Hotspot Österreich
In Österreich hat die Förderreform schon vor zwei Jahren stattgefunden. Und gilt als Erfolgsmodell: Das neue Anreizsystem FISAplus brachte nicht nur einen Standorteffekt von 300 Prozent, sondern auch mehr „internationale Sichtbarkeit“, erklären Nina-Anica Keidies und Juliane Buchroithner von der Film Commission ABA – Film in Austria.
Deutschland hofft auf die große Förderreform, in Österreich gab’s die bereits vor zwei Jahren. Die Presseberichte klingen begeistert: Vor allem das neue Anreizprogramm FISAplus sorge für „Aufbruchstimmung“ und „Rückenwind“ im Land. Was heißt das in Zahlen?
Nina-Anica Keidies: Die anfänglichen Erwartungen wurden bei FISAplus weit übertroffen. Seit Anfang 2023 wurden mit FISAplus 113 Projekte mit einem Gesamtzuschuss von rund 109,9 Millionen Euro genehmigt, wodurch 2.900 Drehtage und ein Österreich-Effekt von rund 347 Millionen Euro entstanden. Dadurch wurde ein Gesamtumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirkt, inklusive indirekter und induzierter Effekte. Auch ein erheblicher Beschäftigungseffekt konnte festgestellt werden.
Juliane Buchroithner: Durch das neue Anreizsystem FISAplus wird zudem der Werbe- und Markenwert für Österreich gesteigert. Entlang der Wertschöpfungskette sind bereits deutliche Effekte bemerkbar. Jeder Euro an Förderung durch das neue Anreizsystem löst rund 3 Euro an direkten Produktionsausgaben im Land aus.
Der Direktor des ÖFI sieht Filme aus Österreich inzwischen gar als internationale Marke. Aber Erfolge hatten die doch auch vorher schon vorzuweisen – allein zwei „Oscars“ für den besten internationalen Film 2008 und 2013. Wo lag das Problem?
Juliane Buchroithner: Der Österreichische Film konnte schon vor dem neuen Fördersystem internationale Erfolge verzeichnen. Aber trotz dieser Einzel-Erfolge fehlte dem Österreichischen Film eher eine kontinuierliche internationale Sichtbarkeit, wie sie Länder wie Frankreich bereits länger haben.
Der Österreichische Film mit oft starker kultureller, künstlerischer Prägung und eigenem Humor war auch teils nicht auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet und somit weniger für internationale Zielgruppen gemacht.
Dazu kamen in Österreich strukturelle Probleme wie die begrenzten Produktionsmittel der letzten Jahre. Der österreichische Film war und ist von öffentlichen Förderungen abhängig. FISA war über Jahre mit 7,5 Millionen Euro ausgestattet, von denen 1,5 Millionen Euro für internationale Serviceproduktionen zur Verfügung standen. Auch andere Förderinstitutionen wurden teils nicht erhöht.
Nina-Anica Keidies: Umliegende Nachbarländer wie Ungarn oder Tschechien konnten schon Jahre vor Österreich mit Incentives und großen Studios punkten. Österreich kämpfte dagegen schon seit Jahren um ein Anreizsystem – neue Studios wurden erst diesen Sommer am Hafen Wien eröffnet, nachdem die Rosenhügelstudios bereits vor Jahren teils abgerissen wurden. Größere Länder wie Deutschland oder Frankreich verfügten ebenfalls über deutlich mehr finanzielle Ressourcen.
Durch die neuen Fördersysteme können nun sowohl der österreichische Film als auch internationale Ko- und Serviceproduktionen gestärkt werden, wodurch es zu internationalen Partnerschaften und einem Know-How Transfer kommt. Österreich hat sich also als international wettbewerbsfähiger Filmstandort etabliert.
Filme und Serien aus Österreich sind heute auf internationalen Märkten präsenter, das Interesse an österreichischen Produktionen und am Produzieren in Österreich ist gewachsen. Auch eine stärkere internationale Vernetzung und Kooperation mit internationalen Produktionsfirmen und Studios hat dazu beigetragen, die Qualität und Reichweite der Filme zu erhöhen.
Neben FISAplus gibt es noch die traditionellen Fördertöpfe. Fernsehfonds Austria für kleinere, vor allem heimische Produktionen, ÖFI+ für Kinofilme, das Fernsehabkommen mit dem ORF und weitere regionale Förderungen. Also eine ähnliche Vielfalt wie in Deutschland. Eigentlich könnte man das österreichische Modell doch einfach kopieren, meinen manche in Deutschland. Lässt sich das einfach übertragen?
Nina-Anica Keidies: Obwohl das österreichische Modell mit verschiedenen Fördertöpfen wie FISAplus, dem Fernsehfonds Austria, ÖFI+ und regionalen Förderungen gut strukturiert ist, gibt es mehrere Faktoren, die die Übertragung erschweren. Die Medienlandschaften in Deutschland und Österreich unterscheiden sich bezüglich Größe und Struktur. Österreich hat einen weitaus kleineren Markt als unser Nachbarland.
Deutschland ist außerdem stark föderal geprägt, mit zahlreichen regionalen Förderanstalten, zum Beispiel Film- und Medienstiftung NRW, FFF Bayern. Das österreichische Modell hat zwar auch regionale Förderungen, aber eher eine zentralere Struktur, die nicht direkt auf Deutschland übertragbar wäre.
Juliane Buchroithner: Hinzu kommen unterschiedlichste rechtliche und institutionelle Voraussetzungen sowie andere Finanzierungs- und Verwaltungsstrukturen. Auch die Entscheidungsprozesse und politische Rahmenbedingungen sind in Deutschland anders organisiert als in Österreich. In Deutschland müssen Bund und Länder noch Einigungen über Förderbedingungen und -mechanismen erzielen, was aufgrund der Größe und der Komplexität des Marktes vermutlich schwieriger ist als in Österreich.
Das österreichische Modell bietet jedenfalls Ansätze, die man in Deutschland bereits durchaus als Inspiration herangezogen hat. Allerdings sind die Marktgrößen, Strukturen und politischen Rahmenbedingungen in beiden Ländern so verschieden, dass eine direkte Übertragung des Modells nicht sinnvoll wäre.
Wie waren (oder sind) denn die Filmschaffenden selbst in die Konzeption des neuen Modells eingebunden?
Nina-Anica Keidies: Die Einbindung von Filmschaffenden in die Konzeption und Umsetzung war auch bei FISAplus ist ein wichtiger Aspekt, um sicherzustellen, dass die Förderungen den tatsächlichen Bedürfnissen der Branche entsprechen. Ein regelmäßiger Austausch mit den Verbänden wie beispielsweise dem Fachverband Film und Musik fand ebenso statt wie Abstimmungen mit anderen Förderinstitutionen.
Nach Implementierung des neuen Systems kam es zudem zu regelmäßigen Präsentationen und Workshops mit Feedbackrunden. 2023 fand eine Roadshow durch das ganze Land statt, bei dem FISAplus und ÖFI+ präsentiert wurden. Auch auf Festivals wie der Diagonale in Graz oder dem Filmfestival Kitzbühel werden zum Austausch Branchenveranstaltungen wie Round Tables veranstaltet, an denen sowohl Produktionsfirmen als auch Förderinstitutionen vertreten sind.
Juliane Buchroithner: Kontinuierlich gibt es einen regelmäßigen Dialog zwischen den Institutionen hinter FISAplus und der Branche. Dazu wird FISAplus gerade evaluiert, hier werden einerseits Interviews mit diversen Stakeholdern durchgeführt als auch Umfragen, die an die gesamte Branche geschickt wurden.
Österreich ist dieses Jahr auch Gastland der MediaTech Hub Conference im Studio Babelsberg. Am 25. September diskutieren wir auch hier die Auswirkungen von FISAplus und teilen unsere Learnings mit den Teilnehmenden.
Sie nennen einen Standorteffekt von mehr als 300 Prozent. In Deutschland fällt die Einigung zwischen Bund und Ländern auf ein Steueranreizmodell noch schwer. Zweifel gelten auch den Prognosen der BKM zum Standorteffekt. Wie weit decken sich denn in Österreich die Prognosen mit der Wirklichkeit?
Juliane Buchroithner: FISAplus wurde mit der Erwartung eingeführt, den Standort Österreich für internationale Film- und Medienproduktionen attraktiver zu machen, die Produktionstätigkeit zu erhöhen und die ganze Branche zu stärken. Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass FISAplus viele Erwartungen übertroffen hat.
Nina-Anica Keidies: Die Filmindustrie ist, vor allem durch die neuen Anreize FISAplus und ÖFI+ gewachsen und hat sich stark professionalisiert. Weit mehr Filme und Serien als die Jahre davor, darunter auch zahlreiche internationale Projekte, wurden seit Einführung des neuen Fördersystems gedreht. Dazu hat sich Österreich durch das neue Modell als attraktiver Standort für internationale Ko- und Service-Produktionen etabliert und seine Wettbewerbsfähigkeit bewiesen.
Es gab auch schon Kritik am FISAplus. Der soll ja vor allem große internationale Produktionen locken und österreichischen Serviceproduktionen nutzen. Anscheinend aber doch nicht immer: Voriges Jahr wurde da die HBO-Serie „The Regime“ genannt: Der österreichische Partner sei in der Branche völlig unbekannt.
Nina-Anica Keidies: Bei der Prüfung des Förderansuchens wird auch die Qualifikation des Förderwerbers geprüft, auch in diesem Fall. Der Bekanntheitsgrad allein spielt dabei keine Rolle. Zumal man auch dazu sagen kann, dass HBO sich seine Partner sehr genau aussucht.
Daneben sind auch weitere hochkarätige Produktionen wie „The Fountain of Youth“ mit Natalie Portman und John Krasinski sowie „9 Perfect Strangers“ mit Nicole Kidman hervorzuheben, aber auch viele österreichische Produktionen und Koproduktionen, die nach Österreich geholt beziehungsweise wieder zurückgeholt werden konnten wie „Vienna Blood“ oder „Freud“. An diesen hochkarätig besetzten Produktionen, die sich für Österreich entschieden haben, kann man erkennen, dass sich der heimische Filmstandort durch die Reform der Filmförderung aufgrund seiner nunmehrigen hohen Attraktivität auch international durchsetzen kann.
Juliane Buchroithner: Dabei sind bislang seit 2023 allein die österreichischen Filme und Serien mit fast 1.200 von insgesamt 2.900 Drehtagen an diesem Ergebnis beteiligt. Diese werden vollständig in Österreich hergestellt. Auffällig sind die relativ hohen Anteile an Drehtagen in Österreich bei internationalen Koproduktionen und Serviceproduktionen. In der Vergangenheit konnten hier nur geringere Anteile Österreichs an der Gesamtzahl der Drehtage festgestellt werden.
Bei der MediaTech Hub Conference in Babelsberg ist nächste Woche Österreich zu Gastland. Auf einem Panel erklären Vertreter*innen der österreichischen Filmindustrie, wie das Land „zu einem Magneten für internationale Filmproduktionen“ wurde.