Gedanken in der Pandemie 140: Der Pandemiegewinner …
Karl Lauterbach talkt sich auf einen Ministersessel. Und die Physikerin tritt ab – Gedanken in der Pandemie, Folge 140.
„Ich möchte Deutschland dienen.“
Angela Merkel, 2005 bei ihrem Amtsantritt
„Weg mit den Spaltern der Arbeiterfront/ den Verrätern am Proletariat!/
Uns hilft nur die Rote Einheitsfront/ von Arbeiter, Bauer und Soldat/
Heraus aus dem alten Wahne/ Die Einheitsfront marschiert/
Unter der roten Fahne/ von Marx und von Lenin geführt.“
Text: Erich Weinert; Komposition: Hanns Eisler; Gesang: Ernst Busch
Deutschland ist gerettet! Der Messias ist da!! Das Volk hat seinen Retter!!! Den Pandemieversteher, der spätestens heute auch ein Pandemiegewinner ist: Karl Lauterbach. Er ist der beste Beweis dafür, wie man allein durch Talk-Show-Auftritte Macht gewinnen, und sich die Gunst des Volkes und damit der Parteien erringen und sich unentbehrlich machen kann.
Das Beste an dieser Ernennung ist, dass das Bild des heiligen Lauterbach jetzt ziemlich schnell Risse bekommen wird. Denn alle Menschen machen Fehler. Und auch Karl Lauterbach ist, selbst wenn das manche nicht mehr wahrhaben möchten, ein Mensch. Er wird Fehler machen. Und das ist zumindest für ihn eine neue und gute Erfahrung.
Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios kommentierte heute treffend: „Lauterbach verdankt seine Berufung einer medialen Dauerpräsenz und seiner öffentlichen Position als Corona-Mahner. Jetzt aber muss Lauterbach beweisen, dass er nicht nur von der Pandemie warnen, sondern sie auch managen kann.“
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Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich ist Lauterbach besser, als Jens Spahn. Aber alles ist inzwischen besser als Jens Spahn.
In der SPD selbst traut nicht jeder ihm zu, dass er auch ein Ministerium führen und den riesigen bürokratischen Aufwand bewältigen kann. Lauterbach ist ein Einzelgänger, der viel seiner Expertise auch daraus bezieht, dass er ein Ein-Mann-Betrieb ist, dass er bisher nicht delegieren musste, dass er sich dafür bis tief in die Nacht persönlich in alle möglichen Studien einarbeitet. Er ist ein Überzeugungstäter, der ein gewisses Senduingsbewußtsein besitzt, glaubt, dass er das beste Wissen zur Pandemie hat, und kaum ein anderer es mit ihm aufnehmen kann.
Lauterbach polarisiert. Nun muss er zusammenführen.
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Diese Personalie sorgt offenbar auch bei vielen Kollegen in den Medien für Verwirrung: Auf GMX wird kommentiert: „Größte Personalie – wenn auch wenig überraschend: Karl Lauterbach soll neuer Bundesgesundheitsminister werden. Paukenschlag mitten in der verschärften Corona-Welle: Die SPD besetzt das Gesundheitsministerium mit ihrem wohl bekanntesten Fachmann – auch wenn der bei manchen umstritten sein dürfte: Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach soll neuer Bundesgesundheitsminister werden […]“ Ja was jetzt? Ist es jetzt „wenig überraschend“ oder ist es „ein Paukenschlag“?
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Lauterbach wird jetzt bald auch die Pflegesituation deutlich verbessern müssen. Wie schwer das wird, zeigt ein Text in der „Zeit“. Denn nicht nur die Pandemie ist schuld am Ausstieg so vieler Pflegekräfte.
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Was kann man dem neuen Gesundheitsminister wie überhaupt der Regierung in Sachen Corona empfehlen?
Vielleicht so: Unsicherheiten zeigen. Nicht nur auf Sicht fahren, sondern auch auf Sicht kommunizieren. Nichts versprechen. Nichts absolut ausschließen. Klare Ansagen machen. Und sich an diese halten.
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Aus der Talkshow-Studie des „Progressiven Zentrums“ geht hervor, dass Lauterbach im Jahr 2020 der häufigste Gast in allen deutschen Talkshows war, mit und ohne „Markus-Lanz“.
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Bei „Maybrit Illner“ wo Lauterbach natürlich auch wieder am Tisch saß, und schon sehr staatsmännisch auftrat – „Wir müssen zusammenhalten“ etc. – ging es am letzten Donnerstag zur Sache. Da trat Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sucksen, das, wäre es ein eigener Staat (was es ja irgendwie auch ist), die höchste Inzidenzrate und die schlechteste Impfquote von ganz Europa hat, Kretschmer also trat auf, als wäre er der größte Pandemiebekämpfer der Nation. Das hat er wohl von Markus Söder gelernt: Je schlechter die Dinge bei einem selber laufen, um so größer muss man den Mund aufreißen.
„Wenn jemand kommt aus Berlin und mir irgendwas über Geld erzählt dann ist Schluss.“
Der kommende Justizminister Marco Buschmann ließ sich dieses Auftreten nicht bieten: „Herr Kretschmer bitte reißen Sie sich am Riemen. So können sie mit mir nicht reden. Sie haben eine katastrophale Lage in ihrem Land und das müssen sie lösen. Ich würde sie dringend auffordern, das zu tun.
Sie hätten die Maßnahmen der epidemischen Lager bis zum 25. November voll anwenden können. Sie hatten alle Möglichkeiten, sie haben sie nicht genutzt, die Lage ist außer Kontrolle geraten, und jetzt versuchen Sie dass mir oder dem Bund in die Schuhe zu schieben. So geht es nicht!“
Gut, dass dem Kretschmer endlich mal einer das freche M … also äh: die Meinung gesagt hat.
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Bei „Markus Lanz“ am Tag zuvor war die gute Frage: „Welche Daten haben die Amerikaner gehabt?“ Gemeint ist die Tatsache, dass in den USA längst Impfstoffe zugelassen sind, die die STIKO bei uns nicht zulassen will. Die Erklärung der Lanz-Runde lautete dann Eine „andere Risikokultur“ bei den Deutschen. Die NZZ-Journalistin Hannah Bethke sprach dann von „deutscher Gründlichkeit“ und von der „ausgeprägten Wissenschaftsfeindschaft im deutschsprachigen Raum“.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weill gebrauchte derweil die Formulierung „in Friedenszeiten“ und „in Krisenzeiten“.
Mit anderen Worten: Wir sind im Krieg. Und es stimmt wohl schon: Corona ist unser Krieg. Es gibt Tote, Fehler und hohe Kosten.
In jedem Fall darf man fragen: Was macht man eigentlich, wenn das Haus brennt? Gründet man dann eine Kommission, die Empfehlungen dafür ausspricht, welche Feuerwehrschläuche man benutzen darf und Vorschriften erlässt, welcher Wasserdruck eingesetzt werden muss?
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Spaltet die Impfpflicht Deutschland? Unsinn! Deutschland ist längst gespalten. Und am meisten spalten die Wissenschaftsfeinde und Faktenleugner in den Seiten der Rechtsextremisten und Esoteriker.
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Gut, dass sie weg ist! Nicht allen geht es so wie mir, aber ich freue mich darüber, dass es endlich mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel politisch vorbei ist.
Wenn die nächsten „Gedanken in der Pandemie“ erscheinen, wird Merkel nicht mehr im Bundeskanzlerin sein. Eine interessante und nicht allzu unkritische Bilanz dieser Zeit hat das ZDF gedreht: „GroKos, Krisen, Kompromisse“.
Ich glaube nicht, dass Merkel eine besonders gute Kanzlerin war, im Gegenteil scheint mir, dass sie gerade langfristig schlecht für Deutschland gewesen ist. Wir werden noch lange an dieser Kanzlerschaft leiden, an ihren Folgen vor allem für die politische Kultur.
Merkel hat unzählige nötige Reformen – in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, in Europa – verschleppt, verzögert oder überhaupt nicht umgesetzt. Merkel hat die SPD als Volkspartei zerschlagen, und ihre eigene Partei, die Union ebenfalls. Dafür hat Merkel die AFD groß gemacht, so groß dass sie zumindest auf mittlere Sicht nicht mehr wegzukriegen ist.
Angela Merkel hat zu Europa nie eine wirkliche Beziehung gefunden, sie hat die europäischen Beziehung als notwendiges Übel im „business as usual“-Stil geführt.
Wenn es toxische Männlichkeit gibt, dann muss es auch toxische Weiblichkeit geben. Und wenn es sie geben sollte, dann ist Angela Merkel ein Paradebeispiel dafür. Denn selbstverständlich ist toxische Weiblichkeit nicht einfach männliche Macht, die von einer Frau ausgeübt wird. Sondern es handelt sich um eine ganz eigene Form von Machtausübung, eben spezifisch weibliche Formen der Machtausübung. Und die hat Angela Merkel ohne Frage beherrscht.
Grundsätzlich handelte es sich um Regieren durch Einlullen. Es ist Merkel in 16 Jahren trotz aller Krisen nicht gelungen, das Land besser für Krisen der Zukunft zu rüsten. Das erkennt man, wenn man sich die aktuelle Krise anschaut. Behörden und Ämter sind dazu da, Stabilität zu vermitteln und die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Aber das ist nicht gelungen. In der Finanzkrise hat sich die Bankenaufsicht als nicht arbeitsfähig erwiesen. In der Migrationskrise ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammengebrochen. In der Flutkrise hat sich gezeigt, dass der Katastrophenschutz offensichtlich nicht funktioniert. Und in der Coronakrise wurde klar, dass die Gesundheitsämter ihren Aufgaben nicht nachkommen können. Von der Klimakrise ganz zu schweigen.
Zu Merkel zu sagen ist auch, dass sie selbstverständlich eine dezidierte CDU-Politik gemacht hat und diese nur klüger kaschiert hat, als dies vermutlich Friedrich Merz oder Horst Seehofer gelungen wäre.
Zu erinnern ist auch daran, was für eine hundsmiserabele Rednerin sie ist – das bedeutet dass es Merkel auch in 16 Jahren nicht verbracht hat, die Bürger ästhetisch für ihre Politik zu gewinnen. Aber auch das ist ein Teil des Politischen: Gefolgschaft durch Charisma.
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Für ihren für das 21. Jahrhundert sehr ungewöhnlichen (und unangemessenen?) Politikstil hat der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte den Begriff „Ästhetik der Armut“ benutzt. Gemeint ist das reine Managen der Gegenwart ohne Vision und ohne den Anschein einer Vision. Dieser Politikstil ist sehr langweilig und kleinteilig, aber Angela Merkel hat ihn perfektioniert.
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Ich weiß schon: das nervt jetzt wieder einige. Kann der Suchsland nicht mal etwas einfach gut finden? Muss er jetzt auch noch an der Merkel herummeckern? Sie geht doch sowieso. Da muss man sie ja nicht am Schluss mit Dreck bewerfen. Das stimmt natürlich alles. Allerdings geht es ja nicht um den Menschen Angela Merkel, sondern um die politische Figur. Um eine Frau, die Deutschland 16 Jahre regiert hat, und die deutsche Politik noch einige Jahre länger mitbestimmt. Darum hat das auch mit Dreck werfen nichts zu tun, sondern mit rationale Kritik. Zugegeben: Mir gehen die Girlanden, die man ihr jetzt dreht, und die Rosenblätter die man ihr auf ihren letzten politischen Weg streut, gewaltig auf die Nerven. Weil sie unverdient und im Ergebnis ungerecht sind.
Glücklicherweise stehe ich mit meinen Ansichten nicht ganz allein. Im „Spiegel“ schrieb Dirk Kurbjuweit neulich von einer „Ära der verpassten Chancen“.
Man sollte diesen außergewöhnlichen Text gründlich und in Ruhe nachlesen. Hier ein paar zentrale Punkte:
# Er beginnt mit einer Frage: „Die Ära Merkel war eine Zeit des Spuks. War durchzogen von Krisen, die sich zunächst unsichtbar ausbreiteten und deshalb so unheimlich wirkten. Das galt für die Finanz- und Eurokrise, für die Pandemie und den Klimawandel. Da draußen geschah etwas, aber was geschah, verstanden so richtig nur Experten, Wissenschaftler. Für die anderen blieb vor allem ein Gefühl der Unsicherheit, auch der Angst. Wie wird der Spuk mein Leben verändern, beeinträchtigen? All diese Krisen hatten oder haben das Potenzial für persönliche Katastrophen; für Job- und Existenzverlust, Krankheit und Tod. […] War Merkel also die richtige Kanzlerin für diese Zeit, für die Jahre 2005 bis 2021, eine Zeit der Krisen und Katastrophen, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hat?“
# Zur Finanzkrise: „Für einen Teil der Bevölkerung begann in jener ersten?Krise zudem eine Enttäuschung, die sich nie mehr legen sollte: Die Bundeskanzlerin verweigerte den Diskurs über die tieferen Ursachen der Krise und eine bessere Zukunft. Sie hielt nicht eine Rede, die Orientierung in einer unheimlichen Zeit bot. Die Kanzlerin hat die Finanzkrise monetär und technokratisch bewältigt, aber gegenüber der Öffentlichkeit nicht intellektuell, nicht emotional.“
# Zu Europa: „Sie drehte hier und dort an Schräubchen, hielt die Maschine irgendwie am Laufen, was aber fehlte, war eine ,grand strategy‘ für ein starkes Europa. Der führende deutsche Intellektuelle Jürgen Habermas warf der Kanzlerin ,tranquilistisches Herumwursteln‘ vor. […] Europa steht heute schlechter da als zu Beginn von Merkels Kanzlerschaft.“
# Außenpolitik: „Merkels Ziel war eine bessere Welt, und damit hat sie viele Menschen begeistert. Nicht lange allerdings. […] insgesamt verfolgte sie einen Kurs des Appeasements. Ein weiteres Muster von Merkels Kanzlerschaft: Idealistischen Anfängen folgte alsbald die Kehrtwende, der Abschied von sich selbst. Sie war oft bereit, dem eigenen Projekt den Rücken zu kehren und ihre jeweilige Gefolgschaft zu enttäuschen. Neben großen Strategien fehlte ihr auch der Wille, an schönen Zielen festzuhalten, wenn ihr der Preis dafür zu hoch erschien.“
# Die Flüchtlingskrise: „,Wir schaffen das‘ – diese Worte werden bleiben. Merkel sagte sie im Zenit ihrer Macht. Sie hatte die Wahl im Herbst 2013 mit einem überwältigenden Ergebnis gewonnen, sie war bei den Bürgerinnen und Bürgern beliebt, war in der CDU unangefochten, alternativlos. Dann kamen die Flüchtlinge. Für Merkels Kanzlerschaft war das der Kipppunkt. […] Viele Deutsche eilten zu den Bahnhöfen, hießen die Flüchtlinge willkommen, verteilten Essen und Kleidung, öffneten ihre Gästezimmer. Selten war eine Regierungschefin so im Einklang mit einem größeren Teil der Bevölkerung. Es war ein magischer Moment, ein seltenes Ereignis politischer Schönheit. Das Magazin ,Time‘ kürte Merkel zur Person des Jahres. Sie war die Strahlefrau des Westens, Prophetin des normativen Projekts, der wertegebundenen Politik. Auf der anderen Seite schürte der Zustrom von Flüchtlingen Ressentiments, Rassismus, Hass auf das angeblich andere, Fremde. Die AfD wuchs von einer Splitterpartei zu einem Machtfaktor und setzte fortan die liberale Demokratie unter Stress. Was tat Merkel? Sie ließ die Begeisterten im Stich und machte Politik für die anderen, für die Skeptischen, Ängstlichen, Hassenden. […] Wieder gab sie ein liberales Projekt auf, weil ihr der Preis dafür zu hoch erschien. Und wieder unterließ sie es, eine große Sache mit einer großen Rede zu begleiten. Was Kanzlerinrhetorik betraf, war die Bundesrepublik 16 Jahre lang ein unterzuckertes Land. Die Gesellschaft, die lange in einer Art neuem Biedermeier dahingeschlummert hatte, wachte auf, diskutierte und stritt. Für Merkel selbst begann der lange Abstieg.“
# Rechtspopulismus: „Ihre Strategie der ,asymmetrischen Demobilisierung‘ bleibt ihre große Sünde wider die Demokratie. In mehreren Wahlkämpfen zog Merkel durchs Land wie ein Sandmännchen und verbreitete Einschlafstimmung. Vor allem träge Anhänger anderer Parteien sollten keinen Anlass sehen, zur Urne zu gehen, um Merkel zu verhindern. Sie war lieb zu beinahe allen und drückte damit die Wahlbeteiligung auf historische Tiefstände. Ihr fehlte der Sinn dafür, dass Wahlkämpfe Feste der Demokratie sein sollen. Feste des Streits, aber offener Streit war ihr zuwider. Sie wollte nicht einsehen, dass eine Demokratie diesen Treibstoff braucht bei der Suche nach den besten Lösungen. […] Das Prinzip der Nützlichkeit wurde bei Merkel kaum durch tiefe Überzeugungen behindert. An Trump fand sie sicherlich auch die meisten Ansichten abscheulich, mehr aber noch das Irrationale, Unberechenbare. Deshalb verband sie mehr mit dem chinesischen Präsidenten als mit dem amerikanischen.“
# Die Klimakrise: „Auch wenn Merkel als ehemaliger Wissenschaftlerin immer klar war, was passierte, half ihr die Unsichtbarkeit, das Spukhafte die Dringlichkeit der Klimapolitik phasenweise außer Acht zu lassen. Ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin wird das nicht mehr möglich sein.“
# Die Pandemie: Wie viele andere fand Merkel nur langsam in diese Krise, lehnte eine Maskenpflicht anfangs ab, doch dann führte sie Deutschland umsichtig durch die erste Welle. Sie stellte den Schutz des Lebens über die Freiheit […], Aber Corona ließ sich nicht besiegen. Und je länger der Kampf dauerte, desto schwächer wirkte die Kanzlerin, zum Teil erstaunlich schwach. […] Das System Merkel ist spätestens im Herbst 2020 zusammengebrochen. Die Folge war ein Wirrwarr der Maßnahmen, das niemanden überzeugen konnte. Merkel wurde nervös, zeigte manchmal eine fahrige, unwirsche Gemütslage, schimpfte bei den Verhandlungen, ließ folgenlos Rücktrittsgedanken anklingen. Die Souveränität war dahin. Auch die Umsicht ging ihr verloren. Sie verpasste es, frühzeitig alle Kraft in eine Impfstrategie zu lenken. Zudem zeigten sich Versäumnisse aus ihrer langen Amtszeit. Die Bundesrepublik erwies sich als altbackenes Land, das zu wenig auf Digitalisierung gesetzt hatte. […] Wieder gilt: Was schieflief, ist nicht allein Merkel zuzuschreiben, sondern auch der Politik insgesamt, den Strukturen und Haltungen im Land. Aber sie war 16 Jahre lang Bundeskanzlerin, sie hat enorm viel getan, um die Macht zu ergattern, zu vergrößern, zu verteidigen. Was war und ist, hat selbstverständlich viel mit dem zu tun, was sie gemacht und nicht gemacht hat.
# Die Bilanz: „Insgesamt verdient ihre Ära den Titel einer Bewahrungskanzlerschaft. Trotz der Krisen und Katastrophen steht Deutschland halbwegs gut da, der Wohlstand wurde im Großen und Ganzen verteidigt. […] Was bei ihr groß begann, endete fast immer in Kleinmut. Dem Intellekt fehlte meist ein Temperament, das ihn zum Durchhalten anfeuerte. Bei den großen internationalen Themen gibt es wenig Gutes zu vermelden. Der Zustand der Europäischen Union, der Zustand des Westens, der Stellenwert der liberalen Demokratie in der Welt, das Klima – in diesen wichtigen Bereichen sieht es heute schlechter aus als vor 16 Jahren. Merkel war Teil eines internationalen Führungskollektivs, das diese Entwicklung nicht aufhalten konnte. Die wahren Konsequenzen stehen erst noch bevor […] Dagegen könnte die Ära Merkel noch als erträglichere Zeit gelten, als Zustand, den man vermisst. […] Was die Erkenntnis angeht, die Gedanken, war sie meist auf Höhe der Probleme, die sich ihr, Deutschland, Europa und der Welt stellten. Aus dieser großen Chance ihres Wesens hat sie zu wenig gemacht.“
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Auch für die CDU sieht es am Ende dieser Kanzlerschaft mau aus. Wie schlecht, dass bringt ein zwei-Minuten-Clip von Extra-Drei witzig auf den Punkt.
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Corona, heißt es jetzt immer wieder, habe den Staat zurückgebracht. In großer Not zeigt die Politik, was sie alles kann. Wirklich? Wenn wir uns da mal nicht täuschen.
Denn zum einen ist die Pandemie ja noch lange nicht ausgestanden. Und vieles deutet darauf hin dass der Staat danach wesentlich schwächer dasteht als heute. Weil ihm nämlich das Geld ausgeht. Weil „jedes Leben zählt“, liegt die Neuverschuldung 2020 bei rund 160 Milliarden Euro, 2021 dürfte sie doppelt so hoxch sein. Und die nächsten Monate bringen keine Erleichterung. Um aus den Schulden wieder so problemlos herauszuwachsen, fällt das Wachstum in Europa möglicherweise zu schwach aus.
Die Gesundheitskrise hat die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents stark geschwächt. Olaf Scholz erbt die Schulden Angela Merkels und ihrer Krisen so wie Gerhard Schröder die Schulden von Helmut Kohl und seiner Vereinigungspolitik. Angenehmer wird das Regieren für die Ampel nicht werden.
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Und noch einmal die Erinnerung: Am Freitag wird Georg Stefan Troller 100 Jahre alt. Allerherzlichsten Glückwunsch!!!
Auf 3sat kann man nächsten Montag viele Filme von ihm sehen. Und auf YouTube immer (?) auch noch weitere. Zum Beispiel „Annäherung an Thomas Brasch“ von 1977, aus Trollers legendärer Reihe „Personenbeschreibung“. Brasch war da erst wenige Wochen zuvor in Westberlin angekommen.
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