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Gegensätzliche Perspektiven und markige Ansagen gab’s auch in Filmen und den anschließenden öffentlichen Pressekonferenzen. Sie mutierten aber mitunter zu inspirierenden Filmgesprächen. Szenenfoto aus „My Favorite Cake“. | Foto © Hamid Janipour

Auf der Berlinale wurden übrigens auch Filme gezeigt. Als vielfältig, unabhängig und risikobereit wurde das Programm angekündigt. Das sei auch gelungen, findet unsere Autorin. Dabei konnte sie nicht mal alles im Wettbewerb sehen. 

Die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin gehen mit einer heftigen Unstimmigkeit zu Ende. Die auf der Abschlussveranstaltung geäußerten Meinungen einzelner Preisträger*innen zum Nahostkonflikt und die Reaktion von Teilen des Publikums darauf werden von einigen als antisemitisch wahrgenommen. Eine kulturelle Großveranstaltung, die nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, also dem 7. Oktober 2023, in Deutschland stattfindet, sollte mit einer solchen Herausforderung rechnen. Die Frankfurter Buchmesse hatte es im Oktober 2023 vorgemacht. Eine Rede des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek löste zum Auftakt der Buchmesse eine scharfe Diskussion aus. In Frankfurt gelang es den Verantwortlichen und dem Publikum, die mitunter als Zumutung empfundenen Einlassungen auszuhalten. Möge es auch in Berlin gelingen.

Denn wie jedes Jahr öffnete die Berlinale 2024 auch wieder weite Horizonte. Das Programm wurde als vielfältig, unabhängig und risikobereit angekündigt. Und so ist es schließlich auch. Die Vielfalt der gezeigten Filme beweist, dass es geht: Verschiedene Perspektiven dürfen nebeneinander stehen und auch in den Dialog treten. Monologe, bisweilen auch markige Ansagen gab es auf den Pressekonferenzen. Sie mutierten aber mitunter zu inspirierenden Filmgesprächen, die – ganz wichtig! – für alle öffentlich zugänglich sind auf Youtube. So erklärte der in Berlin lebende russische Dokumentarist Victor Kossakovsky die großen Zusammenhänge, die wichtig sind fürs Verständnis seines Wettbewerbsbeitrags über Baumaterialien (dazu mehr weiter unten im Text). Dann wurde er dringlich und rief seinen Appell ins Publikum: „Wacht auf! Zement und Zucker ruinieren euer Leben!“ Am Ende gratulierte er den Berliner*innen ausdrücklich zum Erhalt des unbebauten Tempelhofer Feldes. 

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Ein kleiner Skandal ab und zu gehört ja zu jedem großen Festival. Die Berlinale erlebte sie dieses Jahr als Miniserie. Das sollen Cannes und Venedig erstmal nachmachen. | Foto © cinearte

 

Mit dem Wettbewerb war kaum jemand zufrieden, mit den Preisen schon. Wichtiger als die Filme wurde aber der „Eklat“ zur Preisverleihung. Statt Gala gab’s eine Kundgebung in Abendgarderobe – mit anschließender Debatte um Kunst und Politik.

Das letzte Jahr war ganz schön aufregend für die Berlinale. Nach zwei Corona-Jahren sollte das Festival eigentlich neu starten. Stattdessen gab’s plötzlich weniger Geld, weniger Kinos, schlechte Personalpolitik und in letzter Minute noch die Frage, ob man Leute vom Festival ausladen soll oder ihnen lieber die Filme vorführt, die dort laufen. Das sollte eigentlich reichen. Doch ganz zum Schluss ereilte das Filmfestival doch noch ein Eklat. Aber der Reihe nach. 

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Carlo Chatrian verlässt die Berlinale, 436 Filmemacher*innen aus aller Welt protestieren. Schlecht fürs Image. Und ein Konzept ist auch noch nicht zu erkennen.| Foto © Pablo Ocqueteau/Berlinale

Los geht’s mit der Neuaufstellung der Berlinale. Die Kulturstaatsministerin hat eine Findungskommission einberufen, um eine neue Intendanz zu finden. Dazu gibt es aber noch einige Fragen. Zum Beispiel nach überhaupt einem Konzept.

Carlo Chatrian verlässt die Berlinale – als Rausschmiss sehen es viele. Dagegen protestieren 436 Filmemacher*innen aus aller Welt in einem Offenen Brief, den „Variety“ vorige Woche veröffentlichte. Unterzeichnet haben unter anderem Martin Scorsese, Radu Jude, M. Night Shyamalan, Kristen Stewart, Hamaguchi Ryusuke and Margarethe von Trotta. Sie werfen der Kulturstaatsministerin in der Sache „schädliches, unprofessionelles und unmoralisches Verhalten“ vor, das auch die Berlinale beschädigt habe. Sie fordern „nachdrücklich“, Chatrians Vertrag zu verlängern:

„Trotz der schwierigsten Umstände, die sich Chatrians Kontrolle entziehen – der Pandemie, finanziellen Einschränkungen und einem sich verschlechternden Festivalzentrum rund um den Potsdamer Platz – waren die vergangenen Ausgaben unter seinem Leitlicht sehr lebendig, voller positiver Überraschungen und trotz einer geringeren Anzahl von gezeigten Filmen sehr beliebt, auf Augenhöhe mit den Zeiten vor der Pandemie. Außerdem haben sich die Filme, die in den vergangenen vier Jahren mit den wichtigsten Preisen des Festivals ausgezeichnet wurden, als wichtige Filme bestätigt, da alle von der Kritik gefeiert und auf der ganzen Welt entweder in kommerziellen Schaltungen oder auf anderen wichtigen Festivals gezeigt werden. Anstatt Carlo Chatrian für seine Bemühungen, sein Engagement und seine Geduld zu belohnen, hat sich die Ministerin dafür entschieden, die Schwierigkeiten weiter zu erhöhen, bis Carlo Chatrian gezwungen war, bekannt zu geben, dass er nach Abschluss seines aktuellen Vertrags nicht weitermachen wird, da die Position des künstlerischen Direktors aufgelöst wurde. Es überrascht nicht, dass keine bessere Vision für das Festival präsentiert oder diskutiert wurde, außer der fragwürdigen und politisch rückständigen Forderung nach einer starken Hand, die die Berlinale angeblich in Form eines ,Intendanten’ braucht.“

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Vor vier Jahren hatten Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian die Leitung der Berlinale als Doppelspitze übernommen – 2024 wird für beide die letzte Berlinale sein. Es soll wieder nur einen geben. Oder eine. | Foto © Berlinale/Alexander Janetzko

Die Berlinale soll deutlich gestärkt werden, verkündet die Kulturstaatsministerin. Dafür gibt’s zwar kein Geld, aber eine alte Idee: Intendanz statt Doppelspitze.

Die Berlinale wird neu aufgestellt, verkündete die Kulturstaatsministerin am vorigen Donnerstag. „Das wichtigste Filmfestival Deutschlands und eines der wichtigsten Filmfestivals weltweit“ soll deutlich gestärkt werden, heißt es in der Pressemitteilung. Dafür gibt’s zwar kein Geld, aber eine alte Idee: Intendanz statt Doppelspitze. Dafür gibt’s zwar kein Geld, aber eine alte Idee: Intendanz statt Doppelspitze.

Zustimmung kommt von Hanns-Georg Rodek in der „Welt“: Das Modell Doppelspitze sei gescheitert: „Insider sprechen auch von einer ,Dysfunktionalität’ der Struktur, die ein effektives Arbeiten erheblich behindert habe. […] Der Rang der Berlinale ,in der Liga der internationalen A- Filmfestivals’ hat in den vergangenen Jahren erheblich gelitten.“

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Vor drei Jahren war die Welt vorm Berlinale-Palast noch in Ordnung. Dann kamen Seuche, Krieg und Inflation … | Foto © Alex Janetzko/Berlinale

Das Budget bleibt gleich, die Kosten explodieren. Deshalb soll die Berlinale kleiner werden. Am Dienstag verkündete das Führungsduo sein Einsparkonzept. 

Der Berlinale offenbar harte Einschnitte bevor: Ganze Bereiche des Programms könnten wegen Kostendrucks gestrichen werden, berichtete vorige Woche Hannah Pilarczyk im „Spiegel“. Der Artikel steht hinter der Bezahlschranke, wurde aber sogleich weitererzählt: „Dem Magazin zufolge hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth der Berlinale ein ,indirektes Sparprogramm’ auferlegt, deshalb könnten drei der zwölf Sektionen künftig wegfallen: die Reihe für deutsche Nachwuchsfilme ,Perspektive Deutsches Kino’, diejenige für die Serien ,Berlinale Series’ und sogar die umfängliche Retrospektive mitsamt der meist zehnteiligen ,Hommage’, die Filme des jeweiligen Ehrenpreis-Gewinners präsentiert“, erklärt Christiane Peitz im „Tagesspiegel“. „Dass die Berlinale mit weniger Geld auskommen muss als vor der Pandemie, ist schon länger eine traurige Gewissheit. […] Auf Nachfrage heißt es nun aus dem Festivalbüro: ,Es gibt keine externe Sparvorgabe der BKM, vielmehr sehen wir als Festival angesichts stagnierender Budgets und steigender Kosten die Notwendigkeit, ressourcenschonende Maßnahmen zu ergreifen, um langfristig ein starkes Festival und eine gute Plattform für die Filmindustrie garantieren zu können’. Deshalb, so Geschäftsführerin Rissenbeek, ,wollen wir die Anzahl der Filme im Gesamtprogramm weiter straffen’.“

In der „Berliner Zeitung“ glaubt auch Susanne Lenz an eine Entwarnung: „Statt Sektionen abzuschaffen, möchte die Berlinale offenbar überall sparen.“

Von wegen! Am Dienstag meldeten sich die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian mit einem etwas konkreteren Einsparkonzept. Insgesamt sollen nur noch 200 Filme in den Sektionen laufen. In diesem Jahr seien es 287 gewesen. Der Wettbewerb ist davon nicht betroffen. Das Leitungsduo sieht das als „Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren.“ Ganz aufgelöst wird die Sektion Perspektive Deutsches Kino, die Filme deutscher Nachwuchsregisseure präsentierte. Die sollen künftig in den anderen Sektionen laufen –  damit „soll eine stärkere internationale Wahrnehmung für die in Deutschland produzierten Debüt- und Zweitfilme ermöglicht werden.“

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„Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum und bauen so Barrieren zu dieser Filmkultur ab“, sagt Dokfest-Leiter Daniel Sponsel. | Foto © Dokfest München

Rund 35.000 Gäste meldet das diesjährige Dokfest München zum Abschluss. Das erreicht zwar noch nicht den Stand vor Corona, doch das Festival läuft auch weiterhin dual. Und erreichte damit insgesamt 56.000 Zuschauer*innen – so viele wie noch nie. Die Kombination von Heim und Kino habe sich bewährt, findet der Festivalleiter Daniel Sponsel.

Herr Sponsel, zwei Jahre lang fand das Dokfest München virtuell statt, im vorigen Jahr lief es dual, dieses Jahr scheint alles wieder normal. Was ist geblieben vom Ausflug ins Virtuelle?
Das Freizeit- und das Rezeptionsverhalten, nicht nur unseres Publikums, hat sich durch die zwei Jahre der Pandemie relevant verändert – das ist die eine Erkenntnis. Die andere Erfahrung, die wir dank der rein digitalen Editionen gewinnen konnten, ist der Gewinn des bedingungsloseren Zugangs zu dem sorgfältig kuratierten Filmprogramm, das wir anbieten. Die jeweils drei bis vier Filmvorführungen, die wir im Kino in München anbieten, haben eine Kapazität von maximal 500 bis 600 Plätzen, das ist ganz schön exklusiv. Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum, das nicht zu den Vorführungen im Kino erscheinen kann, und bauen auf diese Weise Barrieren für die Zugänge zu dieser Filmkultur ab. Weiterlesen

Mit Geld allein hat der Deutsche Film keine Zukunft. Es braucht auch Spielraum, damit schräge Ideen schiefgehen können. Und ein anderes Fördersystem, finden die Teilnehmer*innen beim Kongress in Frankfurt. | Foto © Elisa Grehl

Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.

„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“

Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.

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Preisgala bei den „First Steps Awards“ im „Theater des Westens“ in Berlin. Festivals und Preise gibt es reihenweise für den Nachwuchs in Deutschland. Doch nach dem Abschluss wird die Luft plötzlich dünn für die neuen Talente. | Foto © Florian Liedl/First Steps

Wenn die Branche wirklich bessere Filme will, sollte sie den Nachwuchs vielleicht einfach mal machen lassen. In einem Appell redet der junge deutsche Film ungewohnten Klartext.

Der Deutsche Film tut sich zurzeit bekanntlich etwas schwer. Am sogenannten Nachwuchs sollte es jedenfalls nicht liegen. Der räumt bei den „Hochschul-Oscars“ regelmäßig ab und punktet auch immer wieder auf Festivals. Beste Voraussetzungen also für eine Branche, die gerne Größeres vorhätte, aber sich doch nicht traut: „Entstand der erste Lang?lm nicht im Rahmen des Studiums, vergingen nach dem Abschluss Im Durchschnitt fünf Jahre bis zur Realisierung“, stellte der Produzentenverband in seiner Nachwuchsstudie 2021 fest. 

Jetzt reden die jungen Talente (zum Teil schon weit über 30) selbst. Und das in ungewohntem Klartext. Im Rahmen des Kongresses Zukunft Deutscher Film (mehr zum Kongress in der nächsten Ausgabe) stellten die Regisseurinnen Eileen Byrne und Pauline Roenneberg am Mittwoch den Appell „Angst essen Kino auf“ vor. „Junger deutscher Film 2023“ nennt sich die Initiative; bis heute haben 434 Filmschaffende aus allen Gewerken unterzeichnet, weitere 357 haben sich solidarisch erklärt, darunter auch viele prominente Namen. Weiterlesen

Eine Mission hat das Abenteuer hinter den Kulissen schon erfüllt: Selten haben sich die Kritiken so mit den Filmkünsten beschäftigt, wie bei „The Ordinaries“. | Foto © Bandenfilm

Das Kino feiert sich ja immer wieder gerne selbst. Aber auf die Idee ist in mehr als 100 Jahren auch noch keiner gekommen.* Sophie Linnenbaum traut sich was in ihrem Debüt- und Abschlussfilm „The Ordinaries“.

„Alles andere als ein gewöhnlicher Abschlussfilm“, fand die Jury beim „First Steps Award“: Mit „The Ordinaries“ beendete Sophie Linnenbaum Masterstudium an der Filmuniversität Babelsberg. Das Drehbuch, das sie mit Michael Fetter Nathansky geschrieben hat, führt tief in die Welt des Films: In ein Metaversum, das streng in Haupt- und Nebenfiguren, Komparsen und Outtakes unterteilt ist. Der Film selbst kennt keine Grenzen und zieht munter durch die Genres – in der Dystopie wird gesungen und getanzt, in Farbe und Schwarzweiß.

Dafür gab’s nach der Uraufführung beim Filmfest München im vorigen Sommer den „Förderpreis Neues Deutsches Kino“ gleich zweimal: für Regie und Produktion. Viele weitere Auszeichnungen folgten. Beim „Deutschen Filmpreis“ ist der Film für Szenenbild und VFX nominiert. Heute startet „The Ordinaries“ in den deutschen Kinos (in Österreich zwei Wochen später). In den kommenden Tagen sind Cast und Crew auf Kinotour.

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Zum Start eine internationale Premiere: „Where We Live” von Sotiris Goritsas eröffnet das Greek Filmfestival. Wir wollten ein bisschen leicht sein und uns ein bisschen von der „Weird Wave“ entfernen, erklärt die Festivalleiterin Sofia Stavrianidou. | Foto © Feelgood Entertainment

Am Mittwoch eröffnet das Greek Film Festival in Berlin. Bei der achten Auflage stellt sich auch Crew United Greece vor. „Eine einzigartige Gelegenheit“, findet die Festivaldirektorin Sofia Stavrianidou. Denn ein Festival lebe auch vom Bezug zur Branche.

Wie organisiert man ein nationales Filmfestival in einer der größten Filmstädte Europas? Sofia Stavrianidou hat eine Antwort: „Die Künstler sind nur ein Teil des gesamten Mechanismus. Ich glaube fest daran, dass ein Festival von Profis organisiert wird.“ Stavrianidou selbst machte Öffentlichkeitsarbeit sowohl in Griechenland als auch in Deutschland, von Thessaloniki bis Cottbus,  und ist jetzt Leiterin des Greek Film Festival in Berlin.
Bei der achten Ausgabe ist Crew United als Partner und Preisstifter dabei: In der Veranstaltung „Show Me the Crew!“ präsentiert sich die Plattform vor Fachpublikum. „Eine einzigartige Gelegenheit“, sagt Stavrianidou. „Die Kraft eines Festivals ist auch der Branchenbezug. Deshalb kommen unsere Regisseur*innen hierher: Sie wollen das Publikum treffen, aber auch ihre Kolleg*innen. Für uns, muss ich sagen, ist diese Initiative ein Geschenk, denn Crew United ist ein Werkzeug, das jeder benutzt, es ist in Deutschland weit verbreitet, also ist dies eine Chance für die Griech*innen, es aktiver zu nutzen.“

Frau Stavrianidou, das Festival wurde 2015 als „Hellas Filmbox“ gegründet. Was ist Ihr Hauptziel und wie hat es sich entwickelt?
Im Laufe der Jahre ist es reifer geworden. Unser Fokus liegt darauf, unser Publikum sowohl aus Deutschen als auch natürlich Griech*innen, die in diesem Land leben, zu versammeln. Wir müssen ihnen diese Filme nahebringen, weil sie als Ausländer das Bedürfnis haben, sich mit ihrem eigenen Land zu verbinden. Und dann gibt es natürlich eine andere Art von internationalem Publikum, weil Berlin in seinen Gemeinden viele Sprachen spricht. Wir wollen das neue Griechische Kino zu diesem Publikum bringen.

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Die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ ist längst keine Nische für den Nachwuchs mehr. Die Filme greifen aktuelle Brennpunkte auf und zeigen an, welche Themen die nächste Generation beschäftigt. Der Dokumentarfilm „Vergiss Meyn Nicht“ basiert auf dem Originalmaterial eines Filmstudenten, der während einer Räumung im Hambacher Forst starb. | Foto © Made in Germany

Wenn alle nur auf den Wettbewerb starren, zieht hinten vielleicht unbemerkt die Zukunft vorbei. Gerade in der kleinsten Sektion bot sich eine echte „Perspektive Deutsches Kino“.

Längst ist die Sektion Perspektive Deutsches Kino kein Nebenschauplatz, bespickt mit deutschen Nischenproduktionen. Jetzt sollte man auch endlich mal die pauschale und oft maulig dahingeworfene Abwertung der Beiträge als „deutsche Perspektivlosigkeit“ ablegen. Leicht haben es die Filme der Sektion dieses Jahr in Konkurrenz mit den Haupt- und Nebensektionen der Berlinale trotzdem nicht gehabt. Wenn im Hauptwettbewerb des Festivals gleich fünf deutsche Filme antreten, ist es ungleich schwerer, Redaktionen und Publikum für die „Perspektive“ zu begeistern. Auch die Nebensektionen fuhren jede Menge Titel aus Deutschland ein. Das Generation-14plus-Programm öffnete mit „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von Sonja Heiss, die 2007 mit „Hotel Very Welcome“ Perspektive-Teilnehmerin war. Im Berlinale Special zeigte Robert Schwentke seinen „Seneca“-Film. Auch er hatte von der Perspektive bereits eine Chance bekommen. 2003 liefen seine „Eierdiebe“ im Programm. Es gab noch mehr Titel, die von der Aufmerksamkeit für die kleinste Reihe des Festivals (was die Anzahl der Produktionen betrifft), weglenkten. Davon demnächst an anderer Stelle, in einem anderen Text. Um es noch einmal zu betonen: fünf deutsche Filme liefen im Wettbewerb. Zum Teil alte Bekannte mit Dauerabonnement. Wer neue Namen, neue Talente entdecken wollte, musste also die Sektion wechseln.

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Die „European Shooting Stars 2023“ (von links): Benedetta Porcaroli (Italien), Kayije Kagame (Schweiz), Yannick Jozefzoon (Niederlande), Leonie Benesch (Detuschland), Joely Mbundu (Belgien), Judith State (Rumänien), Kristine Kujath Thorp (Norwegen), Gizem Erdogan (Schweden), Thorvaldur Kristjansson (Island), Alina Tomnikov (Finnland). | Foto © EFP/Harald Fuhr

Schauspieltalente, die man sich merken sollte, präsentiert die European Film Promotion seit 26 Jahren auf der Berlinale als „European Shooting Stars“. Rachel Weisz und Daniel Craig waren ganz am Anfang ihrer Karrieren dabei. Das haben wir uns gemerkt und baten den neuen Jahrgang zum Videointerview über Vorbilder, Träume und Arbeit.

Zehn Schauspieler*innen, deren Arbeit hervorragend ist. Zehn Gesichter, die man im Auge behalten muss. Mit anderen Worten: die „European Shooting Stars 2023“. Seit 1998 stellt die European Film Promotion auf der Berlinale vielversprechende Nachwuchstalente aus den Mitgliedsländern vor. In einem viertägigen Programm treffen sie Caster*innen, Regisseur*innen, Produzent*innen und Journalist*innen aus der ganzen Welt, um ihre Netzwerke zu erweitern und die nächsten Schritte in ihrer Karriere zu machen. Aus Deutschland gehörten Jürgen Vogel, Fritz Karl, Franka Potente und Rachel Weisz zum ersten Jahrgang. 

Der aktuelle Jahrgang ist der 26. Wir trafen die neuen Talente für eine Reihe von Videointerviews und fragen, wie sie ihren Träumen folgen, während sie sich im Geschäft zurechtfinden müssen. Über Glück und Frust beim Casting, und über das, was sich ändern soll.
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„Das ZDF ist Marktführer im deutschen Fernsehen. Also wird ,Der Schwarm’ gemacht wie übliches ZDF-Fernsehen.“ Schauwerte seien aber schon drin, findet „Der Tagesspiegel“. Frank Schätzing (hier bei den Dreharbeiten) gefällt die Adaption seines Bestsellers trotzdem nicht: „Es pilchert, wo es schwärmen müsste“, findet er. | Foto © ZDF/Michael Habermehl

Das Buch war ein Weltbestseller, das ZDF machte eine Serie daraus: Mehr als 40 Millionen Euro hat „Der Schwarm“ gekostet, diese Woche ging er auf Sendung. Die Quote stimmt jedenfalls.

Das Thema trifft den Nerv der Zeit, die Vorlage war ein Weltbestseller – da kann ja nichts schiefgehen. Und außerdem braucht Deutschland eh mehr High-End-Serien mit 2,5 Millionen Euro Förderung. Gestern startete das ZDF seine neue Mini-Serie „Der Schwarm“ nach dem Roman von Frank Schätzing. Vorab war der Öko-Thriller schon in der Mediathek zu sehen. 

Fast zwei Jahrzehnte wartete das 1.000 Seite starke Buch auf seine Verfilmung. Die vergeblichen Anläufe in Hollywood beschreibt René Meyer bei „Heise“. Stattdessen wurde das Werk zur Serie, zur teuersten deutschen bisher: Mehr als 40 Millionen Euro hat sie gekostet, finanziert im europäischen Senderverbund, zu einem Drittel getragen vom ZDF. Zufrieden ist Meyer mit dem Ergebnis nicht: „Biedere und farblose Unterhaltung, kühl und distanziert, mit blassen Charakteren und wenigen Höhepunkten. Wie eine ZDF-Serie aus der Zeit, als der Roman entsteht.“  

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Die Gewinner*innen des „Fair Film Award 2023“ mit Moderatorin in der Kulturbrauerei in Berlin. | Foto © Alena Sternberg

Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.  

Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet,  steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier. 

Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärten  Benesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.

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Die einen gehen, die anderen kommen gar nicht erst. Das zeigt: Etwas läuft ganz gewaltig schief in der Filmbranche – doch die kämpft nur gegen die Symptome, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. | Foto © Alena Sternberg

Die Branche hat ein Personalproblem. Mit neuen Programmen und Förderungen ist es nicht getan, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“. In ihrer Keynote zum „Fair Film Award Fiction“ erklärten sie, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft:

„Als Studentinnen der Filmuniversität Babelsberg und angehende Producerinnen stehen wir kurz davor, in die Branche einzutreten und können es eigentlich kaum erwarten. Endlich die Menschen bezahlen, mit denen wir arbeiten. Endlich auch mal selbst bezahlt werden. Und Filme machen, die auch gesehen werden. Gleichzeitig blicken wir in eine Branche, deren Strukturen so alt und verkrustet sind, dass es fast unmöglich scheint, darin noch gute, innovative, qualitativ hochwertige Filme zu machen. Strukturen, die von starken Hierarchien geprägt sind und von einem teilweise extrem rauen Umgangston; von der Erwartungshaltung, dass die Arbeit beim Film wichtiger ist, als alles andere. In denen Leidenschaft mit absoluter Opferbereitschaft verwechselt wird. Strukturen, denen ein Förder- und Finanzierungssystem zu Grunde liegt, das den Anforderungen der Realität kaum noch gerecht werden kann. Weiterlesen