Frauen im Film I: Von Chancen und Sichtbarkeit

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Frauen erhalten zwar oft schon in den Filmhochschulen mehr Preise, bei den entscheidenden Schritten in die Karriere werden sie trotzdem übersehen, sagt die Regisseurin Esther Gronenborn: „Wird bei Männern meist das Potenzial betrachtet, so werden Frauen eher danach bewertet, was sie in der Vergangenheit bereits gemacht haben.“ | Foto © Birgit Gudjunsdottir

Am Mittwoch war Weltfrauentag, am Dienstag Equal Pay Day. Die Chancengleichheit ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Aber es geht nicht bloß um Geld, sondern um Sichtbarkeit und falsche Bilder.

18 Prozent war die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen im vorigen Jahr in Deutschland. Soviel weniger verdienten Frauen durchschnittlich für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation. Anders ausgedrückt: die ersten 66 Tage im neuen Jahr arbeiten sie praktisch umsonst. So rechnet die europaweite Initiative Equal Pay Day die Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern in Arbeitszeit um. In diesem Jahr fiel er wieder auf den 7. März – genau ein Tag vor dem Weltfrauentag.

Aber die Kunst der gleichen Bezahlung ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Die Regisseurin Esther Gronenborn ist Gründungsmitglied von Pro Quote Film. Im Blog erklärt sie nochmal die Lage:

„Die Filmindustrie, so sagt man, ist ein ,People Business’. Wieviel Sichtbarkeit eine Person hat, entscheidet über die Projekte, die sie angeboten bekommt und damit über die Entlohnung. Frauen in der Filmbranche haben immer noch ein Problem mit ihrer Sichtbarkeit. Sie erhalten zwar oft schon in den Filmhochschulen mehr Preise als ihre männlichen Kollegen, werden aber trotzdem übersehen, wenn es um die entscheidenden Schritte zu einer erfolgreichen Filmkarriere geht. Wird bei Männern meist das Potenzial betrachtet, so werden Frauen eher danach bewertet, was sie in der Vergangenheit bereits gemacht haben. Auf dieser Basis wird ihnen ein Projekt oder Budget zugetraut oder auch nicht. […] Filmemacherinnen und ihre Leistungen werden seltener wahrgenommen und geraten schneller in Vergessenheit. Es ist also wenig erstaunlich, dass der Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung keinen Film einer Frau auflistet. Dies sorgt dafür, dass der Filmberuf nach wie vor als ,männlich’ wahrgenommen wird. Eine Ausnahme bildet das Bild der Schauspielerin, solange sie jung ist und den Körpernormen entspricht. Es ist daher vielleicht kein Zufall, dass der Gender Pay Gap in der Filmbranche mit 35 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. In manchen Filmgewerken wie der Kamera, liegt er sogar bei 58 Prozent. Ein notwendiger Kulturwandel zu einer geschlechtergerechten und diversen Industrie scheint überfällig. […] Die Regisseurinnen bleiben in der Entlohnung hinter ihren männlichen Kollegen, weil sie in den Formaten beschäftigt werden, die kostengünstiger sind und schlechter entlohnt werden. Aber auch indirekt hat dies Auswirkungen: Der Werdegang der Regisseurinnen wird bestimmt durch die Formate und Filme, die sie umsetzen dürfen. […] Transparenz herzustellen wäre so einfach. Große Produktionsfirmen, die Sendeanstalten und Streamingplattformen könnten mit einem Klick zeigen, wie die Teambesetzung vor und hinter der Kamera bei ihren Filmen aussieht und wie die Gagen der Schauspieler*innen verlaufen. Bisher werden diese Zahlen meist ehrenamtlich und von einzelnen Verbänden mühsam aus den Sendedaten herausgefiltert. […] Der Umbau der Branche zu einer diversen und geschlechtergerechten Erzähl- und Beschäftigungskultur führt nicht nur zu gerechten (Lohn-)Verhältnissen. Filme von Frauen erhalten im Verhältnis mehr Filmpreise, sie laufen erfolgreicher auf Festivals und an der Box Office.“

Auch Schauspielerinnen verdienten weniger als ihre Kollegen: „Einer Schauspielerin in der Rolle einer Krankenschwester fiel auf, dass sie weniger verdiente als ihr Kollege, der einen Arzt spielte. Die Erklärung: Der Kollege spiele ja schließlich einen Akademiker. […] Laut den Erhebungen der MaLisa Stiftung verschwinden Frauen ab 34 von der Leinwand. Zudem gibt es weniger weibliche Hauptrollen. Frauen haben es also schwerer, sich in den Gagenspiegel ihrer Kollegen zu spielen, der auch hier mit Erfahrung, Sichtbarkeit, sowie Größe und Anzahl der Rollen gemessen wird.“

Langsame Fortschritte sieht die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (EAI) für Frauen in der TV-Fiction-Produktion. Jedoch auch das passt noch in die Überschrift: „aber immer noch großes Ungleichgewicht bei Regisseurinnen, Kamerafrauen und Komponistinnen.“ Ihr Bericht, am Dienstag veröffentlicht, analysiert die Besetzung von Schlüsselpositionen bei mehr als 50.000 Spielfilmen und Serienfolgen für Fernsehen und Stream, die zwischen 2015 und 2021 produziert wurden: Regie, Drehbuch, Produktion, Kameraführung, Musik und Hauptrollen. Die Gewerke zusammengenommen, ist der Anteil von Frauen gestiegen. 2015 waren es noch 18 Prozent, 2021 waren es 22 Prozent. 

„Der Anteil der weiblichen Fachkräfte in der Produktion europäischer TV-Fiktion reicht von weniger als 10 Prozent (Musik, Kamera) bis zu über 40 Prozent (Produktion, Hauptrollen). 37 Prozent der TV-Fiktionsfolgen wurden 2021 von Drehbuchautorinnen geschrieben, jedoch nur 22 Prozent unter weiblicher Regie gedreht.“ 

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