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Gegensätzliche Perspektiven und markige Ansagen gab’s auch in Filmen und den anschließenden öffentlichen Pressekonferenzen. Sie mutierten aber mitunter zu inspirierenden Filmgesprächen. Szenenfoto aus „My Favorite Cake“. | Foto © Hamid Janipour

Auf der Berlinale wurden übrigens auch Filme gezeigt. Als vielfältig, unabhängig und risikobereit wurde das Programm angekündigt. Das sei auch gelungen, findet unsere Autorin. Dabei konnte sie nicht mal alles im Wettbewerb sehen. 

Die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin gehen mit einer heftigen Unstimmigkeit zu Ende. Die auf der Abschlussveranstaltung geäußerten Meinungen einzelner Preisträger*innen zum Nahostkonflikt und die Reaktion von Teilen des Publikums darauf werden von einigen als antisemitisch wahrgenommen. Eine kulturelle Großveranstaltung, die nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, also dem 7. Oktober 2023, in Deutschland stattfindet, sollte mit einer solchen Herausforderung rechnen. Die Frankfurter Buchmesse hatte es im Oktober 2023 vorgemacht. Eine Rede des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek löste zum Auftakt der Buchmesse eine scharfe Diskussion aus. In Frankfurt gelang es den Verantwortlichen und dem Publikum, die mitunter als Zumutung empfundenen Einlassungen auszuhalten. Möge es auch in Berlin gelingen.

Denn wie jedes Jahr öffnete die Berlinale 2024 auch wieder weite Horizonte. Das Programm wurde als vielfältig, unabhängig und risikobereit angekündigt. Und so ist es schließlich auch. Die Vielfalt der gezeigten Filme beweist, dass es geht: Verschiedene Perspektiven dürfen nebeneinander stehen und auch in den Dialog treten. Monologe, bisweilen auch markige Ansagen gab es auf den Pressekonferenzen. Sie mutierten aber mitunter zu inspirierenden Filmgesprächen, die – ganz wichtig! – für alle öffentlich zugänglich sind auf Youtube. So erklärte der in Berlin lebende russische Dokumentarist Victor Kossakovsky die großen Zusammenhänge, die wichtig sind fürs Verständnis seines Wettbewerbsbeitrags über Baumaterialien (dazu mehr weiter unten im Text). Dann wurde er dringlich und rief seinen Appell ins Publikum: „Wacht auf! Zement und Zucker ruinieren euer Leben!“ Am Ende gratulierte er den Berliner*innen ausdrücklich zum Erhalt des unbebauten Tempelhofer Feldes. 

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Ein kleiner Skandal ab und zu gehört ja zu jedem großen Festival. Die Berlinale erlebte sie dieses Jahr als Miniserie. Das sollen Cannes und Venedig erstmal nachmachen. | Foto © cinearte

 

Mit dem Wettbewerb war kaum jemand zufrieden, mit den Preisen schon. Wichtiger als die Filme wurde aber der „Eklat“ zur Preisverleihung. Statt Gala gab’s eine Kundgebung in Abendgarderobe – mit anschließender Debatte um Kunst und Politik.

Das letzte Jahr war ganz schön aufregend für die Berlinale. Nach zwei Corona-Jahren sollte das Festival eigentlich neu starten. Stattdessen gab’s plötzlich weniger Geld, weniger Kinos, schlechte Personalpolitik und in letzter Minute noch die Frage, ob man Leute vom Festival ausladen soll oder ihnen lieber die Filme vorführt, die dort laufen. Das sollte eigentlich reichen. Doch ganz zum Schluss ereilte das Filmfestival doch noch ein Eklat. Aber der Reihe nach. 

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Das Foto passt zur Stimmung, findet Benedict Neuenfels. | Foto © Sabin Tambrea

Neulich erhielten der DoP Benedict Neuenfels und sein Team noch die höchste Ehre, jetzt stehen sie vor einem Problem. Wie die Insolvenz bei Zero One sich auch auf andere in der Branche auswirkt.

Ausgezeichnet wurde Benedict Neuenfels schon oft. Zwei „Lolas“ für die beste Bildgestaltung hat er erhalten, zwei „Grimme-Preise“ und sogar siebenmal schon den „Deutschen Kamerapreis“. Und einen „Oscar“-Film hat er auch fotografiert. Anfang Mai kam noch der „Marburger Kamerapreis“ dazu. Das klingt ein bisschen kleiner, ist aber etwas ganz Besonderes für die Zunft. Einmal im Jahr steht ein*e DoP im Mittelpunkt, wird ein Gesamtwerk in Filmen, Gesprächen und Vorträgen gewürdigt, in denen Wissenschaft, Filmkritik und Kameraleute übers Kino sprechen und genauer hinsehen. Das zeigt sich auch in der Jurybegründung, die nicht nur die Arbeit mit bekannten Regisseur*innen erwähnt, sondern sich eingehend mit den Feinheiten der Bildgestaltung beschäftigt. Und dem, was dahinter steckt:

„Bei der erzählerischen und technisch-gestalterischen Arbeit kann sich Benedict Neuenfels jederzeit auf ein Kamerateam verlassen, das zum Teil seit fünfunddreißig Jahren mit ihm zusammenarbeitet. Dazu gehören Kameraassistent Andreas Erben, Key Grip Markus Pluta und Oberbeleuchter Rainer Stonus. Philip Wölke kam als Techniker für das Digitale Bild (DIT) und Berater für Green-ScreenAufnahmen vor 16 Jahren dazu und ist seither ein ebenso fester Bestandteil des Teams. Die Verleihung des Marburger Kamerapreises gilt also nicht Benedict Neuenfels allein, sondern ebenso seinem Team, das bei jeder gemeinsamen Arbeit aufs Neue eindrucksvoll demonstriert, dass auch Kameraarbeit immer auch als Kollaboration zu denken ist und nur ein gut eingespielter Verbund Außergewöhnliches zu leisten imstande ist.“

Soweit die gute Nachricht. Denn vorige Woche hat die Berliner Produktionsfirma Zero One Film Insolvenz angemeldet. Die Nachricht hat auch Neuenfels und sein Team kalt erwischt:

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Vor drei Jahren war die Welt vorm Berlinale-Palast noch in Ordnung. Dann kamen Seuche, Krieg und Inflation … | Foto © Alex Janetzko/Berlinale

Das Budget bleibt gleich, die Kosten explodieren. Deshalb soll die Berlinale kleiner werden. Am Dienstag verkündete das Führungsduo sein Einsparkonzept. 

Der Berlinale offenbar harte Einschnitte bevor: Ganze Bereiche des Programms könnten wegen Kostendrucks gestrichen werden, berichtete vorige Woche Hannah Pilarczyk im „Spiegel“. Der Artikel steht hinter der Bezahlschranke, wurde aber sogleich weitererzählt: „Dem Magazin zufolge hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth der Berlinale ein ,indirektes Sparprogramm’ auferlegt, deshalb könnten drei der zwölf Sektionen künftig wegfallen: die Reihe für deutsche Nachwuchsfilme ,Perspektive Deutsches Kino’, diejenige für die Serien ,Berlinale Series’ und sogar die umfängliche Retrospektive mitsamt der meist zehnteiligen ,Hommage’, die Filme des jeweiligen Ehrenpreis-Gewinners präsentiert“, erklärt Christiane Peitz im „Tagesspiegel“. „Dass die Berlinale mit weniger Geld auskommen muss als vor der Pandemie, ist schon länger eine traurige Gewissheit. […] Auf Nachfrage heißt es nun aus dem Festivalbüro: ,Es gibt keine externe Sparvorgabe der BKM, vielmehr sehen wir als Festival angesichts stagnierender Budgets und steigender Kosten die Notwendigkeit, ressourcenschonende Maßnahmen zu ergreifen, um langfristig ein starkes Festival und eine gute Plattform für die Filmindustrie garantieren zu können’. Deshalb, so Geschäftsführerin Rissenbeek, ,wollen wir die Anzahl der Filme im Gesamtprogramm weiter straffen’.“

In der „Berliner Zeitung“ glaubt auch Susanne Lenz an eine Entwarnung: „Statt Sektionen abzuschaffen, möchte die Berlinale offenbar überall sparen.“

Von wegen! Am Dienstag meldeten sich die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian mit einem etwas konkreteren Einsparkonzept. Insgesamt sollen nur noch 200 Filme in den Sektionen laufen. In diesem Jahr seien es 287 gewesen. Der Wettbewerb ist davon nicht betroffen. Das Leitungsduo sieht das als „Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren.“ Ganz aufgelöst wird die Sektion Perspektive Deutsches Kino, die Filme deutscher Nachwuchsregisseure präsentierte. Die sollen künftig in den anderen Sektionen laufen –  damit „soll eine stärkere internationale Wahrnehmung für die in Deutschland produzierten Debüt- und Zweitfilme ermöglicht werden.“

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Die Berichte aus dem Filmalltag waren auch beim „Deutschen Filmpreis“ im Gespräch. Eigentlich brauche es keinen „Code of Conducts“ für die Arbeit am Set, meinte der Ehrenpreisträger Volker Schlöndorff (vorne links): „Anstand und ein ordentlicher Umgang mit Menschen sollten genügen.“ | Foto © DFP/Clemens Porikys

Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.

Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“

Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“ Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“

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Preisgala bei den „First Steps Awards“ im „Theater des Westens“ in Berlin. Festivals und Preise gibt es reihenweise für den Nachwuchs in Deutschland. Doch nach dem Abschluss wird die Luft plötzlich dünn für die neuen Talente. | Foto © Florian Liedl/First Steps

Wenn die Branche wirklich bessere Filme will, sollte sie den Nachwuchs vielleicht einfach mal machen lassen. In einem Appell redet der junge deutsche Film ungewohnten Klartext.

Der Deutsche Film tut sich zurzeit bekanntlich etwas schwer. Am sogenannten Nachwuchs sollte es jedenfalls nicht liegen. Der räumt bei den „Hochschul-Oscars“ regelmäßig ab und punktet auch immer wieder auf Festivals. Beste Voraussetzungen also für eine Branche, die gerne Größeres vorhätte, aber sich doch nicht traut: „Entstand der erste Lang?lm nicht im Rahmen des Studiums, vergingen nach dem Abschluss Im Durchschnitt fünf Jahre bis zur Realisierung“, stellte der Produzentenverband in seiner Nachwuchsstudie 2021 fest. 

Jetzt reden die jungen Talente (zum Teil schon weit über 30) selbst. Und das in ungewohntem Klartext. Im Rahmen des Kongresses Zukunft Deutscher Film (mehr zum Kongress in der nächsten Ausgabe) stellten die Regisseurinnen Eileen Byrne und Pauline Roenneberg am Mittwoch den Appell „Angst essen Kino auf“ vor. „Junger deutscher Film 2023“ nennt sich die Initiative; bis heute haben 434 Filmschaffende aus allen Gewerken unterzeichnet, weitere 357 haben sich solidarisch erklärt, darunter auch viele prominente Namen. Weiterlesen

Gruppenbild mit BKM. Die Deutsche Filmakademie hat die Nominierungen für die „Lola“ (rechts) bekanntgegeben. 23 Filme stehen in 17 Kategorien in der Endrunde. | Foto © DFA/Eventpress/Sascha Radke

Die Filmakademie hat die Nominierungen zum „Deutschen Filmpreis“ bekanntgegeben. Natürlich gab’s auch wieder Gründe zu mäkeln.

Im Mai schließt der Reigen der Preisgalas, wenn in Berlin die „Lola“ vergeben wird. Die Deutsche Filmakademie hat vorige Woche ihre Nominierungen für die höchsten Auszeichnungen im Land bekanntgegeben. Da freuen sich nicht nur die meisten Förderer und überbieten sich gegenseitig: 10 Nominierungen meldet die Mediendeutsche Medienförderung (MDM), 14 die Filmstiftung NRW, 21 die Moin im Hamburg, 29 gar das Medienboard in der Hauptstadt. Wobei sich die Förderer den Ruhm bei etlichen Nominierungen teilen.

Insgesamt sind 23 Titel in der Auswahl, freuen kann sich auch ein Film allein: Das Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“, das bekanntlich ohne Förderung entstand und trotzdem sieben „Baftas“ und vier „Oscars“ gewann. In 12 der 17 Kategorien ist der Film von Regisseur Edward Berger für eine „Lola“ nominiert. 

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Zum Start eine internationale Premiere: „Where We Live” von Sotiris Goritsas eröffnet das Greek Filmfestival. Wir wollten ein bisschen leicht sein und uns ein bisschen von der „Weird Wave“ entfernen, erklärt die Festivalleiterin Sofia Stavrianidou. | Foto © Feelgood Entertainment

Am Mittwoch eröffnet das Greek Film Festival in Berlin. Bei der achten Auflage stellt sich auch Crew United Greece vor. „Eine einzigartige Gelegenheit“, findet die Festivaldirektorin Sofia Stavrianidou. Denn ein Festival lebe auch vom Bezug zur Branche.

Wie organisiert man ein nationales Filmfestival in einer der größten Filmstädte Europas? Sofia Stavrianidou hat eine Antwort: „Die Künstler sind nur ein Teil des gesamten Mechanismus. Ich glaube fest daran, dass ein Festival von Profis organisiert wird.“ Stavrianidou selbst machte Öffentlichkeitsarbeit sowohl in Griechenland als auch in Deutschland, von Thessaloniki bis Cottbus,  und ist jetzt Leiterin des Greek Film Festival in Berlin.
Bei der achten Ausgabe ist Crew United als Partner und Preisstifter dabei: In der Veranstaltung „Show Me the Crew!“ präsentiert sich die Plattform vor Fachpublikum. „Eine einzigartige Gelegenheit“, sagt Stavrianidou. „Die Kraft eines Festivals ist auch der Branchenbezug. Deshalb kommen unsere Regisseur*innen hierher: Sie wollen das Publikum treffen, aber auch ihre Kolleg*innen. Für uns, muss ich sagen, ist diese Initiative ein Geschenk, denn Crew United ist ein Werkzeug, das jeder benutzt, es ist in Deutschland weit verbreitet, also ist dies eine Chance für die Griech*innen, es aktiver zu nutzen.“

Frau Stavrianidou, das Festival wurde 2015 als „Hellas Filmbox“ gegründet. Was ist Ihr Hauptziel und wie hat es sich entwickelt?
Im Laufe der Jahre ist es reifer geworden. Unser Fokus liegt darauf, unser Publikum sowohl aus Deutschen als auch natürlich Griech*innen, die in diesem Land leben, zu versammeln. Wir müssen ihnen diese Filme nahebringen, weil sie als Ausländer das Bedürfnis haben, sich mit ihrem eigenen Land zu verbinden. Und dann gibt es natürlich eine andere Art von internationalem Publikum, weil Berlin in seinen Gemeinden viele Sprachen spricht. Wir wollen das neue Griechische Kino zu diesem Publikum bringen.

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Die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ ist längst keine Nische für den Nachwuchs mehr. Die Filme greifen aktuelle Brennpunkte auf und zeigen an, welche Themen die nächste Generation beschäftigt. Der Dokumentarfilm „Vergiss Meyn Nicht“ basiert auf dem Originalmaterial eines Filmstudenten, der während einer Räumung im Hambacher Forst starb. | Foto © Made in Germany

Wenn alle nur auf den Wettbewerb starren, zieht hinten vielleicht unbemerkt die Zukunft vorbei. Gerade in der kleinsten Sektion bot sich eine echte „Perspektive Deutsches Kino“.

Längst ist die Sektion Perspektive Deutsches Kino kein Nebenschauplatz, bespickt mit deutschen Nischenproduktionen. Jetzt sollte man auch endlich mal die pauschale und oft maulig dahingeworfene Abwertung der Beiträge als „deutsche Perspektivlosigkeit“ ablegen. Leicht haben es die Filme der Sektion dieses Jahr in Konkurrenz mit den Haupt- und Nebensektionen der Berlinale trotzdem nicht gehabt. Wenn im Hauptwettbewerb des Festivals gleich fünf deutsche Filme antreten, ist es ungleich schwerer, Redaktionen und Publikum für die „Perspektive“ zu begeistern. Auch die Nebensektionen fuhren jede Menge Titel aus Deutschland ein. Das Generation-14plus-Programm öffnete mit „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von Sonja Heiss, die 2007 mit „Hotel Very Welcome“ Perspektive-Teilnehmerin war. Im Berlinale Special zeigte Robert Schwentke seinen „Seneca“-Film. Auch er hatte von der Perspektive bereits eine Chance bekommen. 2003 liefen seine „Eierdiebe“ im Programm. Es gab noch mehr Titel, die von der Aufmerksamkeit für die kleinste Reihe des Festivals (was die Anzahl der Produktionen betrifft), weglenkten. Davon demnächst an anderer Stelle, in einem anderen Text. Um es noch einmal zu betonen: fünf deutsche Filme liefen im Wettbewerb. Zum Teil alte Bekannte mit Dauerabonnement. Wer neue Namen, neue Talente entdecken wollte, musste also die Sektion wechseln.

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Ernestine Hipper und Christian M. Goldbeck freuten sich sichtlich über ihre „Oscars“ fürs beste Szenenbild. Noch in drei weiteren Kategorien wurde „Im Westen nichts Neues“ ausgezeichnet – auch als bester internationaler Film. | Screenshot

Vier „Oscars“ für „Im Westen nichts Neues“! Da wird das Filmland gleich ein bisschen mitgefeiert. Dabei kann das gar nichts dafür.

Am Montag gab’s nur ein Thema, denn den Titel haben nicht wir uns ausgedacht, sondern German Films, die Außenhandelsorganisation der deutschen Filmbranche. Weil nämlich endlich mal wieder ein Film aus Deutschland den „Oscar“ für den besten internationalen Film gewonnen hat. Und nicht nur das: Insgesamt vier der neun Nominierungen konnte „Im Westen nichts Neues“ verwandeln! „Dies ist ein Meilenstein in der knapp 100-jährigen Geschichte der ,Oscar’-Zeremonie. Die beeindruckende Anzahl von insgesamt vier ,Oscars’ für den Film ist nicht nur ein Zeichen für die herausragende Qualität deutschen Filmschaffens auf internationalem Parkett, sondern auch Anerkennung und Wertschätzung für ein filmisches Werk, dessen politische Aussage nach wie vor zeitlos ist und nicht an Brisanz verliert“, schreibt Simone Baumann, die Geschäftsführerin von German Films heute in einem Newsletter.

Auch die Kulturstaatsministerin freut sich: Das sei „ein so noch nie dagewesener Rekord für den deutschen Film“ und werde „dem deutschen Film weltweit Beachtung bringen und ihm neue Bedeutung verschaffen“, lässt Claudia Roth gleich per Rund-Mail vermelden. Von der Filmförderungsanstalt gratuliert ihr Vorvorgänger und heutiger Förder-Präsident Bernd Neumann: „Dies ist auch eine große Anerkennung für die Qualität des deutschen Filmschaffens und die Kreativität und Kompetenz der Filmschaffenden in Deutschland.“ In Bayern gratuliert Judith Gerlach, die eigentlich das Staatsministerium für Digitales leitet, sich zur Feier aber eigens als „Bayerns Digital- und Filmministerin“ bezeichnen lässt. Das sei nämlich auch „ein großartiger Erfolg auch für den Filmstandort Deutschland“ und „unterstreicht, dass die deutsche und bayerische Filmbranche auch international ganz vorne dabei ist.“

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Frauen erhalten zwar oft schon in den Filmhochschulen mehr Preise, bei den entscheidenden Schritten in die Karriere werden sie trotzdem übersehen, sagt die Regisseurin Esther Gronenborn: „Wird bei Männern meist das Potenzial betrachtet, so werden Frauen eher danach bewertet, was sie in der Vergangenheit bereits gemacht haben.“ | Foto © Birgit Gudjunsdottir

Am Mittwoch war Weltfrauentag, am Dienstag Equal Pay Day. Die Chancengleichheit ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Aber es geht nicht bloß um Geld, sondern um Sichtbarkeit und falsche Bilder.

18 Prozent war die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen im vorigen Jahr in Deutschland. Soviel weniger verdienten Frauen durchschnittlich für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation. Anders ausgedrückt: die ersten 66 Tage im neuen Jahr arbeiten sie praktisch umsonst. So rechnet die europaweite Initiative Equal Pay Day die Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern in Arbeitszeit um. In diesem Jahr fiel er wieder auf den 7. März – genau ein Tag vor dem Weltfrauentag.

Aber die Kunst der gleichen Bezahlung ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Die Regisseurin Esther Gronenborn ist Gründungsmitglied von Pro Quote Film. Im Blog erklärt sie nochmal die Lage:

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Die Gewinner*innen des „Fair Film Award 2023“ mit Moderatorin in der Kulturbrauerei in Berlin. | Foto © Alena Sternberg

Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.  

Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet,  steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier. 

Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärten  Benesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.

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Die einen gehen, die anderen kommen gar nicht erst. Das zeigt: Etwas läuft ganz gewaltig schief in der Filmbranche – doch die kämpft nur gegen die Symptome, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. | Foto © Alena Sternberg

Die Branche hat ein Personalproblem. Mit neuen Programmen und Förderungen ist es nicht getan, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“. In ihrer Keynote zum „Fair Film Award Fiction“ erklärten sie, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft:

„Als Studentinnen der Filmuniversität Babelsberg und angehende Producerinnen stehen wir kurz davor, in die Branche einzutreten und können es eigentlich kaum erwarten. Endlich die Menschen bezahlen, mit denen wir arbeiten. Endlich auch mal selbst bezahlt werden. Und Filme machen, die auch gesehen werden. Gleichzeitig blicken wir in eine Branche, deren Strukturen so alt und verkrustet sind, dass es fast unmöglich scheint, darin noch gute, innovative, qualitativ hochwertige Filme zu machen. Strukturen, die von starken Hierarchien geprägt sind und von einem teilweise extrem rauen Umgangston; von der Erwartungshaltung, dass die Arbeit beim Film wichtiger ist, als alles andere. In denen Leidenschaft mit absoluter Opferbereitschaft verwechselt wird. Strukturen, denen ein Förder- und Finanzierungssystem zu Grunde liegt, das den Anforderungen der Realität kaum noch gerecht werden kann. Weiterlesen

Der Storch im Vorspann soll zeigen: An diesem Film haben Filmschaffende aus der Ukraine mitgearbeitet. Zur Berlinale startete DIM Filmhose die Kampagne „Worked on in Ukraine“: Eric Holland (Mitte) und seine Mitgründer*innen (von links) Alisa Voznesenska, Mykyta Pavlov und Hilma Wiberg in Berlin. In Kyjiw machten Yuliia Kasianova und Darya Padenko ihr Selfie vor der U-Bahn-Station. Die ukrainische Hauptstadt war kurz zuvor wieder beschossen worden. | Fotos © DIM Filmhouse

Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse: Ganzheitlich vom Casting bis zur Postproduktion und über Grenzen. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will man ukrainischen Filmschaffenden Stimme und Arbeit geben. Gemeinsam mit Filmmakers for Refugees und Crew United startete jetzt die Kampagne „Worked on in Ukraine“: Ein Siegel für Produktionen, die Filmschaffende im Krieg und auf der Flucht unterstützt haben. 

Vor einem Jahr überfiel Russlands Armee die Ukraine. Viele Filmschaffende mussten das Land verlassen, andere blieben – die meisten versuchen, weiterhin zu drehen. In Deutschland überlegte damals Eric Holland, was er tun könnte. Der Amerikaner lebte seit zwei Jahren in Berlin und hatte bereits eine stattliche Filmografie in Musik- und Tonabteilung. Mit seinen Kenntnissen wollte er den Filmschaffenden im Exil helfen. Der Wechsel ins Produzentenfach fiel Holland nicht schwer, sagt er. Er habe lange Jahre im Silicon Valley gearbeitet und viele Erfahrungen mit Start-ups gesammelt. Nun gründete er mit ukrainischen Kolleg*innen selber eines: Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will es „eine Brücke für ukrainische Stimmen und Talente zur internationalen Filmlandschaft“ sein, heißt es auf der Website. 

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In „Walchensee forever“ erzählt Janna Ji Wonders ein Jahrhundert eigener Familiengeschichte. Anja Pohl brachte die Erzählungen mit der Regisseurin in Form: „Als Editorin bin ich die erste Zuschauerin, das heißt, ich versuchte dieses Familiensystem zu begreifen und stellte Fragen, die Janna vielleicht nie gestellt hätte, weil sie die Antwort ja bereits kannte.“ | Foto © Edimotion/Juliane Guder

Beim „Edimotion“ wurden im Oktober wieder Filmschnitt und Montagekunst gefeiert und ausgezeichnet. Den „Schnitt-Preis“ für die beste Dokumentarfilmarbeit gewann die Editorin Anja Pohl für „Walchensee forever“. 

Anja Pohl, Glückwunsch zum diesjährigen Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm. Sie sind ja eine sehr erfahrene und vielfach prämierte Editorin, für Regisseurin Janna Ji Wonders war „Walchensee forever“ ihr Langfilmdebüt. Wie haben Sie sich kennengelernt und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Als Janna in der HFF studierte, betreute ich ihre Kameraübung in der Schnittphase, ein kurzes Porträt ihrer Großmutter Norma, die am Walchensee das Café Bucherer in zweiter Generation führte, mit fast 90 Jahren:  „Warten auf den Sommer“. Die Vorgabe für diese Filmübung war: 16 Millimeter, Schwarz-Weiß, rein beobachtend. Ich war damals beeindruckt von der Klarheit und meditativen Kraft der Einstellungen und der Umsetzung. Als Janna mich Jahre später fragte, ob ich bei „Walchensee forever“ mitarbeiten würde, sagte ich ohne Zögern: „Ja!“

Die Regisseurin ist hier gleichzeitig auch Protagonistin, porträtiert die Frauen ihrer Familie über mehrere Generationen hinweg – wo lagen hier die Herausforderungen für die Montage?
Ich gebe zu, der Anfang war nicht leicht, und die Herausforderungen vielschichtig.
Es war zwar von Anfang an klar, dass die Frauen der Familie im Zentrum stehen. Aber alleine das Leben von Norma, Jannas Mutter Anna und deren Schwester Frauke war so reich und auch bewegt, dass wir über jede der Frauen einen eigenen Film hätten bauen können. Das bereitete uns einige Kopfschmerzen, Janna naturgemäß mehr, sie ist ja Teil dieses Familien-Psychogramms. Wie lässt sich eine verzweigten Erzählweise zulassen, ohne den „Hauptstamm“ aus den Augen zu verlieren, und das zusammengepackt in einen Dokumentarfilm, der nicht länger als maximal 99 Minuten sein sollte. Es wurden dann 109 Minuten.

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