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Szenenfoto aus „Der Grinch“ (2000). | Foto © Universal

Trotz neuer Versprechen der BKM wird’s wohl nichts mehr mit der ganzen Förderreform. Das FFG hat zwar noch Chancen, aber Investitionsverpflichtung und Steueranreize werden vertagt. Der Vorwurf: Für eine Reform von „von existenzieller Bedeutung“ für Land und Branche habe sich Deutschland oberste Filmförderin ganz schön viel Zeit gelassen. Und reihenweise Fehler gemacht. 

Der Countdown läuft, und alle drängeln. Vier Wochen noch bis Silvester, dann muss ein neues Filmfördergesetz her. Ansonsten droht der Untergang für Deutschlands Filmbranche. So schildert die Produktionsallianz die Aussichten und hat auch allen Grund dafür, nämlich die aktuelle Herbstumfrage unter ihren Mitgliedsfirmen: 77 Prozent der Unternehmen in der Produktionsallianz schätzten die Lage als „schlecht oder sehr schlecht“ ein (im Vorjahr waren es noch 56 Prozent). Nur für 0,5 Prozent ist die sehr gut oder gut. 80 Prozent der Unternehmen im Fiction-Bereich gaben an, das Auftragsvolumen internationaler Streamer sei seit 2022 stark beziehungsweise sehr stark gesunken.  

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Die Ansprüche sind gestiegen, aber nicht die Etats. Der Kostendruck bei öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktionen hat Folgen: Unfertige Drehbücher und Stress am Set. Entspannter zeigten sich der Regisseur Mark Robson und Produzent Jennings Lang in den Kulissen von „Erdbeben“. Aber das war vor 50 Jahren und außerdem fürs Kino. | Foto © Universal

Die Initiative Fair Film schlägt Alarm: ARD und ZDF sparen seit Jahren auf Kosten der freien Produktionslandschaft! Das wirkt sich auf Arbeit und Qualität aus. Und das „Produzentensterben“ geht weiter.

In einem Offenen Brief an ARD und ZDF schlägt die Initiative Fair Film Alarm: An den Produktionsbedingungen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen müsse sich „dringend etwas ändern“. Die „Problemanalyse“ sieht das Bündnis von mehr als 30 Berufsverbänden und Organisationen der Branche als hoffentlichen „Auftakt eines gemeinsamen, konstruktiven Dialogs“.

„In dem siebenseitigen Schreiben werden die Probleme der freien Filmszene geschildert, insbesondere schwindende Aufträge, niedrige Budgets, Insolvenzen und die Abwanderung der Mitarbeitenden in andere Branchen. Die hohen Qualitätsansprüche der öffentlich-rechtlichen Sender seien nicht an entsprechend hohe Budgets gekoppelt. ,Es soll aussehen wie Netflix, aber nur einen Bruchteil davon kosten’, heißt es in dem Brief“, berichtet Lara Marmsoler in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Und: „ARD und ZDF äußerten sich zu den Vorwürfen aus der Filmbranche auf Anfrage am Montag nicht“.

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Was ist eigentlich Respekt? „Ali G in da House“ scheiterte da vor 20 Jahren schon am Buchstabieren. | Foto © Mars Distribution

Wer selbst nicht weiß, was sich gehört, kann es in Zukunft nachschlagen: Ein „Respect Code Film“ soll für Sicherheit an deutschen Sets sorgen. Wer sich nicht an die Regeln hält, könnte möglicherweise sogar mit Konsequenzen rechnen.

Verdi, die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz verhandeln regelmäßig den Tarifvertrag aus. Jetzt haben sie auch einen „Respect Code Film“(RCF) für die Branche vorgestellt. Der wende sich „gegen jede Form von respektlosem Verhalten, Belästigung, Gewalt, Diskriminierung oder anderes Fehlverhalten und schreibt branchenweite Grundsätze für sicheres Arbeiten und einen respektvollen Umgang bei jeder Art von Film- und Fernsehproduktion fest“, erklärt die Produktionsallianz.

Erarbeitet wurde der Code mit den öffentlich-rechtlichen Sendern und Vaunet (dem Verband der privaten), Degeto und Netflix, der Deutschen Filmakademie und dem Regieverband. Die Berufsgenossenschaft und die Vertrauensstelle Themis haben beraten. Kurzum: „Die Branche gibt sich […] einen eigens erarbeiteten Verhaltenskodex“, meldeten die „Zeit“ und andere. Was aber nur die halbe Wahrheit ist, denn ein großer Teil der Branche war gar nicht dabei. Von den Berufsverbänden der Filmschaffenden war nur der Regieverband beteiligt.
Und so liest sich der Kodex denn auch so vage wie manches andere Bekenntnis aus den Büroetagen der Branche.

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Ulla Geiger (am Mikrofon) und Sonia Hasséguy (links daneben) mit Team bei der Kinopremiere zum Streaming-Release von „Wir drehen keinen Film“ 2022. | Foto © privat

Mit Mitte 60 hatte sich Ulla Geiger ihren Filmtraum erfüllt. Auf „Outtakes“ berichtete sie vor vier Jahren selbst von der Arbeit am Debütfilm. Am 22. Oktober ist sie gestorben. Ein Nachruf.

Ulla Geiger gehörte vielleicht nicht zu den prominentesten Gesichtern der Filmbranche, aber sie hinterließ einen prägenden Eindruck bei jenen, die sie kannten und mit ihr arbeiteten. Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, von einer Künstlerin und Kollegin Abschied zu nehmen, die mit ihrer Authentizität und ihrem künstlerischen Ansatz viele Menschen – mich eingeschlossen – berührt hat.

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Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth. | Foto © Kristian Schuller

In sieben Wochen läuft das Filmfördergesetz aus. Politik und Branche läuft die Zeit davon. Durch den Koalitionsbruch ist die Lage noch unklarer geworden. Dabei drängen alle auf eine schnelle Lösung für alle Teile der großen Reform.

In drei Monaten, am letzten Tag der Berlinale, wird in Deutschland gewählt. Solange regiert die Restkoalition ohne Mehrheit, und unklar ist, welche Pläne sie noch umsetzen kann. Zum Beispiel die große Förderreform, die auch ohne den Bruch in der Regierung, bislang kaum vorankam. Das Filmfördergesetz ist zwar durch den Kulturausschuss des Bundestags, doch das ist erst ein Teil der Strecke – und auch nichts wert, wenn die anderen beiden Säulen nicht stehen. Um die Investitionsverpflichtung ringt die BKM mit Streamern und Mediatheken, bei den Steueranreizen sind sich Bund und Länder uneins, wer das bezahlen soll. Und für beides liegt noch nicht einmal ein Gesetzesentwurf vor.    

Dass nun alles bis zum Jahresende plötzlich fertig sein soll, mag keiner mehr glauben. Klappen könnte das schon – wenn alle nur wollten, glaubt Julia Maier-Hauff, die Geschäftsführerin des Produzent*innenverbands, in „Blickpunkt Film“. Das müsse es auch, „denn ohne Haushalt und die angekündigten Gesetze wird es zu einer Abwanderung des Filmschaffens in benachbarte Länder und zu Insolvenzen kommen. Wir fürchten den Verlust von mehr als 120.000 Arbeitsplätzen in der Filmproduktion.“ Das wären wohl, nach Zählung des jüngsten Appells, alle Arbeitsplätze der Branche.

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70.000 neue Arbeitsplätze könnten durch die große Förderreform entstehen, glauben Produktionsallianz, Produzent*innenverband und Deutsche Filmakademie. Wo aber sollen die herkommen? | Foto © DFA/Hans-Christian Plambeck

Kurz vor der Regierungskrise hatte der Kulturausschuss das neue Filmfördergesetz abgesegnet. Mit einigen Änderungen: Die geplante Altersvorsorge für die Filmschaffenden wurde gestrichen.

Die gute Nachricht zuerst: Der Kulturausschuss [ab 1:31] hat am Mittwoch das neue Filmfördergesetz (FFG) angenommen. Es geht nun zur zweiten Lesung zurück vor den Bundestag. 

Eigentlich hätte der Ausschuss schon früher entscheiden sollen. Doch nach einer Anhörung der Interessengruppen sah man noch einigen Nachbesserungsbedarf und vorschob die Abstimmung auf diese Woche. Dazu hatten die Regierungsparteien einen umfassenden Änderungsantrag vorgelegt, den „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] im Vorspann so zusammenfasst: „Medialeistungen gerettet, Sperrfristenregelungen deutlich verändert und die sozialen Belange der Beschäftigten gestärkt.“ Was in zwei Fällen richtig sein mag, im letzten aber überhaupt nicht.

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Dreharbeiten zu „Downhill“ in Tirol 2020. Als Kulisse war Österreich zwar schon vorher beliebt, durch das neue Anreizsystem werde der internationale Werbe- und Markenwert aber gesteigert, meinen die Förderungen. | Foto © Jaap Buitendijk/20th Century Fox

In Österreich hat die Förderreform schon vor zwei Jahren stattgefunden. Und gilt als Erfolgsmodell: Das neue Anreizsystem FISAplus brachte nicht nur einen Standorteffekt von 300 Prozent, sondern auch mehr „internationale Sichtbarkeit“, erklären Nina-Anica Keidies und Juliane Buchroithner von der Film Commission ABA – Film in Austria. 

Deutschland hofft auf die große Förderreform, in Österreich gab’s die bereits vor zwei Jahren. Die Presseberichte klingen begeistert: Vor allem das neue Anreizprogramm FISAplus sorge für „Aufbruchstimmung“ und „Rückenwind“ im Land. Was heißt das in Zahlen?
Nina-Anica Keidies: Die anfänglichen Erwartungen wurden bei FISAplus weit übertroffen. Seit Anfang 2023 wurden mit FISAplus 113 Projekte mit einem Gesamtzuschuss von rund 109,9 Millionen Euro genehmigt, wodurch 2.900 Drehtage und ein Österreich-Effekt von rund 347 Millionen Euro entstanden. Dadurch wurde ein Gesamtumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirkt, inklusive indirekter und induzierter Effekte. Auch ein erheblicher Beschäftigungseffekt konnte festgestellt werden.
Juliane Buchroithner: Durch das neue Anreizsystem FISAplus wird zudem der Werbe- und Markenwert für Österreich gesteigert. Entlang der Wertschöpfungskette sind bereits deutliche Effekte bemerkbar. Jeder Euro an Förderung durch das neue Anreizsystem löst rund 3 Euro an direkten Produktionsausgaben im Land aus. 

Der Direktor des ÖFI sieht Filme aus Österreich inzwischen gar als internationale Marke. Aber Erfolge hatten die doch auch vorher schon vorzuweisen – allein zwei „Oscars“ für den besten internationalen Film 2008 und 2013. Wo lag das Problem?

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Im schwäbischen Laupheim wurde einst Carl Laemmle geboren, der 1912 die Universal Filmstudios gründete und nebenbei auch Hollywood. Ein großes Vorbild für die Produktionsallianz. Seit 2017 vergibt sie mit der Stadt Laupheim den „Carl-Laemmle-Produzentenpreis“ für ein Lebenswerk und stellt damit „zugleich die besondere Leistung der Produzent*innen im kreativen und wirtschaftlichen Prozess des Filmschaffens heraus.“ | Foto © Carl Laemmle Produzentenpreis/Severin Wohlleben

Die Produktionsallianz ehrt alljährlich ein Lebenswerk. Für 16 Filmverbände ist das Anlass, an die Arbeitsbedingungen zu erinnern. Für ihre Kritik kriegen sie heftig Gegenwind. Ein Faktencheck.

Martin Moszkowicz wurde am Donnerstag mit dem „Carl-Laemmle-Produzentenpreis“ geehrt. Laemmle hatte irgendwie Hollywood gegründet, darum gilt der Preis für nicht weniger als das Lebenswerk eines Produzenten. Das sind bei Moskowicz, der bis vor kurzem die Constantin Film leitete, mehr als 300 Produktionen von „Fack ju Göhte“ bis „Die drei Musketiere“, die auch beim Publikum gut ankommen.  

Gegen die Ehrung hatte sich die Filmunion in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) schon im März empört (cinearte 719). Kurz vor der Preisverleihung meldeten sich nun 16 weitere Organisationen und Berufsverbände aus gleichem Grund. „Für uns als Filmschaffende hat diese Ehrung leider einen bitteren Beigeschmack“, schrieben sie am Montag in einem gemeinsamen Offenen Brief:
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„Im Dokumentarfilm heißt es immer, dass ich mich einem vertiefenden Blick widme“, sagt Dokfest-Leiter Daniel Sponsel. Das sei schon etwas anderes als die täglichen Nachrichten. | Foto © Dokfest München

Dem Zustand der Demokratie widmet sich das Dokfest München in diesem Jahr mit Themenreihen und Eröffnungsfilm. Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden, sagt Festivalleiter Daniel Sponsel: „Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm.“ 

Viel Politik zeigt die Homepage des Dokfests. Digitale Überwachung im Eröffnungsfilm, die Fokus-Themenreihe blickt auf den Zustand europäischer Demokratien, ein weitere widmet sich Filmemacher*innen, die im Exil leben und aktuell nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Ähnliches findet man sogar auf Festivals, die sich eher dem Spielfilm verschrieben haben. Fühlt sich die Filmwelt zurzeit besonders aufgefordert?
Wir als Dokumentarfilmfestival fühlen uns seit jeher gefordert, in bestimmten Bereichen Aspekte des gesellschaftlich Politischen abzudecken. Das spiegelt das Programm der letzten Jahre eigentlich immer wieder. Vielleicht hat das nochmal ein Stück weit zugelegt, weil tatsächlich der Ton in der Gesellschaft rauer geworden ist, die Konflikte größer, die Lagerbildung ist expliziter geworden. Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm. Dieser Anspruch gilt möglicherweise nicht für alle Filmfestivals – ob jetzt ein Trickfilmfestival oder ein Kurzfilmfestival das so leisten kann, weiß ich nicht, aber wir als Dokumentarfilmfestival auf jeden Fall. Weiterlesen

Wenn am Set was schieflief, will keiner etwas gewusst haben. Oder weiß noch ganz andere Sachen zu erzählen. Da wär’s doch ganz gut, wenn die Produktion schon vorher wüsste, wo etwas klemmt. | Foto © Adobe Stock

Regeln, Workshops und Ansprechstellen sollen für ein sicheres Arbeitsklima sorgen. Ob dann auch wirklich alles gut läuft beim Dreh, ist eine andere Frage. Eine App soll den täglichen Überblick verschaffen. „Call It!“ fragt Cast und Crew anonym nach Problemen und Stimmung am Set und gibt Produktionen die Chance, rasch zu reagieren, sagt Kate Wilson, die die App mit Jules Hussey und Delyth Thomas entwickelt hat. 

Frau Wilson, „Call It!“ soll für gute Arbeitsbedingungen beim Film sorgen: Die App fragt, wie es auf der Arbeit war – geantwortet wird nach einem simplen Ampelsystem, wie man es aus dem Supermarkt kennt. Reicht das? Schließlich geht es laut Ihrer Website um eine ganze Menge: „Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsbedingungen, inakzeptable Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen sowie Fälle von Mobbing, Belästigung und Diskriminierung“.
Die App stellt drei verschiedene Fragen: Zuerst die allgemeine Frage „Wie wurden Sie heute am Arbeitsplatz behandelt?“ Hier können Sie tatsächlich mit dem Ampelsystem angeben, ob es gut, okay oder schlecht war. 
Die zweite fragt, ob Sie Bedenken haben in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsschutz oder Arbeitsbedingungen – oder (und das ist wichtig) ob Sie bestätigen, dass Sie keine dieser Bedenken haben.
Die dritte Frage ist, ob Sie Mobbing oder Belästigung erlebt haben. Wenn Sie mit „Ja“ antworten, erhalten Sie eine Liste von Diskriminierungsarten (wie sexuelle Belästigung, Rassismus oder Ableismus) und können ankreuzen, ob eine dieser Arten auf Ihre Erfahrung zutrifft.  

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Jedes Jahr lädt die IDM Film Commission Südtirol Produzent*innen aus ganz Europa zum Austausch über die Grenzen hinweg. In diesem Jahr erklärte unter anderem Sylvia Rothe, was die Künstliche Intelligenz für die Branche bedeutet. | Foto © IDM/Asia De Lorenzi

Sylvia Rothe ist Professorin für Künstliche Intelligenz in der Medienproduktion an der HFF München. Beim Produktionstreffen „Incontri“ gab sie Einblicke in die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz in der audiovisuellen Industrie.

Frau Rothe, in den letzten Jahren wurden KI-Tools bereits vor allem in der Postproduktionsphase eingesetzt. Erst in jüngster Zeit hat dieser technische Fortschritt einigen Leuten Angst eingejagt. Gibt es einen guten Grund, sich vor KI zu fürchten? Oder geht es nur darum, den Einsatz klug zu regeln?
Es werden sich Jobs ändern. Aber es entstehen auch viele neue Möglichkeiten. Wir müssen uns überlegen, an welchen Stellen wir KI sinnvoll einsetzen können, vor allem bei gleichförmigen, zeitintensiven Arbeiten. Kreative Arbeiten möchten wir in der Regel nicht abgeben, aber wir können uns dabei von der KI unterstützen lassen.  Weiterlesen

Wer früher nachfragt, wird später nicht böse überrascht. Die App „Call it!“ misst die Stimmung am Set – anonym, einfach und tagesaktuell. Bei der btf (bildundtonfabrik) soll das zum Standard werden, erklären Sara Heidelbach (links) und Sarah Van Hoit. | Fotos © Jule Everts | José Puister

In Großbritannien startete „Call It!“ schon 2021 (cinearte 543). Die App soll für gute Arbeitsbedingungen sorgen: Mit einem simplen Ampelsystem bewerten die Nutzer*innen regelmäßig anonym ihren Arbeitstag – etwaige Probleme sollen so früh erkannt werden. Nun liegt die App in zwölf Sprachen vor. Als deutscher Partner ist die btf (bildundtonfabrik) (btf) dabei. Über die ersten Erfahrungen berichten Sara Heidelbach (Herstellungsleitung Fiktion) und Sarah Van Hoit (Human Resources).

Wie sieht Ihre Kooperation aus?
Sarah Van Holt:
Wir unterstützen Kate Wilson und ihre Kolleg*innen bei „Call It!“ in erster Linie mit ganz praktischen Dingen, wie Übersetzung der App ins Deutsche, aber vor allem auch dem Bereitstellen von Informationen zu deutschen Beratungsstellen und Hilfsangeboten. „Call It!“ sollte unserer Meinung nach von möglichst vielen Produzent*innen genutzt werden.

Warum nutzen Sie die App?
Sara Heidelbach:
Bei btf (bildundtonfabrik) haben wir schon seit Jahren eine Vertrauensstelle, an die sich Kolleg*innen mit ganz unterschiedlichen Anliegen jederzeit wenden können, und natürlich auch Angebote wie Themis oder Anlaufstellen von unseren Auftraggebenden. Wir sehen „Call It!“ als wertvolle Unterstützung, unseren Kolleg*innen zusätzlich einen unkomplizierten Weg anzubieten, Erfahrungen, Sorgen und Bedenken zu teilen. Hier kann man täglich völlig anonym auf die Frage „Wie wurdest du heute bei der Arbeit behandelt?“ antworten. Damit können wir als Teamleiter*innen in Echtzeit Stimmungsbilder verfolgen und darauf reagieren und gegensteuern. Zudem kann „Call It!“ bei einer Rückschau auf das Projekt helfen, um Wiederholungen zu vermeiden.

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Brauchen wir nicht? Das haben Christine Tröstrum (links) und Christine von Fragstein schon oft gehört – und widerlegt. Sie haben sich auf die lange Strecke eingestellt: „Unsere Vision ist, dass in zehn Jahren eine neue Kultur der Zusammenarbeit verankert ist.“ Die Produzentenallianz und Crew United sind jedenfalls schon dabei. | Foto © Ali Ghandtschi

Über die Arbeitsbedingungen in der Branche machen sich inzwischen Viele Gedanken. Über Machtmissbrauch, Mobbing oder den ganz normalen Stress am Set. Vieles davon lässt sich schon im Vorfeld vermeiden, meinen Christine Tröstrum und Christine von Fragstein. Mit Fair Play erklären sie, wie das geht.  

Fair Play heißt ihre Initiative, Sie beschreiben sie als „neues Drehbuch zur Führung und Teamarbeit in Film und Kultur“. Was stimmt denn mit dem alten Drehbuch nicht?
Christine Tröstrum:
Wir merken, dass Menschen, die in Kultur- und Filmproduktionen arbeiten, danach regelmäßig und auch schon währenddessen einfach erschöpft, frustriert oder durch Konflikte belastet sind, sich nicht wertgeschätzt fühlen. Hier möchten wir Veränderungen anstoßen, Anregungen geben, im Vorfeld mehr Zeit in Planung, Reflexion und Kommunikation zu investieren. Das zahlt sich später mehrfach aus, wenn sich alle gut verständigt haben und gemeinsam an einem Strang ziehen.

Tun das Filmteams nicht ohnehin?
Christine von Fragstein:
Ich habe in den vergangenen Jahren einige Sets begleitet: Man muss sich das einfach vorstellen: Da kommen sehr viele Leute, aus unterschiedlichsten Gewerken unter Druck mit höchsten Anforderungen zusammen und produzieren einen Film – in 25 bis 30 Tagen mit Motivwechseln … manche kennen sich, manche nicht. Und nun sollen alle vom ersten Tag an höchst kreativ und harmonisch zusammenarbeiten. Das Team hat keine Einarbeitungsphase wie in normalen Projekten oder in Firmen, sondern es ist schlichtweg für alle eine riesige Herausforderung. Ich habe erlebt, dass an diesen Sets regelmäßig die Kommunikation und die Abstimmungen sehr schwierig werden, und die Leute zum Teil auch mit emotionalen Schäden rausgehen. Das haben wir ja im letzten Jahr breit durch die Medien erfahren. 

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Das Filmfest München meint es offenbar ernst mit der Vielfalt. Bereits zum zweiten Mal lud es zur Tagung. | Foto © Bojan Ritan/Filmfest München

Diversität ist wichtig, da sind sich beim Film viele einig. Doch dazu braucht es auch Geld und Ausbildung. Zum zweiten Mal luden das Münchner Filmfest und die Evangelische Akademie Tutzing zur Tagung. Der Schwerpunkt lag diesmal auf den Filmschulen und der Förderung. 

Über Diversität wird ja viel geredet. Sender, Förderer, Produktionsfirmen melden sich mit Diversitätsbeauftragten und Initiativen, auf zahllosen Panels wird quer durchs Land diskutiert: Wieviel die Bilder und Geschichten in Fernsehen und Kino überhaupt noch mit ihrem Publikum zu  tun haben? Auch das Münchner Filmfest hatte voriges Jahr eingeladen, aber nicht einfach bloß zu einem weiteren Festivalpanel, sondern gleich zu drei Tagen Konferenz mit der Evangelischen Akademie Tutzing am Starnberger See. Um Kreative, Aktivist*innen und Entscheider*innen der Branche zusammenzubringen. „Wir brauchen nicht mehr Worte, sondern konkrete nächste Schritte“, hatten Christoph Gröner und Julia Weigl erklärt, die das Filmfest inzwischen leiten. 

Ende November gab’s Gelegenheit zur Überprüfung: Mit „Inklusion – Vol. 2“ luden Filmfest und Akademie zur Fortsetzung. Als erstes die Bestandsaufnahme: Was hat sich getan in den vergangenen anderthalb Jahren? Ziemlich viel, sollte man doch meinen, nach all den Panels mit aufgeschlossenen Entscheider*innen. Auch das ZDF entfaltet weiter unten in der Mediathek ja schon eine gewisse Art von Vielfalt. Mit der Diversität verhält es sich freilich ein wenig komplexer, erklärt Stacy L. Smith, die schon seit Jahren die Ungleichheiten in Hollywood untersucht, in einer Online-Keynote (hier auf Youtube). Es geht nicht bloß um Sichtbarkeit, sondern um die Perspektive, die die Figur vermittelt, um die Geschichte, die sie mit sich trägt. Wer also schreibt das Drehbuch? Wer entscheidet, ob das Thema das Publikum interessiert? Ob es gefördert werden soll? Nur an wenigen Entscheidungsstellen sitzen Menschen mit eigener Erfahrung. Der Mangel an Vielfalt ist auch ein Problem der Strukturen.

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Die Kultur hat’s in Belarus schwer, wenn sie nicht der Staatsräson folgt. Nicht wenige Filmschaffende haben das Land verlassen und versuchen, anderswo weiterzuarbeiten. Das ist nicht leicht, berichtet Leonid Kalitenya (vorne, mit Brille) vom Belarusian Filmmakers’ Network. | Foto © BFN/Ali Ghadtschi

Gleich hinter der Grenze der EU und fast ganz unten im Demokratieindex liegt Belarus. Auch viele Filmschaffende mussten das Land verlassen und suchen ihr Glück in Europa. 30 von ihnen haben sich im Belarusian Filmmakers Network vereinigt. „Wir wollen Teil der EU-Filmindustrie sein“, sagen sie. „Dauerhaft. Nicht nur als Gäste.“  

Etwa 30 Mitglieder hat das Belarusian Filmmakers’ Network (BFN). Filmschaffende unterschiedlicher Gewerke, die sich entschieden haben oder gezwungen waren, ihr Land zu verlassen, in dem der dienstälteste Diktator Europas herrscht. Jetzt bauen sie alle sich ein neues Leben in einem anderen Land auf. Zum einen kämpfen sie darum, ihren Beruf beizubehalten, zum anderen versuchen sie, irgendwie ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Leonid Kalitenya ist Mitbegründer des Netzwerks. Kalitenya hat mehr als 30 Projekte produziert, die „Dutzende von Preisen“ auf Festivals gewonnen haben: Seinen letzten Film hatte er nach der Revolution in Belarus gedreht, „in einer Zeit, als ich hätte verhaftet werden können“, sagt er. Seine Koffer waren gepackt, die Festplatte mit den Daten schickte er kurz vor seinem Umzug nach Litauen an den Editor. „Wir haben einige Taxifahrer unter uns“, sagt Kalitenya. „Einige preisgekrönte Filmregisseure haben in Polen auf dem Bau gearbeitet. Andere arbeiten im Immobiliensektor in Litauen. Und das liegt daran, dass es sehr schwierig ist, in das System eines neuen Landes einzusteigen.“

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