Ein Heim für die Crew

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Hinter dem Bauzaun könnte dereinst das erste „Film Crew Haus“ stehen, hoffen Gabriele Stemberger-Hanke, Charlie Palleis, Malte Neumann und Martin Jost (von links). Eigentlich sind sie sogar zu Acht, und es sollen noch viel mehr werden, die an dem Projekt mitarbeiten. | Foto © Rebecca Hanke

Wohnen ist teuer in den Medienstädten. In München will ein Genossenschaftsprojekt Abhilfe schaffen: Bezahlbarer Wohnraum „für Filmschaffende von Filmschaffenden“, und Zeitwohnungen für Kolleg*innen aus andren Städten. Fürs „Film Crew Haus“ werden noch weitere Genoss*innen gesucht.

In Deutschlands Großstädten fehlen Wohnungen, heißt es in den Nachrichten – und zwar ziemlich viele. Bei den Mieten liegen die Medienstädte Hamburg, Berlin, München, Köln ganz oben – sofern überhaupt etwas frei wird. Was bei der Wohnungssuche hilft, ist „ein geregeltes Einkommen“ – aber das haben Filmschaffende bekanntlich nicht und deshalb alle dasselbe Problem, weiß Rebecca Hanke. Kein Vermieter möchte seine Wohnung an Filmschaffende vergeben. Zu einer Wohnung war die Szenenbildassistentin durch Kontakte schließlich trotzdem gekommen; aber die Frage nach dem „bezahlbaren Wohnraum“ in München ließ sie nicht wieder los. 

Von da war es nicht weit bis zum Gedanken an eine Genossenschaft, in der viele gleichberechtigt in das gemeinsame Vorhaben investieren: Zeit, Ideen und auch ein bisschen Geld. Wohnraum „für Filmschaffende von Filmschaffenden“ ist Hankes Idee – ein „Film Crew Haus“. Aber nicht nur für die Genossenschaftler*innen selbst. Im Haus soll es auch Gästeappartements geben, die an Kolleg*innen aus anderen Städten für die Dauer eines Drehs vermietet werden. Soweit die Idee. 

„Beratung für gemeinschaftsorientiertes Wohnen“ gibt die Mitbauzentrale München. „Dort hat man mich in meinen Überlegungen unterstützt“, sagt Hanke. „Davor war dieses Unternehmen ‚Genossenschaft‘ ein Gedanke – nicht wirklich greifbar. Ich wusste nicht, dass die Stadt einen dabei unterstützt, wie das mit der Finanzierung ausschaut und so weiter. Zusätzlich habe ich Leute gefunden, die die Idee teilen, und so ist der Stein ins Rollen gekommen.“

Eine Location fürs „Film Crew Haus“ hat Hanke schon ins Auge gefasst: in München-Laim an der Westendstraße. Zwei Milliarden Euro steckt die Stadt München bis 2028 in ihr „Wohnungspolitisches Handlungsprogramm“ [PDF]. Größere städtische Flächen sollen zu neuen Lebensräumen umgewandelt werden: inklusiv und divers, für jede Altersstufe geeignet und familienfreundlich, ins lokale Umfeld eingebunden – und vor allem sozialverträglich. Dafür setzt die Stadt ausdrücklich auch auf Genossenschaften, die sich eben solchen Zielen verpflichtet haben.

Die erste Hürde ist bereits genommen: Das „Film Crew Haus“ hat sich der Wohnungsbaugenossenschaft Wabe Zwo angeschlossen, die bereits an anderer Stelle in der Stadt am Kreativquartier mit baut. „Das hat den Vorteil, dass wir von den ‚alten Hasen‘ beraten werden und keine eigene Genossenschaft mehr gründen müssen“, erklärt Hanke. Bei Wabe Zwo wiederum würde Nachfolge in Vorstand und Aufsichtsrat gesucht. „Ich selbst werde für den Vorstand kandidieren. Zusätzlich suchen wir Personen, die sich vorstellen könnten, vorne dran in Vorstand und Aufsichtsrat, aber auch in der Planungs- und Baugruppe mitzuarbeiten.“

Bis jetzt sind die Tore für die Bewerbung noch nicht offen. Dies soll aber nächstes Jahr der Fall sein, sagt Hanke. Bis dahin gibt es viel zu tun, „und einige Unterlagen abzuarbeiten“, erklärt sie. „Dabei geht es vor allem um die Frage: Was wollen wir in unserem Haus realisieren, das sowohl den Bewohnern im Haus als auch den Anwohnern im Viertel etwas bringen würde? Dazu ein schlüssiges Konzept, wie das ganze finanziert werden soll, wie es aussehen soll, wie sich das Zusammenleben und Wohnen im Haus gestalten soll.“

Für den Anfang sind sie zu Acht – bisher alle aus den kreativen Gewerken, sagt Hanke. Das soll aber nicht so bleiben. „Großartig wäre jemand, der sich mit Finanzen auskennt und die ganzen Hieroglyphen des Beamtendeutschdschungels versteht. Um diese Bewerbung stemmen zu können, muss man eine Bewerbergruppe ernennen, die sich mit verschiedenen Themen wie Finanzierung, Energie, Mobilität und Angeboten auseinandersetzt. Jede Bewerbung wird dann von der Stadt mit Punkten bewertet. Die Genossenschaft mit den meisten Punkten bekommt den Zuschlag. Danach bildet sich eine Baugruppe die noch einmal tiefer ins Detail geht. Die Pläne mit Architekten bespricht und genauer klärt, was im Haus alles passieren soll und so weiter.“ 

Genossenschaftler*in wird man beim „Film Crew Haus“ für 1.000 Euro – so viel kosten zwei Grundanteile. Falls jemand austritt, werden die Grundanteile zurückgekauft. „Sobald die Genossenschaft einen Zuschlag für ein Grundstück hat, wird überlegt, wer alles in das Haus einzieht. Diejenigen, die dann auch die Hausbewohner werden, müssen zusätzlich wohnungsbezogene Anteile zeichnen“, erklärt Hanke. „Die KfW fördert solche Wohnformen. Jeder kann also seine Bank nach einem Kredit für einen Genossenschaftsanteil fragen.“ 

Sollte es sich jemand anders überlegen, können auch diese Anteile wieder zurückgegeben werden, sagt  Hanke. „Generell stützt sich das Finanzierungsmodell einer Genossenschaft auf drei Säulen: erstens auf diejenigen, die das meiste Geld einlegen, aber auch den größten Nutzen haben, weil sie günstig wohnen können; zweitens auf diejenigen, die beim ersten Haus nicht einziehen konnten und darauf warten, dass ein weiteres Projekt ins Leben gerufen wird. Drittens auf diejenigen, die ihr Geld nicht bei Banken anlegen wollen, sondern aktiv entscheiden wollen, was damit passiert und lieber soziale Projekte unterstützen.“ 

Wichtig zu wissen: Wer sich von Anfang an beim „Film Crew Haus“ engagiert, soll auch fix eine Wohnung bekommen, sagt Hanke. „Natürlich kann es sein, dass wir den Zuschlag für die Zschokkestraße nicht bekommen, aber die Stadt bietet ja immer wieder neue Grundstücke an. Da ist es wie bei der Wohnungssuche – man braucht ein bisserl Durchhaltevermögen.“

Das Team ums „Film Crew Haus“ denkt aber auch an die Zukunft: „Wir wollen versuchen, das Wissen, das wir gesammelt haben, auch auf andere Städte anzuwenden“, sagt Hanke. „Vielleicht fühlt sich ja jetzt schon jemand angesprochen, der das Gleiche in anderen Ecken Deutschlands umsetzen möchte. Wer Teil des ,Film Crew Haus’ werden möchte und in der Bewerbergruppe mitwerkeln will oder Lust auf Vorstands- und Aufsichtsratsarbeit hat, darf sich gern melden. Aber auch alle anderen, die sich für das Konzept Genossenschaft interessieren, sind herzlich willkommen, um sich für eine nachhaltigere Wohnsituation an Deutschlands Filmstandorten einzusetzen.“

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