FFG 2024: Acht Punkte für die Förderung

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Kulturstaatsministerin Claudia Roth (links) und MFG-Geschäftsführer Carl Bergengruen beim „Deutschen Produzententag 2023“. | Foto © Filmstiftung NRW/Severin Wohlleben

Die BKM hat eine filmpolitische Grundsatzrede gehalten. Das war Zeit, denn Claudia Roth ist seit mehr als einem Jahr im Amt, und das neue Filmförderungsgesetz wird dringlich erwartet. Die große Reform soll es werden, die dem Deutschen Film zu neuem Schwung verhilft.

Auf dem „Deutschen Produzententag“ stellte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien am Donnerstag voriger Woche acht Eckpunkte für eine Reform der Filmförderung vor. Als Beispiel, was möglich sein sollte, nahm Claudia Roth den aktuellen deutschen Vorzeigeerfolg: Der  nämlich „konfrontiert uns mit der Frage, warum unser gut ausgestattetes deutsches Fördersystem selten vergleichbare Erfolge erzielt. Denn, wie wir alle wissen: ,Im Westen nichts Neues’ ist eine Netflix-Produktion“, sagte Roth auf dem „Deutschen Produzententag“. Ihr Fazit: „Ziel einer Reform der Filmförderung kann deshalb nur sein, sie effizienter, sie schneller und ganzheitlicher zu machen.“   

„Ganzheitlich“ ist ein großes Wort. Erst recht, wenn dabei ein Teil der Filmlandschaft ignoriert wird, der schon seit Jahren rapide wächst: Festivals sind längst zu einer eigenen wichtigen Auswertungs- und Werbeschiene geworden und haben offenbar auch keine Probleme, ihr Publikum zu finden. In den Eckpunkten der BKM werden sie nicht mal erwähnt – was allerdings auch keine Neuigkeit ist. Obwohl es doch, sechstens, darum gehe, „auch die Sichtbarkeit deutscher Filme zu erhöhen.“ Und wo doch die BKM ihre Ankündigung selbst nicht ohne Grund vor der Kulisse ihrer Berlinale machte. 

Und so drehen sich die Pläne für den Neuordnung wieder mal vornehmlich nur um die alten Strukturen, um Fristen, Geld und Verteilung. Die Filmkünste sind zwar mitgemeint, doch um die Filmkunst selbst geht es kaum. „Eine eigene passgenaue Förderung“ für „Dokumentar-, Kurz-, Nachwuchs- und künstlerische Filme“, eine „modernisierte“ Entwicklungsförderung und mehr Diversität, Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit vor und hinter der Kamera allein dürften wohl nicht ausreichen, wenn’s um Ganzheitliches oder Grundsätzliches oder gar die Zukunft gehen soll.  

„Die deutsche Filmbranche“ (damit meinen sich die schätzungsweise 1.300 Produzent*innen in der Allianz Deutscher Produzenten, der AG Dok, im Produzentenverband und der Deutschen Filmakademie) jedenfalls begrüßte „die wegweisenden Impulse der Bundesregierung für ein neues Filmfördersystem in Deutschland“. In einer gemeinsamen Pressemitteilung lobten die vier Organisationen noch am selben Tag „die lange erwarteten und erhofften Vorschläge“: „Ihre Eckpunkte legen den Grundstein für die Zukunftsfähigkeit und Stabilität der Filmförderung als Basis für attraktive deutsche Filme und Stoffe.“ Auch die Kinos fühlen sich von der Ganzheitlichkeit angesprochen. Deren Verband HDF Kino meldete sich mit einer eigenen Pressemitteilung: „Wichtig sind  nun, neben der Förderung von Inhalten, auch dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur.“  

Die Begeisterung scheint einhellig – und knüpft die Hoffnungen vor allem ans Geld. Als „Paukenschlag“ bezeichnet Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz, die Eckpunkte. Benjamin Herrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Filmakademie, vermutet gar, „es könnte der große Wurf werden. Claudia Roths Vision, Kinofilme zukünftig besser auszustatten und effizienter zu finanzieren, bietet die Chance auf kraftvollere und überzeugendere Filme.“ 

Mehr Förderung für weniger Filme, das fordert die Produzentenallianz schon länger, die Frage beschäftigte auch das Panel beim „Deutschen Produzententag“. Im Kulturstaatsministerium vermutet man die Zukunft der Branche ebenfalls in „High-End-Serien“ und hochbudgetierten Filmen: In den letzten beiden Jahren unter Monika Grütters war der German Motion Picture Fund von 15 auf 50 Millionen Euro gewachsen, ihre Nachfolgerin Claudia Roth legte fürs vorige Jahr einmalig noch 25 Millionen drauf – „aufgrund einer besonders hohen Nachfrage in diesem Bereich“.

Lediglich die unabhängigen Produzent*innen äußern sich in der Erklärung etwas verhaltener. Erwin M. Schmidt, Geschäftsführer des Produzentenverbands, lässt anklingen, dass es womöglich doch nicht allein ums Geld gehen könnte bei einer Reform: „Die regulatorische Innovation, die Claudia Roth heute angekündigt hat, verspricht einen zukunftsfähigen Booster für die Finanzierung von Kino-, Streaming und TV-Produktionen und ist eine adäquate Antwort auf den tiefgreifenden Wandel der Branche. Uns eint die Vision einer breiten Palette an starken Filmen und Serien für ein großes Publikum vor Leinwänden und Bildschirmen aller Größen.“  

Wenn es darum ging, „Zuversicht in Zeiten wirtschaftlicher Sorgen in den Saal zu holen, dann hatten sie sich genau die richtigen Gastredner ins Berliner Kino ,International’ geladen. Medien-Staatsministerin Claudia Roth versprach eine umfassende Neuordnung des Filmfördersystems, ZDF-Intendant Norbert Himmler eine Erhöhung der allgemeinen Handlungskosten für Produzenten und NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski mehr Chancengleichheit im Hinblick auf einen Rechterückbehalt. Alles in allem vermittelte der Deutsche Produzententag, den die Produzentenallianz erstmals nach der Pandemie wieder in klassischer Form am Eröffnungstag der Berlinale durchführte, ein deutliches Bild: Politik und wesentliche Auftraggeber haben verstanden, wo der Schuh drückt“, schreibt Torsten Zarges bei „DWDL“. „Wie sehr Roths Ankündigungen als Balsam auf geschundene Produzentenseelen wirkten, zeigte sich am wiederholten Zwischenapplaus, lautem Jubel und Standing Ovations. Auch wenn Produzentin Alice Brauner als Moderatorin der Veranstaltung zurecht darauf hinwies, dass die politischen Absichtserklärungen erst noch in die Tat umgesetzt werden müssten. Überhaupt: Die konkreten Vorstellungen, die Politik und Produzenten von bestimmten Instrumenten haben, klaffen zumindest in den Feinheiten auseinander.“  

Skeptisch bleibt darum auch Andreas Busche im „Tagesspiegel“: „Ihre acht Reformansätze, darunter die Gründung einer Filmagentur, die die Fördermaßnahmen des Bundes bündelt, neue steuerliche Anreizmodelle, die Inpflichtnahme der globalen Streamingdienste, in die hiesige Infrastruktur zu re-investieren, der zweifelhafte Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender sowie der Regionalfürsten mit ihren zerklüfteten Länderförderungen dürften sich schnell wieder zerschlagen, wenn es um konkrete Lösungsvorschläge geht. Ein Grund dafür ist das absurde Szenario, dass es dem deutschen Kino an Geld (und Publikum) mangelt, viele andere Parteien aber gut an ihm verdienen.“

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