Schiefe Strukturen, Schwarze Listen  

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Die Filmbranche ist klein. Wer petzt oder meckert, setzt leicht seine Existenz aufs Spiel. Szenenfoto aus „Manta, Manta – Zwoter Teil“.  | Foto ©  Constantin/Bernd Spauke

Ganz so schlimm ist die Filmbranche doch nicht, sagt der Geschäftsführer des Regieverbands. Aber auch: Man muss in dieser Szene mit Kritik sehr vorsichtig sein. Warum eigentlich?

Die Verhältnisse in der deutschen Filmbranche sind weiter im Gespräch. In der „Frankfurter Rundschau“ fragt Johanna Krause den Regisseur Jobst Oetzmann, der auch Geschäftsführer des Regieverbands (BVR) ist. „Natürlich weiß man, dass es solche Einzelfälle gibt, aber in dieser Ausprägung sind sie in der Filmbranche ausgesprochen selten. Ich bin seit über 30 Jahren im Filmgeschäft, und ich kann nur sagen: Die wilden Zeiten der Filmindustrie sind vorbei. Seit langer Zeit ist man deutlich sensibler, was den Umgang miteinander am Set angeht“, sagt Oetzmann. „Zunächst ist erst einmal die Produktion dafür verantwortlich, wie es am Set läuft. Das gilt erst recht für derart ernst zu nehmende Vorwürfe, dass es am Set Alkoholprobleme oder sogar Handgreiflichkeiten gibt. […] Was die Unterschreitung von gesetzlichen Ruhezeiten angeht, die es ja auch am Set gegeben haben soll, oder fehlerhafte Sicherheitsmaßnahmen, ist dies – nur um das klarzustellen – sicherlich ebenfalls nicht der Regie anzulasten. Das sind klassische Verantwortungsbereiche des Arbeitgebers.“ 

Schuld am schlechten Umgang habe das System, es herrsche ein hoher Druck: „Es geht täglich um sehr viel Geld, und es wird dafür lange gearbeitet: Regelmäßig zwölf Stunden – und in Ausnahmefällen 14 Stunden, so lässt es der Tarifvertrag zu. […] Seit mehr als 20 Jahren hat sich die Anzahl an Drehtagen, die für die Produktion eines Films angesetzt werden, ständig reduziert – bis zu 25 Prozent. […] In unserer Branche arbeiten wir ja projektbezogen, und das heißt, dass auch nur projektbezogen beschäftigt wird. Wenn Sie als Regisseurin, Ausstatter oder Kamerafrau Ärger machen, müssen Sie damit rechnen, dass Sie nicht erneut beschäftigt werden und auf einer ,Schwarzen Liste’ landen. Das ist kein Geheimnis, und das habe ich selbst schon erlebt: Je nachdem, wie groß und mächtig der Auftraggeber ist, mit dem Sie sich verstreiten, kann das durchaus existenzgefährdend sein. Man muss in dieser Szene mit Kritik sehr vorsichtig sein.“ 

Im Podcast „Anderssein“ ist Maike Backhaus zu Gast. Die Journalistin hatte im „Spiegel“ die Missstände beim Dreh von „Manta Manta – Zwoter Teil“ enthüllt. Im Gespräch mit Minh-Khai Phan-Thi erzählt sie von der Recherche und dem Problem, ihre Quellen zu schützen. Deren Schilderungen erfolgten im „Spiegel“ zwar anonym, doch mitunter ließen sich Rückschlüsse ziehen, woher sie kommen. Es gehöre also viel Mut dazu, sich zu äußern, sagt Backhaus. Existenzen würden aufs Spiel gesetzt.  Was sie zu dem Schluss brachte, dass dies kein Einzelfall sein kann: „Wenn man merkt, dass so Dinge, die eigentlich normal sein sollten, mutig sind, dann merkt man, dass die Strukturen irgendwie schief sind.“  

Auf den Artikel habe sie viel Feedback erhalten, mit Schilderungen von anderen Drehs, die ebenfalls kein gutes Bild abgeben. Das komme aber immer aus den Gewerken am Set, berichtet Backhaus. Die erste Reaktion bei Menschen in „Machtpositionen“ war hingegen in der Regel: „Ne, sowas kennen wir gar nicht.“  

Auch Milan Peschel kennt sowas nicht – seine Drehs stets als gut erlebt, erzählt er zu Gast bei  „Hotel Matze“. Peschel hat in „Die Hochzeit“ und „Klassentreffen“ mit und unter Schweiger gespielt und findet die ganze Diskussion „hysterisch und überzogen“. Es gebe doch Probleme, die „viel wesentlicher als die Bedingungen an einem Drehset sind“, sagt er und meint Hunger und Armut in der Welt. Und außerdem machen wir alle Fehler … 

Mit beidem hat er wohl recht, und in der Unendlichkeit von Raum und Zeit sind wir eh nur Staubkörner. Aber weil er den Artikel im „Spiegel“ gar nicht gelesen hat, mag man seiner Kritik an der Kritik („Schweiger wird zum Sündenbock gemacht“) dann doch nicht so richtig folgen. Da hilft auch nicht der tollkühne Vergleich: „Fassbinder war auch ein Junkie und hat seine Leute auch nicht immer nett behandelt.“ 

Auch in anderen Branchen soll es hart zugehen. „Warum fällt es vielen Menschen so schwer, für ein besseres Arbeitsklima einzustehen, Missbrauch zu melden und gegen Gewalt aufzustehen?“ fragt Max Müller in der „Frankfurter Rundschau“. Experten sagen ihm, wann Grenzen überschritten sind – und was Betroffene tun können. Die Einschätzung des Arbeitsrechtlers mag enttäuschen: „Auch, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht anschreien lassen muss: Ein Arbeitnehmer hat kein Recht auf einen netten oder besonders freundlichen Chef.“ 

Ärger gibt es übrigens auch um den ersten Teil. Mit „Manta, Manta“ landete die Constantin mit Til Schweiger 1991 einen Kinohit. Das Drehbuch hatte Stefan Cantz geschrieben. Der verklagt jetzt die Produktions­firma, berichtet David Steinitz in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]: „Cantz sagt, er habe versucht, sich mit der Constantin außergerichtlich zu einigen, aber das sei gescheitert.“ 

Die Zusammenfassung bei „Turi 2“: „Demnach gehe es um einen ,Nach­vergütungs­anspruch und Verletzung des Bearbeitungs­rechts’. Zudem argumentiert Cantz, dass sein Dreh­buch­vertrag aus den frühen 90er Jahren Constantin nur berechtigt, ein Remake, nicht aber eine Fort­setzung zu drehen, wie jüngst mit ,Manta Manta – Zwoter Teil’ geschehen. Constantin habe via Anwalts­kanzlei mitgeteilt, dass man ihn nicht als Autoren des Films anerkenne, so Cantz zur ,Süddeutschen’. Er wird allerdings im Abspann des ersten und zweiten Teils als einziger Autor des Originals geführt.“

Beim BR berichtet Hardy Funk: „,Der Vorgang ist leider ein typisches Beispiel dafür, wie man in der deutschen Filmindustrie mit Drehbuchautoren umgeht‘, sagt Stefan Cantz im Interview mit der ,Süddeutschen Zeitung‘. ,Das ärgert mich und dagegen möchte ich ein Zeichen setzen. Meine Hoffnung ist, dass diese Klage auch andere Autoren motiviert, sich in dieser Branche nicht alles gefallen zu lassen. Man kann sich wehren.‘ Cantz ist schon lange ein gefragter Autor im Filmgeschäft, er hat viele ,Tatort‘-Folgen geschrieben und das Münsteraner Ermittlerduo um Axel Prahl und Jan Josef Liefers miterfunden.“

Bisher in dieser Rehe erschienen:

Machtmissbrauch am Set: Offene Fragen 

Machtmissbrauch und die Kultur der Stille

Schlechtes Arbeitsklima: Systemfehler oder Einzelfall?

Klima der Angst

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