Making-of: Wir drehen keinen Film!

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Die Kamerafrau will eigentlich ganz großes Kino machen, aber mit Kurt wird es auch schon schräg genug? Beim Dreh im Brautmodengeschäft erklärt Ulla Geiger (vorne) die Szene, dann wird improvisiert. | Foto © Ulla Geiger

Der Titel täuscht – sie tat es doch. Mit Mitte 60 erfüllte sich Ulla Geiger den Traum, der sie einst in die Branche ­gebracht hatte: Sie drehte ihren Debütfilm. Und als alles gut schien, kam das Virus dazwischen: Der Kinostart musste abgesagt werden. Also gibt’s das Werk erstmal als Stream: „Wir drehen keinen Film“.  Ihr Erlebnisbericht:

Mit Mitte 60 habe ich meinen Debütfilm gedreht. Eigentlich hatte ich Filmemacherin werden wollen,  seit ich 30 Jahre alt war, aber mein Leben hat immer wieder Haken geschlagen und mich woandershin gespült. Nie hatte ich gesagt „Nein, das ist aber jetzt nicht zielführend!“, sondern ich bin mit dem Leben mitgegangen. Dabei habe ich dann so ganz unbemerkt alles gelernt, was ich nun für die Arbeit an diesem Film hatte brauchen können.

Das Ziel „Filmemacherin“: 1981, mit 30 Jahren, lag ich in letzten Zügen meines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München, hatte aber keine Lust mehr auf die anvisierte Kunsterzieher-Laufbahn. Das Studium war aber nicht umsonst gewesen. Ich hatte meine optische Wahrnehmung gesteigert und war durch fotografische Maltechniken zu einer Detailfieslerin geworden. 

Die verrückten Filme von Carlos Saura hatten es mir damals angetan – ein Faktor für meinen Entschluss, Filmemacherin zu werden. Ich überlegte, ob ich mit einem Studium an der HFF meinen Eltern weiter auf der Tasche liegen sollte – ich hatte ja schon zehn Jahre studiert. Also entschied mich, das Filmhandwerk von der Pike auf zu lernen. Ich machte ein Praktikum bei einer Kinderserie, und wurde dort noch für eine kleine Rolle engagiert, die ich eigentlich gar nicht wollte. Ich wollte beim Film alles machen nur nicht Schauspielerin, nicht zuletzt aus Trotz gegen meine Mutter, die, selbst ehemals Schauspielerin und Sängerin, immer sagte: „Kind, du gehörst vor die Kamera!“ Wie witzig, dass sie irgendwie recht behalten hat, ich bin ja auch Schauspielerin geworden! 

Ich fing also bei diesem Praktikum mit Klappe an und orientierte mich erst mal: Vom Bild herkommend, hätte ich natürlich am liebsten Kamera gemacht, aber den Zahn musste ich mir sehr schnell ziehen: Da war man erst mal Assi und musste die schweren Kameras schleppen … für mich und meine zierliche Statur ein absolutes No-Go! 

Also dann zur Regie. Es folgte die übliche Laufbahn: Script/Continutity und Regieassistenz. Als ich mich knappe zehn Jahre später als Assistentin etabliert hatte, drehte ich eine populäre Serie, wie sich das gehörte. Ich stellte fest, dass mich das so gar nicht erfüllte, und ich außerdem meinem Ziel, Filme zu machen, nicht die Bohne näher gekommen war. Niemand sagte: „Ulla, du bist ja so super, ich geb’ dir die Chance, deine erste Regie zu machen!“ Ende der 1980er-Jahre war ein männlicher Regieassistent selbstverständlich ein angehender Filmemacher, während eine Frau halt die Assistentin war und vom Regisseur für eine gute Idee ein Zehnerl bekam – tatsächlich passiert! 

Damals gab es an neuen Regisseurinnen Doris Dörrie, und dann kam lange nichts, und diese war Absolventin der HFF gewesen. Ich war also in einer Sackgasse gelandet! Aber ich hatte einiges gelernt: Einen Drehplan und eine Dispo machen, ein Set organisieren, und Rollen besetzen, was mir am meisten Spaß machte.

Auf zum Ziel mit Eigeninitiative: Ich schrieb ein Drehbuch, das noch von Anfängerfehlern strotzte. Um mich der Schauspielführung zu nähern, belegte ich 1990 semiprofessionelle Schauspielworkshops. Es könnte ja sinnvoll sein, zu wissen, wie sich ein Schauspieler fühlt. Das Ganze nahm aber eine überraschende Wendung, denn bei dem Seminar stellte sich heraus, dass ich wohl selbst Schauspieltalent hatte! In einer Übung sollte ich spielen, in einem Cafe zu sitzen und auf jemanden zu warten. Ich guckte also rum, ob derjenige nun kommt – und die Leute lachten! Wieso, verstand ich nicht. Anscheinend war ich irgendwie komisch … 

Mit einer anderen Kursteilnehmerin entwickelte sich dann beim Abendessen spontan eine Impro zweier bayrischer Hausfrauen – und alle lagen vor Lachen unter dem Tisch. Wieder war ich vollkommen überrascht. Barbara Jürgensen und ich machten ein Kabarettprogramm daraus. Damals war diese Branche noch entspannt. Wir haben ein lustiges Foto gemacht, bei Bühnen angerufen, gesagt, wir sind „Boschetsrieder und Hinterpaintner“, und schon hatten wir einen Auftritt. Wir landeten auf dem 3. Platz beim „Scharfrichterbeil“ und kamen sehr gut an. 

Auf der Bühne zusammen genial – im Privaten nicht miteinander kompatibel … wir trennten uns leider. Dann machte ich Soloprogramme und kreierte die Figur Frau Wurmrieder, die mit einer Moderatorin vom Band zusammen agierte. Ich zog mich in Windeseile hinter der Bühne um, um mit einer anderen Perücke und mit einem anderen Dialekt wieder rauszukommen … kam alles auch gut an!

Mitte der 90er immer noch keine Filmemacherin. Ich stellte mich bei einer kleinen Kinderserie als Drehbauchautorin vor. Als solche wollten sie mich nicht, dafür wurde ich als Schauspielerin engagiert. Das war meine erste TV-Rolle. Ich stellte mich bei Castern vor, die damals auch erst alle anfingen. Und so kam ganz langsam eine Rolle zur anderen. Mit 45 Jahren als Schauspielerin anzufangen, ist nach allen Regeln der Branche wenig erfolgversprechend. In dem Alter geht es sogar bei etablierten Schauspielerinnen meist erstmal runter mit den Angeboten. Aber ich hatte mich von sogenannt „Unmöglichem“ oder Schwierigem noch nie besonders beeindrucken lassen. Auf der Kunstakademie hatte ich ohne jemals einen Pinsel mit Ölfarbe in der Hand gehabt zu haben, gesagt: Ich möchte Faltenwürfe malen! Das sei das Schwierigste von allem, sagte der Professor. Aber ich malte meine Faltenwürfe! Über Kabarett hörte ich, das sei das Schwierigste überhaupt. Ich habe es einfach gemacht. Und so ähnlich sollte es dann später auch mit meinem Kinofilm laufen.

Nach zehn Jahren war für mich die Luft raus aus dem Kabarett, und ich habe es auslaufen lassen. Aber die Zeit war alles andere als umsonst gewesen: Das Kabarett war meine Schauspielausbildung, denn das Publikum ist der gnadenloseste Lehrer! Entweder du kriegst die da unten, oder du kriegst sie nicht. Und das war bei unterschiedlichen Vorstellungen unterschiedlich, trotz haargenau gleichem Text! 

Wenn man am Anfang des Programms registriert, da unten ist es heute aber eher still, an der Stelle war doch sonst ein Lacher, darf man auf keinen Fall anfangen, sich anzustrengen und an ihnen zu ziehen! Dann geht es noch weiter bergab! Einfach bei sich bleiben, sich in den Fluss seines Textes schmeißen. Überhaupt eine Regel für die Schauspielerei … bloß nicht nachdenken! In der Kabarettzeit bildete sich außerdem ein Gefühl für Dramaturgie und Timing. Und: Lacher kann man nicht planen. Am besten man macht das, was man selbst komisch findet.

Ende der 90er endlich der erste Film? Es tauchte ein Plot auf, der mich interessierte: Die wahre Geschichte einer Frau, die sich mit Krebs im Endstadium durch Psychotherapie heilte. Ich habe in Zusammenarbeit mit einer Filmfirma ein Drehbuch geschrieben. Dieses liegt jetzt in einem sehr guten Zustand in der Schublade, denn die Frau starb neun Jahre später an einem Rückfall, und so gab es keine vermarktbare Erfolgsgeschichte mehr. Aber ich hatte gelernt, wie man Drehbücher schreibt.

Mitte der 2000er mit 55 Jahren immer noch keine Filmemacherin: Ich sah im Fernsehen eine Sendung über einen Herrn Heinle, der vollkommen hoffnunglose Langzeitarbeitslose in Arbeit brachte, indem er ihnen die Frage stellte: „Wo möchten Sie in fünf Jahren sein, wenn es keine Grenzen der Vorstellung gäbe?“ Er war erfolgreich und hatte gerade ein schickes neues Büro aufgemacht, in dem es einen Tag der offenen Tür gab. Irgendwie trieb es mich da hin, obwohl mich das Thema „Langzeitarbeitslose“ gar nicht interessierte. Aber vielleicht war ich ja selbst eine Abart davon? An einem schicken Multimedia-Tisch demonstrierte Herr Heinle seine Methode an den Besuchern. Ich antwortete auf die Frage mit den fünf Jahren: Ich will eigentlich Filme machen, komme aber ewig nicht dazu. Er sagte: „Fangen Sie doch einfach mal an, und drehen Sie kleine Filme!“ Ich könne doch Bewerbungs­videos machen. Dieses ganze Sujet Bewerbung hat mich eigentlich nicht interessiert, aber ich machte es und richtete mir eine Website ein. 

Das Ganze brachte nichts ein, war aber nicht umsonst: Erstens lernte ich Filmschnitt, zweitens entwickelte sich später daraus mein Demobandservice, denn ich hatte angefangen, meine Demobänder selbst zu schneiden (Geldersparnis!) und dachte, was ich für mich selbst kann, kann ich auch für andere. 

Selbst zu schneiden war eine gewisse Hürde gewesen. Muss da nicht jemand mit Abstand von außen draufschauen? Aber es ging gut. Und diese Hürde ein erstes Mal genommen zu haben, hat es mir später erleichtert, meinen Film auch selbst zu schneiden! Zwei meiner Mitarbeiter hatten mir das wohl nicht so wirklich zugetraut und wollten mir dezent einen Profi zur Seite stellen. Die Dame hatte keine Zeit, was gut war, denn das hätte ein Riesen-Durcheinander gegeben. Beim Kinotrailer wurde dann wieder der Ruf nach einem Spezialisten laut … der hätte aber nicht meinen Humor mitgebracht! Also habe ich das auch selbst gemacht. Im Internet steht schließlich, wie eine Trailerdramaturgie auszuschauen hat!

In meinem Demobandservice drehte ich kleine Szenen für Schauspielfrischlinge, die noch keine Ausschnitte aus TV-Drehs hatten. Ich schrieb die Drehbücher, triezte die Schauspieler, bis sie es gut machten, und schnitt hinterher die Filmchen. Dann machte ich Kamera und Ton auch noch selbst, denn weitere Mitarbeiter kommen zu teuer für die schmalen Kundengeldbeutel. Ich hatte anfänglich keine Ahnung von Lichtsetzung … dann lernt man es eben!

2012 drehte ich meinen ersten Kurzfilm. Ein Freund wollte seine neue Red ausprobieren, ein Freund vom Freund machte den Ton, Freun­dinnen übernahmen die beiden Rollen. Die Pläne waren hochtrabend: Natürlich Preise gewinnen auf Festivals! Ich zurrte Wort für Wort genau fest, habe die Schauspieler mit meinen Vorstellungen überfordert, und heraus kam technisch perfekt gemachter kalter Kaffe. Ich war demoralisiert. 

Dann wollte eine befreundete Schauspielerin und Kabarettistin „zufällig“ mit mir an einem Kurzfilmwettbewerb teilnehmen. Sie sagte, sie habe es nicht so mit Textlernen und wolle lieber improvisieren. Okay, dann jetzt das. Von großem Aufwand hatte ich die Nase voll, also machte ich die Kamera selbst. Desweiteren spielte aus dem Off die Rolle einer Redakteurin, die den Film macht. Das Ganze wurde mehrmals gedreht und anschließend „schmutzig“ Bild in Bild geschnitten. So entstanden zwei Kurzfilme – und meine Arbeitsweise für den Langfilm. Die Improvisation finde ich eine ideale Arbeitsweise, weil sich geniale Texte entwickeln können, die einem am Schreibtisch nie einfallen würden.

Bevor ich ins Gras beiße, muss ich nun endlich meinen Kinofilm drehen! Dachte ich 2015. Ich hatte den Plot eines jungen Manns, der dauernd mit seiner Exfreundin rumhängt, während er offen vor ihr eine Partnerin sucht. Weil ihm die Frauen aber schnell zu klettig werden, kommt es nicht dazu. Ich war, seit ich 20 Jahre alt war, sehr an Psychologie interessiert. Warum haben Menschen Näheängste? Die Frauen verstehen nicht, wieso sie plötzlich vom Mann stehengelassen werden, es war doch schließlich gerade eben noch so schön! In der Folge wird der Mann als Schwein gehasst. Dieses Phänomen gibt es schon mindestens seit den alten Griechen, es hat sich nur jeweils im Erscheinungsbild verändert. Heute sucht man sich schnell online jemand Neuen. Inzwischen war ich auf die Erklärung des Phänomens gestoßen: Niemand kann etwas dafür, es läuft unbewusst ab und hat seinen Ursprung in einem Partnerschaftsproblem der Eltern. 

Nun wollte ich etwas zur Versöhnung zwischen Mann und Frau beitragen: Bekämpft euch nicht, redet miteinander, vielleicht gibt es noch eine andere Lösung als Flucht! Und so ließ ich meinen Filmhelden Kurt (Michael Ransburg) das Bedürfnis haben, sich zu ändern. Er engagiert eine Kamerafrau, die Videos von seinem Alltag dreht, damit er sich und die Reaktionen seiner Umgebung mal von außen sieht und vielleicht auf etwas kommt. Laut der Mockumentary-Struktur meiner Kurzfilme spielte ich diese Kamerafrau aus dem Off. Und so wurde der Film auch schon im ersten Moment für eine Dokumentation gehalten. 

Hauptdarsteller wurde Michael Ransburg, den ich aus meinen Demobandservice kannte. Er spielt hauptsächlich Theater, aber ich wusste durch einen kleinen Filmausschnitt, dass er es auch vor der Kamera drauf hat. Ich testete unsere Zusammenarbeit in einem eigenen Kurzfilm, und stellte ihm gleich nach dem Dreh meinen Plot vor. Kurts Ex-Freundin Leni wurde Stefanie von Poser, die sich in ebendiesem Kurzfilm schon als Partnerin bewährt hatte.

Michael Ransburg war sofort begeistert und wir hatten nun ein Projekt! Aber wie verwirklichen? Ich war fest davon überzeugt, dass ich keine Förderungen bekommen würde: Ein Drehbuch ohne Dialoge zur Improvisation, ein unbekannter Hauptdarsteller, keine Verbrechen, keine großen Dramen, kein krasser Humor, einfach nur die Kamera aufs normale Leben draufgehalten? Und zu dem allen eine Filmemacherin, die im Rentenalter ihren ersten Film machen will? Mit dem fertigen Film würde ich vielleicht überzeugen können, aber doch nicht mit diesem Konzept! Außerdem dauert das alles mit den Förderanträgen endlos. Dann bekommt man vielleicht etwas Geld, und das reicht dann doch nicht für die komplette Finanzierung. Wie alt wäre ich dann? Unter Umständen soll man in einem anderen Bundesland drehen, aber der Film spielt doch in München … 

Die ganze konventionelle Vorgehensweise mit Produktionsfirma, Förderungen, Verleih und Redaktionen, und den vielen Leuten, die einem dreinreden, war für mich nicht kompatibel. Ein Schlüsselerlebnis war ein Interview mit Simon Verhoeven: Schlimm sei es für ihn gewesen, als er mal einen Schauspieler bei der Redaktion nicht „durchbekommen“ habe! Was ist denn bitte los, dass ein Regisseur nicht mehr das letzte Wort bei seiner Besetzung hat? Michael Ransburg hätte ich nie „durchbekommen“! Einige andere meiner vollkommen unbekannten Wunschschauspieler auch nicht! 

Dann eben independent: Ich las in cinearte 345 einen Artikel über George Inci und Beatrice von Moreau, zwei Berliner Schauspieler, die nicht dasitzen und warten wollten, dass sie jemand besetzt, sondern sich ihre eigenen Filme drehten. Ich war ganz aufgeregt und nahm mit den beiden Kontakt auf. Ich schwankte immer noch und wusste auch nicht, ob ich so eine Produktion überhaupt kräftemäßig durchstehen würde, schließlich war ich keine 30 mehr. Irgendwann sagte Michael plötzlich: „Lass es uns einfach machen!“ 

Daraufhin lief in meinem Hinterkopf im rasenden Zeitraffer eine Vorschau ab, was nun alles auf mich zukommen würde … und ich würde es ganz allein machen müssen! Doch ich ging nach Hause und fing sofort an, das Drehbuch zu schreiben und parallel zu besetzen.

Michael und ich hatten uns in diesem Augenblick wie gegenseitig ermächtigt: Ich hatte ihm zugetraut, die Hauptrolle zu tragen, und er hatte mir zugetraut, diesen Film zu machen! Wir haben uns sozusagen gegenseitig an unseren eigenen Schöpfen aus dem Sumpf gezogen.

Es folgten gescheiterte Versuche, an Geld zu kommen wie Crowdfunding und Wer wird Millionär? ­– letzterer gleich bei den ersten drei Fragen. Somit blieben zur Finanzierung bloß noch das Ersparte, privates Sammeln und Support.

Es ging an den Dreh. Einiges klappte wie durch Wunder, anderes musste ich mir schmerzhaft abschminken. Die Wunder: 

> Mir wuchs von Tag zu Tag mehr Kraft zu. In der Vorbereitung zählte ich spaßeshalber die Stunden pro Tag. Und weil das immer mehr wurden, dachte ich irgendwann, dann schaffe ich den Dreh auch ohne Probleme. Ich war wie diese Püppchen, die man aufzieht und die dann laufen und laufen. Irgendwann fallen sie von der Tischkante. Das ist mir auch passiert, aber da war der Film bereits fertig. 

> Ich bekam den für eine Mockumentary idealen und an der Handkamera absolut genialen Dokumentarfilm-Kameramann Hans Albrecht Lusznat. Für den Originalton Dominique Klatte, der gerne ohne Angler arbeitete. Das Kostümbild übernahm Regine Wäckerle. Eine Garderobiere gab es nicht, die Schauspieler nahmen eigene Sachen mit, die jeweils auf der Dispo aufgelistet waren. Sie schminkten sich auch selbst, so sparte ich eine Maskenbildnerin. 

> Es klappte alles reibungslos, bis hin zu den Wetteranschlüssen und genau passendem Schneefall. Und was nicht sofort klappte, führte in der Folge durch spontanes Umplanen zu besseren Ergebnissen. Deswegen habe mir eigentlich die Pannen und deren Lösungen am meisten Spaß gemacht. Das war schon beim Kabarettprogramm so gewesen: Es läuft eine Katze über die Bühne? Dann bauen wir sie halt ein!

Ich selbst übernahm sehr viele Arbeitsbereiche … manches freiwillig wie Besetzung, Szenenbild und Schnitt, manches unfreiwillig wie die Organisation. Produktionsleiter*in und Aufnahmeleiter*in hatte ich nicht, das Produktionsbüro war mein Wohnzimmer, und ich wurde unterstützt von meiner Produktionsassistentin Sonja Mair, die ebenfalls von sich zu Hause aus arbeitete. Bei größeren Szenen half sie auch am Set aus. Das Team hinter der Kamera bestand bei kleinen Szenen aus nur vier Leuten, bei größeren aus etwa sieben. Es gab keinen Fuhrpark … das Equipment passte in ein paar Taschen! Besonders bei den kleinen Szenen war dieses minimalinvasive Drehen sehr entspannt! 

Die Postproduktion lief wie üblich. Dank Uwe Bendixen (digitale Postproduktion), Wolfi Müller (Sounddesign und Geräusche), Michael Stecher  (Mischung) und Hannes Bertolini (Musik). So dass der Film schließlich professionell gerüstet dastand für Festivals und Kinos. Am Ende hatte die Fertigstellung genau neun Monate gedauert … so lange wie eine klassische Schwangerschaft! Deshalb witzig, weil ich vor Jahren mal postuliert hatte: „Ich will Filme gebären, wie andere Kinder!“ Denn Kinder waren nie mein Programm gewesen.

Alle Mitarbeiter waren begeistert von dem Film, und überzeugt, er würde auf dem Filmfest München Premiere haben … haha! Alle anderen größeren deutschen Filmfeste musste ich mir eines nach dem anderen auch abschminken. Die Erkenntnis: Ich hatte einen sogenannten „kleinen“ Film gemacht, eine Komödie, die zwar beim Publikum hervorragend ankam, aber weniger bei den „Bewertern“! Für letztere hatte ich wohl etwas zu gründlich alles anders gemacht, als es vor vier Jahren gerade angesagt war: Ich hatte konsequent meinem Blick auf das normale Leben gerichtet, weil das meiner Meinung nach spannend und lustig genug ist. Ich hatte die Zuschauer*innen nicht mit Musik, tollen Kameraeinstellungen und einem geschickten Schnitt zu bestimmten Gefühlen bringen wollen, sondern wollte einfach eine Geschichte erzählen. 

Ich verstand so langsam die Festivallandschaft: Es zählen die Hochglanzfilme, die nach was ausschauen und am besten noch düstere Dramen sind. So ging fast ein Jahr mit Festivaleinreichungen gar nichts! Plötzlich lief der Film in Indien und gewann dort seinen ersten Preis in der Kategorie „Bestes Drehbuch“. Dann kam ein schnuckeliges kleines Festival in Mainz, die 34. Video/Film Tage 2017 mit einem 3. Preis.  Weitere kleineFestivals, Preise,?Nominierungen … 

Mit meiner Sammlung von zehn Lorbeerkränzen und den zum Teil überschwenglichen Reaktionen sollte es kein allzu großes Problem sein, einen Verleiher zu finden. Weit gefehlt! Hier waren sie wieder, die „Bewerter“! Hier hatten sie die schwierige Aufgabe, aus der heutigen Flut von Filmen diejenigen auszuwählen, die einen kommerziellen Erfolg versprechen. Viele teure Irrtümer an der Kinokasse zeigen, wie schwierig das ist. Mein Film wurde entweder gar nicht zur Kenntnis genommen, nicht ganz angeschaut und abgesagt ­– wenn überhaupt eine Antwort kam. 

Die Erkenntnis: Ohne Projektförderung gibt’s in der Regel keine Verleihförderung und ohne Verleihförderung kein Verleiher. Nachdem ich so ungefähr alle außer den ganz Großen abgefragt hatte, gab ich es auf. Einen sehr kleinen Verleiher hätte ich einmal fast gehabt, aber seiner Partnerin für die Pressearbeit gefiel der Film nicht … aus! 

Ich klappte zusammen, denn von Anfang an hatte ich eines auf gar keinen Fall auch noch selbst machen wollen: den Verleih! Ich fühle mich bei allen kreativen Tätigkeiten wohl. Ich bringe mir gerne alles selbst bei, was ich noch nicht kann, aber nun auch noch Kinos hinterherlaufen und Klinken putzen? Ein Horror! Auf Umwegen und sehr spät fand sich dann doch noch ein Verleih, der hinter dem Film steht: Die Filmverleih GmbH.

Anmerkung der Redaktion: Die Premiere war für Mittwoch, 18. März, im Kino „Monopol“ in München angesetzt … was folgte, ist bekannt. Darum geht man jetzt erstmal online.  Am heutigen Donnerstag startet der Film auf Kinoflimmern, die Kinos werden an den Einnahmen beteiligt.

Interviews und Making-of gibt’s auf der Website zum Film.  

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