Gedanken in der Pandemie 145: „Mal schauen, wie das ausgeht …“
Geisterspiele: Netz, Fußball und Feuilletonkolumnen als Objekt von Symbolpolitik – Gedanken in der Pandemie, Folge 145.
„Man sollte nicht Handlanger eines ideologischen Lagers sein, und man darf keine Angst vor Wutstürmen haben. Genau dazu ist die Meinungsfreiheit ja da: um Dinge zu sagen, die manche nicht hören möchten.“
Harald Martenstein, 20. Februar 2022
„Die einzige Kirche, der ich angehören möchte, ist die, die man im Dorf lässt.“
Hermann L. Gremliza (1940-1919), „Konkret“-Chefredakteur
Der ganz normale Wahnsinn unserer Gegenwart treibt immer neue Blüten. So gibt es seit kurzem auch ein Datingportal für Ungeimpfte.
Wer plötzlich „viel Freizeit wegen 3G“ hat, kann auf dem „Verbindungsportal“ „Impffrei.Love“ Liebespartner finden, denen garantiert kein Bill-Gates-Chip eingepflanzt wurde. Mit einem Bild des Matterhorn wirbt die Schweizer Website, die, wie die SZ berichtet, mit einer semipolitischen Organisation namens „Generation Freiheit“ verbandelt ist, in leicht surrealen Worten für „Impffreie Liebe“ und wendet sich an „alle impffreien und bewussten Menschen“, die „lieber Händchen halten, statt Abstand halten.“ Weiter raunt man von der „Möglichkeit der Vernetzung mit Gleichgesinnten“
Auch die kleinen Selbstportraits einiger offenbar als Aushängeschilder gedachter Mitglieder sind Realsatire: Etwa „Moody“ aus Frankreich trägt einen Bart wie der Zwerg Gimli im „Herr der Ringe“ und salbadert in einer Mischung aus Quasselstrippe und Managerdeutsch: „Ich bin begeistert von dieser Vernetzungsmöglichkeit mit impffreien Menschen – die sich für alternative Strukturen einsetzt“. Dann wird er weinerlich: „In der Kulturbranche ist der Impfdruck gewaltig – die meisten meiner Kollegen sind durchgeimpft. Musik zu spielen, auf der Bühne zu stehen und unter Menschen zu sein ist meine Leidenschaft. In der bestehenden Kulturbranche umgeimpft weiter tätig zu sein, ist so gut wie unmöglich.“
„Sky“ aus Deutschland ist dagegen offenbar gerade als Wassergeist einem Bächlein entstiegen, und lässt ihre Hände übers Schilf streifen: „Als Gärtnerin liebe ich es, mich mit der Natur zu verbinden. Super dass man sich bei Impffrei:Love jetzt auch mit natürlichen und impffreien Menschen und naturbelassenen Partnern verbinden kann.“ Bei der Formulierung vom „naturbelassenen Partner“ habe ich offen gesagt ein bisschen gestutzt: Sucht Sky etwa auch noch speziell nach Anhängern des „Non Bathing“? Einem weiteren Trend, der offenbar direkt aus Hollywood nach Deutschland gekommen ist und wieder mal in Sachsen und Franken besonders viele Anhänger hat. In der Corona-Zeit, heißt es in der „Sächsischen Zeitung“, haben viele Menschen weniger geduscht. Vielleicht wurden all diese Leute ja früher mal zu heiß gebadet?
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Von dem ganzen Hokuspokus abgesehen ist diese Plattform für zwei grundsätzliche Trends interessant: Die Lust auf Filterblasen kennt jeder. Irgendwann hat man halt keine Lust auf Grundsatzdebatten, sondern bewegt sich lieber unter Menschen, die in bestimmten Fragen ähnlich ticken. Soweit so gut und verständlich, aber natürlich auch ein bisschen asozial, denn das soziale Leben besteht ja bis zu einem bestimmten Grad auch aus dem Aushalten von Widersprüchen und Widerspruch anderer. Sie zu verweigern hat etwas Kindisches.
Das zweite ist eine neue Entwicklung, die direkt der Pandemie entspringt: Unser Umgang mit der Pandemie und unser jeweiliger Impfstatus ist nämlich nicht mehr eine Frage der persönlichen, freien Entscheidung – also gerade nicht einer „Generation Freiheit“, mit der das Impfskeptikerportal so lauthals hausieren geht – sondern ein Persönlichkeitsmerkmal. Manche Menschen machen sogar Liebe und Partnerwahl nicht mehr von Konfektionsgröße, Herkunft, Beruf oder Weltanschauung abhängig, sondern vom Anteil der Covid-19-Antikörper im Blut.
Es gibt hier übrigens grundsätzlich keinen Unterschied zu jenen Menschen, die ihre Beziehungen all denen abgebrochen haben, die die Corona-Maßnahmen kritisieren oder die sich aus irgendeinem Grund nicht impfen lassen wollen.
Meine Ansicht zum Impfen und zur Impfpflicht habe ich hier oft genug deutlich gesagt. Aber das Hauptproblem hinter beiden Grundpositionen ist der Absolutismus der Meinungen der tendenziell zu einem Fanatismus wird, und Abweichungen vom eigenen Denken nicht mehr imstande ist zu tolerieren. Frei nach Walter Benjamin: Corona als Religion.
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Womit wir bei Harald Martenstein wären. Genauer gesagt beim erzwungenen Abschied des Autors und Kolumnisten Martenstein von der Berliner Lokalzeitung „Tagesspiegel“, für die er seit fast 35 Jahren mit kurzer Unterbrechung schrieb. Selber schuld! könnte man natürlich dazu sagen, aber darum geht es hier nicht. Sondern darum, wie eine Zeitung, die immerhin zum renommierten Holtzbrinck-Verlag gehört, einen ihrer Autoren behandelt.
Wie die SZ berichtet, hatte die Chefredaktion des „Tagesspiegel“ eine Kolumne ihrer Edelfeder, anstatt die Freiheit des Autors zu verteidigen, nach Protesten aus dem Netz genommen – und dies ohne Rücksprache mit dem Autor.
„Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des ,Tagesspiegels’ angemessen“, heißt es dazu wörtlich. Auch Meinungsstücke wie Glossen, Kolumnen und Kommentare dürften „scharf“ sein, „persönlich verletzen sollten sie nicht“. Zynismus, gezielte Provokation und „Graubereiche, die zu Missverständnissen einladen oder verleiten“, seien zu vermeiden.
Was war geschehen? Tatsächlich hatte Martenstein im „Tagesspiegel“ am 6. Februar 2022 über Nazivergleiche geschrieben, und über Menschen, die sich selbst einen ,Judenstern’ anstecken. Der Autor schreibt unter anderem: „Dass Donald Trump, Wladimir Putin, Sebastian Kurz oder die AfD heute mit Hitler oder der NSDAP verglichen oder gar gleichgesetzt werden, versteht sich von selbst, obwohl sich dabei Historikern die Fußnägel hochrollen und man so etwas durchaus ,Verharmlosung des Holocaust’ nennen könnte. […] Wer den Hitlervergleich bemüht, der natürlich nie stimmt, möchte sein Gegenüber als das absolut Böse darstellen, als Nichtmenschen. Der Vergleich will Hitler gerade nicht verharmlosen, er macht ihn zu einer Art Atombombe, die einen politischen Gegner moralisch vernichten soll. Der Judenstern dagegen soll seine modernen Träger zum absolut Guten machen, zum totalen Opfer. Er ist immer eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung, er ist für die Überlebenden schwer auszuhalten. Aber eines ist er sicher nicht: antisemitisch. Die Träger identifizieren sich ja mit den verfolgten Juden. Jetzt, werden auf Corona-Demos häufig Judensterne mit der Aufschrift ,ungeimpft’ getragen. Von denen, die das ,antisemitisch’ nennen, würden wahrscheinlich viele, ohne mit der Wimper zu zucken, Trump mit Hitler und die AfD mit den Nazis vergleichen. Der Widerspruch in ihrem Verhalten fällt ihnen nicht auf.“
Ich hätte so etwas, jedenfalls die zweite Hälfte des Textes, nicht geschrieben. Nicht, weil ich das für schlimm halte, sondern weil Martenstein aus meiner Sicht eines übersieht: Dass es den neuen Trägern des Judensterns auf Corona-Demos nicht so sehr darum geht, sich mit Opfern zu identifizieren, sondern darum, den Staat der Pandemie-Politik, also demokratisch legitimierte Personen und Institutionen mit den Nazis gleichzusetzen, und den Wahn einer „Corona-Diktatur“ zu legitimieren.
Man kann Martensteins Text also kritisieren. Aber ist er grenzüberschreitend? Auch nur missverständlich? Gar „persönlich verletzend“?
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Harald Martenstein schrieb nach dem Vorfall in seiner nächsten Kolumne, die leider nicht frei lesbar ist, und darum hier ebenso vollständig zitiert wird, wie vielfach in den sozialen Netzwerken:
„Am 2. Mai 1988 habe ich beim Tagesspiegel angefangen, also kurz nach der Mondlandung. Mit Ironie sollte man übrigens vorsichtig umgehen, so hat es mir damals der Redaktionsleiter Günter Matthes eingeschärft: ,Die Leser verstehen das nicht.’ Von allen großartigen Journalisten, die ich beim Tagesspiegel kennenlernen durfte, war er, ein unbeugsamer Liberaler, einer der eindrucksvollsten. Er war nicht links, er war nicht rechts. Er war geradeaus. Bis heute denke ich, wenn ich mich an ein Thema setze, manchmal: ,Was würde wohl Matthes dazu sagen?’ Mein Kollege Bernd Matthies schrieb über ihn, er habe ,ein paar Mal die Empörung der halben Stadt West-Berlin derart auf sich gezogen, dass die ganze Stadt davon geredet hat – er war in seinen prononcierten Meinungen von politischen Lagern ebenso unabhängig wie von der eigenen Anzeigenabteilung.’
Das war meine Schule. Nur so kann man als Journalist glaubwürdig sein. Man sollte nicht Handlanger eines ideologischen Lagers sein, und man darf keine Angst vor Wutstürmen haben. Genau dazu ist die Meinungsfreiheit ja da: um Dinge zu sagen, die manche nicht hören möchten. Es zu tun, habe ich an dieser Stelle viele Jahre lang versucht, mal besser, mal schlechter, manchmal fehlerhaft. Ich danke all den Leserinnen und Lesern, die mich wieder und wieder ermutigt haben. Ich entschuldige mich bei denen, deren Briefe ich nicht beantworten konnte, weil die Zeit fehlte.
Dies ist meine letzte Kolumne für diese Zeitung, mit der ich fast genau mein halbes Leben verbracht habe. Ich war, was für ein Zufall, etwa genau so lange Autor des Tagesspiegels wie Günter Matthes. Wer meinen Sound gemocht hat, sollte regelmäßig die Wochenzeitung Die Zeit aufschlagen, dort findet man mich im Magazin.
Es ist kein Geheimnis, dass die Chefredaktion des Tagesspiegels sich in aller Form von einem meiner Texte distanziert und ihn gelöscht hat. Ich war in diese Entscheidung nicht eingebunden. So etwas bedeutet in der Regel, dass man sich trennt, den Entschluss dazu habe ich gefällt. Ich finde, jeder sollte in der Lage sein, sich zu diesem Text selbst ein Urteil zu bilden. Er steht auf meiner Facebook-Seite und meiner Website harald-martenstein.de. Wie immer habe ich geschrieben, was ich denke. Leute, die Judensterne benutzen, um sich zu Opfern zu stilisieren, sind dumm und geschichtsvergessen. Leute, die auf ihren Demos zur Vernichtung Israels aufrufen, sind etwas gefährlicher. Ich habe meine Meinung nicht geändert. Vielleicht irre ich. Wo man glaubt, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz.
Sollte die Redaktion die Größe besitzen, mir diese Abschiedsworte zu gestatten und sie nicht zu löschen, danke ich ihr dafür.“
Diese Vorgehensweise ist Symptom für die fortschreitende Erosion der Debattenkultur und eines tatsächlich – und nicht nur relativ! – freien öffentlichen Diskurses. Sprachpolizei, Cancel-Culture und die diskursverengende, zur Willkür einladende Rede vom „angemessenen Ton“ stehen für seine Zerstörung und einen neuen Extremismus der Mitte.
Es sind genau diese freiheitsfeindlichen, intoleranten und letztlich in Zensur mündenden Tendenzen, die ich auch in den letzten zwei Jahren an diesem Ort immer wieder im Zusammenhang mit Corona beobachtet und angegriffen habe – auch zum Ärger mancher Leser, die glauben, man würde nur seinen eigenen Spleen ausleben, oder auf etwas vollkommen Nebensächlichem herumreiten. Der Fall Martenstein zeigt: Es geht nicht um etwas Nebensächliches, sondern um das Herz der Demokratie.
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Günter Matthes war übrigens der Vater von Ulrich Matthes.
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Ein Blick zurück: Schon mehrere Wochen lang war der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder nicht mehr bei „Anne Will“ oder „Maybrit Illner“ eingeladen. Darum kurierte er seine offenbar vorhandenen Talkshow-Entzugserscheinungen bereits vor sechs Wochen mit einem Auftritt im „Doppelpass“, der Fußball-Talkshow bei „Sport1“. (Söder ist ab der 50. Minute dabei).
Und auch wenn es bei dieser Sendung in erster Linie um Fußball geht, war es natürlich ein hochpolitischer Auftritt. Söder hatte nicht nur den FC Bayern zu kommentieren, sondern vor allem das Verhältnis zwischen Corona-Pandemie und deutschem Fußball, und die recht populistischen Vorwürfe gegen „reiche Clubs“ und ihre „Großverdiener“, die angeblich fortwährend Sonderrechte zugestanden bekommen.
Ausgerechnet der Vorzeigeklub des deutschen Fußballs hatte die Pandemie über die Winterferien am Schlechtesten im Griff: Viele Spieler des FC Bayern waren da zu einem Kurzurlaub unterwegs: Malediven, Dubai, Senegal hießen die Reiseziele. Das Ergebnis: Ein gutes Drittel des Kaders kam infiziert zurück.
Quarantänien hieß daraufhin ihr neuer Urlaubsort. Die Spieler zeigten sich als die Egoisten, die sie für ihre Verächter seit jeher sind. Sie bewiesen Illoyalität gegenüber ihrem Verein und gegenüber den Fans.
Es stimmt auch darum nicht, was gerne gesagt wird: Der Fußball sei ein reines „Abbild der Gesellschaft“. Zur Zeit sind rund 10 Prozent aller Bundesliga-Spieler mit Corona infiziert, aber nur knapp 0,9 Prozent aller Deutschen. Gerade darin ist die Bundesliga also ein Abbild nicht der Gesellschaft, sondern ein Abbild eines bestimmten Typus junger Männer aus sozialschwachen Verhältnissen. Woran liegt das? An Bildungsschwächen und -mängeln der Fußballer? An ihrer Herkunft aus überdurchschnittlich oft nicht-europäischen Ländern? An fehlender Eigenverantwortung? Ein Thomas Müller ist zum Beispiel im Gegensatz zu seinen Kollegen Neuer, Sané, Coman, Hernandez etc. im Winterurlaub zu Hause geblieben, weil er gesagt hat, er habe „jetzt keinen Bock, unter diesen Umständen zu reisen“.
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Sport ist ein relevanter Teil der Gesellschaft. Vor allem der Profisport ist ein privilegierter Bereich. Auch Söder ging im „Doppelpass“ darauf ein: „Wir haben generell das Reisen nicht verboten. Also kann man das keinem vorwerfen. Auch wohin er reist. Am Ende müssen das die Vereine selber entscheiden und müssen genau überlegen. Fußballspieler sind natürlich ganz normale Menschen. Aber sie sind umgekehrt auch sehr privilegiert: sie verdienen eine Menge Geld; sie stehen in der Öffentlichkeit, […] insofern hätte ich da schon Verständnis, wenn die Vereine ihnen bestimmte Regeln geben. Es wäre sicherlich klüger gewesen, daheim zu bleiben. […] Fußball ist unglaublich populär, hat aber damit auch eine Vorbildfunktion. Das hat man ja gut gesehen an der Debatte um Joshua Kimmich. Insofern muss man das gut in die Balance bringen.“
Das Hauptproblem des Corona-Alltags sind auch im Profisport die krass unterschiedlichen und rational nicht nachvollziehbaren Regelungen, in allen Bereichen, die kein Mensch mehr versteht. Man hat den Eindruck: Der Fußball muss wieder einmal für Symbolpolitik herhalten, die sachlich kaum berechtigt ist. Warum dürfen Musical-Hallen zweimal pro Tag mit 750 Menschen und einer Auslastung von 45 Prozent besetzt werden und in den großen Freiluft-Stadien aber nur 10 Prozent Zuschauer zugelassen werden? 800 Zuschauer durften in eine Halle zum Eishockey gehen, die Fußballstadien im Freien aber mussten lange leer sein. Die Münchner Oper darf zu 50 Prozent belegt sein, das Kino zu 25 Prozent, das Stadion nicht. Aber auch innerhalb des geschlossenen Fußball-Kosmos gilt: Geisterspiele sind längst nicht überall Geisterspiele. In dem einem Stadion sind 3.000 Zuschauer zugelassen, im nächsten gar 5.000, im übernächsten nur 500, im bayerischen bis vor zwei Wochen gar keine.
Söder verteidigte Spiele ohne Zuschauer: „Wir haben ja die Geisterspiele deswegen beschlossen, weil in Bayern eine Überlastung der Krankenhäuser absolut da war. In einigen Regionen konnten selbst Krebspatienten und Herz-Kreislauf Patienten nicht mehr behandelt werden, weil keine Intensivbetten und keine Pflegekräfte mehr da waren.“ Der bayerische Ministerpräsident sieht zugleich „schon eine Wettbewerbsverzerrung […] eigentlich bräuchten wir einheitlich europäische Regeln. In Italien empfiehlt die Regierung, überhaupt auszusetzen. Die Liga entscheidet anders. In England ist die Situation auch völlig durcheinander. Das Ganze führt zu einer völlig verzerrten Situation. Deswegen bräuchte es einheitliche Regeln. So geht’s einfach nicht.“
Der Fußball-Journalist Martin Quast widersprach: „Alle Vereine haben seinerzeit zugestimmt, weil nur mit genau dieser vereinbaerten Regelung der Spielbetrieb in jedem Fall aufrechterhalten werden kann. Alle Vereine gehen damit das Risiko potenzieller Personal-Einschränkungen ein, und der entsprechenden Wettbewerbsnachteile. Die Vereine wissen, was sie da unterschrieben haben.“
Später stellte Söder für die nähere Zukunft Lockerungen in Aussieht. „Jetzt muss man erstmal sehen wie sich Omikron entwickelt.“
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Vielleicht muss man aber auch anders fragen: Sind wir zu vorsichtig? Die anderen zu leichtfertig? Denn auch international gibt es sehr verschiedene Regeln: Deutschland, Österreich und die Niederlande erlauben wenige bis gar keine Zuschauer. In England gibt es umgekehrt keine Begrenzung. In Spanien darf ein Stadion zu 75 Prozent gefüllt werden; in Italien zu 50 Prozent.
Diese unterschiedlichen Stadionbesuchs-Regeln führen aber nicht zu Inzidenz- oder Krankheits-Ergebnissen, die irgendwelche Bezüge zu ihnen erkennen ließen.
Der Sportjournalist Mario Kottkamp brachte bei „Sport 1“ diese Einwände und das unterschwellige Gefühl, dass die Corona-Politik kaum etwas mit der Pandemie-Entwicklung zu tun hat, sondern nur mit politischen Darstellungsfragen der politischen Akteure, auf den Punkt: „Müssen wir in Deutschland nicht unsere Einstellung zu den Virus ändern? Müssen wir hier in Deutschland nicht akzeptieren, dass das Virus da ist. Und es so machen, wie es die Engländer machen: Sie achten darauf, dass die Krankenhäuser nicht voll laufen. Aber diese Zahlen, die wir hier jeden Tag um die Ohren gepfeffert kriegen, sind denen am Ende eigentlich relativ egal. Ist das eine Einstellungssache von uns? Ist es nicht so typisch deutsch, dass wir jeden Tag immer an Zahlen und an Regeln denken?“
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Söder wollte das nicht gelten lassen, und lästerte lieber über das Ex-EU-Mitglied: „Bei England wird einem manchmal schon ein bisschen mulmig. Die machen ein großes Experiment mit ihrer Bevölkerung. Mal schauen wie das ausgeht. […] Ich will Großbritannien keinen Ärger machen, aber man wundert sich über manches.“
Söder berief sich immer wieder auf den Expertenrat der Bundesregierung, man habe insgesamt immer gut reagiert.
„Glauben Sie, dass das irgendeinem Spaß macht? Wir greifen ständig ein in Bereiche, von denen ich früher gar nicht wusste, dass das politisch überhaupt geht. Ich hätte nie gedacht dass das die Politik überhaupt entscheiden kann.“
Zugleich habe er die Spaltung der Gesellschaft noch nie so stark erlebt, wie jetzt. „Wir müssen alles dafür tun, neben der medizinischen auch eine psychologische und soziale Situation wieder zusammen zu führen. Die Gesellschaft muss irgendwie wieder geheilt und versöhnt werden.“
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„Ich habe meine Meinung nicht geändert. Vielleicht irre ich. Wo man glaubt, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz.“
Harald Martenstein, 20. Februar 2022