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Die Gewinner*innen des „Fair Film Award 2023“ mit Moderatorin in der Kulturbrauerei in Berlin. | Foto © Alena Sternberg

Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.  

Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet,  steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier. 

Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärten  Benesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.

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Kulturstaatsministerin Claudia Roth (links) und MFG-Geschäftsführer Carl Bergengruen beim „Deutschen Produzententag 2023“. | Foto © Filmstiftung NRW/Severin Wohlleben

Die BKM hat eine filmpolitische Grundsatzrede gehalten. Das war Zeit, denn Claudia Roth ist seit mehr als einem Jahr im Amt, und das neue Filmförderungsgesetz wird dringlich erwartet. Die große Reform soll es werden, die dem Deutschen Film zu neuem Schwung verhilft.

Auf dem „Deutschen Produzententag“ stellte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien am Donnerstag voriger Woche acht Eckpunkte für eine Reform der Filmförderung vor. Als Beispiel, was möglich sein sollte, nahm Claudia Roth den aktuellen deutschen Vorzeigeerfolg: Der  nämlich „konfrontiert uns mit der Frage, warum unser gut ausgestattetes deutsches Fördersystem selten vergleichbare Erfolge erzielt. Denn, wie wir alle wissen: ,Im Westen nichts Neues’ ist eine Netflix-Produktion“, sagte Roth auf dem „Deutschen Produzententag“. Ihr Fazit: „Ziel einer Reform der Filmförderung kann deshalb nur sein, sie effizienter, sie schneller und ganzheitlicher zu machen.“   

„Ganzheitlich“ ist ein großes Wort. Erst recht, wenn dabei ein Teil der Filmlandschaft ignoriert wird, der schon seit Jahren rapide wächst: Festivals sind längst zu einer eigenen wichtigen Auswertungs- und Werbeschiene geworden und haben offenbar auch keine Probleme, ihr Publikum zu finden. In den Eckpunkten der BKM werden sie nicht mal erwähnt – was allerdings auch keine Neuigkeit ist. Obwohl es doch, sechstens, darum gehe, „auch die Sichtbarkeit deutscher Filme zu erhöhen.“ Und wo doch die BKM ihre Ankündigung selbst nicht ohne Grund vor der Kulisse ihrer Berlinale machte. 

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Festivals und Kinos sind natürliche Verbündete, meinen Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz. Es brauche Strukturen, damit beide enger zusammenarbeiten können. | Foto © Kenneth Hujer

Die Kinos suchen ihr Publikum, die Festivals hingegen können nicht klagen. Selbst in Zeiten von Pandemie und Lockdown sind neue hinzugekommen. Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz untersuchten in einem Sammelband*, wie die Festivals die Krisen meisterten – und welche Chancen und Perspektiven sie für die Filmkunst zeigen.

[*Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz (Hg.): „Filmfestivals – Krisen, Chancen, Perspektiven“. Edition Text + Kritik, 2022. Mehr zum Thema gibt’s auf der Website zum Buch, die weiter ausgebaut werden soll.]

Über das beeindruckende Wachstum, den anhaltenden Wandel der Festivallandschaft und welche Funktionen Filmfestivals heute übernehmen, darüber hatten wir bereits vor drei Jahren gesprochen. Dann kam Corona. Die Kinos mussten schließen, die Festivals standen zunächst vor ähnlichen Problemen, fanden dann schnell alternative Wege. Aber ist ein Festival ohne Kino überhaupt vorstellbar?
Tanja C. Krainhöfer:
Zweifelsohne ist das Kino ein natürliches Habitat eines Filmfestivals, aber wenn kein Kino zur Verfügung steht, bedienen sich Festivals anderer Orte, um stattfinden zu können und so ihre Anliegen oder ihren Zweck zu erfüllen. Dies wurde während der Pandemie mehr als deutlich: kein Hinterhof war zu klein, kein Parkdeck zu hoch, keine Industriehalle zu abwegig und selbst die Herausforderungen, virtuelle Räume zu beziehen, wurden selten gescheut. Was jedoch wesentlicher ist, ist die Haltung, die der Festivalsektor in der Pandemie bewiesen hat. Es ging darum Zugänge zur Filmkultur zu schaffen. Die damit verbundenen Bestrebungen haben sich bis heute noch weiter ausdifferenziert und mit Sicherheit werden sich noch weitere Optionen erschließen – onsite wie online.
Joachim Kurz: Andererseits muss man schon feststellen, dass ein Kinoraum für ein Festival der Idealzustand ist und nach Möglichkeit – sofern vorhanden – genutzt werden sollte. Weil es nur im Kino optimale Bedingungen zur Projektion eines Films gibt. Es wäre definitiv sehr wünschenswert, dass Filmfestivals in ländlichen Räumen ohne Kino die Gemeinden so sehr begeistern, dass bei ihnen die Idee wächst, dass ein Kino am Ort vielleicht doch keine so schlechte Idee wäre – und zwar nicht nur als Kultur-, sondern auch als Begegnungsort.

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Seit Jahrzehnten ringt die Branche um bessere Arbeitsbedingungen. Meist vergeblich, weil’s angeblich nicht anders geht. In der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“ kommen sie zu anderen Antworten. Auf dem Podium (von links): Judith Frahm, Fritzie Benesch, Christine Günther, Katja Rivas Pinzon und Oliver Zenglein. | Foto © Oliver Dietze

Wenn wir gute Filme machen wollen, muss auch das Umfeld stimmen. Gute Idee. Beim Max-Ophüls-Festival wurde diskutiert, wie das aussehen sollte. 

Für den deutschsprachigen Filmnachwuchs ist Saarbrücken die erste Adresse: Schon drei Wochen vor der Berlinale präsentiert der Max-Ophüls-Preis „junge Talente aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“. Allein um die Entdeckung geht’s dem Nachwuchs offenbar nicht mehr. Mit Problemen in der Filmkunst hatten sich schon frühere Panels beschäftigt. Doch hier ging’s um Grundsätzliches: um „soziale Nachhaltigkeit und wie wir miteinander arbeiten wollen“. Und das Panel war gut besucht an einem Samstagmorgen um 10. 

Es war bereits die fünfte Veranstaltung in der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“, die Judith Frahm und Fritzie Benesch erst im November an der Filmuniversität Babelsberg gestartet hatten. Der Titel klingt reißerisch, trifft aber nur die Realität. Darauf stimmten die beiden Produktionsstudentinnen mit ein paar Zahlen aus Großbritannien ein („Varieté“ [auf Englisch] berichtete ausführlich): Neun von zehn Menschen, die dort in der Filmbranche arbeiten, hätten Probleme mit mentaler Gesundheit. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Angststörung zu leiden, sei doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung, 20 Prozent mehr Menschen seien  im Vergleich zur Gesamtbevölkerung an einer Depression erkrankt. „Das fanden wir ganz schön krass und dachten, wir öffnen mal mit diesen kleinen Zahlen unsere Gespräche.“

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Das Metaverse – für viele „das nächste heiße Ding“. John Canning hat vor 30 Jahren das Buch gelesen, für ihn ist das Konzept ein alter Hut. Aber deshalb nicht weniger interessant – denn die Technik sei inzwischen weiter und die Zukunft längst im Gange. | Foto © MTH Conference

John Canning ist Metaverse-Enthusiast. Der Elektroingenieur und Filmproduzent arbeitet seit über 30 Jahren mit interaktiven und immersiven Medien. Canning ist überzeugt: Filmschaffende sollten dringend die Möglichkeiten des Metaverse erkunden. Warum, erklärt er nächste Woche in seiner Keynote auf der MediaTech Hub Conference 22. Konferenzleiter Peter Effenberg hat vorab mit ihm gesprochen. 

John Canning, wir sprechen heute darüber, warum Filmschaffende das Metaverse erforschen sollten. Vom Metaverse wird zurzeit ja viel geredet, aber es ist auch schwer greifbar. Wie würden Sie das Metaversum definieren?
Ich habe tatsächlich angefangen, es als das „M-Wort“ zu bezeichnen, weil es von so vielen schlechtgeredet wird. Ich persönlich gehöre zu den Menschen, die alt genug sind, um „Snow Crash“ von Neal Stephenson gelesen zu haben, als es veröffentlicht wurde. Deshalb bin ich schon lange mit dem Konzept des Metaverse vertraut, das der Autor Stephenson damals begründet hat. Doch erst jetzt wird es plötzlich populär als „das nächste große Ding“.
Ich finde, es ist wichtig, darüber nachzudenken, wofür die Menschen das Metaverse nutzen wollen: Wohin gehen wir als nächstes? Es ist wichtig zu verstehen, dass wir nicht nächste Woche oder nächstes Jahr etwas auf den Markt bringen werden, das „das Metaverse“ heißt. Sondern es ist die Weiterentwicklung, die Evolution dessen, was wir bisher gemacht haben.

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„Im Westen nichts Neues“ ist bereits die dritte Verfilmung Klassikers über die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Die ersten beiden wurden mit „Oscars“ und „Golden Globe“ ausgezeichnet. Da rechnet man sich auch für die deutsche Adaption gute Chancen aus. | Foto ©  Netflix/Reiner Bajo

Bei den „Oscars“ sitzt der Rest der Welt am Katzentisch. Dort sorgt er trotzdem jedes Jahr für Spannung, welchen Film Hollywood wohl zum besten Film der Welt erklärt. Für Deutschland soll nun das Weltkriegdrama „Im Westen nichts Neues“ ins Rennen gehen.

Eine Netflix-Produktion soll im nächsten Jahr den „Oscar“ für Deutschland holen. Aus neun Bewerbern hat eine Jury für German Films, die Auslandsvertretung des deutschen Films, den Kandidaten für den besten internationalen Film ausgewählt: „Im Westen nichts Neues“ unter der Regie von Edward Berger, produziert von Amusement Park Films. 

Vorlage ist der gleichnamige Roman von 1928, in dem Erich Maria Remarque die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten schildert. Das Buch wurde zu einem Klassiker der Weltliteratur und bereits zweimal in den USA verfilmt. Die Fassung von Lewis Milestone aus dem Jahr 1930, produziert von Carl Laemmle, gewann zwei „Oscars“. Eine Fernsehfassung von Delbert Mann wurde 1980 mit einem „Golden Globe“ ausgezeichnet. 

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Mit „Weißes Rauschen“ eröffnete eine Netflix-Produktion das älteste Filmfestival der Welt. Einen „Goldenen Löwen“ gab’s schon vor vier Jahren. Im Umgang mit den Streamern gibt sich Venedig entspannt. | Foto ©  Netflix

In Venedig läuft wieder das älteste Filmfestival der Welt. Und das hat auch mit 90 Jahren den anderen noch einiges voraus.

Das älteste Filmfestival der Welt wird 90. Am Mittwoch starteten die Internationalen Filmfestspiele in Venedig  [auf Englisch]. In der „Frankfurter Rundschau“ freute sich Daniel Kothenschulte: Venedig bringe Aufwendiges mit minimalistischen Independentfilmen unter einen Hut. „Die Spannbreite des Kinos, das hier gefeiert wird, könnte nicht größer sein: Mit Noah Baumbach das Glück des Filmemachers, der nach 30 Jahren im Geschäft erst im Schoß eines Weltkonzerns seine erste Großproduktion realisieren kann. Mit Frederic Wiseman die Freiheit des 92-jährigen Dokumentaristen, der an die Tür zum Spielfilm klopft. Und schließlich die Souveränität des Jafar Panahi, der noch kurz vor seiner Inhaftierung der Diktatur ein Schnippchen schlägt.“ 

Baumbachs erste Großproduktion eröffnete das Festival. „Weißes Rauschen“ ist die Adaption des gleichnamigen Roman von Don DeLillo aus dem Jahr 1985. Der Weltkonzern dahinter heißt Netflix, verrät Dominik Kamalzadeh im „Standard“: „Das erklärt zwar die eine oder andere Anbindung an den Streamingstil, doch insgesamt erweist sich der Film durchaus als wendig, er scheut auch vor großformatigen Wimmelbildern und abenteuerlichen Verfolgungsjagden durch Wälder und Flüsse nicht zurück. Als Zwitter zwischen Kino und Autorenfernsehfilm ist er vielleicht gerade deshalb der geeignete Opener für ein Festival, das all das abmessen will, was gegenwärtig alles als Film gilt: Nach Venedig wird er auch das New York Film Festival einleiten – die erste Arbeit, der jemals diese Ehre zuteilwird.“ 

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Nicht nur „Asterix“-Fans kennen die Zeilen zu diesem Bild. So ähnlich stellt sich zurzeit die deutsche Filmbranche dar, findet die Assistant Directors Union: „Drehen hat sich seit den 1950er-Jahren in Deutschland massiv verändert – lediglich das Drehsystem ist nicht mit der Zeit gegangen.“ | Illustration © Ehapa

Das AD-System ist keineswegs gescheitert, sagt die Assistant Directors Union (ADU). Sondern internationaler Standard. Und der funktioniere auch in Ländern, die beim Filmemachen kleiner denken müssen. Auf „Outtakes“ antwortet der Verband ausführlich auf „mehrere fragwürdige Aussagen“ der vergangenen Wochen.

Als Berufsverband für alle szenisch arbeitenden Regieassistent*innen, Assistant Directors (AD) und Production Assistants (PA) sind uns als ADU in der vergangenen Woche gleich mehrere fragwürdige Aussagen von unterschiedlichen Personen zum „internationalen Drehsystem“ aufgefallen, die wir nicht unkommentiert lassen wollen. Zum einen sind im BVR-Grußwort des Regisseurs Rainer Matsutani zur sogenannten „Showrunner“ Position erstaunliche Behauptungen gespickt mit Seitenhieben auf das internationale Drehsystem zu finden. Aber auch die Aussagen von Kirsten Frehse, Herstellungsleiterin bei der Degeto, zeichnen ein gefährlich falsches Bild, das uns um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Filmbranche bangen lässt.

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Hinter den Kulissen wird wieder gestritten. Gewerkschaft und Schauspielverband haben mit Netflix verhandelt – mehrere Berufsverbände sehen sich ausgegrenzt. | Foto © Adobe Stock

Gleich dreimal in zwei Wochen hat der Regieverband gegen die Abmachungen zwischen Netflix und Verdi protestiert: Die Berufsverbände würden ausgegrenzt, das Ergebnis sei „ziemlich mau“. Statt der Gewerkschaft antwortete jetzt der Schauspielverband. 

Der Zank um Netflix geht weiter. Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatten mit dem Streamer vor zwei Jahren Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) bei Netflix-Serien ausgehandelt. Vor zwei Wochen meldete Verdi: Netflix zahlt jetzt bei Serien nach Tarif. Und, ach ja, „außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“

Der Bundesverband Regie (BVR) protestierte. Und das gleich dreimal. Wobei die Vorwürfe gleich bleiben – sie werden aber zunehmend heftiger und ausführlicher vorgebracht.  Verdi repräsentiere nicht die Regie, und das Ergebnis sei „noch dazu ziemlich mau“, hieß es in einer ersten Reaktion (wir berichteten auf „Outtakes“). 

Sechs Tage später wurde der BVR heftiger: „Die Gewerkschaft verkauft die deutschen Regisseurinnen und Regisseure an Netflix“, schrieb der Verband über seine Stellungnahme. Und noch größer darüber: „Raus aus Verdi“. Der Berufsverband, dem rund 450 Fiction-Regisseur*innen angehören, hatte selbst zwei Jahre lang mit Netflix verhandelt. Die Verhandlungen waren vor wenigen Wochen gescheitert, die verpflichtende Schlichtung steht noch an. „Dass Verdi ohne Beteiligung des BVR nun Tarifgagen für die Regie festlege, sei „ein starkes Stück, das dieses Prozedere direkt angreift.“ Was die Regie betrifft, seien die bisherigen Verhandlungsergebnisse von Verdi in Deutschland die schlechtesten in ganz Europa, so der Regieverband. „Offenbar ist es Verdis Ziel, Deutschland als Billiglohnland gegen die europäischen Nachbarn zu positionieren.“ 

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Jella Haase in der neuen Netflix-Serie „Kleo“. Eigentlich eine gute Nachricht: Der Streamer produziert seine Serien jetzt nach Tarif. Drum fragen wir auch nicht, wie es wohl vorher war. | Foto © Netflix/Svenja Terjung

Der Streamingriese Netflix und die Gewerkschaft Verdi haben Mindestgagen für die Beteiligten von Serienproduktionen vereinbart. Man habe damit die „Sozialpartnerschaft für faire Produktionsbedingungen“ ausgebaut.

Netflix will Beteiligte an Serienproduktionen in Deutschland künftig besser bezahlen, meldet „Der Spiegel“ via DPA und mutmaßt sogleich: „Dazu dürfte wohl auch ein Fachkräftemangel beigetragen haben.“ 

Bereits Anfang Juni hatten sich Netflix und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) darauf geeinigt: Seit dem 1. Juli macht der Streamer den Tarif- und den Gagentarifvertrag zwischen Verdi und der Produzentenallianz zur formellen Grundlage bei seinen Serienproduktionen. Das teilte Verdi heute mit. 

Demnach will Netflix sogar noch weiter gehen: „Filmschaffende mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung über den bestehenden Gagentarifvertrag hinaus: Bei Folgenbudgets über 1,2 Millionen Euro werden die Mindestgagen um 5 Prozent angehoben und bei Folgenbudgets über 2,5 Millionen Euro um 7,5 Prozent. Außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“ Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) zu erfolgsbasierten Zusatzvergütungen hatten Netflix und Verdi bereits vor zwei Jahren beschlossen. Es sei „das erste Abkommen dieser Art mit einem Streamingdienst in Deutschland und daher ein Meilenstein für die Film- und Fernsehbranche“, meinte Verdi damals. 

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Die BKM stockt die Förderung für Serien auf – eine „Zweckentfremdung vom Kulturmillionen“ nennt das die AG Verleih. Und fragt, wozu das überhaupt gut sein soll? Szenenfoto aus „Berlin Station“, gefördert über den German Picture Motion Fund, kurz GMPF. | Foto © Studio Babelsberg

15 Millionen Euro will die BKM für die Produktion von Serien drauflegen. Für Kinos und Filmverleih fehlt derweil das Geld. 

Eigentlich ist sowas ja eine gute Nachricht: 15 Millionen Euro mehr will die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) für die Produktion von Serien ausgeben. Das kündigte Claudia Roth vorigen Freitag beim Deutschen Produzententag der Produzentenallianz in Berlin an. Stutzig macht allenfalls die Begründung in der Pressemitteilung der BKM: „Sie machte deutlich, dass es sich um eine letztmalige Erhöhung aufgrund einer besonders hohen Nachfrage in diesem Bereich handelt.“

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Der beste Film des Jahres ist ein Remake: „Coda“ ist ein anrührender Film, aber gewiss nicht die ganz große Filmkunst. Ohnehin waren die Filmkünste in diesem Jahr aus der Gala verbannt, weil sowas eh niemanden interessiere. | Foto © Apple

Zum ersten Mal gewann ein Streamer den „Oscar“ für den besten Film. Wichtiger als das Medium sind aber die Preisträgerinnen: Die Hauptpreise für Film und Regie gingen an Frauen. Die diesjährige „Oscar“-Gala war eine Feier der Diversität und ein Absage an Kino. 

Am Sonntag war „Oscar“-Nacht, und alle Gewinner und Nominierten sehen Sie hier [auf Englisch].

Am Freitag sah in der „Frankfurter Rundschau“ Daniel Kothenschulte „Hollywood am Scheideweg“, gar „das Ende einer Ära“: „Während die Academy of Motion Picture Arts and Sciences endlich über ein prächtiges Filmmuseum in Los Angeles verfügt, dürfte es seine begehrten ,Oscars‘ im großen Stil an die möglichen Totengräber des Kinos, die Streamingdienste, verteilen. Die Frage ist nur, ob Netflix oder Apple am Ende mit dem Hauptpreis nach Hause gehen.“

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Ein junges Paar erwartet sein erstes Kind. „Klondike“ könnte ein Familienfilm sein. Doch draußen vor der Tür tobt schon der Krieg: es ist 2014 im Osten der Ukraine. Maryna Er Gorbach inszenierte nach eigenem Drehbuch, in Sundance wurde sie im Januar für die beste Regie ausgezeichnet. | Foto © Kedr Film

Die 72. Berlinale war ein Jahr mit starken Dokumentarfilmen und einem Blick auf mehrere Brennpunkte. Der Blick führte bis in die Ukraine und bis nach Myanmar. Unter anderem.

Ein Film ist ein Erlebnis. Ein Film ist ein Erlebnis, das wenn man es teilt, mehr wird. Das gilt sicherlich auch für das Theater, für Konzerte und für Ausstellungen. Was man an diesem Teilen hat, das wird erst klar, wenn man ein Ereignis nicht mehr teilen kann. Filme werden fürs Kino gemacht. Kino ist per Definition schon ein gemeinschaftliches Erlebnis. Nicht nur, weil wir etwas gemeinsam erleben, sondern weil wir uns im Anschluss über den Film austauschen können. Oft gerät man in hitzige Debatten (wir berichteten). Man schleift an den eigenen Eindrücken und arbeitet sie dabei noch deutlicher heraus. In der Reaktion der anderen erkennt und versteht man seine eigene besser. Genau das konnte die 71. Berlinale nicht liefern.

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Boulevard mit Maske: Die Schauspielerinnen Charlotte Gainsbourg und Emmanuelle Béart geben fleißig Autogramme. Die Berlinale ist nun mal ein Publikumsfest und will das Kino feiern. | Foto © Berlinale

Die Berlinale läuft – ganz in echt und unter Pandemiebedingungen.

In Berlin laufen die 72. Filmfestspiele. Über Filme wird zunächst kaum diskutiert – umso mehr über Sinn und Unsinn eines Festivals in der Pandemie, schreibt Tim Caspar Boehme in der „Taz“. „Der Ton ist mittlerweile ähnlich schrill, wie man ihn längst andernorts in Teilen der sozialen Medien beklagt. […] Darüber geraten zwei normative Appelle auf Kolli­sionskurs: Die Frage nach der Verantwortung für die Gesundheit anderer steht plötzlich gegen die Rettung des Kinos. Zweierlei Dinge mithin, die man besser separat betrachten sollte. […] Durch eine Onlinelösung wie im vergangenen Jahr hätte die Berlinale womöglich riskiert, mit einem weit weniger namhaften Programm dazustehen. Das sind für ein Filmfestival ernsthafte Schwierigkeiten, erst recht für eines der drei wichtigsten, zu denen die Berlinale mit Cannes und Venedig zählt. In übergeordneter Perspektive geht es zudem um die Zukunft des Kinos, für die die Berlinale ein Zeichen setzen soll. Eine Absage des Festivals oder eine Streaminglösung, so die Befürchtung, könnten sich verheerend auf die Bereitschaft auswirken, grundsätzlich wieder und öfter ins Kino zu gehen.“ 

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Einige der Figuren hat es wirklich gegeben, die Handlung ist erfunden: Mit Texttafeln weist die Serie „Eldorado KaDeWe“ drauf hin, dass die Kunst hier Fiktion und Fakten vermischt. Doch die Hertie-Stiftung stört sich an einer Tatsachenbehauptung: Ihr Stifter habe sich unter den Nazis bereichert. | Foto © ARD Degeto/Dávid Lukács

Ist die Serie „Eldorado KaDeWe“ rufschädigend? Das fand zumindest John-Philip Hammersen, Geschäftsführer der Hertie-Stiftung, und bescherte sich bei der ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Anlass für eine Podiumsdiskussion zur Aufarbeitung der Geschichte.

An Weihnachten hatte sich die ARD etwas getraut. Die Miniserie „Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit“ erzählt eine lesbische Liebesgeschichte in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Die Charaktere sind teils erfunden, teils echt – das berühmte Kaufhaus gibt die Kulisse, hinter der immer wieder auch Stadtansichten von heute auftauchen. 

Ärger gab’s aber nicht wegen der künstlerischen Freiheit, mit der Julia von Heinz hier inszenierte. Das Gegenteil ist der Fall, schildert der Historiker Moritz Hoffmann bei „Übermedien“: Eine der vier Hauptfiguren ist der Kaufhausmanager Georg Karg, und den gab es wirklich. „Karg war der materielle Gewinner der ganzen Geschichte: Als die jüdischen Eigentümer der auch das KaDeWe umfassenden Kaufhausgruppe in den 1930er Jahren aus der eigenen Firma gedrängt wurden, übernahm Karg nach und nach die Anteile an dieser Hertie GmbH und wurde so zum Kaufhausmagnaten der Bonner Republik. Dass Karg aus dem Nationalsozialismus persönlichen und bis in die Bundesrepublik fortwährenden wirtschaftlichen Vorteil gezogen hat, wird aus der Serienhandlung nicht eindeutig klar, kann aber auch nicht einfach ignoriert werden. Vermutlich deshalb ließ Regisseurin Julia von Heinz ganz am Ende der Serie, vor dem Abspann, mehrere Texttafeln einblenden, die das weitere Leben der vier Hauptpersonen skizzieren. Zwei davon sind insgesamt 16 Sekunden lang zu sehen: ,Georg Karg übernimmt das ganze Tietz-Imperium und entschädigt die Familie nach 1945 mit einer geringen Summe.‘ – ,Sein Vermögen fließt in die Hertie-Stiftung. Diese behinderte lange die Offenlegung ihrer Profite aus der Enteignung und Arisierung. Eine weitere Studie zur Aufarbeitung wurde 2020 in Auftrag gegeben.‘“

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