Angriffe auf die Kultur von rechts

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Kultur sieht die AfD streng in Schwarz und Weiß. Nur eine von beiden findet sie gut. Szenenfoto aus „M – eine Stadt sucht eine Mörder“ (1931). | Montage © cinearte

Die AfD ist im Stimmungshoch und hält nicht viel von Kunstfreiheit. Was tun? Das „Netzwerk Film & Demokratie“ lud zur Podiumsdiskussion.

Eine Umfrage ist noch keine Wahl. In Umfragen erreicht die AfD zurzeit Höchstwerte – 20 Prozent ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Insa in seiner wöchentlichen repräsentativen Umfrage für die „Bild“. „Das ist mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr!“ bemerkt die Zeitung – die AfD wäre damit die zweitstärkste Partei nach der CDU und vor der SPD.

Muss man sich sorgen um die Demokratie? Sorgen machen sich viele in der Filmbranche. Und das nicht erst jetzt. Im Februar hatte sich das „Netzwerk Film & Demokratie“ mit einer Online-Konferenz vorgestellt. Drei Jahre Vorbereitung in Zeiten der Pandemie waren dem vorausgegangen. Inzwischen haben sich 30 Verbände und Institutionen der Branche angeschlossen. Mit dem Münchner Filmfest lud das Netzwerk am Montag zur Podiumsdiskussion – moderiert von Julia Weigl, nachzuhören auf Youtube. 

Um „Angriffe auf die Kultur von rechts“ ging’s in der ersten Veranstaltung, und um „Vernetzung, Wachsamkeit, Solidarität“. Mit der Absicht, „dass nicht wir auf die Bühne treten, sondern dass wir eine Bühne schaffen für andere für Initiativen, die sich mit dem Bereich Rechtsextremismus auseinandersetzen“, erklärte Johannes Kagerer vom Netzwerk. Denn es sei „völlig klar, dass die Gefahr für die Demokratie von rechts kommt.“

Den Anstoß hatte es im Herbst 2019 gegeben: Hans Joachim Mendig, damals Chef der Hessischen Filmförderung, hatte mit Jörg Meuthen, damals Bundesvorsitzender der AfD, einen „sehr angeregten und konstruktiven politischen Gedankenaustausch“ geführt. So schrieb es Meuthen samt Foto auf Instagram. Massive Proteste von Filmschaffenden und Mendigs Schweigen endeten schließlich mit seiner Entlassung (wir berichteten auf „Outtakes“).

Die Branche war alarmiert. „Die Idee des Netzwerks war, dass man in solchen Fällen nicht wieder bei Null anfangen muss, sondern dass es einen Branchenkonsens gibt auf dem man sich berufen kann, und es einen Raum gibt, in dem man sich austauschen kann und auf solche Fälle konkret vorbereitet“, erklärte Kagerer. „Wir sind kein Aktionsbündnis und wir sind auch nicht das Sprachrohr von denen, die marginalisiert sind, die täglich Antisemitismus oder Rassismus erfahren müssen. Unsere Perspektive ist umgekehrt: Wir wollen diese Perspektiven in unsere Verbände, in unsere Institutionen hineintragen, weil wir gemerkt haben, die sind dort zu wenig präsent.“

Wie die Rechte gegen die Kultur kämpft, hat der Journalist Peter Laudenbach untersucht. In seinem Buch hat er über fünf Jahre mehr als hundert rechte Übergriffe auf die Kunstfreiheit dokumentiert. Und das sei nur ein Ausschnitt, sagt Laudenbach. „Es waren viele Sachen, die ich nicht veröffentlichen durfte.“ Er berichtet von Mord- und Bombendrohungen, Brandanschlägen und Übergriffen gegen Menschen und Veranstaltungen: „Es ist kein Einzelfall, es ist nicht nur der Osten, es ist flächendeckend.“ Dabei gehe es nicht wirklich um die Kunst, meint Laudenbach: „Künstler*innen haben eine Stellvertreterfunktion. Man greift die Theater an, öffentliche Orte schaffen Aufmerksamkeit, meint aber eigentlich die gesamte liberale Gesellschaft, die diese Kultur ermöglicht.“ In Orten im Osten, wo die AfD im Gemeinderat um die 30 Prozent hat, beeinflusse das jetzt schon die Programmentscheidungen von Museen von Theatern von Opernhäusern. Abgesehen vom drohenden Ärger gehe es auch ums Geld. Und schließlich werden sich Intendanten-Verträge „irgendwann verlängert oder werden nicht verlängert.“

Mit den Künstler*innen meine es die Rechte allerdings auch nicht gut, warnt Laudenbach und zitiert Hans-Thomas Tillschneider, stellvertretender Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt. Im Landtag  sprach der „von einem Lumpenpoletariat und Möchtegern-Künstlern, die vom Staat mehr schlecht als recht alimentiert werden, während sie eine Kunst produzieren, für die sich niemand wirklich interessiert.“ Ob das wohl klinge wie eine Kriegserklärung? Laudenbach gab die Antwort selbst: „Ja, das ist es.“ 

Er verwies auf die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im nächsten Jahr: „Da ist die AfD in Umfragen stärkste Partei. Das heißt, es hängt vom Anstand von CDU und FDP ab, ob sie in irgendeiner Weise zulassen, dass die AfD Einfluss bekommt auf Regierungshandeln – und das wird Folgen haben auch für die Kulturfinanzierung.“ Doch selbst das hilft nur bedingt. „Wenn sie im Landtag sitzen, sind sie auch im Rundfunkrat“, erklärt Julia von Heinz. Die Regisseurin hatte die Angriffe von Rechts selbst erfahren. Ihr Antifa-Drama „Und morgen die ganze Welt“ war vor zwei Jahren als deutscher Kandidat zu den  „Oscars“ geschickt worden. Woraufhin die AfD im Bundestag eine Kleine Anfrage stellte: Warum gerade dieser Film nach Hollywood geschickt werde, warum ein solches „politisch tendenziöses Filmprojekt“ überhaupt „nationale Filmfördermittel“ erhielt, ob die Regierung solche Entscheidungen künftig „einer strengeren Prüfung“ unterziehen wolle (und falls nein: warum nicht?). 

Das „ist auf jeden Fall ein Angriff auf die Kunstfreiheit“, findet von Heinz und rät, „das Parteiprogramm mal zu lesen.“ Unterm Strich bedeute das  „Schluss mit Multikulti“, „weg von einer negativen Erinnerungskultur“, hin zu „einer positiven Geschichtszuwendung. Das heißt einfach, Filme von ,Im Westen nichts Neues“ bis „Fack ju Göhte“, im Grunde genommen alles, was wir lieben und was auch vielleicht gern gesehen wird, soll nicht mehr sein. Und deshalb müssen wir da reagieren.“

Bloß wie? Als erste Anlaufstelle stellte ein (namentlich nicht genannter) Vertreter die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern vor. Entsprechende Einrichtungen gibt es auch in anderen Bundesländern, die erste wurde vor mehr als 30 Jahren in Brandenburg gegründet. In Städten wie München gebe es bereits zahlreiche zivilgesellschaftliche Bündnisse, die man versuche zu vernetzen. Unterstützung brauche es auf dem Land, wo „aus sehr sehr nachvollziehbaren Gründen Betroffene sich nicht aus dem Fenster lehnen wollen.“ Oft fehle es an Ressourcen und Solidarität, die Drohkulisse und die Gefahrensituation seien einfach real.

„Wenn wir eine aktive Zivilgesellschaft unterstützen wollen, die sich gegen Rechts engagiert, dann müssen wir auch in die Regionen rein, genau dorthin, wo sich diese Leute damit auseinandersetzen müssen – also in den kleinen ländlichen Orten, wo es eben vergleichsweise wenig Zivilgesellschaft gibt, wo sie genau diese Unterstützung brauchen. Und es braucht erstmal eine Analyse vor Ort, bevor man Schritte einleiten kann“, erklärt er das mobile Konzept.

Am Netzwerk arbeiten auch Sebastian Sudrow und Hannah Kos mit ihrer NGO. Über die Website „FragDenStaat“ kann man Auskünfte bei Behörden und Ministerien einholen, die öffentlich sein sollten. „Wenn die Behörden dann nicht so mitmachen wie man sich das vorstellt dann kommen wir meistens ins Spiel“, erklärt Sudrow. Die NGO begleite und führe auch Prozesse, wenn nötig. Vorige Woche ging das jüngste Projekt an den Start: „Gegenrechtsschutz“ soll vor Abmahnungen schützen, berichtet Kos. Damit meint sie „vor allem diese missbräuchlichen Konstellationen, wo es nicht um den Kern einer juristischen Forderung geht, sondern vielmehr darum, Leute einfach einzuschüchtern und mundtot zu machen“: „Wir haben angefangen, uns ein bisschen mehr mit diesen juristischen Interventionen zu beschäftigen und schnell das Gefühl, dass das sehr häufig von rechter oder extrem rechter Seite kommt.“ Eine Befragung habe den Verdacht bestätigt, „dass der Einsatz von juristischen Mitteln von extrem rechter Seite seit 2015 spätestens deutlich zugenommen hat.“ Die Einschüchterungsversuche sind erfolgreich. Die meisten Betroffenen hätten sich nicht gewehrt, „weil sie nicht die finanziellen Mittel hatten beziehungsweise einfach Angst vor den finanziellen Folgen hatten.“ Die NGO vermittelt Anwältinnen aus ihrem Netzwerk, „die sich auch konkret in dem Bereich auskennen“, und „am Ende des Tages übernehmen wir auch die Kosten.“ Finanziert werden soll das über Spenden.

Es ist jedoch nicht nur Druck, dem die Kultur sich beugt, mahnt Laudenbach. Als Beispiel führt er Oskar Röhler an, „sicher ein bedeutender Filmregisseur, auch wenn er einen Roman verfilmt eines Autors, der Werbetexter ist und Werbung für die AfD gemacht hat.“ Gemeint ist „Herrliche Zeiten“ nach einem Roman von Thor Kunkel. „Die Kulturszene besteht auch nicht nur aus lupenreinen Demokraten, es gibt da auch viele Borderliner, Opportunisten oder was auch immer. In dem Augenblick, wenn die AfD über ihre geplante beantragte Erasmus-Stiftung sehr viele Millionen Staatsgeld bekommen

wird, wird auch da Geld verteilt werden, und der eine oder andere Künstler wird auch daran gerne partizipieren. Und wenn sie in einzelnen Bundesländern vielleicht über Tolerierungsmodelle Einfluss bekommen auf Regierungshandeln, werden nicht alle Theaterintendanten und alle Lyriker und alle Maler dieses Bundesland verlassen. Einige werden auch versuchen daran zu partizipieren.“

Geschichten vom Einknicken kommen auch aus dem Publikum. Doch auch von gelungener Gegenwehr wird auf dem Podium berichtet. Wo sich ein breites Bündnis bildete, über Parteigrenzen hinweg, und zeigte, wer tatsächlich „die vielen sind in diesem Land“. Mit einer „Erklärung der Vielen“ hatten auch Kulturinstitutionen in ganz Deutschland seit 2017 ein Zeichen für die Kunstfreiheit und gegen Rechtspopulismus gesetzt: „Wer einen angreift, greift alle an, und das war sehr hilfreich. Es war auch hilfreich, um einen gemeinsamen Lernprozess über Jahre zu organisieren. Kein Theater hat Erfahrung damit, was man macht wenn auf einmal die Aufführung gestört wird von irgendwelchen Identitären … Das ist ein Prozesse, der seit Jahren läuft.“

„Immens wichtig“ sei die Vorbereitung, erklärt der mobile Berater. „Das ermöglicht souveräner und mit mehr Selbstbewusstsein auf Dinge zu reagieren, wenn sie dann passieren sollten.“ Zur Vorbereitung gehöre, „sich der eigenen Werte zu vergewissern, aber auch zu schauen, was macht eigentlich die extreme Rechte? Wie ist die Kulturpolitik? Was sind die vorherrschenden Narrative, die Strategien? Aus welchen Gründen könnten wir angreifbar sein? Und sich auch bestimmte Szenarien zurechtzulegen und Notfallpläne zu haben. Und den letzten Satz kann ich nicht oft genug wiederholen: Dinge muss man nicht alleine machen.“

Der Verein hinter den „Vielen“ hat sich übrigens im vorigen Jahr aufgelöst und die Zukunft an die Koordinationskreise und Kultureinrichtungen übergeben. „In den fünf Jahren sei viel erreicht Und nun könnten wir den Weg aller Bewegungen in Form einer festen NGO-Größe gehen: ,Die Vielen’ machen eine Kampagne nach der anderen, und es gibt eine verlässliche Organisation in der Kultur in Sachen Diversität und gegen Rechtsextremismus. Nein, wir waren uns von Anfang an über die Halbwertzeiten von Bewegungen bewusst und sind der Meinung: der Antifaschismus in der Kunst und Kultur lässt sich nicht delegieren – er bleibt unser aller Aufgabe und fordert jede*n.“

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