„Schneiden ist für mich genau wie Schreiben und Drehen: Ich gehe einfach hin und probiere Dinge aus“, sagt der Regisseur und Editor Fred Baillif. Man müsse sich die Freiheit nehmen für Intuition und Improvisation.

Beim „Edimotion“ wurden wieder die besten Arbeiten der Filmmontage ausgezeichnet. Wir beschließen unsere Interview-Reihe mit den drei Preisträger*innen mit Fred Baillif, Regisseur und Editor des Spielfilms „La Mif“.

Lieber Fred, Dein hybrider Spielfilm „La Mif“ ist einer von mehreren Filmen beim diesjährigen Edimotion-Festival, der ausschließlich nicht-professionelle Schauspieler*innen einsetzt. Bevor wir also auf die Montage des Films zu sprechen kommen, etwas zum Hintergrund: Du selbst bist ausgebildeter Sozialarbeiter und hast mehrere Jahre in solch einer Jugendschutz-Einrichtung gearbeitet, wie sie im Film vorkommt. Wie hast Du Deine Protagonistinnen ausgesucht, und wie hast Du sie auf den Dreh vorbereitet?
Ich wollte von Anfang an einen Ensemble-Film machen. Also beginnt alles mit dem Casting. Ich setze mich hin und spreche mit ganz vielen Menschen. Ich verbringe Zeit mit ihnen und versuche ihren Hintergrund, aber auch ihre Gefühle und Persönlichkeit, zu verstehen.
Ich mache auch Improvisations-Workshops, in denen ich versuche herauszufinden, wer wer ist und welche Persönlichkeiten sie haben. Das ist in gewisser Weise wie ein Schauspiel-Workshop, aber es geht mehr darum, ihnen zu helfen, sie selbst zu sein und nicht bloß zu spielen. Das ist die erste Regel, die ich aufstelle: Ich sage ihnen, sie sollen nicht schauspielern, sondern einfach so reagieren, wie sie wollen, und ihre eigene Sprache und ihren Instinkt benutzen. So kann ich dann eine Geschichte schreiben, die auf dem basiert, was ich beobachtet habe. Das bleibt aber ein Drehbuch ohne Dialoge.

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„Ein Schnittwunder“ nennt die Jury den Spielfilm und meint damit letztlich den Editor: Kaya Inan war zur Verleihung des „Schnitt-Preises“ in Köln zugeschaltet. | Foto © Juliane Guder/Edimotion

Beim „Edimotion“ wurde Mitte Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Der „Schnitt-Preis“ für die beste Spielfilmarbeit ging an den Editor Kaya Inan für „Wanda, Mein Wunder“.

Lieber Kaya, gratuliere zu Deiner Montage-Leistung bei diesem Spielfilm, in dem sowohl das grandiose Ensemble als auch die unterschiedlichen Tonalitäten hervorstechen. Wie bist Du zu dem Projekt gestoßen?

Meine erste Schnittassistenz war bei „Die Herbstzeitlosen“ (2006), Bettinas Durchbruch als Regisseurin. Ich habe danach noch ein Kunstvideo für sie geschnitten, während meiner Studienzeit in Ludwigsburg, aber beides ist schon lange her.
Ich kannte die Produzenten Lukas Hobi und Reto Schaerli von zwei früheren Projekten. Das erste war die Teenager-Komödie „Achtung, fertig, Charlie!“ (2003) – mein Einstieg in die Filmbranche, damals noch als Schauspieler. Da habe ich bei einem Street-Casting mitgemacht und bin so überhaupt erst auf Film als ein mögliches Berufsfeld gestoßen. 2016 haben Lukas und Reto mich als Editor angefragt, für den Kinderfilm „Papa Moll“. Danach schlugen sie mich auch Bettina vor; so haben sich unsere Wege noch mal gekreuzt.
Ich mochte das Drehbuch zu „Wanda, mein Wunder“ von Anfang an; dieser Humor und diese Figuren. Ich habe die Figuren bereits beim Lesen sehr stark gespürt.

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Für die Montage von „Systemsprenger“ nahm Julia Kovalenko Schnittpreis entgegen, ihr Kollege Stephan Bechinger war zeitgemäß übers Smartphone dabei. Er arbeitet zurzeit in den USA am neuen Filmprojekt von Nora Fingscheidt. | Foto © Jule Guder/Edimotion.

Beim „Edimotion“ wurde Ende Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Die beste Spielfilmarbeit des Jahres entstand in einer ungewöhnlichen Konstellation: Weil Stephan Bechinger noch in einem anderen Projekt steckte, begleitete Julia Kovalenko den Dreh von „Systemsprenger“ im Schneideraum.

Julia und Stephan, ihr beide teilt euch bei dem Film „Systemsprenger“ den Montage-Credit. Wann, und mit welcher Aufgabenverteilung, seid ihr zum Projekt gestoßen?

Stephan Bechinger: Die Regisseurin Nora Fingscheidt wollte, dass ich den Film montiere, aber während des Drehs hatte ich ein anderes Projekt. Es war deshalb ursprünglich nicht geplant, dass jemand drehbegleitend schneidet. Doch mit dem ersten Drehtag tauchte das große Bedürfnis auf, dass jemand das macht. Dadurch wurde es etwas chaotisch: Ich bin die erste Woche eingesprungen, dann hat Linda Bosch weitergemacht und später Julia. Zwei Monate nach Drehschluss bin ich wieder dazugestoßen.

Julia Kovalenko: Es gab zwei Drehblöcke. Nora hatte mich schon für den ersten Drehblock angefragt, aber da war ich auch in einem anderen Projekt. Also bin ich mit dem zweiten Drehblock eingestiegen. Eigentlich war nur geplant, dass ich die täglichen Muster schneide, damit Nora sehen kann, ob die Szenen zusammenpassen. Und das lief dann ganz gut. Nora hat gefallen, was ich gemacht habe. Also hat sie mich gefragt, ob ich nicht einfach so lange weiterarbeiten mag, bis Stephan wieder Zeit hat. Ich hab dann von Januar bis Juni 2018 fast ein halbes Jahr am Film geschnitten. Stephan kam im Mai dazu, also lief es etwa einen Monat parallel: Während ich noch am Ende meiner Fassung geschnitten habe, hat er angefangen zu sichten und seine eigene Fassung aufzubauen.

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