterstützt, meint der Chef der Europäischen Filmakademie. Zwei Neuerungen gibt es außerdem.

Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) macht sich via „Frankfurter Rundschau“ schon mal Gedanken zu den „Golden Globes“ und „Oscars“ im nächsten Jahr. Also wer da in Hollywood so mitmischen könnte aus Filmdeutschland. Das ist lustig, weil erst vorigen Samstag in Luzern die „Europäischen Filmpreise“[auf Englisch] verliehen wurden. Das ist sowas wie der „Oscar“ der Alten Welt, bloß interessierte sich dafür keiner. Außer der DPA, deren knappe Preisaufzählung wenigstens „Zeit“ und „Frankfurter Rundschau“ übernahmen.

Übrigens wurde der deutsche Regisseur Wim Wenders für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ansonsten war Filmdeutschland nur in Koproduktionen zu finden – wie „Des Teufels Bad“, für den die österreichische Kostümbildnerin Tanja Hausner ausgezeichnet wurde.

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Szenenfoto aus „Der Grinch“ (2000). | Foto © Universal

Trotz neuer Versprechen der BKM wird’s wohl nichts mehr mit der ganzen Förderreform. Das FFG hat zwar noch Chancen, aber Investitionsverpflichtung und Steueranreize werden vertagt. Der Vorwurf: Für eine Reform von „von existenzieller Bedeutung“ für Land und Branche habe sich Deutschland oberste Filmförderin ganz schön viel Zeit gelassen. Und reihenweise Fehler gemacht. 

Der Countdown läuft, und alle drängeln. Vier Wochen noch bis Silvester, dann muss ein neues Filmfördergesetz her. Ansonsten droht der Untergang für Deutschlands Filmbranche. So schildert die Produktionsallianz die Aussichten und hat auch allen Grund dafür, nämlich die aktuelle Herbstumfrage unter ihren Mitgliedsfirmen: 77 Prozent der Unternehmen in der Produktionsallianz schätzten die Lage als „schlecht oder sehr schlecht“ ein (im Vorjahr waren es noch 56 Prozent). Nur für 0,5 Prozent ist die sehr gut oder gut. 80 Prozent der Unternehmen im Fiction-Bereich gaben an, das Auftragsvolumen internationaler Streamer sei seit 2022 stark beziehungsweise sehr stark gesunken.  

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Was ist eigentlich Respekt? „Ali G in da House“ scheiterte da vor 20 Jahren schon am Buchstabieren. | Foto © Mars Distribution

Wer selbst nicht weiß, was sich gehört, kann es in Zukunft nachschlagen: Ein „Respect Code Film“ soll für Sicherheit an deutschen Sets sorgen. Wer sich nicht an die Regeln hält, könnte möglicherweise sogar mit Konsequenzen rechnen.

Verdi, die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz verhandeln regelmäßig den Tarifvertrag aus. Jetzt haben sie auch einen „Respect Code Film“(RCF) für die Branche vorgestellt. Der wende sich „gegen jede Form von respektlosem Verhalten, Belästigung, Gewalt, Diskriminierung oder anderes Fehlverhalten und schreibt branchenweite Grundsätze für sicheres Arbeiten und einen respektvollen Umgang bei jeder Art von Film- und Fernsehproduktion fest“, erklärt die Produktionsallianz.

Erarbeitet wurde der Code mit den öffentlich-rechtlichen Sendern und Vaunet (dem Verband der privaten), Degeto und Netflix, der Deutschen Filmakademie und dem Regieverband. Die Berufsgenossenschaft und die Vertrauensstelle Themis haben beraten. Kurzum: „Die Branche gibt sich […] einen eigens erarbeiteten Verhaltenskodex“, meldeten die „Zeit“ und andere. Was aber nur die halbe Wahrheit ist, denn ein großer Teil der Branche war gar nicht dabei. Von den Berufsverbänden der Filmschaffenden war nur der Regieverband beteiligt.
Und so liest sich der Kodex denn auch so vage wie manches andere Bekenntnis aus den Büroetagen der Branche.

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Ulla Geiger (am Mikrofon) und Sonia Hasséguy (links daneben) mit Team bei der Kinopremiere zum Streaming-Release von „Wir drehen keinen Film“ 2022. | Foto © privat

Mit Mitte 60 hatte sich Ulla Geiger ihren Filmtraum erfüllt. Auf „Outtakes“ berichtete sie vor vier Jahren selbst von der Arbeit am Debütfilm. Am 22. Oktober ist sie gestorben. Ein Nachruf.

Ulla Geiger gehörte vielleicht nicht zu den prominentesten Gesichtern der Filmbranche, aber sie hinterließ einen prägenden Eindruck bei jenen, die sie kannten und mit ihr arbeiteten. Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, von einer Künstlerin und Kollegin Abschied zu nehmen, die mit ihrer Authentizität und ihrem künstlerischen Ansatz viele Menschen – mich eingeschlossen – berührt hat.

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Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth. | Foto © Kristian Schuller

In sieben Wochen läuft das Filmfördergesetz aus. Politik und Branche läuft die Zeit davon. Durch den Koalitionsbruch ist die Lage noch unklarer geworden. Dabei drängen alle auf eine schnelle Lösung für alle Teile der großen Reform.

In drei Monaten, am letzten Tag der Berlinale, wird in Deutschland gewählt. Solange regiert die Restkoalition ohne Mehrheit, und unklar ist, welche Pläne sie noch umsetzen kann. Zum Beispiel die große Förderreform, die auch ohne den Bruch in der Regierung, bislang kaum vorankam. Das Filmfördergesetz ist zwar durch den Kulturausschuss des Bundestags, doch das ist erst ein Teil der Strecke – und auch nichts wert, wenn die anderen beiden Säulen nicht stehen. Um die Investitionsverpflichtung ringt die BKM mit Streamern und Mediatheken, bei den Steueranreizen sind sich Bund und Länder uneins, wer das bezahlen soll. Und für beides liegt noch nicht einmal ein Gesetzesentwurf vor.    

Dass nun alles bis zum Jahresende plötzlich fertig sein soll, mag keiner mehr glauben. Klappen könnte das schon – wenn alle nur wollten, glaubt Julia Maier-Hauff, die Geschäftsführerin des Produzent*innenverbands, in „Blickpunkt Film“. Das müsse es auch, „denn ohne Haushalt und die angekündigten Gesetze wird es zu einer Abwanderung des Filmschaffens in benachbarte Länder und zu Insolvenzen kommen. Wir fürchten den Verlust von mehr als 120.000 Arbeitsplätzen in der Filmproduktion.“ Das wären wohl, nach Zählung des jüngsten Appells, alle Arbeitsplätze der Branche.

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