Corona: Brancheninfo 27

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Was wirklich wichtig ist: Die Schauspielerin Jannika Jira erklärt bei #wirspielenzusammen, wie „Self Hugging“ geht. | Screenshot

Erinnern Sie sich noch an die Petition zum Arbeitslosengeld, die viele betrifft, aber noch immer zu wenige unterschrieben haben? Der Geist zumindest wurde offenbar weitergetragen: Die Regierungskoalition will am Arbeitslosengeld drehen und die Bezugsdauer vorübergehend verlängern. Auch im Kulturausschuss wurde gestern die Lage der Kreativen erörtert. Einig waren sich alle Fraktionen: So, wie es ist, reicht es noch nicht!  

Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen). Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Wir beginnen mit einer frohen Botschaft: Es gibt Bewegung beim Kurzarbeit- (KUG) und Arbeitslosengeld (ALG). Der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD hat sich gestern auf weitere Maßnahmen in der Coronakrise verständigt, darunter auch lange geforderte Erleichterungen für die Filmschaffenden:
# Die Bezugsdauer von ALG1 wird um drei Monate verlängert: Voraussetzung: Man hat bereits vor der Krise ALG1 bezogen, und der Anspruch würde zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember 2020 enden.
# Das KUG wird ab dem 4. Monat auf 70 Prozent, ab dem 7. Monat auf 80 Prozent erhöht – „längstens bis 31. Dezember 2020. Die bereits bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten werden bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet.

 

Was vorige Nacht von den Regierungsparteien abgesprochen wurde, bringt für viele Erleichterung. Doch nicht wenige fallen immer noch durchs Raster, weil sie nicht die nötigen Anwartszeiten zusammenbekommen haben. Vielleicht sollten sie nochmal nachzählen, denn zum Jahresbeginn hat sich da einiges verändert. Der Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug, der mit seiner Künstler-Kanzlei Filmschaffende in arbeitsrechtlichen Fragen berät und vertritt, erklärt, was neu und besser ist:

Mit dem 1. Januar dieses Jahres sind wesentliche Verbesserungen zum Arbeitslosengeld für kurzfristig Beschäftigte in Kraft getreten. Das ist oder wäre gerade jetzt hilfreich für diejenigen, die vor Corona noch keinen Job vereinbart hatten und daher auch nicht ins Kurzarbeitergeld (KUG) geführt werden können.
Jedoch gibt es im Gesetz eine etwas versteckte Fussangel, wonach all die verbesserten Neuregelungen nur für diejenigen gelten, die schon im neuen Jahr 2020 in einem versicherungspflichtigen (das heißt mindestens einwöchigen) Arbeitsverhältnis gestanden haben. Aber gerade diejenigen, die dieses Jahr eben noch keinen Job hatten, sind jetzt dringend auf AlG angewiesen. Wer sonst die neuen Voraussetzungen erfüllt, sollte daher vielleicht ganz schnell einen einwöchigen Job zum Beispiel bei einem befreundeten Produzenten oder auch in der Kneipe nebenan suchen.
An den Voraussetzungen hat sich einiges geändert: In den letzten Jahren gab es neben der normalen Anwartschaft von 360 Tagen auch die (überwiegend theoretische) Möglichkeit der sogenannten „Kurzen Anwartschaft“. Dadurch hatte man einen auf drei Monate Dauer halbierten Anspruch auf ALG1. Das war jedoch bislang an zwei Voraussetzungen gebunden:
# Die 180 Tage mussten überwiegend aus Beschäftigungen stammen, die nicht länger als zehn Wochen sind.
# Innerhalb des letzten Jahres durfte man nicht mehr als die sogenannte „Bezugsgröße“ von 37.380 Euro verdienen.
Damit waren zum einen bereits Normalverdiener ausgeschlossen, und zum anderen Filmschaffende, die länger als zehn Wochen (in der Ausstattung etwa oder bei Serien) arbeiteten.

Jedoch gibt’s seit Jahresbeginn deutliche Verbesserungen:
Für die „Normale Anwartschaft“ genügt nun, dass die 360 Tage in einer verlängerten Rahmenfrist „erarbeitet“ werden. Bisher waren es 24 Monate, nun sind es 30. Mit anderen Worten: Künftig genügt es, statt 50 Prozent  nur noch 40 Prozent des Jahres in Anstellung zu sein, um die normale Anwartschaft mit sechs Monaten Arbeitslosengeld zu erreichen. Für die verkürzte Anwartschaft genügen dann entsprechend 180 Tage in den 30 Monaten.
Das bedeutet damit auch, dass zum Beispiel bei einem zum 1. Januar  2020 gestellten Antrag bis zum 1. Juli 2017 zurückgeschaut wird, ob die 180 Tage für die verkürzte (beziehungsweise 360 Tage für die normale) Anwartschaft erreicht werden. Wer in letzter Zeit die Anwartschaftstage nicht erreichte und im zweiten Halbjahr 2017 „auf Lohnsteuerkarte“ arbeitete, sollte sich daher vielleicht beraten lassen und ganz schnell einen Antrag stellen. 

Auch die „Kurze Anwartschaft“ verbessert sich: Die Grenze der Beschäftigungsdauer wurde von 10 auf 14 Wochen angehoben. Damit dürften die meisten Filmschaffenden in einer Spielfilmproduktion darunterfallen, nicht jedoch bei längeren Serienproduktionen.
Vor allem aber wurde die Verdienstgrenze auf das 1,5-Fache der Bezugsgröße angehoben, in 2020 damit auf 57.330 Euro Brutto-Jahresverdienst (nur aus angestellter Tätigkeit). Auch wenn aus Sicht der Künstler-Kanzlei diese Verdienstgrenze (die es ja bei der „normalen“ Anwartschaft auch nicht gibt) weiterhin nicht nachvollziehbar ist, erweitert sich der Kreis der Berechtigten ganz erheblich.

 

Eine Branche im Stresstest: Wegen Corona sind Film- und Fernsehproduktionen immer schwerer möglich, schreibt das „Handelsblatt“. Gehen Sendern und Streamingdiensten bald die Inhalte aus?

Ufa-Chef Nico Hofmann fordert eine Perspektive für seine Branche: Schauspieler müssten wie Fußballspieler regelmäßig getestet werden. Sonst drohen Ausfälle in Millionenhöhe.

Am Freitag erhält Edgar Reitz den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie. „Das endlose Erzählen ist ein glücklicher Zustand“, sagt er im Interview mit dem „Tagesspiegel“.

Wie schlagen Sie sich während der Corona-Krise? „Blickpunkt Film“ hört sich um und befragt Mitglieder der Kino- und Filmbranche, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert werden. Hier berichtet Casting Director Emrah Ertem.

Der MDR zeigt ab morgen im Fernsehen und im Internet Dokumentarfilme, die sich mit dem Corona-Thema auseinandersetzen – Teil eines eigens ins Leben gerufenen Festivals.

 

Drehen mit Mundschutz: Die ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“ dreht wieder, als erste Produktion in Bayern – aber jetzt bestimmt Corona die Nähe der Protagonisten zueinander. Die „Abendzeitung“ sprach mit dem Regisseur Carsten Meyer-Grohbrügge.

Schweden und Dänemark beginnen wieder zu drehen, begleitet von Präventivmaßnahmen, berichtet „Variety“ [auf Englisch].

Beide Länder haben auch eine gemeinsame „Corona-Site“.

EU-Abgeordnete fordern einen Notfallfonds für Medien. Die Kultur-, Kreativ- und Medienbranche sei durch die Corona-Krise schwer getroffen. Die EU müsse deshalb mehr für sie tun.

Nach Venedig zeigt sich nun auch das Toronto als zweites der frühen großen Herbstfestivals zuversichtlich, Mitte September stattfinden zu wollen. Allerdings voraussichtlich in stark veränderter Form.

Leonine, die von Fred Kogel geführte Bewegtbild-Holding, hat den Start von drei neuen Streaming-Services angekündigt: Bisher waren die nur als Amazon-Channels zu sehen.

 

Gestern Nachmittag befasste sich auch der Kulturausschuss des Bundestags mit den Hilfen für die Kulturarbeiter. Die Videoaufzeichnung ist fast anderthalb Stunden lang, doch es lohnt sich, zuzuschauen, welche Parteien was zur Sache beizutragen haben. Einig waren sich die Redner aller Parteien, dass die soziale Grundsicherung für die freischaffenden Kulturschaffenden nicht ausreicht. Doch Hartmut Ebbing von der FDP wirkte unvorbereitet oder nicht so recht bei der Sache. Und Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, gab lediglich die Zustandsbeschreibung aus Zeitungsartikeln wieder, um anzuhängen, was aus seiner Sicht wirklich wichtig ist: dass bald wieder gearbeitet wird und dass die Hilfen von den Kreativen nicht missbraucht werden.
Die Kulturstaatsministerin (BKM) Monika Grütters nahm das Sozialprogramm auf der Sitzung in Schutz, „obwohl das auf üble Weise schlechtgeredet wird.“ Sie gab zu bedenken, dass es in Deutschland keine einheitliche bundesweite Kulturförderung gebe. Sie selbst sei offen für ein Modell wie in Bayern oder Baden-Württemberg, das die Kreativen auch bei den Lebenshaltungskosten unterstützt. Wichtig sei aber, „wie man’s macht.“ Die beiden südlichen Bundesländer seien nicht die ersten gewesen: Anfangs waren auch Nordrhein-Westfalen und Berlin so verfahren, „das Geld ist aber aufgebraucht“, sagte Grütters. Auch in Bayern müsse wohl noch korrigiert werden. Dort ist als „Bedarfskriterium“ die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (KSK) vorgesehen, inzwischen habe sich gezeigt, dass nur knapp die Hälfte der Betroffenen überhaupt in der KSK ist – es gelten strenge Aufnahmeregeln.
Bei der Gelegenheit gab sie auch einige Kritik zurück: Sie erhalte Forderungen von Oppositionsparteien – doch in den Ländern, wo diese mitregieren, passiere nichts. Die sollten erstmal ihre eigenen Hausaufgaben machen. Der Bund sei nicht „nicht zu 100 Prozent zuständig“, erklärte Grütters: „Wir betreiben kein einziges Theater, kein einziges Opernhaus“, lediglich an den Berliner Philharmonikern sei der Bund mit 30 Prozent beteiligt. Die öffentlichen Theater könnten Ausfallhonorare zahlen, „denn das ist Teil ihres ohnehin beschlossenen Jahresbudgets“, es seien nur noch rechtliche Fragen zu klären.
Insgesamt sei die „soziale Grundsicherung“ des Bundes also eine gute Lösung: Die sei kein Hartz IV, wie mitunter behauptet werde, meinte die BKM. Das Antragsverfahren sei deutlich vereinfacht, feste Mittel „werden nicht angeschaut“, liquide Mittel bis 60.000 Euro nicht angerechnet, die Antragsteller müssten sich auch nicht als arbeitssuchend melden.  Anderen Berufsgruppen werde das auch zugemutet. Mit den Zuschüssen für Miete, Heizung und Kinder hätten Empfänger*innen „mehr als durchschnittliche KSK-Versicherte“.
Vielleicht liegt’s ja tatsächlich bloß am Etikett, das auf der „Grundsicherung“ klebt? Manche Kreative fühlten sich in ihrem Stolz verletzt, wenn sie nun „Hartz IV“ beantragen sollen, formulierte vorsichtig Grütters’ Parteikollegin von der CDU, Elisabeth Motschmann. Auch der Vertreter der anderen Regierungspartei im Kulturausschuss sprang der BKM zu Seite: Martin Rabanus (SPD) wies darauf hin, dass es in keinem anderen europäischen Land Europas Hilfen für die Kulturszene gebe wie in Deutschland.
Um jetzt aber nicht alles in Wohlgefallen aufzulösen: Simone Barrientos von den Linken erinnerte daran, dass gegenwärtigen Probleme auch an den Strukturen lägen. Die Arbeitsverhältnisse im Kulturbereich waren schon jeher problematisch, doch nichts wurde dagegen unternommen: „Das fällt uns jetzt alles vor die Füße.“

Auch die „Berliner Zeitung“ berichtet, wie Monika Grütters Künstlern und Ländern die Leviten las. 

Das „Sozialschutzpaket sichert Kulturschaffenden in der Coronavirus-Krise den Lebensunterhalt“, verteidigte die BKM das Modell auch heute im „Deutschlandfunk“.

 

Bayern und Baden-Württemberg wollen in der Corona-Krise einen gemeinsamen Kurs fahren. Heute gaben die beiden Ministerpräsidenten nach der Beratung ein gemeinsames Statement ab und warnten, die Lockerungen zu forsch voranzutreiben. Man sei „mitten in der ersten Halbzeit“ der Pandemie.

„Die Regierung hat mit den Lockerungen ein falsches Signal gesendet“, sagt die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum. Sie befürchtet, dass wir bald wieder da stehen, wo wir am Anfang waren.

Absturz ohne Arbeitslose: Deutschland und andere EU-Länder wollen Massenentlassungen verhindern. Das Mittel der Wahl: Kurzarbeit. Kann das funktionieren? fragt „Die Zeit“.

In China werden die sozialen Folgen der Corona-Krise deutlich: Millionen Menschen haben ihre Jobs verloren, weitere Millionen werden folgen. Viele rutschen in die Armut ab. Das führt bereits zu Protesten, berichtet „Der Tagesspiegel“.

Spanische Medien kritisieren immer wieder das Krisenmanagement von Regierungschef Sanchez in der Corona-Krise – unabhängig und ohne Zensur. Doch jetzt wächst bei manchen die Sorge, dass kritische Äußerungen bald verfolgt werden könnten. Grund dafür ist eine Äußerung des Polizeichefs.

 

Kreativ in der Krise. Irgendwann hörten wir auf zu zählen – ein beeindruckendes Programm für einsame Stunden ist auf #wirspielenzusammen zusammengekommen. Die Initiative von vier Casting-Directors und der Plattform Castupload lädt Schauspieler*innen ein, 30-Sekünder zu drehen. Fast 1.000 haben schon geantwortet.

Die Kurzfilmtage Oberhausen gehen mit 350 Filmen online. Der Festivalpass zum Preis von 9,99 Euro bietet für sechs Tage vom 13. bis 18. Mai unbeschränkten Zugang. Der Vorverkauf startet Ende April.

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