Öffentlich-rechtliche Steuerfluchten

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Hauptsache billig. Drehstart zur dritten Staffel von „Charité? in Tschechien 2019. | Foto © MDR/Ufa Fiction/Stanislav Honzík

Die Förderreform lässt weiter auf sich warten. Unterdessen zieht es Produktionen lieber in billigere Nachbarländern. Sogar die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen dabei mit.

Während die Feuilletons mit dem neuen Kulturstaatsminister noch die Kultur erörten, drängt die Branche zum Handeln. 22 Berufsverbände und Vereinigungen haben einen Offenen Brief an BKM Wolfram Weimer geschrieben – mit der „dringenden Erwartung, dass Sie zwei zentrale Förderinstrumente aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen: ,eine gesetzliche Investitionsverpflichtung sowie ein steuerbasiertes Anreizmodell, um die Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland durch eine zeitnahe Reform der Filmförderung zu verbessern.’“  

Im ganzen Wortlaut ist der Offene Brief zurzeit nur auf „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] zu lesen. Darin schließen sich die Unterzeichnenden ausdrücklich einem ähnlichen Appell an. Schon im März, kurz nach der Wahl, hatten mehrere Verbände mit Sitz im FFA-Verwaltungsrat gemahnt [hier bei „Blickpunkt Film“]: „Deutschlands Filmtalente sind auf Weltniveau, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind es derzeit nicht. Deswegen befindet sich die deutsche Filmproduktionslandschaft in einer strukturellen Krise.“ Gemeint ist: Der großen Reform fehlen noch Steueranreize und Investitionsverpflichtung.  

Denn ohne die „rauscht die Produktion von TV-Serien und Kinofilmen am heimischen Markt vorbei in Länder wie Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Tschechien oder eben Österreich“, schreibt Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF), in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Da sieht er auch die Öffentlich-Rechtlichen in der Verantwortung: 

„Es sind vor allem die großzügigen Fördermittel und Steuererleichterungen der Republik Österreich, die die dortige Film- und Fernsehbranche prosperieren lassen. Auch anderswo im europäischen Ausland tragen ARD und ZDF mit ihren aus dem Rundfunkbeitrag finanzierten Produktionen zur Hebung der Film- und TV-Wirtschaft bei: Ob in Lissabon, Zürich, Barcelona, Kroatien, Amsterdam, Istanbul oder zuletzt in Griechenland (,Ein Kreta-Krimi’) – überall in Europa ermitteln im ARD-Auftrag Krimiteams. Auch die gern als Event- und Highlight-Fernsehen angepriesenen Großserien, mit denen sich ARD und ZDF als Hochglanzprogramme profilieren, sind keineswegs ,Made in Germany’. Die zweite Staffel von ,Der Palast’ im ZDF über den Friedrichstadt-Palast in Berlin wurde 2024 größtenteils in Polen gedreht, im Jahr zuvor liefen die Dreharbeiten für die vierte Runde der gefeierten Serie ,Charité’ in Portugal, die von ,Oktoberfest 1905’ fanden vor einem Jahr hauptsächlich in Belgien (jeweils ARD) statt. Der Reigen lässt sich um die ZDF-Eventserie ,Der Schwarm’ (größtenteils Italien), die Biopics über den Jeanserfinder Levi Strauss (ARD, Italien) und Eislaufikone Kati Witt (ZDF, Tschechien) fortsetzen, um nur die bekanntesten zu nennen. 

[…] Es kann nicht sein, dass immer mehr Gelder aus der Kasse der Beitragszahler ins Ausland fließen, während die heimischen Produktionsressourcen in prekäre Verhältnisse rutschen. Schon jetzt leidet die Infrastruktur der deutschen Film- und Fernsehbranche, gehen Arbeitsplätze verloren, wandern Crews und Equipment ins Ausland ab, stehen Studios monatelang leer und gehen Postproduzenten in die Insolvenz.“