Rückzahlung oder nicht? Was Sie zur Corona-Soforthilfe wissen sollten

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Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr kam auch die Soforthilfe. Schnell und unbürokratisch sollte sie fließen, darum waren die Bedingungen auch nicht überall gleich und klar. Viele Unternehmen und Solo-Selbständige fürchten nun, dass sie das Geld zurückzahlen müssen – oder gar noch Schlimmeres. Die Steuerfachwirtin Marie Skrotzki erklärt, was zu beachten ist.


Soforthilfe – wann droht eine Rückzahlung?

Die Soforthilfe startete Ende März zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie. Für viele war sie der Rettungsanker, der die meisten Unternehmen vor der Insolvenz schützte. Schnell und unbürokratisch sollte sie sein. Zehntausende haben die Soforthilfe beantragt und bekommen – ohne tiefgehende Überprüfung. Doch wer bei der Antragstellung das Kleingedruckte nicht (richtig) gelesen hat, muss die Soforthilfe unter Umständen (teilweise) zurückzahlen. Denn nur wer sich tatsächlich in einer existenz- bedrohenden Lage befand, hatte Anspruch auf die Soforthilfe. Neben der Rückzahlung der Soforthilfe können in manchen Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen drohen. Die genauen Voraussetzungen für die Soforthilfe wurden nicht besonders gut kommuniziert und im Laufe der Wochen immer wieder aktualisiert und angepasst, wodurch nun viele Betroffene eine Rückzahlung befürchten. Ein weiterer Grund hierfür war auch, dass die Handhabung in einzelnen Bundesländern unterschiedlich war. Wegen unklaren Förderbedingungen droht also vielen Unternehmen und Solo-Selbstständigen die Rückzahlung.

Wofür dürfen die Soforthilfen verwendet werden?
Tatsächlich dürfen die Soforthilfen ausschließlich für Betriebskosten, und nicht für Lebenshaltungskosten, verwendet werden. Für die privaten Lebenshaltungskosten ist unter anderem der „vereinfachte Zugang“ zum Arbeitslosengeld II oder Wohngeld vorgesehen. In Nordrhein-Westfalen dürfen Solo-Selbstständige unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Pauschalbetrag für Lebensunterhaltskosten im März und April ansetzen. Auch Personalkosten dürfen nicht von der Soforthilfe bezahlt werden, denn dafür ist das Kurzarbeitergeld vorgesehen.

Folgende Betriebskosten dürfen von der Soforthilfe bezahlt werden:
# Miet- und Nebenkosten sowie Pachtzahlungen für gewerblich genutzte Räume.
# gewerbliche Versicherungsbeiträge.
# Kredite und Leasingraten für gewerblich genutzte Güter und Einrichtungen (sofern keine Stundung gewährt wurde).
# KFZ-Leasingkosten und Wartung (sofern das Fahrzeug für die wirtschaftliche Tätigkeit notwendig ist).
# geschäftliche Telekommunikationskosten.
# laufende Kosten/Gebühren für Provider, Domain(s), Webspaces etc. sowie Wartungskosten.
# Wartungskosten für Betriebs- und Geschäftsausstattung.
# Kosten für Marketing.

Was ist eine existenzbedrohende Lage? Wie wird der Liquiditätsengpass berechnet?
Der Begriff der wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Liquiditätsengpass) und einer existenzbedrohenden Lage in Folge der Coronakrise werden je nach Bundes-land unterschiedlich definiert. In Nordrhein-Westfalen galt als wirtschaftliche Schwierigkeit, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorlagen:
# Mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 01.03.2020 sind weggefallen
# Die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat haben sich mehr als halbiert
# Die Umsatzerzielung ist durch eine behördliche Maßnahme massiv eingeschränkt oder
# vorhandene Mittel reichen nicht aus, um den kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens nachzukommen (Liquiditätsengpass)

Für das Bundesland Berlin definiert die Investitionsbank Berlin (IBB) eine existenzgefährdende Wirtschaftslage sowie den Liquidationsengpass so: „Ein Liquiditätsengpass besteht, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb des Antragstellers voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (bspw. gewerbliche Mieten, Pacht, Leasingaufwendungen) zu zahlen. Wenn diese Voraussetzungen vor-liegen, wird angenommen, dass eine existenzgefährdende Wirtschaftslage besteht.“

Wenn die betrieblichen Ausgaben die Einnahmen in den drei Monaten ab der Antragstellung übersteigen, liegt ein Liquiditäts- engpass vor. In Höhe des Liquiditätsengpasses konnte der Zuschuss beantragt werden. Liquide Mittel oder Privatvermögen sind bei der Berechnung eines Liquiditätsengpasses allerdings nicht einzubeziehen. Der Liquiditätsengpass sollte am Tag der Antragstellung absehbar, musste aber noch nicht eingetreten sein. Nicht selten kommt es vor, dass sich innerhalb dieser drei Monate die Situation verbessert oder verschlimmert. Erwies sich der beantragte Zuschuss im Nachhinein als zu hoch, ist die Differenz zurück zu zahlen.

In Nordrhein-Westfalen hat jeder Antragsteller automatisch die Höchstsumme von 9.000 Euro beziehungsweise 15.000 Euro, unabhängig vom tatsächlichen betrieblichen Sachaufwand, erhalten. Im Nachgang mussten die Antragsteller ihren betrieblichen Sachaufwand ausrechnen. Mit dem Ende des Förderzeitraumes hat Nordrhein-Westfalen das Abrechnungsverfahren gestartet und ca. 100.000 der 426.000 Hilfeempfänger um Rückmeldung ihres Liquiditätsengpasses gebeten. Dabei ergaben sich einige Probleme in den Abrechnungsvorgaben und das Rückmeldeverfahren ist bis zur Klärung angehalten. Das Rückmeldeverfahren wird voraus- sichtlich Ende November wieder aufgenommen. Die Betroffenen sollen bis Ende März 2021 Zeit bekommen, um die Soforthilfe zurückzuzahlen. Bei der Ermittlung des Engpasses sollen nach neuen Vorgaben nun auch Personalkosten, die nicht vom Kurzarbeitergeld abgedeckt sind, berücksichtigt werden. Ebenso sind gestundete Miet- und Pachtzahlungen, die im Förderzeitraum fällig waren, zu berücksichtigen. Bisher wurden alle Zahlungen berücksichtigt, die im Förderzeitraum flossen, auch wenn deren Leistung vor Corona war. Nun soll es die Möglichkeit geben, auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen. Hohe Einmalige Zahlungseingänge, die sich auf ein ganzes, zurückliegendes Jahr beziehen, können nun über einen Zeitraum abgesetzt werden. Die genaue Ausgestaltung wird derzeit noch mit Bund und Ländern besprochen. Generell soll es aber für die Steuererklärungen 2020 eine Anlage „Corona“ geben.

Für das Land Berlin ist zurzeit noch kein Rückmeldeverfahren wie in Nordrhein-Westfalen in Planung. Die Zuschussempfänger wurden gebeten, von sich aus den Liquiditätsengpass zu berechnen und die Überkompensation als soge-nannten Rückläufer zurückzuzahlen. Auch ist nicht absehbar, ob die Erleichterungen für das Land Nordrhein-Westfalen auch für andere Bundes-länder gelten soll. Jedes Bundesland hat da leider sein eigenes Süppchen gekocht, was die ganze Sache so kompliziert und undurchsichtig macht. Hier ist aber eine Übersicht über alle Bundesländer.


Soforthilfen und Solo-Selbstständige

Besonders problematisch erweist sich die Situation für Solo-Selbstständige, denn sie haben keine oder nur geringe Betriebs- kosten. Sie haben selten Büro- oder Lagerräume und müssen auch nicht unbedingt teure Fahrzeuge leasen. Das Land Berlin hatte aus diesem Grund den Solo-Selbstständigen zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten einen Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro gezahlt. Nach nur wenigen Tagen konnte dieser Landeszuschuss aber nicht mehr beantragt werden. Der Bundesregierung ist die Situation der Solo-Selbstständigen zwar kein unbekanntes Problem, etwas unternommen wird aber kaum.  Für die Solo-Selbstständigen soll es einen vereinfachten Zugang zum Hartz IV geben. Das bedeutet, dass vor Inanspruchnahme von Hartz IV die Rücklagen nicht aufgebraucht werden müssen und auch Lebenspartner, die im gemeinsamen Haushalt wohnen, nicht für den Lebensunterhalt des Solo-Selbstständigen aufkommen müssen. In der Praxis erweist sich dich die Antragstellung für die Grundsicherung allerdings nicht als unbürokratisch und wird verhältnismäßig oft abgelehnt, unter anderen auch deshalb, weil eigene Mitarbeiter im Amt nicht geschult wurden. Auch die neu eingeführte Überbrückungshilfe hilft den Solo-Selbstständigen ohne fixe Betriebskosten gar nicht. In der Eile, mit der die Corona-Hilfen verabschiedet wurden, sind viele Fragen nicht abschließend geklärt und kommuniziert worden. Es bleibt abzuwarten, ob es von den einzelnen Bundesländern Lösungen geben und von Rückzahlungen abgesehen wird, sofern nicht in betrügerischer Absicht gehandelt wurde.

Zum Weiterlesen:
„Wer diese Regeln macht, hat keine Ahnung von Selbstständigkeit“: Viele der zwei Millionen Solo-Selbstständigen warten vergeblich auf staatliche Hilfen. Hier erzählen drei von ihnen, wie es ist, nun doch Hartz IV beantragen zu müssen. [„Die Zeit“, 14.10.2020]

Zwei Millionen Kleinstunternehmer kämpfen um ihre Existenz. Während der Staat Konzerne vor der Pleite rettet, fallen viele Freiberufler und Soloselbstständige durchs Raster. Doch die Regierung bleibt stur bei ihrem Konzept. [„Der Spiegel“, 02.10.2020]

Corona-Soforthilfe: Wann droht Selbständigen eine Rückzahlung?  [„Advocard“, 16.07.2020]

Worthülsen für Soloselbstständige: Die Regierung hat viele finanzielle Hilfen für Corona-Geschädigte ins kommende Jahr verlängert. Für Soloselbstständige gibt es bisher nur warme Worte. Wie es besser wäre – und was Sie tun können. [„Der Spiegel“, 29.08.2020]

„Jeder Selbstständige hat Bedenken, wenn er zum Jobcenter muss“: Noch immer kommt bei Millionen Solo-Selbstständigen kaum Hilfe an. Catharina Bruns ist in der Krise zu einer Stimme der Branche geworden, die bislang keine Lobby hat – und erklärt die Ursachen der Misere. [„Der Spiegel“, 29.08.2020]

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