Zum Glück wiederholt sich Geschichte nicht. Kurz vor der Wahl erinnert die Kultur nochmal an die Werte der Demokratie (Motiv zur Kampagne).

Vorige Woche verpuffte die Brandmauer, am Wochenende demonstrierten Hunderttausende für die Demokratie. Auch die Kultur redet Politik und Wahlvolk nochmal ins Gewissen.

Zweieinhalb Wochen noch bis zur Bundestagswahl; und die Vorgänge vorige Woche im Parlament lassen nichts Gutes ahnen. Am Mittwochabend verpuffte die Brandmauer, als die CDU einen Antrag durchbrachte. Der Antrag bleibt zwar wirkungslos und verstößt ohnehin gegen Grundgesetz und Europarecht, doch der Union ging es ums Prinzip: Eine Demontage des Asylrechts „für sichere Grenzen“  – wenn nötig auch mit Hilfe der AfD! Schon am nächsten Tag veröffentlichte die „Vogue“ einen Offenen Brief, den „Hunderte bekannte Namen aus Kunst, Kultur und Medien“ unterschrieben haben: 

„Dieser Pakt mit der AfD bedeutet einen historischen Tabubruch. Menschen Asyl zu gewähren, ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht und darin auch eine der zentralen Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Union ist bereit, diese Rechte mit den ideologischen Erben der Täter zu beschließen und mit dem historischen Konsens des ,Nie wieder’ zu brechen. In der Woche des Holocaustgedenktages“, heißt es in dem Brief, den die Schauspieler*innen Luisa-Céline Gaffron und Jonathan Berlin verfasst haben.  

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Die US-Filmakademie gab heute die „Oscar“-Nominierungen bekannt. | Foto © AMPAS/Richard Harbaugh

Gute Nachrichten aus Hollywood: Auf einen „Oscar“ dürfen dieses Jahr so einige deutsche Filmschaffende hoffen.

Mit einer Woche Verspätung sind die „Oscar“-Nominierungen raus. Und die Kulturstaatsministerin freut sich über „die vielen deutschen Nominierten“: „Das ist nicht nur eine Auszeichnung für diese talentierten Filmschaffenden, sondern auch eine Auszeichnung für den deutschen Film, der mit seiner ganzen Bandbreite überzeugen konnte!“ 

Der ist mit Mohammad Rasoulofs „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ im Rennen um den besten internationalen Film. Für das beste Originaldrehbuch sind  Moritz Binder, Tim Fehlbaum, Alex David mit „September 5“ nominiert. 

Bereits zum zweiten Mal sind die Kostümbildnerin Lisy Christl und der Filmkomponist Volker Bertelmann für ihre Arbeit am Vatikan-Thriller „Konklave“ nominiert. Zum dritten Mal gar ist Gerd Nefzer bei den Visuellen Effekten mit dem Science-Fiction-Epos „Dune 2“ dabei – zweimal hat er den „Oscar“ schon gewonnen. 

Für Deutschland geht das Jahr gut los, findet Karin Ströbele in der „Zeit“ – nicht nur wegen der Zahl an Nominierungen: „Zum dritten Mal in Folge ist eine deutsche Produktion für den sogenannten Auslands-,Oscar’ im Rennen, auch das ist erst einmal bemerkenswert.“

caption=“Arcata Theatre Lounge, Kalifornen, USA 2009. | Foto CC Bob Doran“

Kurz vor Jahresschluss kam doch noch das neue Filmförderungsgesetz. Die große Reform bleibt aber weiterhin eine Baustelle.  Und auch im FFG sind von den einstigen Plänen nur Bruchstücke geblieben. 

Das war knapp! Zwei Tage vor Jahresschluss wurde das neue Filmförderungsgesetz 2025 (FFG) veröffentlicht. Damit können auch in diesem Jahr weiter Filme gefördert werden, und die FFA wird „modernisiert“. Sie verantwortet nun alle Filmförderungsprogramme auf Bundesebene, „schneller und transparenter“ als bisher: die Filmförderung nach dem novellierten FFG, die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes, den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF).  „Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel“, sagte FFA-Vorstand Peter Dinges bei der ersten Pressekonferenz im neuen Jahr, von der  Susanne von Kessel-Doelle bei „Blickpunkt Film“ berichtet: „Einen zentralen Schwerpunkt des neuen Gesetzes bildet die Automatisierung der Förderung. ,Die selektive Förderung alter Prägung hat ausgedient’, erklärte Dinges. ,Das neue System basiert auf Referenzpunkten und macht die Förderung planbar und unbürokratisch.’ Produzenten könnten ihre Mittel nun selbstständig kalkulieren und verwenden, ohne auf Gremienentscheidungen angewiesen zu sein. Die Schwellen für kleinere Projekte – etwa Talentfilme, Kinderfilme oder Dokumentarfilme – wurden bewusst gesenkt. ,Schon ein Festivalpreis oder ein erfolgreicher Kinostart reichen aus, um Förderung zu erhalten’, so Dinges. Diese Maßnahmen sollen vor allem jungen Filmschaffenden zugutekommen und die Vielfalt des deutschen Films stärken.“ Und immerhin: Die erste Säule der großen Förderreform steht.

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Wim Wenders (oben) und Juliette Binoche (unten) bei der europäischen Filmpreisgala. Der Regisseur wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ansonsten fehlte der Deutsche Film auf der Bühne. | Foto © EFA/Sebastian Gabsch

Beim „Europäischen Filmpreis“ war vom Deutschen Film wenig zu sehen. Aus Frankreich umso mehr. Dort werde die Siebte Kunst halt ganz anders unterstützt, meint der Chef der Europäischen Filmakademie. Zwei Neuerungen gibt es außerdem.

Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) macht sich via „Frankfurter Rundschau“ schon mal Gedanken zu den „Golden Globes“ und „Oscars“ im nächsten Jahr. Also wer da in Hollywood so mitmischen könnte aus Filmdeutschland. Das ist lustig, weil erst vorigen Samstag in Luzern die „Europäischen Filmpreise“[auf Englisch] verliehen wurden. Das ist sowas wie der „Oscar“ der Alten Welt, bloß interessierte sich dafür keiner. Außer der DPA, deren knappe Preisaufzählung wenigstens „Zeit“ und „Frankfurter Rundschau“ übernahmen.

Übrigens wurde der deutsche Regisseur Wim Wenders für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ansonsten war Filmdeutschland nur in Koproduktionen zu finden – wie „Des Teufels Bad“, für den die österreichische Kostümbildnerin Tanja Hausner ausgezeichnet wurde.

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„Schneiden ist für mich genau wie Schreiben und Drehen: Ich gehe einfach hin und probiere Dinge aus“, sagt der Regisseur und Editor Fred Baillif. Man müsse sich die Freiheit nehmen für Intuition und Improvisation.

Beim „Edimotion“ wurden wieder die besten Arbeiten der Filmmontage ausgezeichnet. Wir beschließen unsere Interview-Reihe mit den drei Preisträger*innen mit Fred Baillif, Regisseur und Editor des Spielfilms „La Mif“.

Lieber Fred, Dein hybrider Spielfilm „La Mif“ ist einer von mehreren Filmen beim diesjährigen Edimotion-Festival, der ausschließlich nicht-professionelle Schauspieler*innen einsetzt. Bevor wir also auf die Montage des Films zu sprechen kommen, etwas zum Hintergrund: Du selbst bist ausgebildeter Sozialarbeiter und hast mehrere Jahre in solch einer Jugendschutz-Einrichtung gearbeitet, wie sie im Film vorkommt. Wie hast Du Deine Protagonistinnen ausgesucht, und wie hast Du sie auf den Dreh vorbereitet?
Ich wollte von Anfang an einen Ensemble-Film machen. Also beginnt alles mit dem Casting. Ich setze mich hin und spreche mit ganz vielen Menschen. Ich verbringe Zeit mit ihnen und versuche ihren Hintergrund, aber auch ihre Gefühle und Persönlichkeit, zu verstehen.
Ich mache auch Improvisations-Workshops, in denen ich versuche herauszufinden, wer wer ist und welche Persönlichkeiten sie haben. Das ist in gewisser Weise wie ein Schauspiel-Workshop, aber es geht mehr darum, ihnen zu helfen, sie selbst zu sein und nicht bloß zu spielen. Das ist die erste Regel, die ich aufstelle: Ich sage ihnen, sie sollen nicht schauspielern, sondern einfach so reagieren, wie sie wollen, und ihre eigene Sprache und ihren Instinkt benutzen. So kann ich dann eine Geschichte schreiben, die auf dem basiert, was ich beobachtet habe. Das bleibt aber ein Drehbuch ohne Dialoge.

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„Ein Schnittwunder“ nennt die Jury den Spielfilm und meint damit letztlich den Editor: Kaya Inan war zur Verleihung des „Schnitt-Preises“ in Köln zugeschaltet. | Foto © Juliane Guder/Edimotion

Beim „Edimotion“ wurde Mitte Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Der „Schnitt-Preis“ für die beste Spielfilmarbeit ging an den Editor Kaya Inan für „Wanda, Mein Wunder“.

Lieber Kaya, gratuliere zu Deiner Montage-Leistung bei diesem Spielfilm, in dem sowohl das grandiose Ensemble als auch die unterschiedlichen Tonalitäten hervorstechen. Wie bist Du zu dem Projekt gestoßen?

Meine erste Schnittassistenz war bei „Die Herbstzeitlosen“ (2006), Bettinas Durchbruch als Regisseurin. Ich habe danach noch ein Kunstvideo für sie geschnitten, während meiner Studienzeit in Ludwigsburg, aber beides ist schon lange her.
Ich kannte die Produzenten Lukas Hobi und Reto Schaerli von zwei früheren Projekten. Das erste war die Teenager-Komödie „Achtung, fertig, Charlie!“ (2003) – mein Einstieg in die Filmbranche, damals noch als Schauspieler. Da habe ich bei einem Street-Casting mitgemacht und bin so überhaupt erst auf Film als ein mögliches Berufsfeld gestoßen. 2016 haben Lukas und Reto mich als Editor angefragt, für den Kinderfilm „Papa Moll“. Danach schlugen sie mich auch Bettina vor; so haben sich unsere Wege noch mal gekreuzt.
Ich mochte das Drehbuch zu „Wanda, mein Wunder“ von Anfang an; dieser Humor und diese Figuren. Ich habe die Figuren bereits beim Lesen sehr stark gespürt.

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Für die Montage von „Systemsprenger“ nahm Julia Kovalenko Schnittpreis entgegen, ihr Kollege Stephan Bechinger war zeitgemäß übers Smartphone dabei. Er arbeitet zurzeit in den USA am neuen Filmprojekt von Nora Fingscheidt. | Foto © Jule Guder/Edimotion.

Beim „Edimotion“ wurde Ende Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Die beste Spielfilmarbeit des Jahres entstand in einer ungewöhnlichen Konstellation: Weil Stephan Bechinger noch in einem anderen Projekt steckte, begleitete Julia Kovalenko den Dreh von „Systemsprenger“ im Schneideraum.

Julia und Stephan, ihr beide teilt euch bei dem Film „Systemsprenger“ den Montage-Credit. Wann, und mit welcher Aufgabenverteilung, seid ihr zum Projekt gestoßen?

Stephan Bechinger: Die Regisseurin Nora Fingscheidt wollte, dass ich den Film montiere, aber während des Drehs hatte ich ein anderes Projekt. Es war deshalb ursprünglich nicht geplant, dass jemand drehbegleitend schneidet. Doch mit dem ersten Drehtag tauchte das große Bedürfnis auf, dass jemand das macht. Dadurch wurde es etwas chaotisch: Ich bin die erste Woche eingesprungen, dann hat Linda Bosch weitergemacht und später Julia. Zwei Monate nach Drehschluss bin ich wieder dazugestoßen.

Julia Kovalenko: Es gab zwei Drehblöcke. Nora hatte mich schon für den ersten Drehblock angefragt, aber da war ich auch in einem anderen Projekt. Also bin ich mit dem zweiten Drehblock eingestiegen. Eigentlich war nur geplant, dass ich die täglichen Muster schneide, damit Nora sehen kann, ob die Szenen zusammenpassen. Und das lief dann ganz gut. Nora hat gefallen, was ich gemacht habe. Also hat sie mich gefragt, ob ich nicht einfach so lange weiterarbeiten mag, bis Stephan wieder Zeit hat. Ich hab dann von Januar bis Juni 2018 fast ein halbes Jahr am Film geschnitten. Stephan kam im Mai dazu, also lief es etwa einen Monat parallel: Während ich noch am Ende meiner Fassung geschnitten habe, hat er angefangen zu sichten und seine eigene Fassung aufzubauen.

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