Spannung mit Gefühl: „Der Schwarm“ 

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„Das ZDF ist Marktführer im deutschen Fernsehen. Also wird ,Der Schwarm’ gemacht wie übliches ZDF-Fernsehen.“ Schauwerte seien aber schon drin, findet „Der Tagesspiegel“. Frank Schätzing (hier bei den Dreharbeiten) gefällt die Adaption seines Bestsellers trotzdem nicht: „Es pilchert, wo es schwärmen müsste“, findet er. | Foto © ZDF/Michael Habermehl

Das Buch war ein Weltbestseller, das ZDF machte eine Serie daraus: Mehr als 40 Millionen Euro hat „Der Schwarm“ gekostet, diese Woche ging er auf Sendung. Die Quote stimmt jedenfalls.

Das Thema trifft den Nerv der Zeit, die Vorlage war ein Weltbestseller – da kann ja nichts schiefgehen. Und außerdem braucht Deutschland eh mehr High-End-Serien mit 2,5 Millionen Euro Förderung. Gestern startete das ZDF seine neue Mini-Serie „Der Schwarm“ nach dem Roman von Frank Schätzing. Vorab war der Öko-Thriller schon in der Mediathek zu sehen. 

Fast zwei Jahrzehnte wartete das 1.000 Seite starke Buch auf seine Verfilmung. Die vergeblichen Anläufe in Hollywood beschreibt René Meyer bei „Heise“. Stattdessen wurde das Werk zur Serie, zur teuersten deutschen bisher: Mehr als 40 Millionen Euro hat sie gekostet, finanziert im europäischen Senderverbund, zu einem Drittel getragen vom ZDF. Zufrieden ist Meyer mit dem Ergebnis nicht: „Biedere und farblose Unterhaltung, kühl und distanziert, mit blassen Charakteren und wenigen Höhepunkten. Wie eine ZDF-Serie aus der Zeit, als der Roman entsteht.“  

Ähnliche Kritiken (dort angeführt) überspringen wir. Ebenso die Häme beim Publikum, von der das Boulevard im Netz berichtet (etwa bei „T-Online“, bei „TV Spielfilm“ oder im „Merkur“). Denn das Prestigeobjekt ist ein Quotenrekord: Fast sieben Millionen Menschen schalteten in Deutschland ein – mit einem Marktanteil von 24,4 Prozent einer der erfolgreichsten Serienstarts der vergangenen Jahre. In Österreich startete „Der Schwarm“ mit 20 Prozent Publikumsanteil, bei der zweiten Folge waren es bereits 23 Prozent, meldet „Der Standard“. 

„Allerdings sind die TV-Quoten nur die halbe Wahrheit, denn in den vergangenen knapp zwei Wochen hat die ZDF-Serie in der Mediathek ebenfalls bereits ein Millionenpublikum erreicht“, schreibt Alexander Krei bei „DWDL“. Soll heißen: es kommt noch besser! Demnach „verzeichnete die erste Folge bis einschließlich Sonntag mehr als 2,6 Millionen Sichtungen und auch die Folgen vier bis sechs, die erst Mitte vergangener Woche veröffentlicht wurden, kamen bereits auf jeweils über eine Million Sichtungen.“ 

Unzufrieden mit der Adaption ist allerdings der Autor der Vorlage. Als „zusammengeschusterten Unsinn ohne aktuelle Relevanz“ bezeichnete Schätzing die Serie schon vor dem Start im Interview mit der „Zeit“ [Bezahlschranke]: „Manches ist kinoreif, anderes rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV. Es pilchert mehr, als es schwärmt. Gute Schauspielerriege, aber unterfordert. Die globale Dimension der Bedrohung wird nicht spürbar, von Aktualität oder einer intelligenten Alien-Strategie ganz zu schweigen. Man hätte dem Narrativ des Romans mehr vertrauen sollen, der Maximaleskalation des Thrillers.“ 

Die Reaktion des Senders und von Showrunner Frank Doelger schilderte „Der Spiegel“ via DPA: „Schätzing war anfangs Teil des Produktionsteams um Frank Doelger, des Producers von ,Game of Thrones’, gewesen, zog sich aber aufgrund von inhaltlichen Differenzen zurück. ,Am Ende wollte er den ,Schwarm’ im Alleingang erzählen, nur nach seinen Vorstellungen’, sagte Schätzing. Doelger hatte bereits im letzten Sommer dem ,Spiegel’ gegenüber erklärt, dass er stark in die Romanvorlage eingegriffen habe, weil die Charaktere nicht mehr zeitgemäß gewesen seien. In einem aktuellen Statement verweist er nun noch mal explizit darauf, dass eine Liebesaffäre zwischen einem älteren weißen Mann und einer 20 Jahre jüngeren Frau, so wie sie im Zentrum der Buchvorlage steht, einem modernen Publikum nicht mehr vermittelbar sei.“ 

Barbara Eder führte bei vier der acht Folgen Regie. Im Interview mit Doris Priesching antwortete sie im „Standard“ auf die Vorwürfe. „Was Schätzing hier anklagt, ist sein Buch. Es gab von Regisseuren den Wunsch, davon etwas rauszunehmen. Das wäre nicht gegangen. Da gab es Kräfte in ihm, die total dagegen angekämpft haben. […] Handwerklich hätten wir es in der Bildsprache wie einen fetten amerikanischen Blockbuster aussehen lassen können. Wir haben uns ganz bewusst entschieden, das nicht zu tun, weil wir unsere eigene Sprache entwerfen wollten. Natürlich war Englisch die dominierende Sprache, aber wir wollten weiter gehen und die Dinge anders machen. Wir wollten eine europäische Art der Erzählung. […] Ich habe versucht, die Wissenschaft außen vor zu lassen und die Emotionen in den Vordergrund zu bringen. Mich haben die Beziehungen interessiert. Der Schlüssel für mich war die Meeresbiologin Antje Boetius, die uns wissenschaftlich beraten hat. Ich wollte wissen, wie diese Art von Wissenschafter sind, wie sie ticken und habe mir zig von ihr empfohlene Dokus angesehen – über Menschen, die Monate auf Arktis-Schiffen wissenschaftlich arbeiten. Man sieht einerseits, wie sie Woche für Woche schlimmer aussehen, aber auch, wie lustig sie sein können. Da habe ich einen Zugang gefunden, den ich in die Inszenierung einfließen lassen konnte.“ 

„Enttäuscht kann nur der sein, wer vom ZDF mehr und anderes als ZDF-Fernsehen erwartet. Der öffentlich-rechtliche Sender ist im bereits elften Jahr hintereinander Marktführer im deutschen Fernsehen. Das hat das Programm mindestens so geprägt wie sein Publikum“, kommentiert Joachim Huber im „Tagesspiegel“. „Es muss alles im ZDF-Rahmen bleiben, im Erwartungshorizont von ZDF und ZDF-Publikum. Bloß kein Systemsprenger. So wird man Marktführer, so bleibt man Marktführer.“