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Dreharbeiten zu „Oppenheimer“. Die Menschen im Bild muss man sich wegdenken – auch die großen Stars machen mit beim Streik ihrer Kolleg*innen in Hollywood. Am Donnerstag verließ der gesamte Cast die Premiere des Films. | Foto © Melinda Sue Gordon/Universal

Seit Wochen streiken die Autor*innen. Jetzt ziehen auch die Schauspieler*innen mit: Nach 63 Jahren erlebt die Traumfabrik wieder einen Doppel-Streik.

Die Verhandlungen mit den großen Filmstudios und Streaming-Diensten in den USA sind gescheitert. Nun streikt auch die Schauspiel-Gewerkschaft Screen Actors Guild (SAG-AFTRA). Ihre Forderungen ähneln denen der Screen Writers Guild, die bereits seit Anfang Mai im Ausstand ist. „Es ist der erste Streik der Schauspielgewerkschaft seit vier Jahrzehnten und der erste Doppel-Streik seit 1960“, rechnet „Die Zeit“ mit Agenturmeldungen vor. Damals erwirkten die beiden Gewerkschaften die Einführung von Krankenversicherungs- und Rentenbeiträgen. Vorsitzender des SAG war Ronald Reagan.

Was der Doppel-Streik heute bedeutet, erklärte in der „New York Times“ ein anonymer Agent, „laut dem der Streik der Autoren 80 Prozent der Produktionen zum Stillstand brachte – der Schauspielstreik würde sie nun vollkommen lahmlegen. […] Von den Autoren kam Lob für die Entscheidung. Scott Moore, der unter anderem an den Drehbüchern von ,Bad Moms’ und ,Hangover’ mitwirkte, sagte: ,Die Leute mögen hübsche Gesichter. Schauspieler sehen besser aus als Drehbuchautoren, und wir bekommen vielleicht mehr Aufmerksamkeit.‘“ 

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Das Foto passt zur Stimmung, findet Benedict Neuenfels. | Foto © Sabin Tambrea

Neulich erhielten der DoP Benedict Neuenfels und sein Team noch die höchste Ehre, jetzt stehen sie vor einem Problem. Wie die Insolvenz bei Zero One sich auch auf andere in der Branche auswirkt.

Ausgezeichnet wurde Benedict Neuenfels schon oft. Zwei „Lolas“ für die beste Bildgestaltung hat er erhalten, zwei „Grimme-Preise“ und sogar siebenmal schon den „Deutschen Kamerapreis“. Und einen „Oscar“-Film hat er auch fotografiert. Anfang Mai kam noch der „Marburger Kamerapreis“ dazu. Das klingt ein bisschen kleiner, ist aber etwas ganz Besonderes für die Zunft. Einmal im Jahr steht ein*e DoP im Mittelpunkt, wird ein Gesamtwerk in Filmen, Gesprächen und Vorträgen gewürdigt, in denen Wissenschaft, Filmkritik und Kameraleute übers Kino sprechen und genauer hinsehen. Das zeigt sich auch in der Jurybegründung, die nicht nur die Arbeit mit bekannten Regisseur*innen erwähnt, sondern sich eingehend mit den Feinheiten der Bildgestaltung beschäftigt. Und dem, was dahinter steckt:

„Bei der erzählerischen und technisch-gestalterischen Arbeit kann sich Benedict Neuenfels jederzeit auf ein Kamerateam verlassen, das zum Teil seit fünfunddreißig Jahren mit ihm zusammenarbeitet. Dazu gehören Kameraassistent Andreas Erben, Key Grip Markus Pluta und Oberbeleuchter Rainer Stonus. Philip Wölke kam als Techniker für das Digitale Bild (DIT) und Berater für Green-ScreenAufnahmen vor 16 Jahren dazu und ist seither ein ebenso fester Bestandteil des Teams. Die Verleihung des Marburger Kamerapreises gilt also nicht Benedict Neuenfels allein, sondern ebenso seinem Team, das bei jeder gemeinsamen Arbeit aufs Neue eindrucksvoll demonstriert, dass auch Kameraarbeit immer auch als Kollaboration zu denken ist und nur ein gut eingespielter Verbund Außergewöhnliches zu leisten imstande ist.“

Soweit die gute Nachricht. Denn vorige Woche hat die Berliner Produktionsfirma Zero One Film Insolvenz angemeldet. Die Nachricht hat auch Neuenfels und sein Team kalt erwischt:

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Kultur sieht die AfD streng in Schwarz und Weiß. Nur eine von beiden findet sie gut. Szenenfoto aus „M – eine Stadt sucht eine Mörder“ (1931). | Montage © cinearte

Die AfD ist im Stimmungshoch und hält nicht viel von Kunstfreiheit. Was tun? Das „Netzwerk Film & Demokratie“ lud zur Podiumsdiskussion.

Eine Umfrage ist noch keine Wahl. In Umfragen erreicht die AfD zurzeit Höchstwerte – 20 Prozent ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Insa in seiner wöchentlichen repräsentativen Umfrage für die „Bild“. „Das ist mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr!“ bemerkt die Zeitung – die AfD wäre damit die zweitstärkste Partei nach der CDU und vor der SPD.

Muss man sich sorgen um die Demokratie? Sorgen machen sich viele in der Filmbranche. Und das nicht erst jetzt. Im Februar hatte sich das „Netzwerk Film & Demokratie“ mit einer Online-Konferenz vorgestellt. Drei Jahre Vorbereitung in Zeiten der Pandemie waren dem vorausgegangen. Inzwischen haben sich 30 Verbände und Institutionen der Branche angeschlossen. Mit dem Münchner Filmfest lud das Netzwerk am Montag zur Podiumsdiskussion – moderiert von Julia Weigl, nachzuhören auf Youtube. 

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Vor vier Jahren hat Felicitas Darschin ihre eigene Nachwuchsförderung gestartet. Mit Absolvent*innen der HFF München entwickelt sie im „Feenlab“ gemeinsam Geschichten – ehrenamtlich: „ich habe bisher leider noch keinen Fördertopf dafür entdeckt“, sagt die Regisseurin. | Foto © Zoe Hoffmann

Was passiert eigentlich mit dem Nachwuchs, wenn er größer wird? Felicitas Darschin hat Spielfilm-Regie studiert, macht aber noch viel mehr. Autorin ist sie auch, unterrichtet seit mehr als zehn Jahren, arbeitet als Fotografin und hat neben drei Spielfilmen einige TV-Dokus gedreht. Ihren Hauptberuf jedoch liebt sie ganz besonders und würde ihn gerne noch häufiger ausüben. Sprich: mehr inszenieren!

Frau Darschin, Ihr Langfilmdebüt als Regisseurin haben Sie gleich nach dem Abschluss an der HFF München gegeben. Inzwischen gibt es schon ihren dritten Film. Der sei ja die größte Hürde für junge Talente, heißt es immer wieder. Fühlen Sie sich als Nachwuchs von der Filmbranche gut gefördert?
Jein. Mein Debüt konnte ich erfreulich schnell nach dem Abschluss drehen, wofür ich unter anderem dem BR wirklich dankbar bin. Nun bin ich auch schon 41 – die Pause vor dem dritten Langfilm war also viel zu lang für meinen Geschmack, da juckte es schon weit vorher wieder in den Regie-Fingern. Als ich in München an der HFF studiert habe, wurden, je nach Sender, noch zwischen 10 und 40 Fernsehspiele und Kino-Koproduktionen finanziert und umgesetzt. Dann wurde die Schlagzahl deutlich kleiner –  Finanzkrise und dadurch bedingte Branchenkrise seit 2008. Damals waren da vor allem viele Herren um die 50, die das verbleibende Regie-Feld dominierten. Ich war 26. 

Und als Neuling bekamen sie dann den Märchenfilm zugeteilt …
Ich bekam sogar die Chance, danach noch einen Film für die Degeto zu machen. Deren Chef Jörn Klamroth war ein mutiger Mann noch vom alten Schlag. Er mochte meinen fantasievollen „Zwerg Nase“ und vertraute mir ein „Problem-Projekt“ an, aus dem eine andere Kollegin bereits ausgestiegen war – eine etwas unentschlossene Komödie. Leider war das Buch nicht so der Burner, aber ich wollte einfach drehen und hätte in meiner Anfangsphase vermutlich zu allem ja gesagt. 

Eine Fehlentscheidung?
Ich bereue nichts, aber die Branche bewertet einen da ziemlich streng, vor allem wenn man eigentlich noch ganz andere künstlerische Ambitionen hat als Regisseurin. Insofern hätte ich mir definitiv noch mehr Chancen gewünscht, mich weiter ausprobieren zu dürfen und andere Facetten zu zeigen.
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Die Filmbranche ist klein. Wer petzt oder meckert, setzt leicht seine Existenz aufs Spiel. Szenenfoto aus „Manta, Manta – Zwoter Teil“.  | Foto ©  Constantin/Bernd Spauke

Ganz so schlimm ist die Filmbranche doch nicht, sagt der Geschäftsführer des Regieverbands. Aber auch: Man muss in dieser Szene mit Kritik sehr vorsichtig sein. Warum eigentlich?

Die Verhältnisse in der deutschen Filmbranche sind weiter im Gespräch. In der „Frankfurter Rundschau“ fragt Johanna Krause den Regisseur Jobst Oetzmann, der auch Geschäftsführer des Regieverbands (BVR) ist. „Natürlich weiß man, dass es solche Einzelfälle gibt, aber in dieser Ausprägung sind sie in der Filmbranche ausgesprochen selten. Ich bin seit über 30 Jahren im Filmgeschäft, und ich kann nur sagen: Die wilden Zeiten der Filmindustrie sind vorbei. Seit langer Zeit ist man deutlich sensibler, was den Umgang miteinander am Set angeht“, sagt Oetzmann. „Zunächst ist erst einmal die Produktion dafür verantwortlich, wie es am Set läuft. Das gilt erst recht für derart ernst zu nehmende Vorwürfe, dass es am Set Alkoholprobleme oder sogar Handgreiflichkeiten gibt. […] Was die Unterschreitung von gesetzlichen Ruhezeiten angeht, die es ja auch am Set gegeben haben soll, oder fehlerhafte Sicherheitsmaßnahmen, ist dies – nur um das klarzustellen – sicherlich ebenfalls nicht der Regie anzulasten. Das sind klassische Verantwortungsbereiche des Arbeitgebers.“ 

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Im Writers’ Room von „Breaking Bad“. „Wer Serien kreiert, tut dies schreibend“, sagt der Deutsche Drehbuchverband. | Foto © AMC

Bei deutschen Serien werden die Credits oft noch unscharf benutzt. Der Drehbuchverband hat jetzt einen „Branchenstandard“ für die Berufsbezeichnungen vorgelegt. 

Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) will den Wildwuchs an Funktionen in der Serienproduktion lichten. Dazu legte er heute einen Praxisleitfaden vor, der nichts weniger als „Branchenstandard in Deutschland für Credits und Berufsbezeichnungen“ sein soll. Der Leitfaden wurde im Austausch mit der Writers Guild of America (WGA) und der FSE (Federation of Screenwriters in Europe) erarbeitet, „um deutsche Gepflogenheiten den internationalen Standards anzugleichen und zukunftsfähig zu machen“, erklärt der DDV. Das vorangestellte 10-Punkte-Papier fasst das wesentliche Prinzip zusammen: „Im Zentrum der Serienentwicklung steht der/die schreibende Autor*in, der/die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben übernehmen kann. Showrunner, Creator und Headwriter sind dabei Funktionen, die Drehbuchautor*innen vorbehalten bleiben. Wer Serien kreiert, tut dies schreibend.“
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„Manta Manta – Zwoter Teil“, die Aufarbeitung läuft. Constantin-Chef Martin Moskowicz hat inzwischen viele Vorwürfe bestätigt, die er erst abgestritten hatte, und räumt Fehler ein. | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Da sind sich alle einig: ein schlechter Umgang am Set darf nicht sein! Auf dem Weg zur Wahrheit stellen sich aber noch einige Fragen.

Übrigens: Beim jüngsten „Fair Film Award Fiction“ im Februar war „Manta Manta – Zwoter Teil“ auf dem letzten Platz gelandet. Schulnote: 3,52. 

Monatelang arbeitete ein Team der „Süddeutschen Zeitung“ an der Recherche zu Til Schweiger. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, dann platzte die Geschichte ganz – und landete beim „Spiegel“. Wie konnte das passieren? Bei „Übermedien“ schildert Lisa Kräher, warum sich die Zeitung am Ende doch nicht traute. Für sie scheint es „vor allem ein hausgemachtes Problem der ,SZ’ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben.“ 

Statt auf die eigene Recherche vertraute die Chefredaktion auf Rat von außerhalb und „zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. […] Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die ,SZ‘, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. […] Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.“  

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Die Berichte aus dem Filmalltag waren auch beim „Deutschen Filmpreis“ im Gespräch. Eigentlich brauche es keinen „Code of Conducts“ für die Arbeit am Set, meinte der Ehrenpreisträger Volker Schlöndorff (vorne links): „Anstand und ein ordentlicher Umgang mit Menschen sollten genügen.“ | Foto © DFP/Clemens Porikys

Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.

Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“

Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“ Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“

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Was vorfällt an deutschen Filmsets, sammelt die Plattform „Let’s Plant Stories“. Mit den Berichten wollen die Initiatoren „die Kultur der Stille“ aufbrechen. | Screenshot

Einmal noch nehmen wir uns heute die Arbeitsbedingungen vor, denn langsam wird’s interessant. Ein paar Geschichten von Strukturproblemen und Alltagsanstand.

Hat’s schon jemand bemerkt? Über die Arbeit beim Film wird zurzeit viel geschrieben. Doch das meiste steht hinter Bezahlschranken.

„Etwas überdreht“ findet Andreas Scheiner in der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Aufregung um Til Schweiger: „Vermutlich hat Schweiger ein Alkoholproblem. Aber wie toxisch geht es überhaupt zu beim deutschen Film?“ Die Antwort muss warten, denn erst wird doch lieber über Psyche und Talent eines Regisseurs unter Druck spekuliert. Anschließend wird „Der Spiegel“ verdächtigt, mit seinen Enthüllungen gar ein „Geschäftsmodell“ zu verfolgen (was sonst sollte wohl das Geschäftsmodell eines Nachrichtenmagazins sein?). „Müssen ausserdem Menschen, denen offenbar ein Unrecht angetan wurde, zwingend zum ,Spiegel’, oder gibt es auch andere Wege?“ 

Nein. Da sind die drei Filmschaffenden, die Scheiner schließlich zitiert, eindeutig: „Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu outen“, sagt eine Kostümbildnerin. Wer als „troublemaker“ gelte, werde nicht mehr gebucht. Scheiners dürres Fazit: „Ganz unrecht“ seien die Vorwürfe wohl nicht. Was er offenbar noch nicht wusste: „Der Spiegel“ hat sich das gar nicht selber ausgedacht. Weiterlesen

Der „Spiegel“ sieht sich weiter um hinter den Filmkulissen. Die Branche reagiert wie üblich. Szenenfoto aus „Manta Manta – Zwoter Teil.“ | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Nicht alles läuft gut an deutschen Filmsets, das räumt die Branche selbst ein. Und weiß auch warum: Schuld sind immer die anderen. Neu ist das alles nicht, könnte aber noch spannend werden.

Wie verbreitet ist übergriffiges Verhalten im Filmgeschäft? Der „Spiegel“ hatte vorige Woche über mutmaßliche Schikanen am Set von Til Schweiger berichtet (hier der Überblick). Gleich acht Autor*innen fragten zum Wochenende im „Spiegel“ [Bezahlschranke], „inwiefern die mutmaßlichen Übergriffe des Erfolgsregisseurs nur ein Beispiel für ein insgesamt unfaires oder gar toxisches System sind. Schweigers angebliche Ausfälle sollen unter Alkoholeinfluss passiert und von einem Mann gekommen sein, der sich möglicherweise in einer privaten Krise befunden hat. Viele sahen am Set von ,Manta Manta – Zwoter Teil’ aber offenbar einfach zu und taten nichts. Wie vergiftet von Gebrüll, Mobbing und sogar körperlichen Attacken ist der Arbeitsalltag bei Film- und Fernsehproduktionen? Im Filmgeschäft sind viele Menschen in zeitlich befristeten und oft prekären Beschäftigungsverhältnissen engagiert – und offensichtlich ist es auch nach Jahren der Debatte über Machtmissbrauch in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich, dass am Set gepöbelt und im Extremfall sogar geprügelt wird, weil keiner es verhindert.“

Die Fragestellung macht klar, welchen Verdacht das „Spiegel“-Team hegt. Die Antwort der Regisseurin Doris Dörrie deutet zwar eher auf einen Systemfehler hin, doch für sie gibt es „einen Hauptschuldigen in dieser Sache: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“. Damit spreche sie „einen zentralen Punkt an: Die meisten Kinofilme in Deutschland sind auf eine Filmförderung angewiesen, von der FFA, der Filmförderungsanstalt, oder von den Landesanstalten. Eine Förderung gibt es aber in der Regel nur mit der Zusage eines Teilbeitrags durch eine Fernsehanstalt. Die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten Sender sparen jedoch. Deshalb ist es zuletzt schwieriger geworden, eine Förderung zu bekommen und Filme zu produzieren.“ Der „Spiegel“ merkt an, dass Dörrie „die Partnerin des Constantin-Chefs und Schweiger-Produzenten“ ist. Angemerkt sei außerdem, dass „Manta Manta – Zwoter Teil“ ein Kinofilm ist und mit mehr als vier Millionen Euro gefördert wurde. Eine Senderbeteiligung ist nicht bekannt.  

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Schwere Vorwürfe gegen Til Schweiger: Mitarbeiter*innen berichten von Druck und Schikanen beim Dreh. Der Fall rückt auch die Arbeitsbedingungen der Branche ins Scheinwerferlicht.

Als Regisseur und Schauspieler Til Schweiger ist einer der größten deutschen Kinostars. Mit „Manta Manta – Zwoter Teil“ gibt er zurzeit an der Kinokasse Vollgas. Doch am Set ist die Begeisterung offenbar nicht ganz so groß, berichten Maike Backhaus und Alexandra Rojkov im „Spiegel“ [Bezahlschranke]. Dort erzählen mehrere Mitarbeiter*innen von Schikane bis hin zu Gewalt bei einem Dreh. Schweiger widerspricht der Darstellung.

Der „Perlentaucher“ fasst die heftigen Vorwürfe zusammen: „Das Einmann-Filmstudio (Produktion, Drehbuch, Regie, Hauptrolle) neige nach Angaben diverser Crewmitglieder am Set zu erheblichem Alkoholkonsum und entsprechend jähzornigem Auftreten (angeblich sogar gegenüber Kinderdarstellern). Crew-Mitglieder behaupten, dass er einem Mitarbeiter bei einer Auseinandersetzung angeblich ins Gesicht geschlagen hat. Eine Statistin soll spontan zu einer Entblößung gedrängt worden sein, eine Mitarbeiterin habe sich bei einer waghalsigen Szene schwer verletzt. Daneben dehne er Arbeitszeiten so weit, bis Crewmitglieder körperlich und psychisch am Ende seien und sich Unfälle am Set häuften.“

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Zum Start eine internationale Premiere: „Where We Live” von Sotiris Goritsas eröffnet das Greek Filmfestival. Wir wollten ein bisschen leicht sein und uns ein bisschen von der „Weird Wave“ entfernen, erklärt die Festivalleiterin Sofia Stavrianidou. | Foto © Feelgood Entertainment

Am Mittwoch eröffnet das Greek Film Festival in Berlin. Bei der achten Auflage stellt sich auch Crew United Greece vor. „Eine einzigartige Gelegenheit“, findet die Festivaldirektorin Sofia Stavrianidou. Denn ein Festival lebe auch vom Bezug zur Branche.

Wie organisiert man ein nationales Filmfestival in einer der größten Filmstädte Europas? Sofia Stavrianidou hat eine Antwort: „Die Künstler sind nur ein Teil des gesamten Mechanismus. Ich glaube fest daran, dass ein Festival von Profis organisiert wird.“ Stavrianidou selbst machte Öffentlichkeitsarbeit sowohl in Griechenland als auch in Deutschland, von Thessaloniki bis Cottbus,  und ist jetzt Leiterin des Greek Film Festival in Berlin.
Bei der achten Ausgabe ist Crew United als Partner und Preisstifter dabei: In der Veranstaltung „Show Me the Crew!“ präsentiert sich die Plattform vor Fachpublikum. „Eine einzigartige Gelegenheit“, sagt Stavrianidou. „Die Kraft eines Festivals ist auch der Branchenbezug. Deshalb kommen unsere Regisseur*innen hierher: Sie wollen das Publikum treffen, aber auch ihre Kolleg*innen. Für uns, muss ich sagen, ist diese Initiative ein Geschenk, denn Crew United ist ein Werkzeug, das jeder benutzt, es ist in Deutschland weit verbreitet, also ist dies eine Chance für die Griech*innen, es aktiver zu nutzen.“

Frau Stavrianidou, das Festival wurde 2015 als „Hellas Filmbox“ gegründet. Was ist Ihr Hauptziel und wie hat es sich entwickelt?
Im Laufe der Jahre ist es reifer geworden. Unser Fokus liegt darauf, unser Publikum sowohl aus Deutschen als auch natürlich Griech*innen, die in diesem Land leben, zu versammeln. Wir müssen ihnen diese Filme nahebringen, weil sie als Ausländer das Bedürfnis haben, sich mit ihrem eigenen Land zu verbinden. Und dann gibt es natürlich eine andere Art von internationalem Publikum, weil Berlin in seinen Gemeinden viele Sprachen spricht. Wir wollen das neue Griechische Kino zu diesem Publikum bringen.

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Ernestine Hipper und Christian M. Goldbeck freuten sich sichtlich über ihre „Oscars“ fürs beste Szenenbild. Noch in drei weiteren Kategorien wurde „Im Westen nichts Neues“ ausgezeichnet – auch als bester internationaler Film. | Screenshot

Vier „Oscars“ für „Im Westen nichts Neues“! Da wird das Filmland gleich ein bisschen mitgefeiert. Dabei kann das gar nichts dafür.

Am Montag gab’s nur ein Thema, denn den Titel haben nicht wir uns ausgedacht, sondern German Films, die Außenhandelsorganisation der deutschen Filmbranche. Weil nämlich endlich mal wieder ein Film aus Deutschland den „Oscar“ für den besten internationalen Film gewonnen hat. Und nicht nur das: Insgesamt vier der neun Nominierungen konnte „Im Westen nichts Neues“ verwandeln! „Dies ist ein Meilenstein in der knapp 100-jährigen Geschichte der ,Oscar’-Zeremonie. Die beeindruckende Anzahl von insgesamt vier ,Oscars’ für den Film ist nicht nur ein Zeichen für die herausragende Qualität deutschen Filmschaffens auf internationalem Parkett, sondern auch Anerkennung und Wertschätzung für ein filmisches Werk, dessen politische Aussage nach wie vor zeitlos ist und nicht an Brisanz verliert“, schreibt Simone Baumann, die Geschäftsführerin von German Films heute in einem Newsletter.

Auch die Kulturstaatsministerin freut sich: Das sei „ein so noch nie dagewesener Rekord für den deutschen Film“ und werde „dem deutschen Film weltweit Beachtung bringen und ihm neue Bedeutung verschaffen“, lässt Claudia Roth gleich per Rund-Mail vermelden. Von der Filmförderungsanstalt gratuliert ihr Vorvorgänger und heutiger Förder-Präsident Bernd Neumann: „Dies ist auch eine große Anerkennung für die Qualität des deutschen Filmschaffens und die Kreativität und Kompetenz der Filmschaffenden in Deutschland.“ In Bayern gratuliert Judith Gerlach, die eigentlich das Staatsministerium für Digitales leitet, sich zur Feier aber eigens als „Bayerns Digital- und Filmministerin“ bezeichnen lässt. Das sei nämlich auch „ein großartiger Erfolg auch für den Filmstandort Deutschland“ und „unterstreicht, dass die deutsche und bayerische Filmbranche auch international ganz vorne dabei ist.“

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In der Fernseh-Fiktion kommen Frauen ab 47 kaum mehr vor. Und falls doch, sind die Drehbücher erstaunlich einfallslos. In Wirklichkeit gibt es viel buntere Geschichten zu erzählen, findet die Schauspielerin Esther Esche (2. von links). Szenenfoto aus „Katie Fforde: Ein Haus am Meer“ (2020). | Foto © ZDF/Rick Friedman

Bei der Chancengleichheit klemmt’s auch vor der Kamera. Erst recht, wenn Frau in die Jahre kommt. Kuschen, kochen, kümmern – mehr fällt Film und Fernsehen nicht ein zur Zielgruppe weiblich ab 47. Dabei ist das ein Viertel der Menschen im Land und macht ganz andere Sachen. Eine Initiative ruft deshalb auf: „Let’s change the Picture“!

Die Schauspielerin Esther Esche ist über 50 und bekommt oft Rollen angeboten, „die ihrer Meinung nach ein negatives Bild von nicht mehr ganz so jungen Frauen zeichnen“. Ziemlich vorsichtig kündigt Caro Korneli da ihr Gespräch mit der Schauspielerin auf Deutschlandfunk Kultur an. Denn was Esche aufzählt, sind Klischees, die selbst vor 50 Jahren nicht mehr jung waren: „Betrogene Anwaltsgattinnen, frustrierte Ehefrauen, Alkoholikerinnen habe ich auch schon gemacht, Witwen, Frauen, die es irgendwie noch auf die Reihe kriegen, wenn der Mann gestorben ist, ihr Dasein zu fristen […]. Häufig sind die Figuren, die ich angeboten bekomme, ,Fleischbeilage’ – er ist der Hauptact, und sie ist die Wasserträgerin.“

Sie staune bei Filmen nur, „warum die Geschichten so rar sind um Frauen jenseits eines bestimmten Alters, jenseits der 50. Und da frage ich mich, gibt es jetzt kein Interesse seitens der Geschichtenerzähler, also der Filmemacher und der Redakteure, oder ist es vielleicht das mangelnde Interesse des Publikums?“

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Seit Jahrzehnten ringt die Branche um bessere Arbeitsbedingungen. Meist vergeblich, weil’s angeblich nicht anders geht. In der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“ kommen sie zu anderen Antworten. Auf dem Podium (von links): Judith Frahm, Fritzie Benesch, Christine Günther, Katja Rivas Pinzon und Oliver Zenglein. | Foto © Oliver Dietze

Wenn wir gute Filme machen wollen, muss auch das Umfeld stimmen. Gute Idee. Beim Max-Ophüls-Festival wurde diskutiert, wie das aussehen sollte. 

Für den deutschsprachigen Filmnachwuchs ist Saarbrücken die erste Adresse: Schon drei Wochen vor der Berlinale präsentiert der Max-Ophüls-Preis „junge Talente aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“. Allein um die Entdeckung geht’s dem Nachwuchs offenbar nicht mehr. Mit Problemen in der Filmkunst hatten sich schon frühere Panels beschäftigt. Doch hier ging’s um Grundsätzliches: um „soziale Nachhaltigkeit und wie wir miteinander arbeiten wollen“. Und das Panel war gut besucht an einem Samstagmorgen um 10. 

Es war bereits die fünfte Veranstaltung in der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“, die Judith Frahm und Fritzie Benesch erst im November an der Filmuniversität Babelsberg gestartet hatten. Der Titel klingt reißerisch, trifft aber nur die Realität. Darauf stimmten die beiden Produktionsstudentinnen mit ein paar Zahlen aus Großbritannien ein („Varieté“ [auf Englisch] berichtete ausführlich): Neun von zehn Menschen, die dort in der Filmbranche arbeiten, hätten Probleme mit mentaler Gesundheit. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Angststörung zu leiden, sei doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung, 20 Prozent mehr Menschen seien  im Vergleich zur Gesamtbevölkerung an einer Depression erkrankt. „Das fanden wir ganz schön krass und dachten, wir öffnen mal mit diesen kleinen Zahlen unsere Gespräche.“

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