Angst essen Kino auf

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Preisgala bei den „First Steps Awards“ im „Theater des Westens“ in Berlin. Festivals und Preise gibt es reihenweise für den Nachwuchs in Deutschland. Doch nach dem Abschluss wird die Luft plötzlich dünn für die neuen Talente. | Foto © Florian Liedl/First Steps

Wenn die Branche wirklich bessere Filme will, sollte sie den Nachwuchs vielleicht einfach mal machen lassen. In einem Appell redet der junge deutsche Film ungewohnten Klartext.

Der Deutsche Film tut sich zurzeit bekanntlich etwas schwer. Am sogenannten Nachwuchs sollte es jedenfalls nicht liegen. Der räumt bei den „Hochschul-Oscars“ regelmäßig ab und punktet auch immer wieder auf Festivals. Beste Voraussetzungen also für eine Branche, die gerne Größeres vorhätte, aber sich doch nicht traut: „Entstand der erste Lang?lm nicht im Rahmen des Studiums, vergingen nach dem Abschluss Im Durchschnitt fünf Jahre bis zur Realisierung“, stellte der Produzentenverband in seiner Nachwuchsstudie 2021 fest. 

Jetzt reden die jungen Talente (zum Teil schon weit über 30) selbst. Und das in ungewohntem Klartext. Im Rahmen des Kongresses Zukunft Deutscher Film (mehr zum Kongress in der nächsten Ausgabe) stellten die Regisseurinnen Eileen Byrne und Pauline Roenneberg am Mittwoch den Appell „Angst essen Kino auf“ vor. „Junger deutscher Film 2023“ nennt sich die Initiative; bis heute haben 434 Filmschaffende aus allen Gewerken unterzeichnet, weitere 357 haben sich solidarisch erklärt, darunter auch viele prominente Namen.

„Statt zu sehen, dass Erfolg nur mit Risikobereitschaft, mit Neuem, Nie-Dagewesenem, Originellem kommt, setzt Ihr auf Remakes, Sequels, Romanadaptionen, Schenkelklopfer-Komödien und natürlich: bekannte Gesichter und Namen. Und selbst das zieht das Publikum seit Corona nicht mehr in die Kinos. Nicht wirklich“, heißt es da. 

Neuerungen verhindere auch das Fernsehen, von dem jede Förderung letztlich abhänge. „Aber dann muss Fernsehen wieder mutiger werden und das Kino als Kino respektieren. Es kann nicht sein, dass Kinofilme ,fernsehkonform’ gemacht werden, damit sie, wenn überhaupt, zu später Stunde über die kleinen Bildschirme laufen dürfen. … Ihr wollt von uns keine Innovation, sondern Sicherheit. Inzwischen soll bereits der erste lange Kinofilm allen gefallen. (Und was allen gefällt, gefällt doch niemandem richtig.) Verzweifelt und kompromissbereit, sind wir also gezwungen, für Euch unsere Ideen zu beschneiden, bis kaum noch etwas von ihnen übrig ist. Auf unser Talent und unser Können vertraut Ihr schon lange nicht mehr! […] Dabei wollen wir Neues ausprobieren. Wir haben Ideen, wollen experimentieren, verändern, schaffen. Aber dafür müsst Ihr uns erst mal lassen! Die meisten von uns haben jahrelang an staatlichen Filmhochschulen studiert – in einem der teuersten Studiengänge Deutschlands – von Euch finanziert! Aber für Euch müssen wir danach noch einmal ganz von vorne anfangen. Auch wenn wir bereits erfolgreiche Filme in der Tasche haben. Fingerübungen nennt Ihr das beim Fernsehen. Wir müssen Euch erst zeigen, ob wir das können. Was können? Ins Format passen? […] Was wir jetzt brauchen ist Mut. Euren Mut. Mut, ambivalent zu erzählen. Mut, Mehrdeutigkeit zuzulassen –  auch unbequem zu werden. Und Scheitern als Chance zu begreifen – als natürlichen Bestandteil künstlerischer Arbeit! Nur so entstehen neue Impulse und Erzählformen für ein kraftvolles, diverses und zukunftsweisendes Kino.“

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