Gedanken in der Pandemie 144: Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung …
… und am Ende des Tages sind wir alle klüger. Warum wir nicht in ruhigen Zeiten leben, und das auch gut so ist – Gedanken in der Pandemie, Folge 144.
„Ohne Spaltung keine Politik.“
Michael Rutschky (1943-2018)
„The mind does not come to life until it meets something it cannot comprehend.“
James Carse (19??-2020)
Eine lange Winterschlaf-Pause war das; jetzt sind wir wieder da im Herbst der Pandemie, bevor diese dann zu einer Endemie wird. Wollen wir doch hoffen!
Aber auch in den letzten fünf Wochen hat sich – seien wir ehrlich! – nichts wesentlich geändert. Die Themen, die öffentlich im Zusammenhang mit der Pandemie diskutiert werden, sind die gleichen geblieben: Impfpflicht, der Umgang mit Impfgegnern, die Frage der Gefährlichkeit von Omikron, der sozialpsychologische Zustand der Republik, der Vergleich mit England (die natürlich alles schlechter machen, als wir), der Vergleich mit Österreich (wo man nichts schlechter macht, manches vielleicht sogar besser, es aber bei uns nicht wahrhaben will), vielleicht noch der Blick nach Schweden (wo sowieso alles ganz schlimm ist, oder?).
Gleich geblieben sind auch die Leerstellen, also das was nicht besprochen wird,
Und und was nicht oder kaum vorkommt: der Blick auf ein paar andere europäische Länder, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich zum Beispiel. erst recht nicht der Blick in außereuropäische Gebiete, abgesehen von punktuellen Katastrophenmeldungen. Oder offenkundig interessegeleiteten Mitteilungen wie der, das in Russland die Impfkampagne der Regierung nicht anschlägt und die Corona-Lage ganz furchtbar sei. Das stimmt wohl nach allem was ich lesen lässt. Es sagt aber nicht notwendig etwas über das dortige System aus. Was aber nie berichtet wird, ist, dass die Corona Lage in der Ukraine noch viel schlimmer ist, als in Russland. Was ja auch nichts über das dortige System aussagt.
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In der Krise, so hört man immer, rücken Staat und Bürger zusammen. Alle Bürger? Nein, eine kleine Gruppe von Spinnern hat sich in einem geistigen gallischen Dorf verschanzt und trinkt den Zaubertrank der Wahrheit aus tik tok und Telegram.
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„Die Maßnahme des RKI ist völlig unakzeptabel!“ So schreit es einem heute Morgen aus dem Netz entgegen. Alexander ist Kekulé hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet. Und egal was man von diesen Biologen hält ob man ihn mag und ob man ihn auch persönliche Motive bei seinen Einlassungen unterstellt oder nicht, er darf ja alles sagen was er möchte und für richtig hält. Aber musste es so sagen? Muss er in einem Ton formulieren der solche Zitate egal ob’s zugespitzt oder beabsichtigt, möglich macht? Ich glaube nein. Er könnte auch formulieren ich halte die Maßnahme des RKI für falsch. Dann wird sachlich diskutiert. So geht es darum für Kekulé und für das Medium wo er es formuliert hat – diesmal war es Web.de – Schlagzeilen zu machen.
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Eines der schlichtesten und in der Konsequenz leider (sorry!) dümmsten Argumente, das nicht nur in der Corona-Debatte leider immer wieder bemüht wird, ist die Aussage x und y würde die Gesellschaft „spalten“ oder die Gemeinschaft der Filmschaffenden oder irgendeinen Verband oder irgendein politisches Lager.
Abgesehen davon, dass man sich dort, wo diese Behauptung fällt, immer fragen muss, ob da erstens vorher eigentlich immer so eine große Einigkeit bestand? Und zweitens, ob das mit der Einigkeit denn auch im konkreten Fall wirklich stimmt? – abgesehen davon muss man sich auch fragen, ob der Zustand des Nichtgespaltenseins, also der Einigkeit, und die dahinterliegende Vorstellung der Gesellschaft als einer dicht geschlossenen Einheit, einer Totalität, eigentlich so erstrebenswert ist. In anderen Zusammenhängen halten wir ja alles, was totalitär ist, mit guten Gründen für nicht erstrebenswert. In anderen Zusammenhängen freuen wir uns über lebendigen Streit, über Pluralität, und feiern „Streitkultur“. Wo also tun wir das, und wann? Und wo und wann nicht?
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Es ist bekannt: Spalter!“ – das war vor allem in radikalen Parteien zur Linken und zur Rechten früher immer der Vorwurf, der einem Parteiausschluss vorausging. Auch der AfD-Leuchte Timo Chupalla fällt zum Parteiaustritt von Jörg Meuthen jetzt kein anderer Satz ein als der, dass die Spaltung der AfD nun beendet sein.
Das alles ist, vorsichtig ausgedrückt, unterkomplex.
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Noch prägnanter hat es der leider 2018 gestorbene Schriftsteller Michael Rutschky seinerzeit im Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ (19.09.2017) zum Ausdruck gebracht, in dem er Spaltung geradezu als die Voraussetzung dafür betrachtete, dass gesellschaftliche Prozesse überhaupt in Gang kommen. „Es scheint ein politischer Urmythos zu sein, dass früher einmal der Zustand der Einigkeit geherrscht hat. Und dann kam ein fremder Stamm oder später das Kapital, das diese Einheit beendete.“ Solch eine Erzählung, so Rutschky, sei natürlich Quatsch. Die Spaltung ist ursprünglich, ohne sie keine Politik. Vielmehr stelle die Sehnsucht nach Einigkeit ein Problem dar.
„Spaltung“ sei eine „beliebte Formel“, die vor allem der Dramatisierungs- und Vereinfachungslust der Medien entgegenkomme. „Die ist auf Österreich genauso anzuwenden wie auf Kolumbien oder die Situation an der Berliner Volksbühne. Alles ist hochgradig gespalten. Ich finde die Formel aber nicht sonderlich informativ.“
Die Sehnsucht nach Einigkeit ist nicht minder problematisch als die soziale Spaltung. Rutschky verweist auf den liberalen Soziologen Ralf Dahrendorf. Staat und Politik könnten sowieso nicht viel zum Ausgleich Spaltungen tun: „Die Triebfeder der gesellschaftlichen Mobilität ist der Konflikt. Wir leben nicht in ruhigen Zeiten. Und das ist auch gut so.“
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Rutschky, der auch mehrere Tagebuch-Bände und Bücher mit Augenblicks-Notizen veröffentlicht hat, spricht in diesem schönen Interview auch über die „Logik des Tagebuchs“. Seine Gedanken haben mich ganz gut an die Logik dieser Pandemiegedanken erinnert, die – das kann man nicht oft betonen – sehr subjektiv persönlich von individuellen Interessen geleitet und aus dem Moment heraus geschrieben sind, vollkommen ohne jeden Absolutheitsanspruch, sehr wohl aber mit dem Anspruch jetzt und hier so absolut gemeint zu sein, wie ich sie eben hinschreibe. Es gehöre zur „Kraft der Tagebuchform, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht wissen kann, was passieren wird. … Man hält an dem fest, was man immer gemacht hat. Das Ausrufen von Epochenbrüchen klappt meistens nicht.“
Ein beiläufiges Notieren, dass die Form der mitlaufenden Beobachtung, die Form der Absichtslosigkeit (also sehr wohl Form und Stil!) kultiviert und alle potentiellen Bedeutungen entdramatisiert. Wer diesen Blick einübt, der kann dann selbst eine Pandemie nicht hundertprozentig ernst nehmen, oder einen russischen Aufmarsch. Meistens klappt diese Haltung, der ja auch eine Form der Selbstberuhigung innewohnt, ganz gut, weil meistens eben keine Epochenbrüche stattfinden. Und wenn es doch mal der Fall ist, dann gehört das halt zur „margin of error“.
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„Wir befinden uns immer in Zeiten des Umbruchs“, so Rutschky weiter „Es ist nun einmal der Modus der großen Medienerzählung, dass immer etwas Neues passieren muss. Russland, Amerika, das Verhältnis von Männern und Frauen, whatever, überall lauert der Epochenbruch. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man mit solchen Diagnosen etwas vorsichtiger umginge.“
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Lässt sich etwas aus dieser einfachen Erkenntnis lernen? Für die gereizten Debatten über richtiges Verhalten in der Pandemie vorerst vielleicht so viel: Es ist nicht nötig, einen Fußballlehrer, der mutmaßlich eine Impfbescheinigung gefälscht hat, zum Vorbild seines ganzen Sports zu erklären, um ihn anschließend moralisch besonders tief fallen zu lassen. Es reicht aus, den Verdacht der Urkundenfälschung zu ermitteln und zu ahnden.
Er muss deshalb nicht von allen moralisch verdammt werden, und kein auch lebenslanges Arbeitsverbot bekommen. Das bekommen andere auch nicht. Vielleicht ist er trotzdem ein guter Trainer. Und wenn nicht: Entscheidend is aufm Platz‘.
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Seit drei Monaten nun leben wir mit Omikron. Und wir leben ganz gut damit. Die Inzidenzen schießen in ungeahnte Höhen die Krankenhausbelegungszahlen gehen moderat zurück. Früher oder später wird aus der Pandemie eine endemische Lage werden.
Und eigentlich hätte man längst alles öffnen können. Man hätte Verhältnisse schaffen können die sie in Italien bestehen oder in Portugal oder in manchen anderen Ländern. Mit weitgehend keinen Einschränkungen mehr. Warum hat man das nicht? Schon auch, weil bei uns die Tests weder ausreichend zur Verfügung stehen und quasi zum täglichen Alltag der Menschen geworden sind – was zum einen daran liegt dass sie viel zu wenig besorgt wurden und zum zweiten dass sie viel zu teuer sind. Dann PCR-Test das wurde in den letzten Wochen oft berichtet, kostet in Österreich 6 €, bei uns über 50. Aber wir haben es ja.
Vor allem aber, weil es in Deutschland viel zu wenig Geimpfte gibt, und viel zu viele impfskeptische Spinner und sonstige Bedenkenträger – und daran ist die Regierung nun wirklich nicht schuld; außer dass man das hätte wissen können, und vielleicht gleich mit Drohungen Strafen und unbedingt eine Impfpflicht hätte arbeiten müssen. Die Deutschen sind so, jedenfalls in relevanten Minderheitsanteilen: Untertanen. die die Knute der Ämter, der Polizei und der Regierung brauchen.
Mit anderen Worten: Die Ungeimpften zwingen ganz Deutschland in einen Lockdown – auch wenn es nur ein zahmer milder Lockdown ist, aber immerhin. Die Ungeimpften sind schuld an den allermeisten Beschränkungen. Die Ungeimpften sind schuld an den hohen Korsten für den Staatshaushalt, für private Unternehmer und für Familien. Und da sind die Kosten noch nicht mal mitgerechnet, die in den nächsten Jahrzehnten als Folgekosten aus der Pandemie auf dem Staatshaushalt lasten. Da sind auch nicht erschreckende Zahlen mitgerechnet wie jene, nach der die Selbstmordrate unter unter 18 jährigen Jugendlichen seit Lockdownbeginn um 200 Prozent angestiegen ist. 200 Prozent !!!
Man kann das natürlich nicht alles den Ungeimpften auflasten, aber man muss sagen, dass jeder Ungeimpfte seinen Anteil daran hat, dass diese Kosten fortwährend steigen und das kein Ende dieser Kostenschwemme in Sicht ist. Das einzige was jeder einzelne dagegen tun kann, ist sich impfen zu lassen.
Die Ungeimpften spalten Deutschland und sie torpedieren die allgemeine Gesundheitspolitik.
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Was also tun? Haben wir den Willen von Leuten zu achten, die nicht geimpft sind? Nein! Das ist genauso wie eine Debatte darüber, ob wir den Willen von Leuten zu achten haben, die gerne eine Waffe tragen oder den Willen von Leuten, die ihre Kinder partout nicht in die Schule schicken wollen, sondern selbst unterrichten. Es gibt ganz bestimmte Freiheiten, die die Freiheiten anderer massiv schädigen. Was ist jetzt zu tun?
Wie schon oft an dieser und an anderen Stellen gesagt, und bereits Ende 2020: Ich bin für eine Impfpflicht. Und zwar für eine Impfpflicht für alle – gerade weil ich einen Teil der sogenannten Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen auch jetzt wieder für übertrieben und falsch und für nicht zielführend halte.
Ich halte aber auch alle entsprechenden Ausreden und Einwände und Einschränkungsvorschläge für konstruiert. In der Regel von denen, die keine Impfpflicht wollen, und eigentlich komme auch wenn es öffentlich nicht zugegeben wird, versuchen irgendwie noch um sie herum zu kommen – in den wir auf Zeit spielen, oder eben solche an den Haaren herbeigezogen werden Einwände konstruieren.
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Im November kritisierten am Tag zwei Sportler und drei Funktionäre Joshua Kimmich, sodass man mit dem mindestens trotteligen Fußballer des FC Bayern schon wieder Mitleid bekam. Zugleich verriet die mediale Kampagne gegen Kimmich eine ganze Menge über die Mechanismen der deutschen Medien, egal ob man diese nun als Mainstream-Medien, Leitmedien oder sonstwie bezeichnen möchte.
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Auch sonst kann man wieder eine gewisse, nun ja … Hypersensibilität in Sachen Corona-Impfung beobachten. Ein Beispiel: Weil die Kabarettistin Lisa Fitz in einem Dritten Programm der ARD eine falsche Aussage in einer Comedy-Sendung macht, muss die ganze Sendung aus der Mediathek gelöscht werden. Anstatt dass man meinetwegen an der Stelle etwas einblendet. Dass plötzlich für Kabarett-Sendungen auch journalistische Standards gelten sollen, ist absurd.
Es ist ein religiöses Verhältnis zu Corona. Ein archaisches, mythisches Verhalten: Die Unwahrheit, die Leugnung der Offenbarung soll möglichst vom Angesicht der Erde getilgt werden. Carthago esse delendam. Und auf die Trümmer wird Salz gestreut auf dass das Kraut des Bösen nimmer wachse…
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Eines dieser Argumente, die vollkommen vorgeschoben sind, ist die Behauptung, wenn man eine Impfpflicht einführen, dann brauchen wir auch ein Impfverzeichnis. Für ein solches Verzeichnis plädieren in den letzten Wochen entweder jene die eigentlich gegen eine Impfpflicht sind, oder jene die Maschinen Datenschutz aushebeln wollten.
Natürlich muss ein Einhalten einer Impfpflicht auch kontrolliert werden können. Tatsächlich genügt es aber, das all denen, die bei einer Kontrolle ohne gültige Impfung angetroffen werden, nach Feststellung der Personalien ein Bußgeldbescheid zugeschickt wird. Genauso wie bei einem Verkehrsverstoß. Schließlich gibt es auch kein Verkehrsteilnehmer Verzeichnis, indem auch Radfahrer und Fußgänger verzeichnet sind, denen man sehr wohl Bußgeldbescheide zuschickt.
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Die Begründung einer Impfpflicht erst ab 50 Jahren ist viel komplizierter, als eine allgemeine Impfpflicht für alle volljährigen erwachsenen Person. Denn wie will man die Regel ausgerechnet ab 50 sachlich begründen? Abgesehen davon, dass diese Zahl relativ willkürlich gewählt ist: Warum nicht ab 55 oder ab 49?
Denn man kann ja schlecht Menschen zu ihrem Selbstschutz zwingen. Wozu man sie aber sehr wohl zwingen kann, das ist zum Schutz der anderen oder der Gesellschaft. Eine moralische Pflicht zum Schutz anderer Menschen besteht durchaus. Eine Pflicht zum Schutz der gesellschaftlichen Kassen besteht aber keineswegs. Insofern kann man sehr leicht begründen, dass Menschen sich zu impfen haben, um die Allgemeinheit vor Ansteckung zu schützen, und um vor allem vulnerable Gruppen nicht anzustecken. Man kann dagegen sehr schwer begründen, dass Menschen weil sie vulnerabel sind, sich selbst zu schützen haben. Denn ein 50- oder 60-Jähriger ist nicht ansteckender als ein 30- bis 40-Jähriger, die Krankheit nimmt bei ihm nur einen schwereren Verlauf.
Eine Impfpflicht ab einem bestimmten Alter würde sich sofort dem Vorwurf aussetzen, schlecht begründet zu sein. Denn die Begründung dass Krankenhäuser möglicherweise überlastet werden gilt schon jetzt ohne Impfpflicht nicht mehr. Es bleibt die Begründung der vulnerablen Teile der Gesellschaft. Weil dieser aber durch alle Gruppen gefährdet werden nicht nur durch die älteren, muss man auch alle Gruppen impfen.
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Markus Lanz hat neben seinen wöchentlich drei Talk-Sendungen immer noch Zeit für anderes. Kurz vor Weihnachten gab es seine USA-Dokumentation „Amerika ungeschminkt“, die man weiterhin in der Mediathek ansehen kann. Das würde ich auch jedem empfehlen, unabhängig davon ob man Lanz mag oder alle seine Ansichten teilt.
Alleine schon wegen der schönen Schwarzweiß-Fotografien. Wenn die Fotos die man im Film sieht, wirklich die Fotos sind, die Markus Lanz selber gemacht hat (und das wollen wir doch annehmen), dann muss man sagen: Er macht ziemlich gute Fotos.
Auch weil Lanz zu jenen gehört, die Amerika lieben, verteidigen, ohne dass er über die Schattenseiten hinwegtäuscht. Es gibt klare Aussagen: „Das System ist korrupt.“ sagt sehr früh eine junge Frau im Film, „Es kommt nicht denen zugute, die neu anfangen wollen.“ Da hat sie recht.
Lanz gibt gar nicht vor, ein unparteiisches Bild zu zeigen. Er besucht Arme, Obdachlose, Menschen am Rand des Systems. Viele Schwarze, aber kaum Asiaten und Latinos und Moslems, obwohl die genauso Einwanderer oder deren Nachfahren sind.
Man sieht, wie auch viele, die kaum einen Grund dazu haben, die zwei großen Klischees der USA über sich selbst reproduzieren: Das Klischee des amerikanischen Traums, und das Klischee der Freiheit.
Man sieht auch, dass Lanz Einwanderer, die man bei uns „Menschen mit Migrationshintergrund“ nennen würde, einfach fragt: „Wo kommen sie her fragt?“ Und in den USA kann man das zumindest als Ausländer fragen, ohne das jemand davon beleidigt ist, selbst wenn er in den USA geboren ist. Es ist klar, was gemeint ist.
Einmal mehr fordert einen auch dieser Film zur Selbstbefragung auf: Warum sind wir so fixiert auf die Vereinigten Staaten? Warum sind wir bereit, überhaupt so viel Mühe und Nachdenken ausgerechnet auf dieses Land zu verwenden? Vielleicht wäre die Anstrengung im Fall von Frankreich oder Italien besser investiert.
Weil unser Verhältnis zu den USA das einer enttäuschten Liebe ist. Ein enttäuschter Traum. Eine enttäuschte Utopie. Weil das Scheitern Amerikas, das wir gerade erleben, auch das Scheitern unseres eigenen Landes ist, unseres Modells, unsere Vorstellung von Demokratie. Zumindest glauben wir das. Weil es unsererseits eine Über-Identifikation mit Amerika gibt. Oder gab.
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Es ist leicht aus öffentlichen Quellen herauszufinden, wie viele Leute geimpft sind. Und es ist auch relativ leicht herauszufinden, wie viele davon über 60 sind und wie viele davon unter 80. Dann wird es schwierig. Denn es ist nicht leicht herauszufinden, wie das Verhältnis unter den Geimpften bzw. Nichtgeimpften zwischen Frauen und Männern ist. Gehören also weitaus mehr Männer zu den Impfmuffeln (was ich mal vermuten möchte) oder weitaus mehr Frauen? Und welche Altersgruppen sind nicht geimpft?
Bei den Infektionen ist es wieder leichter diese Daten herauszufinden. Die Sterberate bei den Männern an Corona ist nämlich 2,4 Mal so hoch wie bei Frauen. Das bedeutet, dass die Sterberate von Männern an einer Corona Infektion bei 3,1 Prozent liegt.
Die Infektionen selbst sind vollkommen gleich verteilt. Etwas mehr Frauen sind infiziert, was aber einfach daran liegt, dass es auch etwas mehr Frauen gibt.
Man wüsste aber auch gerne, aus welchen sozialen Milieus die Infizierten kommen, wie alt die Infizierten sind, welchen Bildungsgrad sie haben, wie wichtig ein Migrationshintergrund für Impfung/Nichtimpfung ist. Oder wie unwichtig.
An der Veröffentlichung solcher Zahlen scheint die öffentliche Hand wenig Interesse zu haben, auch damit es nicht zu anderen „Spaltungen“ (siehe oben) kommt.
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Eine andere Diskussion ist inzwischen abgeflaut, die im Dezember noch höchst hysterisch geführt wurde: die Debatte darüber ob die Ampelkoalition schon gleich zu Beginn der Regierung einen schweren Fehler gemacht habe, weil sie die Möglichkeit zur Feststellung der allgemeinen epidemischen Lage abgeschafft habe.
Aber was wäre eigentlich praktisch gesehen anders, wenn es die Möglichkeit der Feststellung einer allgemeinen epidemischen Lage gäbe? Was könnten die Länder dann machen, was sie heute nicht machen können?
Was würde denn Markus Söder, mal wieder der Vorprescher und Verschärfer unter den Kritikern machen? Es ist ziemlich klar, dass Markus Söder dann auch wieder Interviews geben und die Bundesregierung ermahnen würde. In diesem Fall würde er dann die Bundesregierung zu bestimmten Krankheitsbekämpfungsbeschlüssen auffordern. Was Markus Söder in jedem Fall machen würde: Er würde Corona nutzen, um sein eigenes politisches Geschäft zu erledigen und für sich selbst politische Vorteile herauszuholen, und um die in Berlin regierende Koalition und den politischen Gegner schlecht zu machen. Aber noch mal die Frage: Welche gesundheitspolitische Maßnahme möchte Markus Söder gern verabschieden und kann sie jetzt nicht verabschieden?
Der eine wirkliche juristische Unterschied ist der, dass die Parlamente beschließen müssen. Und der zweite Unterschied ist der, das die Ministerpräsidenten sich untereinander einigen müssen und ihre Verantwortung nicht an die einzelnen Gesundheitsminister delegieren können.
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Noch zum Schluss in eigener Sache: Einen notwendigerweise subjektiven Jahresrückblick habe ich vor genau vier Wochen auf „Telepolis“ geschrieben.
Und eine Rezension zu „Eldorado KaDeWe“, der dann doch interessantesten unter den Weihnachtsserien.
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