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„Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“: In seinem Spätwerk arbeitet sich Edgar Reitz nochmal an der Frage nach der Wahrheit ab. Die ist nicht absolut, findet er mit 92. „Es gibt eine Wahrheit, die gibt es nur in der Wissenschaft, und dann gibt es eine andere, nämlich eine künstlerische Wahrheit.“ | Foto © Weltkino/Ella Knorz

Leibniz ist der richtige Philosoph für unsere Zeit, findet Edgar Reitz. Zehn Jahre lang hat er an seinem Alterswerk gearbeitet: „Ich wollte nicht über Leibniz erzählen, sondern aus ihm heraus“.

Filme macht man für seinen Anteil an der Welt, meint Edgar Reitz. „Ich träume nachts von meinen Figuren, ich wache mit Bildern auf. Die Frage, ob mein Film sich am Markt bewährt, ist mir in solchen Momenten völlig egal. Ich will Filme machen, die berühren, die herausfordern.“  

Zum Beispiel mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Der Vordenker der Aufklärung ist für ihn der richtige Philosoph für unsere Zeit. „Ich habe über zehn Jahre an dem Thema gearbeitet. Anfangs wollte ich ein großes Biopic machen, ein Zeitbild einer nach 30 Jahren Krieg verwüsteten Welt. Aber ich merkte, dass ich damit in Hollywood-Dimensionen komme“. erzählt Reitz im Interview mit Chris Schinke in der „Taz“. 

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„Deutschland ist dank des neuen Produktionsanreizes zurück im internationalen Wettbewerb“, freut sich Jörg Bachmaier. Ein „automatisiertes, steuerbasiertes Modell“ wäre aber auch ihm lieber gewesen. | Foto © Studio Babelsberg

In Studio Babelsberg hat sich der allgemeine Produktionsrückgang besonders deutlich bemerkbar gemacht. CEO Jörg Bachmaier ist trotzdem zuversichtlich. Auf der MediaTech Hub Conference spricht er nächste Woche über die Technik für die Zukunft.

Herr Bachmaier, der Branche geht es bereits im dritten Jahr nicht gut. Wo sehen Sie zurzeit die größten Herausforderungen –  beziehungsweise entscheidenden Stellschrauben?
Zwei große Krisen in der Filmbranche der letzten Jahre – die Covid-Pandemie und der Doppelstreik der Gewerkschaften WGA und SAG-AFTRA in den USA – hatten weltweit Auswirkungen. Die Folgen spüren wir noch heute: Zahlreiche internationale Produktionen wurden verschoben, verkleinert oder ganz gestrichen. Parallel dazu erleben wir eine Marktkonsolidierung, das heißt weniger Projekte, weniger Aufträge, weniger Anbieter durch Zusammenschlüsse von Studios und Produktionsfirmen – und dazu immer engere Budgets. Das verschärft den internationalen Wettbewerb enorm.
Speziell in Deutschland hat die Regierungskrise Ende 2024 die Umsetzung der geplanten Filmförderreform verzögert und Produzenten verunsichert. Gerade für internationale Produktionen ist diese Unsicherheit ein erheblicher Standortnachteil, denn Verlässlichkeit und Planbarkeit sind für unsere Kunden entscheidend. Daher haben wir begrüßt, dass die Bundesregierung im Sommer die Verdoppelung der Fördermittel für Filme und Serien verkündet hat. Auch wenn wir uns ein automatisiertes, steuerbasiertes Modell gewünscht hätten, bietet die nun geplante Lösung die Chance auf eine schnelle und wirksame Entlastung der Branche. 

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Man könne nicht nur vom Widerstand erzählen – die meisten haben doch mitgemacht beim Faschismus, sagt Dennis Gansel. In seinen Filmen sucht er nach den Gründen. Diesmal in einem Panzer an der Ostfront. | Foto © Amazon MGM Studios

Fünf Mann, ein Panzer und ein Befehl: In „Der Tiger“ schickt Dennis Gansel deutsche Soldaten auf eine falsche Heldenreise.

Dennis Gansel hat einen Antikriegsfilm über Wehrmachtsoldaten und ihren Panzer an der Ostfront gedreht. Für den Kinofilm tat er sich mit Amazon zusammen. „Der Tiger“ sei „gewissermaßen die Antwort auf den Netflix-Erfolg ,Im Westen nichts Neues’“, schreibt Andreas Busche im „Tagesspiegel“ [Bezahlschranke]. Doch ihm behagt schon die ganze Idee nicht: „Der Bezug zu Francis Ford Coppolas ,Apocalypse Now’ ist ebenso offensichtlich wie die ideologische Nähe zur Verfilmung des Romans ,Das Boot’ […], mit dem das deutsche Kino Anfang der achtziger Jahre die restaurative Kohl-Ära begleitete.“ 

Diese Sorgen hat Lennart Sämann in der „Taz“ nicht. Er fragt sich aber, ob es wirklich nochmal zwei Stunden Film brauche, „die illustrieren, wie sich Befehlsträger der Wehrmacht eine Opfer-Haltung schaffen?“ 

Aber ja doch, findet Hanns-Georg Rodek in der „Welt“. Schließlich habe Gansel „eine inoffizielle Faschismus-Trilogie gedreht: ,Napola‘ über die NS-Eliteschule, ,Die Welle’ über ein Sozialexperiment, das zeigt, wie in einer Gesellschaft faschistoide Strukturen entstehen – und nun ist er im Herzen der Finsternis angekommen, dem deutschen Vernichtungsfeldzug im Osten. Gemessen an dessen zentraler Bedeutung für unsere Historie gibt es nicht viele deutsche Filme darüber […]. Soldaten wie sie werden später auf Befehlsnotstand plädieren“. 

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Am Set von „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2012). | Foto © Stadion Babelsberg

Die Branche hat Krise genug, aber dahinter wächst ein noch größeres Problem: Stell dir vor, du produzierst wieder Filme, und es ist keiner mehr da!

Die deutsche Filmbranche steht unter Druck – um es möglichst neutral auszudrücken. Gefühlt alle zwei Monate erscheinen Offene Briefe, in denen die Lage dramatischer geschildert wird. Von „Abgrund“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Mitunter gibt es auch Zahlen dazu, vereinzelte Umfragen bestätigten bislang den Abwärtstrend.

Einen aktuellen Überblick gibt die „Übersicht der Produktionen 2015 bis heute“ bei Crew United. Auch hier keine gute Nachricht: Es geht weiter nach unten, und das immer schneller. Der Ausblick aufs laufende Jahr spiegelt eine strukturelle Entwicklung wider, die Sorgen macht: Bislang liegt die Zahl an Spielfilmen (Kino und TV) und Serien um ein Viertel unter dem Vorjahr; bei den Dokumentarfilme ist ein Rückgang auf ein Drittel, bei Kinodokus gar ein Zehntel des Vorjahrs (gezählt wurden nur Produktionen mit einem Drehstart in 2025, die im Dreh oder abgedreht sind und einen deutschen Produzenten oder Koproduzenten haben – also auch alle Projekte, die teils oder komplett im Ausland gedreht werden; Dokuformate erscheinen zum Teil verzögert in der Datenbank).

Zwei zentrale Ursachen prägen die aktuelle Lage. Zum einen wirtschaftliche Faktoren: Überall werden Haushalte gekürzt; die Inflation geht weiter; Produktionskosten steigen; Erlöse bei der Verwertung sinken; es herrscht Zurückhaltung bei Investitionen in Inhalte; weniger internationale Produktionen produzieren in Deutschland.

Zum anderen strukturelle Probleme: Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird weiter gespart; Privatsender investieren deutlich weniger in Fiktion; Streamer reduzieren ihre Ausgaben für deutschen „Content“ – zu viel davon findet nur begrenzte Aufmerksamkeit. Derweil drehen deutsche Produktionen zunehmend im Ausland. Oft aus finanziellen Gründen, denn zwei zentrale Förderinstrumente sind immer noch in Arbeit: Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell (inzwischen ohne Steuern).

Zugegeben, die Listen sind lang. Was dabei aber leicht vergessen geht: Es gibt noch zwei Kernprobleme mit Wechselwirkung. Die Auftragsflaute bekommen natürlich auch die Filmschaffenden zu spüren: Mehr als 60 Prozent der aktiven Crew-United-Member mit Berufen hinter der Kamera haben in diesem Jahr noch kein einziges Projekt in ihrer Filmografie eingetragen. Bei den Schauspieler*innen sind es fast 80 Prozent.

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Gewerkschaftskundgebung während der Tarifverhandlungen im vorigen Jahr. Die Gagentabelle geht von einer 50-Stunden-Woche aus, doch oft wird noch länger gearbeitet. Sonst könne man in Deutschland keine Filme drehen, lautet die übliche Begründung. | Foto © Christian von Polentz/Verdi

Alle müssen sparen, die Förderreform ist immer noch eine Baustelle. Es soll aber noch einen Grund geben, warum Produktionen im Ausland drehen. 

Dass sich die „Produktionsflucht“ aus Deutschland gerade beschleunigt, sei wohl auch ein bisschen die Schuld der Filmschaffenden, hat Lisa Priller-Gebhardt für die „Süddeutsche Zeitung“ [Bezahlschranke] beim „Bayerischen Filmgipfel“ herausgefunden: „Fragt man unter Produzenten nach weiteren Gründen dafür, dass sie inzwischen um Deutschland einen Bogen machen, dann ist schnell auch vom neuen Tarifvertrag die Rede, der Anfang Mai in Kraft getreten ist. Er umfasst unter anderem eine Begrenzung der Tageshöchstarbeitszeit, Zuschläge für lange Drehtage sowie einen zusätzlichen bezahlten freien Tag je 20 Drehtage, zweimalige Gagenerhöhungen um 2,5 Prozent sowie eine branchenweite betriebliche Altersvorsorge mit vier Prozent Arbeitgeberzuschuss von nächstem Jahr an.“ 

Die größte Interessenvertretung der Produzent*innen kennt die Realitäten besser: „Unsere Branche muss für Fachkräfte und Nachwuchs attraktiv sein, nur so bleibt sie zukunftsfähig“, meldete die Produktionsallianz zum Start des Tarifvertrags. Denn nicht nur wegen der Produktionsflaute hat die Branche Probleme, Nachwuchs zu finden und Fachkräfte zu halten, hatte zum Beispiel vor zwei Jahren Dominique Ott-Despoix im „Fluter“ geschildert. 

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Was plant der neue BKM? Irgendwas mit Film halt. Wolfram Weimer (links, mit Ministerpräsident Markus Söder) gab beim „2. Bayerischen Filmgipfel“ erste Auskunft über den Fortgang der Förderreform. Auch dieses Jahr wird sie wohl wieder nicht fertig. | Foto © Joerg Koch/Bayerische Staatskanzlei

So geht deutsche Filmpolitik: Bayerns Ministerpräsident träumt von Hollywood, der Kulturstaatsminister von der Marktwirtschaft, und die Branche wartet weiter auf die Förderreform.

Bislang hat der neue Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nur allgemeine Grundsatzdiskussionen zur Kulturpolitik angeregt. Vorige Woche wurde Wolfram Weimer beinahe konkret. Bayerns Ministerpräsident Markus hatte vor dem Münchner Filmfest am Freitag zum zweiten „Bayerischen Filmgipfel“ mit Produzent*innen, Sendern und Streamern eingeladen, mit dem BKM als prominentestem Gast. Söders Sorge gilt der „schwächelnden deutschen Filmbranche“, berichtet David Steinitz in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Sie drehe immer weniger daheim und immer mehr im Ausland, weil es dort bessere Konditionen und Steuersparmodelle gebe. Ganz zu schweigen von internationalen Produktionen, besonders aus Hollywood, die auch schon mal zahlreicher nach Deutschland gekommen seien.“  

Bei Söders Plänen bleibt Steinitz skeptisch. Denn der habe „auch in Sachen Filmpolitik schon seit Jahren viel versprochen und wenig geliefert.“ Spannender ist da, was der BKM beim Filmgipfel zu sagen hatte. Schließlich warten so ziemlich alle darauf, dass die Reform der Bundesfilmförderung endlich vollendet wird. Drei Jahre nach der Ankündigung sind Investitionsverpflichtung und Steueranreizsystem immer noch nicht geregelt, obwohl sich die Regierungsparteien doch weitgehend einig schienen. 

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„Vermiglio“ war der beste italienische Film des vergangenen Jahres und „Oscar“-Kandidat. Die Regierung hätte trotzdem lieber Filme, die schönere Geschichten über Italien erzählen. | Foto © Cinedora

Auch in Italien liegt die Filmbranche am Boden. Die Regierung in Rom hat vor einem Jahr die Förderung eingestellt und die überfällige Reform seither verschleppt.

Das italienische Kino steckt tief in der Krise, warnt Ulrike Sauer in der „Neuen Zürcher Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Dabei war Rom früher als ,Hollywood am Tiber‘ bekannt. Es war nicht nur die Stadt mit den meisten Kinos im Land – mehr als 200. In den Filmstudios Cinecittà im Süden Roms entstanden Tausende Filme.“ Doch in der Stadt verschwinden die Kinos, die Produktion liegt am Boden. Im „Étoile“, einst „das wichtigste Kino Roms“, werden heute Handtaschen verkauft:

„In der Tat hat sich Rom von einem kulturellen Zentrum in ein gigantisches Fast Food verwandelt. Der unkontrollierte Massentourismus frisst die Stadt buchstäblich auf. […] In den vergangenen 15 Jahren haben in Italiens Filmstadt 103 Kinos geschlossen. Das Sterben vollzog sich meist lautlos. 46 Lichtspielhäuser stehen heute noch leer. Die anderen wurden bereits in Spielhöllen oder Diskotheken, in Supermärkte, Fitnessstudios oder Foodhallen verwandelt. […] Das Kinosterben ist aber nur ein Aspekt der profunden Krise des italienischen Films. Die Produktion kam Anfang 2024 nahezu zum Erliegen. 70 Prozent der Filmschaffenden in Italien sind seit mehr als einem Jahr ohne Arbeit. […] Schuld an ihrer Notlage gibt die moribunde Branche der Regierung. Sie habe den Kinoproduzenten vor einem Jahr den Geldhahn vollends abgedreht und die überfällige Reform der staatlichen Filmförderung seither verschleppt. Es geht um Steuervergünstigungen, die seit 2016 das Wachstum der italienischen Filmwirtschaft beflügelt und viele ausländische Produktionen angezogen haben. Die Neugestaltung des Gesetzes blieb das Kulturministerium schuldig. […] Giorgia Meloni trat vor knapp drei Jahren nach eigenem Bekunden an, in Italien die kulturelle Hegemonie der Linken zu beenden. Dass es im Land keine Schauspieler gebe, die sich öffentlich zu ihrer rechten Gesinnung bekennten, erklärte Meloni kürzlich in einem Videointerview mit der Zeitung ,La Verità‘ so: ,Dahinter steckt das Clan-Verhalten der Linken.’ […] Die Regierung möchte die Subventionen künftig von den kommerziellen Erfolgsaussichten eines Filmprojekts abhängig machen. Auch wünscht sie sich Filme, die Italien feiern und Italiener positiv darstellen.“ 

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Hauptsache billig. Drehstart zur dritten Staffel von „Charité? in Tschechien 2019. | Foto © MDR/Ufa Fiction/Stanislav Honzík

Die Förderreform lässt weiter auf sich warten. Unterdessen zieht es Produktionen lieber in billigere Nachbarländern. Sogar die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen dabei mit.

Während die Feuilletons mit dem neuen Kulturstaatsminister noch die Kultur erörten, drängt die Branche zum Handeln. 22 Berufsverbände und Vereinigungen haben einen Offenen Brief an BKM Wolfram Weimer geschrieben – mit der „dringenden Erwartung, dass Sie zwei zentrale Förderinstrumente aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen: ,eine gesetzliche Investitionsverpflichtung sowie ein steuerbasiertes Anreizmodell, um die Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland durch eine zeitnahe Reform der Filmförderung zu verbessern.’“  

Im ganzen Wortlaut ist der Offene Brief zurzeit nur auf „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] zu lesen. Darin schließen sich die Unterzeichnenden ausdrücklich einem ähnlichen Appell an. Schon im März, kurz nach der Wahl, hatten mehrere Verbände mit Sitz im FFA-Verwaltungsrat gemahnt [hier bei „Blickpunkt Film“]: „Deutschlands Filmtalente sind auf Weltniveau, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind es derzeit nicht. Deswegen befindet sich die deutsche Filmproduktionslandschaft in einer strukturellen Krise.“ Gemeint ist: Der großen Reform fehlen noch Steueranreize und Investitionsverpflichtung.  

Denn ohne die „rauscht die Produktion von TV-Serien und Kinofilmen am heimischen Markt vorbei in Länder wie Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Tschechien oder eben Österreich“, schreibt Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF), in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Da sieht er auch die Öffentlich-Rechtlichen in der Verantwortung: 

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Eigentlich hätte eine obligatorische betriebliche Altersvorsorge für Filmschaffende sogar im neuen Filmfördergesetz stehen sollen. Der Kulturausschuss des Bundestags hat sie wieder gestrichen. Jetzt kommt sie wenigstens als Tarifvertrag. Szenenfoto aus „Jetzt oder nie“ (2000). | Foto © Wild Bunch

Ab Juli haben Filmschaffende Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge – „bei allen Dreharbeiten obligatorisch, verbindlich“. Das ist gewaltiger Fortschritt bei der sozialen Absicherung. Ausnahmen gibt es freilich weiterhin. 

Mit den Beschäftigungsverhältnissen der Branche tut sich das deutsche Sozialsystem bekanntlich schwer. Besonders die Rente macht vielen Filmschaffenden Sorgen. Ab 1. Juli wird’s besser! Dann tritt der neue Tarifvertrag über eine betriebliche Altersvorsorge in Kraft, auf den sich Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Schauspielverband (BFFS) mit der Produktionsallianz geeinigt hatten. Damit werde die „betriebliche Vorsorge bei allen Dreharbeiten obligatorisch, verbindlich“, erklärt Heinrich Schafmeister vom BFFS 

Dafür setzt man auf ein bewährtes System: die Pensionskasse Rundfunk (PKR). Allen Filmschaffenden, die in einer Filmproduktion mitwirken, steht für diese Zeit eine Zahlung in die betriebliche Altersvorsorge bei der PKR zu. Das heißt: die Produktionsfirmen zahlen einen Betrag in Höhe von 4 Prozent der vereinbarten Gage (zusätzlich zur Gage!) bei der PKR ein, die Filmschaffenden zahlen den gleichen Betrag als Eigenanteil. Eine entsprechende Regelung muss aber in den Arbeitsvertrag eingefügt werden.  

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Die Erwartung an Vertrauenspersonen sind hoch. Sie sollen die Abläufe in der Filmproduktion kennen, beratungssicher sein und vor allem unabhängig. „Das ist nicht einfach“, sagt Thomas Biniasz. | Foto © Pexels

Im September startet die erste Weiterbildung zur Vertrauensperson – sogar mit Zertifikat. Thomas Biniasz und Christine von Fragstein von Fair Play Film + Kultur haben die  Weiterbildung entwickelt, die Produktionsallianz ist Co-Veranstalterin.

Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Thomas Biniasz:
In Kooperation mit der Produktionsallianz veranstalten wir ja bereits Workshops zum Thema Leadership. Nun gibt es seit vorigem Herbst den Respect Code Film, den die Produktionsallianz mit Verdi, dem BFFS und vielen weiteren Sendern und Verbänden initiiert hat …

… und der unter anderem und vor allem Vertrauenspersonen am Set vorsieht.
Thomas Biniasz:
Und weil es bislang keine zertifizierte Weiterbildung zur Vertrauensperson gibt, gingen wir auf die Produktionsallianz zu und wir entschieden, das gemeinsam in die Welt bringen. Die inhaltliche Arbeit kommt vor allem von Christine und mir. Wobei wir viele Gespräche mit Produktionen und Geschäftsführenden führten und schauten, ob das auch für sie passt.

Den RCF haben Sender, Streamer und Verbände unterschrieben. Darin ist zwar viel geregelt, aber doch mit sehr viel „kann“ und „sollte“. Wie verbindlich ist denn da eine Weiterbildung für Vertrauenspersonen? Oder ein Zertifikat?
Christine von Fragstein:
Der RCF ist ja zuerst mal eine Selbstverpflichtung und eine Handlungsabsicht. Und jetzt kommen im Zuge der ganzen Diskussion aus der Branche schon viele Wünsche. Die Produktionsallianz entwickelt zurzeit eine Handlungsempfehlung für Filmproduktionen aus dem Respect Code Film. Und darin ist der Einsatz von externen Vertrauenspersonen ein ganz wichtiger Baustein. Der Gedanke: Damit schaffen wir einen „Safe Space“ und können auch ein Stück weit dieses Schweigen und diese Angst, die oft herrscht, durchbrechen. Die Weiterbildung ist also ziemlich maßgeblich zur Erfüllung des RCF.

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Um GVR auszuhandeln, braucht es Repräsentativität, entschied das Gericht. Für die Berufsverbände ist das eine „gerichtliche Klarstellung von weitreichender Bedeutung“. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig (Szenenfoto aus „Hokuspokus oder: Wie lasse ich meinen Mann verschwinden …?“, 1966).  | Foto © Kinowelt

Mit Sendern und Streamern handelt Verdi Gemeinsame Vergütungsregeln aus. Das steht der Gewerkschaft nicht zu, protestieren mehrere Berufsverbände. Der Bundesverband Synchronregie und Dialogbuch zog sogar vor Gericht. Und bekam recht. 

Für Film und Fernsehen handelt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) nicht nur regelmäßig den Tarifvertrag aus, sondern schließt auch Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) mit Sendern und Streamern. Wiederholt hat sie damit den Unmut der Berufsverbände auf sich gezogen. Vor allem der Regieverband (BVR) hatte das „unkollegiale Verhalten“ kritisiert. 

Der Bundesverband Synchronregie und Dialogbuch (BSD) zog sogar vor Gericht. Denn Verdi hatte gemeinsam mit dem BFFS (Schauspiel) und dem BVFT (Ton) eine „Netflix-GVR-Synchron“ abgeschlossen, die auch die Gewerke Synchronbuch und Synchronregie betrifft. Dazu sei Verdi nicht berechtigt. meinte der BSD. Das Landgericht Berlin II gab ihm vorige Woche Recht: Verdi fehle es an der erforderlichen Repräsentativität. Die Gewerkschaft müsse es „unterlassen, GVR […] für Synchronbuchautor*innen und Synchronregisseur*innen aufzustellen und/oder an deren Aufstellung mitzuwirken.“ 

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In den 1960ern hatte das Fernsehen noch keinen „Tatort“, umso stärker lockte das Verbrechen ins Kino. Die Edgar-Wallace-Verfilmungen zeigten zwar ein biederes Weltbild, doch die Bildsprache erinnert an größere Zeiten, und die Musik ging neue Wege. Szene aus „Der Frosch mit der Maske“ (1959). | Foto © Rialto

1959 war’s vorbei mit Heimatfilmen und leichten Komödien im Wirtschaftswunder-Deutschland. Das Kino hatte den Krimi wiederentdeckt. Fast 40 Filme wurden nach den Romanen von Edgar Wallace gedreht und zogen mehr als 100 Millionen Menschen in die Lichtspielhäuser. Noch heute gehören sie zur Popkultur.

Vor 150 Jahren wurde Edgar Wallace geboren. Der hat den modernen Thriller erfunden, schrieb unter anderem mehr als 175 Bücher und war zu seinen Lebzeiten einer der erfolgreichsten Autoren Großbritanniens. Doch in seiner Heimat ist er nahezu vergessen, schreibt die Deutsche Presse-Agentur. Ganz anders in der deutschen Bundesrepublik: „Ein wahrer Boom setzt in den späten 50er Jahren ein, der über ein Jahrzehnt andauert. Beinahe 40 Filme mit Starbesetzung entstehen in der Bundesrepublik, die ein Millionenpublikum in die Kinos locken. […] Es sei unbestritten, dass Edgar Wallace’ Geschichten zur deutschen Kultur gehörten, heißt es vom Anaconda Verlag. In der Komödie ,Der Wixxer‘ aus dem Jahr 2004 werden die Wallace-Filme auf die Schippe genommen.“  

Was fehlt: Filmadaptionen der Krimis hatte es seit den 1920er-Jahren gegeben, das Fernsehen hatte Edgar Wallace schon in den 1950ern wiederentdeckt – in beiden deutschen Staaten. Doch erst im Kino wird er zur Sensation. 1959 kommt „Der Frosch mit der Maske“ in die Kinos – und wird zum Überraschungserfolg mit langer Wirkung.

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Na also – geht doch! Fürs ZDF erzählt Rainer Matsutani die alte Sage vom Rattenfänger modern. „Es gibt keine existentiellere Form des Filmemachens als den Horrorfilm“, findet der Filmemacher. Mit der Quote von „Hameln“ ist er mehr als zufrieden: „Mit über 2 Millionen Klicks innerhalb von 30 Tagen und einer rekordverdächtigen Completion Rate von 70 Prozent hat sie sich zu einer Binge-Sensation entwickelt.“ | Foto © Roland Guido Marx/ZDF/Red Sun Films

Rund um die Welt werden Filme und TV-Serien in den Genres Horror, Science Fiction und Fantasy produziert. Nur in Deutschland tut man sich immer noch schwer – obwohl es an fantastischen Gruselthemen doch eigentlich nicht mangelt. Die Horror-Serie „Hameln“ auf ZDF Neo ist eine der wenigen Ausnahmen. Creator, Regisseur und Showrunner Rainer Matsutani blickt auf eine 30-jährige Karriere als Genre-Filmemacher zurück und gibt Tipps für Filmemacher*innen, die sich für Horror interessieren:

#1 – Du musst dein Genre kennen
Wenn du jemand bist, der/die im Kino ausschließlich deutsches Arthouse oder Komödien anschaut, bist du wahrscheinlich nicht der/die Richtige für das Genre. Es gibt ein etabliertes Horror-Universum, das reich ist an Codes, Mustern und Referenzen. Horror definiert sich über strenge Regeln und Stereotypen, die man kennen muss, um sie lustvoll zu zitieren, variieren und innovativ zu erweitern: wie gestalte ich einen Jump Scare oder wie kommt das Opfer zu Tode? Horror-Konsumenten haben viel gesehen und eine Erwartungshaltung, die du nicht enttäuschen darfst.
Vor einigen Jahren wurde ein deutscher Horrorfilm bei einem Streamer in Auftrag gegeben. Das Drehbuch war solide, aber der Produzent merkte schnell, dass die Regie sich eigentlich nicht im Genre auskannte. Er stellte ihr einige Wochen vor dem Dreh einen Karton voller DVD mit Horror-Klassikern zur Verfügung. Doch der Crash-Kurs hat nicht ausgereicht. Das filmische Ergebnis war von Ahnungslosigkeit und Langeweile geprägt, so dass der Streamer seither keinen deutschen Horror mehr in Auftrag gab.
Also: das Genre muss bereits in deinen Adern fließen, bevor du dich an ein Projekt machst.

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Arjun Talwar dokumentiert den Alltag vom Balkon. Für die Szene posiert er mit einer Schmalfilmkamera, tatsächlich drehte er digital mit einer „Bolex 16“. Die „sieht nicht wie eine Fernsehkamera aus, sondern wie ein freundliches altes Ding. Das macht sie weniger furchteinflößend“, erklärt Talwar. „Die Leute müssen sich wohlfühlen, wenn man sie filmt.“ | Foto © Arjun Talwar/Uni-Solo Studio

Der indische Filmemacher Arjun Talwar dokumentierte das Leben in seiner Straße: In der Wolfstraße in Warschau zeigt sich der gesellschaftliche Wandel. „Letters from Wolf Street“ lief im Panorama der Berlinale. Ein Gespräch mit dem Regisseur und der Editorin Bigna Tomschin.

„Listy z Wilczej“ („Letters from Wolf Street“) von Arjun Talwar (Regie und Drehbuch) lief in der Sektion Panorama der 75. Berlinale. Der Film ist als dokumentarisches Format angekündigt. Das stimmt auch. Was dem Filmemacher und seinen wichtigen Kooperationspartner*innen gelungen ist, geht aber weit über das Dokumentarische hinaus. „Letters from Wolf Street“ erzählt von polnischen Lebenswelten, vielleicht sogar europäischen Verhältnissen und persönlichen Erfahrungen – gebündelt in einer Warschauer Straße, der Ulica Wilcza. Der aus Delhi/Indien stammende Filmemacher Arjun Talwar und die Schweizer Filmeditorin Bigna Tomschin lebten zusammen in dieser Straße, in einer Wohnung mit Balkon. All das gehört zur Entstehungsgeschichte des schlauen, amüsanten, vielschichtigen Filmkunstwerks.

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caption=“Arcata Theatre Lounge, Kalifornen, USA 2009. | Foto CC Bob Doran“

Kurz vor Jahresschluss kam doch noch das neue Filmförderungsgesetz. Die große Reform bleibt aber weiterhin eine Baustelle.  Und auch im FFG sind von den einstigen Plänen nur Bruchstücke geblieben. 

Das war knapp! Zwei Tage vor Jahresschluss wurde das neue Filmförderungsgesetz 2025 (FFG) veröffentlicht. Damit können auch in diesem Jahr weiter Filme gefördert werden, und die FFA wird „modernisiert“. Sie verantwortet nun alle Filmförderungsprogramme auf Bundesebene, „schneller und transparenter“ als bisher: die Filmförderung nach dem novellierten FFG, die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes, den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF).  „Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel“, sagte FFA-Vorstand Peter Dinges bei der ersten Pressekonferenz im neuen Jahr, von der  Susanne von Kessel-Doelle bei „Blickpunkt Film“ berichtet: „Einen zentralen Schwerpunkt des neuen Gesetzes bildet die Automatisierung der Förderung. ,Die selektive Förderung alter Prägung hat ausgedient’, erklärte Dinges. ,Das neue System basiert auf Referenzpunkten und macht die Förderung planbar und unbürokratisch.’ Produzenten könnten ihre Mittel nun selbstständig kalkulieren und verwenden, ohne auf Gremienentscheidungen angewiesen zu sein. Die Schwellen für kleinere Projekte – etwa Talentfilme, Kinderfilme oder Dokumentarfilme – wurden bewusst gesenkt. ,Schon ein Festivalpreis oder ein erfolgreicher Kinostart reichen aus, um Förderung zu erhalten’, so Dinges. Diese Maßnahmen sollen vor allem jungen Filmschaffenden zugutekommen und die Vielfalt des deutschen Films stärken.“ Und immerhin: Die erste Säule der großen Förderreform steht.

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