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Vor drei Jahren war die Welt vorm Berlinale-Palast noch in Ordnung. Dann kamen Seuche, Krieg und Inflation … | Foto © Alex Janetzko/Berlinale

Das Budget bleibt gleich, die Kosten explodieren. Deshalb soll die Berlinale kleiner werden. Am Dienstag verkündete das Führungsduo sein Einsparkonzept. 

Der Berlinale offenbar harte Einschnitte bevor: Ganze Bereiche des Programms könnten wegen Kostendrucks gestrichen werden, berichtete vorige Woche Hannah Pilarczyk im „Spiegel“. Der Artikel steht hinter der Bezahlschranke, wurde aber sogleich weitererzählt: „Dem Magazin zufolge hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth der Berlinale ein ,indirektes Sparprogramm’ auferlegt, deshalb könnten drei der zwölf Sektionen künftig wegfallen: die Reihe für deutsche Nachwuchsfilme ,Perspektive Deutsches Kino’, diejenige für die Serien ,Berlinale Series’ und sogar die umfängliche Retrospektive mitsamt der meist zehnteiligen ,Hommage’, die Filme des jeweiligen Ehrenpreis-Gewinners präsentiert“, erklärt Christiane Peitz im „Tagesspiegel“. „Dass die Berlinale mit weniger Geld auskommen muss als vor der Pandemie, ist schon länger eine traurige Gewissheit. […] Auf Nachfrage heißt es nun aus dem Festivalbüro: ,Es gibt keine externe Sparvorgabe der BKM, vielmehr sehen wir als Festival angesichts stagnierender Budgets und steigender Kosten die Notwendigkeit, ressourcenschonende Maßnahmen zu ergreifen, um langfristig ein starkes Festival und eine gute Plattform für die Filmindustrie garantieren zu können’. Deshalb, so Geschäftsführerin Rissenbeek, ,wollen wir die Anzahl der Filme im Gesamtprogramm weiter straffen’.“

In der „Berliner Zeitung“ glaubt auch Susanne Lenz an eine Entwarnung: „Statt Sektionen abzuschaffen, möchte die Berlinale offenbar überall sparen.“

Von wegen! Am Dienstag meldeten sich die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian mit einem etwas konkreteren Einsparkonzept. Insgesamt sollen nur noch 200 Filme in den Sektionen laufen. In diesem Jahr seien es 287 gewesen. Der Wettbewerb ist davon nicht betroffen. Das Leitungsduo sieht das als „Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren.“ Ganz aufgelöst wird die Sektion Perspektive Deutsches Kino, die Filme deutscher Nachwuchsregisseure präsentierte. Die sollen künftig in den anderen Sektionen laufen –  damit „soll eine stärkere internationale Wahrnehmung für die in Deutschland produzierten Debüt- und Zweitfilme ermöglicht werden.“

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Festivals und Kinos sind natürliche Verbündete, meinen Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz. Es brauche Strukturen, damit beide enger zusammenarbeiten können. | Foto © Kenneth Hujer

Die Kinos suchen ihr Publikum, die Festivals hingegen können nicht klagen. Selbst in Zeiten von Pandemie und Lockdown sind neue hinzugekommen. Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz untersuchten in einem Sammelband*, wie die Festivals die Krisen meisterten – und welche Chancen und Perspektiven sie für die Filmkunst zeigen.

[*Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz (Hg.): „Filmfestivals – Krisen, Chancen, Perspektiven“. Edition Text + Kritik, 2022. Mehr zum Thema gibt’s auf der Website zum Buch, die weiter ausgebaut werden soll.]

Über das beeindruckende Wachstum, den anhaltenden Wandel der Festivallandschaft und welche Funktionen Filmfestivals heute übernehmen, darüber hatten wir bereits vor drei Jahren gesprochen. Dann kam Corona. Die Kinos mussten schließen, die Festivals standen zunächst vor ähnlichen Problemen, fanden dann schnell alternative Wege. Aber ist ein Festival ohne Kino überhaupt vorstellbar?
Tanja C. Krainhöfer:
Zweifelsohne ist das Kino ein natürliches Habitat eines Filmfestivals, aber wenn kein Kino zur Verfügung steht, bedienen sich Festivals anderer Orte, um stattfinden zu können und so ihre Anliegen oder ihren Zweck zu erfüllen. Dies wurde während der Pandemie mehr als deutlich: kein Hinterhof war zu klein, kein Parkdeck zu hoch, keine Industriehalle zu abwegig und selbst die Herausforderungen, virtuelle Räume zu beziehen, wurden selten gescheut. Was jedoch wesentlicher ist, ist die Haltung, die der Festivalsektor in der Pandemie bewiesen hat. Es ging darum Zugänge zur Filmkultur zu schaffen. Die damit verbundenen Bestrebungen haben sich bis heute noch weiter ausdifferenziert und mit Sicherheit werden sich noch weitere Optionen erschließen – onsite wie online.
Joachim Kurz: Andererseits muss man schon feststellen, dass ein Kinoraum für ein Festival der Idealzustand ist und nach Möglichkeit – sofern vorhanden – genutzt werden sollte. Weil es nur im Kino optimale Bedingungen zur Projektion eines Films gibt. Es wäre definitiv sehr wünschenswert, dass Filmfestivals in ländlichen Räumen ohne Kino die Gemeinden so sehr begeistern, dass bei ihnen die Idee wächst, dass ein Kino am Ort vielleicht doch keine so schlechte Idee wäre – und zwar nicht nur als Kultur-, sondern auch als Begegnungsort.

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Die BKM stockt die Förderung für Serien auf – eine „Zweckentfremdung vom Kulturmillionen“ nennt das die AG Verleih. Und fragt, wozu das überhaupt gut sein soll? Szenenfoto aus „Berlin Station“, gefördert über den German Picture Motion Fund, kurz GMPF. | Foto © Studio Babelsberg

15 Millionen Euro will die BKM für die Produktion von Serien drauflegen. Für Kinos und Filmverleih fehlt derweil das Geld. 

Eigentlich ist sowas ja eine gute Nachricht: 15 Millionen Euro mehr will die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) für die Produktion von Serien ausgeben. Das kündigte Claudia Roth vorigen Freitag beim Deutschen Produzententag der Produzentenallianz in Berlin an. Stutzig macht allenfalls die Begründung in der Pressemitteilung der BKM: „Sie machte deutlich, dass es sich um eine letztmalige Erhöhung aufgrund einer besonders hohen Nachfrage in diesem Bereich handelt.“

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Die Seuche ist zwar per Dekret beendet, aber was versteht so ein Virus schon? Noch immer sterben am Tag allein in Deutschland rund 300 Menschen ein Corona. Haben wir uns etwa an solche Zahlen gewöhnt? Szenenfoto aus „Ich – Einfach unverbesserlich“. | Foto © Universal

Mitschuld und Mitleid: Die Impfpflicht gibt es längst – Gedanken in der Pandemie, Folge 147.

„Du magst am Krieg nicht interessiert sein, aber der Krieg interessiert sich für dich.“
Lew Trotzki 

„Wir sitzen in der Arena des unvollendeten Projektes moderner Revolutionen und warten auf die Stars, die revolutionären und konterrevolutionären Subjekte. Doch niemand läuft ein. Ein treffliches Bild der lauen Gegenwart: Wartezeit und leeres Spielfeld.“
Matthias Beltz (1945-2002)

Heute sehnen wir uns zurück nach dieser lauen Zeit des Posthistoire, den Jahren des „Endes der Geschichte“. Mit der Pandemie spätestens ist sie zurückgekommen. Schon damals, erst recht jetzt im Ukraine-Krieg, der uns so nahe kommt, wie zuletzt der Bürgerkrieg in Jugoslawien – egal ob diese Feststellung jetzt sehr pc und sehr nett gegenüber den Syrern und Afghanen, den Israelis und Palästinensern ist, und allen anderen, noch ferneren, an deren fatales Schicksal wir uns schon längst gewöhnt haben. 

Die Pandemie hat uns bereits etwas gelehrt, was uns jetzt, im Angesicht des Krieges nicht mehr überrascht:  unsere Gleichgültigkeit, unsere Gewöhnungsbereitschaft. 

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Alexander Kluge ist Schriftsteller, Filmemacher, Medienpolitiker und einer der großen Intellektuellen des Landes. Mitte Februar wurde 90 Jahre alt. Und mischt weiter mit. | Foto © Markus Kirchgessner

Artistik, Eigensinn und Verteidigung der Unterscheidungskunst: Zum 90. Geburtstag von Alexander Kluge. Feuilletonkolumnen als Objekt von Symbolpolitik – Gedanken in der Pandemie, Folge 146.

„Der Krieg ist ein Chamäleon.“
Carl von Clausewitz

Zum Ukraine-Krieg möchte ich hier und jetzt nichts schreiben. Wen das interessiert, der kann unter meinem Namen die Texte bei „Telepolis“ googeln. Da auch ein sehr gutes Interview mit Ulrike Guerot zu Corona, zu dem ich in der nächsten Ausgabe noch was schreibe.

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Politisches Rätselraten gibt es nach wie vor über die beabsichtigte Einführung der allgemeinen Impfpflicht. Die Ampelkoalition scheint sich darüber weiterhin nicht einig zu sein: SPD und Grüne wollen sie, die FDP ist da eher gespalten. Abgeordnete in der FDP fürchten einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff. So auch der Bundesjustizminister Marco Buschmann: „In meinen Augen können nur gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit wie die Abwehr einer Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems einen solchen Eingriff rechtfertigen. Ob das derzeit tatsächlich noch eine drohende Gefahr ist, daran kann man zweifeln.“ So Buschmann am 19. Februar im „Spiegel“. 

Eine schräge Argumentation: Denn es war seit jeher die Überlegung, dass eine Impfpflicht vor allem eine präventive Maßnahme ist. Das heißt: Es kann nicht angehen, dass man in Zeiten einer akuten Überlastung und sonstigen Gefahr gegen eine Impfpflicht mit dem Argument eintritt, jetzt bringe das alles ja nichts mehr, dass man aber in den Zeiten in denen Prävention möglich ist, dagegen argumentiert mit der Begründung, jetzt sei die Gefahr ja nicht akut. Das ist übelste Sophistik.

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Wahnsinn! Jetzt muss keine*r mehr alleine spazieren gehen: Ein Dating-Portal will „alle impffreien und bewussten Menschen“ zusammenbringen. Sogar in mehreren Sprachen. | Screenshot

Geisterspiele: Netz, Fußball und Feuilletonkolumnen als Objekt von Symbolpolitik – Gedanken in der Pandemie, Folge 145.

„Man sollte nicht Handlanger eines ideologischen Lagers sein, und man darf keine Angst vor Wutstürmen haben. Genau dazu ist die Meinungsfreiheit ja da: um Dinge zu sagen, die manche nicht hören möchten.“
Harald Martenstein, 20. Februar 2022

„Die einzige Kirche, der ich angehören möchte, ist die, die man im Dorf lässt.“
Hermann L. Gremliza (1940-1919), „Konkret“-Chefredakteur

Der ganz normale Wahnsinn unserer Gegenwart treibt immer neue Blüten. So gibt es seit kurzem auch ein Datingportal für Ungeimpfte. 

Wer plötzlich „viel Freizeit wegen 3G“ hat, kann auf dem „Verbindungsportal“ „Impffrei.Love“ Liebespartner finden, denen garantiert kein Bill-Gates-Chip eingepflanzt wurde. Mit einem Bild des Matterhorn wirbt die Schweizer Website, die, wie die SZ berichtet, mit einer semipolitischen Organisation namens „Generation Freiheit“ verbandelt ist, in leicht surrealen Worten für „Impffreie Liebe“ und wendet sich an „alle impffreien und bewussten Menschen“, die „lieber Händchen halten, statt Abstand halten.“ Weiter raunt man von der „Möglichkeit der Vernetzung mit Gleichgesinnten“

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Boulevard mit Maske: Die Schauspielerinnen Charlotte Gainsbourg und Emmanuelle Béart geben fleißig Autogramme. Die Berlinale ist nun mal ein Publikumsfest und will das Kino feiern. | Foto © Berlinale

Die Berlinale läuft – ganz in echt und unter Pandemiebedingungen.

In Berlin laufen die 72. Filmfestspiele. Über Filme wird zunächst kaum diskutiert – umso mehr über Sinn und Unsinn eines Festivals in der Pandemie, schreibt Tim Caspar Boehme in der „Taz“. „Der Ton ist mittlerweile ähnlich schrill, wie man ihn längst andernorts in Teilen der sozialen Medien beklagt. […] Darüber geraten zwei normative Appelle auf Kolli­sionskurs: Die Frage nach der Verantwortung für die Gesundheit anderer steht plötzlich gegen die Rettung des Kinos. Zweierlei Dinge mithin, die man besser separat betrachten sollte. […] Durch eine Onlinelösung wie im vergangenen Jahr hätte die Berlinale womöglich riskiert, mit einem weit weniger namhaften Programm dazustehen. Das sind für ein Filmfestival ernsthafte Schwierigkeiten, erst recht für eines der drei wichtigsten, zu denen die Berlinale mit Cannes und Venedig zählt. In übergeordneter Perspektive geht es zudem um die Zukunft des Kinos, für die die Berlinale ein Zeichen setzen soll. Eine Absage des Festivals oder eine Streaminglösung, so die Befürchtung, könnten sich verheerend auf die Bereitschaft auswirken, grundsätzlich wieder und öfter ins Kino zu gehen.“ 

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Analog, hybrid oder digital? Dahinter steckt auch die Frage, was eigentlich ein kollektives Filmerlebnis ausmacht: Wenn möglichst viele Menschen im Kino beieinander sitzen oder wenn sehr viel mehr Menschen den selben Film sehen können – überall auf der Welt? Szene aus dem Forum-Film „Nuclear Family“. | Foto © Creative Agitation

Am Donnerstag beginnt die Berlinale. Und zwar als reine Präsenzveranstaltung. Das hatte für kontroverse Reaktionen gesorgt. 

Die läuft Berlinale läuft wieder – als reine Präsenz-Veranstaltung. Ein Online-Angebot wird es nicht geben. Das ist Realitätsverweigerung, findet die Filmkritikerin Anna Wollner in ihrem Kommentar beim RBB und fordert: „Sagt die Berlinale ab!“ Man habe versäumt, auf ein Hybrid- oder Online-Festival umzusteigen. „Auf dem von Wissenschaftlern prognostizierten Peak der Welle wird der Potsdamer Platz zum Ort eines Präsenz-Filmfestivals. Ein Ort der Begegnung. Bei einem Filmfestival geht es nicht nur um das kollektive Erleben von Filmen auf der großen Leinwand, es geht um den Austausch miteinander. Ein Austausch, der in diesem Jahr nur einer sehr privilegierten Gruppe zustehen wird. […] Als Journalist*in auf die Berlinale zu gehen, ist wie Russisch Roulette spielen. Die Kolleg*innen, die am letzten Tag noch einen negativen Test vorweisen können, sollten mit einem Ehrenbären ausgezeichnet werden. Ja, das Kino und die Kultur brauchen starke Zeichen. Aber kein Film, vor allem kein Filmfestival der Welt ist es wert, die eigene Gesundheit und die der anderen leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Sollte die Berlinale zum Superspreader-Event werden, ist ihr Ruf – auch international – wohl endgültig ruiniert.“

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Alle reden von der Filmkunst. Doch deren Verleiher wurden in der Pandemie vom Fördersystem im Stich gelassen. Björn Koll, Geschäftsführer von Salzgeber, hat einen sehr Offenen Brief geschrieben. | Foto © Salzgeber

In zwei Jahren Pandemie haben sich die Filmförderungen für das Kino stark gemacht. Doch die Filmverleiher werden im Regen stehen gelassen – zumindest jene, die auch „etwas schwierigere Filme und Themen“ im Kino möglich machen wollen. In einem Offenen Brief  erklärt Björn Koll, Geschäftsführer von Salzgeber, die Unsinnigkeiten des Fördersystems. Hier der Text in ganzer Länge:

Liebe Filmemacherinnen und Filmemacher, liebe Produzentinnen und Produzenten,

seit fast 40 Jahren sind wir bei Salzgeber ein hoffentlich guter, verlässlicher und treuer Partner für Eure Filme und gemeinsam haben wir gerade auch für den deutschen Nachwuchs, die Dokumentarfilme und die etwas schwierigeren Filme und Themen vieles im Kino möglich gemacht und schöne Erfolge feiern können. Nun landen hier immer mehr Projekte auf meinem Schreibtisch: Ihr wollt einen neuen Film drehen, habt vielleicht schon eine erste Förderung bekommen und benötigt nun einen Verleihvertrag, um es mit den nächsten Bausteinen der Finanzierung einfacher zu haben oder gar DFFF-Mittel zu erhalten. Ich sage Euch immer häufiger ab und ganz zurecht verdienen diese nicht-inhaltlichen Absagen eine Begründung:

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1968, als wenigstens morgens um 7 die Welt noch in Ordnung war. | Foto © HR/Degeto

… und am Ende des Tages sind wir alle klüger. Warum wir nicht in ruhigen Zeiten leben, und das auch gut so ist – Gedanken in der Pandemie, Folge 144.

„Ohne Spaltung keine Politik.“
Michael Rutschky (1943-2018)

„The mind does not come to life until it meets something it cannot comprehend.“
James Carse (19??-2020)

Eine lange Winterschlaf-Pause war das; jetzt sind wir wieder da im Herbst der Pandemie, bevor diese dann zu einer Endemie wird. Wollen wir doch hoffen!

Aber auch in den letzten fünf Wochen hat sich – seien wir ehrlich! – nichts wesentlich geändert. Die Themen,  die öffentlich im Zusammenhang mit der Pandemie diskutiert werden, sind die gleichen geblieben: Impfpflicht, der Umgang mit Impfgegnern, die Frage der Gefährlichkeit von Omikron, der sozialpsychologische Zustand der Republik, der Vergleich mit England (die natürlich alles schlechter machen, als wir), der Vergleich mit Österreich (wo man nichts schlechter macht, manches vielleicht sogar besser, es aber bei uns nicht wahrhaben will), vielleicht noch der Blick nach Schweden (wo sowieso alles ganz schlimm ist, oder?).

Gleich geblieben sind auch die Leerstellen, also das was nicht besprochen wird, 

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„Den Weihnachtsmann gibt es nicht“, hatte ein Bischof auf Sizilien gepetzt und wurde prompt als Spielverderber geschimpft. Dabei hatte er bloß das Geschäftsmodell dahinter angeprangert: „Warum bringt der Weihnachtsmann nur den Reichen Geschenke und nicht den Kindern, die nichts haben?“ Szenenbild aus „Versprochen ist versprochen“. | Foto © 20th Century Fox

Entscheidende Augenblicke: Französische Erfahrungen, deutsche Fragen und die Steuerungsfähigkeit des Staates in der Tyrannei der Ungeimpften – Gedanken in der Pandemie, Folge 143.

„Die Schlacht von Austerlitz ist die schönste, die ich jemals geschlagen habe.“
Napoleon Bonaparte, an Josephine, am 2. Dezember 1805

„Der Nebel begann sich zu zerteilen, und in einer Entfernung von etwa zwei Werst konnte man bereits auf den gegenüberliegenden Höhen feindliche Truppen wahrnehmen, wenn auch nur undeutlich. Von links unten wurde das Schießen vernehmbar. Kutusow machte halt und sprach ein paar Worte mit einem österreichischen General. Fürst Andrej hielt dicht hinter ihm und beobachtete die beiden, dann wandte er sich an einen Adjutanten, um sich dessen Fernrohr auszubitten. ,Sehen Sie bloß, sehen Sie bloß‘, sagte dieser Adjutant und blickte nicht auf die Truppen in der Ferne, sondern vor sich den Berg hinunter. ,Das sind die Franzosen!‘ Die beiden Generäle und die anderen Adjutanten griffen nach dem Glase und entrissen es einer dem anderen. Ihre Gesichter hatten sich plötzlich verfärbt und drückten Entsetzen aus. Sie hatten die Franzosen in zwei Werst Entfernung geglaubt, und jetzt standen sie plötzlich unerwartet vor ihnen. ,Ist das der Feind? … Nein! … Aber sehen Sie doch, das ist er … ganz sicher … Was ist das?‘ schwirrte es durcheinander. Fürst Andrej erkannte mit bloßem Auge rechts unten eine dichte Kolonne Franzosen, die nicht weiter als fünfhundert Schritt von der Stelle entfernt war, wo Kutusow hielt. Jetzt ist er da, der entscheidende Augenblick. Jetzt ist’s an mir! dachte Fürst Andrej, riss sein Pferd herum und ritt an Kutusow heran.“
Leo Tolstoi, 

„Den Weihnachtsmann gibt es nicht.“
Antonio Staglianò, Bischof von Noto auf Sizilien am 6.12.2021

Es gibt nicht nur eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, sondern auch epidemische Lügen. Und  epidemische Dummheit von nationaler Tragweite. Sie kann man leider nicht abschaffen.

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Pieks! | Grafik © Ayzit Bostan

Proporz-Probleme und Wissenschaft – Gedanken in der Pandemie, Folge 142.

„Wir müssen jene berücksichtigen, die fortgesetzt Fragen stellen und keine Schlüsse ziehen.“
Albert Camus, Schriftsteller, Philosoph

„Ich möchte nicht, dass wir dazu beitragen, dass die Schwierigkeiten noch größer werden.“
Rita Süßmuth, Gesundheitsministerin, 1985 zu ihrer AIDS-Kampagne

„Was im kollektiven Unterbewusstsein der Epoche rumort, das erscheint mit tödlicher Sicherheit auf der Leinwand – wenn auch zumeist in gefälliger Verpackung, mit tröstlichem Happy End und den Wechseln der Maskierung. Wenn unser Blick diese Schichten durchdringt, stoßen wir auf Zentralpunkte des modernen Lebensgefühls – und immer wieder auf die große Angst, das verborgene Leitmotiv der Zivilisation: Angst vor der Katastrophe, Angst vor der Langeweile, Angst vor der Angst.“
Gunter Groll, Filmkritiker

 

Wir können Geburtstag feiern. Aber vielleicht ist uns gar nicht zum Feiern zumute. Trotzdem: Vor fast genau zwei Jahren wurde das Covid-19-Virus erstmals in Europa nachgewiesen. Man hat dem damals noch keine große Bedeutung gegeben. aber ungefähr vor zwei Jahren und so um Weihnachten oder Silvester 2019 herum ging alles los. Und dann ging es wie wir uns erinnern sehr schnell. seitdem ist immer wieder von der neuen Normalität oder gar von der neuen Realität die Rede, was ich beides für ziemliches ideologisches Geschwätz halte. Denn weder sind die Verhältnisse normal noch hat sich die Realität – zu Erinnerung: gemeint ist die Wirklichkeit – geändert.

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Freiheit oder Pflicht? Die Impffrage ist zu einem Kulturkampf geworden. Szenenfoto aus „Idiocracy“. | Foto © 20th Century Fox

Wie dysfunktional Medien heute mit Intellektualität umgehen: Protokoll einer sehr deutschen Debatte, Akt I – Gedanken in der Pandemie, Folge 141.

„Was heißt das übersetzt? Sind das dumme Menschen, die sich nicht impfen lassen?“
Markus Lanz

„Manche kriegen wir gar nicht mehr. Bei manchen wirkt vielleicht die Bratwurst. Bei manchen wirkt das rationale Kalkül, manche kriegt man noch über Solidarität.“
Alena Buyx, Medizinethikerin

Dienstag, der 2. November 2021 war der Tag, an dem in Deutschland erstmals einigermaßen vernünftig über das Boostern geredet wurde. Davor hat fast niemand davon gesprochen, schon gar nicht der damals noch amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn. Da trat in der außergewöhnlichen und unbedingt nachholenswerten Sendung „Markus Lanz“ die Vorsitzende des deutschen Ethikrats, die Medizinethikerin Alena Buyx, vors Publikum, und sagte „das niedrigschwellige Impfen ist eine wichtige Sache, aber man muss auch nach-boostern.“

Von diesem Tag an war auf einmal klar: zwei Impfungen reichen nicht – das schlichte 2G ist nicht genug.

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Der eine kommt, die andere geht. Millionen schalteten zum Abschied der Kanzlerin den Fernseher ein, um zu hören wie ein Nina-Hagen-Hit mit Blasmusik klingt. Und Karl Lauterbach wird in Zukunft wohl weniger Zeit für Talkshows haben. | Foto © BR

Karl Lauterbach talkt sich auf einen Ministersessel. Und die Physikerin tritt ab – Gedanken in der Pandemie, Folge 140.

„Ich möchte Deutschland dienen.“
Angela Merkel, 2005 bei ihrem Amtsantritt

„Weg mit den Spaltern der Arbeiterfront/ den Verrätern am Proletariat!/
Uns hilft nur die Rote Einheitsfront/ von Arbeiter, Bauer und Soldat/
Heraus aus dem alten Wahne/ Die Einheitsfront marschiert/
Unter der roten Fahne/ von Marx und von Lenin geführt.“
Text: Erich Weinert; Komposition: Hanns Eisler; Gesang: Ernst Busch 

Deutschland ist gerettet! Der Messias ist da!! Das Volk hat seinen Retter!!! Den Pandemieversteher, der spätestens heute auch ein Pandemiegewinner ist: Karl Lauterbach. Er ist der beste Beweis dafür, wie man allein durch Talk-Show-Auftritte Macht gewinnen, und sich die Gunst des Volkes und damit der Parteien erringen und sich unentbehrlich machen kann. 

Das Beste an dieser Ernennung ist, dass das Bild des heiligen Lauterbach jetzt ziemlich schnell Risse bekommen wird. Denn alle Menschen machen Fehler. Und auch Karl Lauterbach ist, selbst wenn das manche nicht mehr wahrhaben möchten, ein Mensch. Er wird Fehler machen. Und das ist zumindest für ihn eine neue und gute Erfahrung.

Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios kommentierte heute treffend: „Lauterbach verdankt seine Berufung einer medialen Dauerpräsenz und seiner öffentlichen Position als Corona-Mahner. Jetzt aber muss Lauterbach beweisen, dass er nicht nur von der Pandemie warnen, sondern sie auch managen kann.“

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Es kriselte schon mächtig: Anfang 1969 trafen sich die Beatles sich in einem Filmstudio für die Aufnahmen zu ihrem Album „Let it be“. Peter Jackson hat das Material eindrucksvoll restauriert. Der Doku-Dreiteiler „Get Back“ erzählt das Ende der Kult-Band neu. | Foto © Disney Plus

Die Medien als Pandemie-Treiber. Das Versagen der Politik. Und die Verantwortungslosigkeit der Bürger – Gedanken in der Pandemie, Folge 139.

„Doesn’t have a point of view/Knows not where he’s going to/Isn’t he a bit like you and me?“
The Beatles, „Nowhere Man“

„If you are the dealer, I’m out of the game
If you are the healer, it means im broken and lame
If thine is the glory, then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame“
Leonard Cohen, „You Want It Darker“

„Vertrauen ist der Anfang von allem.“
Deutsche-Bank-Werbespot, 1990er-Jahre 

„Ich bin hingerissen!“ schrieb mir ein begeisterter Oliver Zenglein gleich ganz unmittelbar am gestrigen Sonntag seinen Eindruck von Peter Jacksons Doku-Miniserie über die Beatles: „Und ich war immer eher der John-Lennon- Typ. Aber jetzt bin ich ein Fan von Paul. „Peter Jackson kommentiert nichts. Er lässt es laufen. Wir sehen vier junge Männer (die sind ja erst zwischen 25 und 28, sehen aber älter aus) die eigentlich schon alles erreicht haben, aber die mit Epstein ihren Vater verloren haben. Sie sind so unglaubliche Musiker und trotz allem auch Kindsköpfe. Es ist magisch zu sehen, wie ,Get Back‘, ,Don‘t Let Me Down‘ und ,Let It Be‘ entstehen. Und Yoko? Und Paul? Hier muss Musikgeschichte umgeschrieben werden. Die beiden waren nicht der Grund der Trennung.“

Auch sonst erfährt man offenbar Neues: „Wusstest du, dass sie Billy Preston ins Studio geholt hatten und er eigentlich auf allen Songs der LP ,Let It Be‘ dabei ist? Er war quasi ein schwarzer fünfter Beatle.“ 

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