FFG: Fatale Signale an die Filmschaffenden

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70.000 neue Arbeitsplätze könnten durch die große Förderreform entstehen, glauben Produktionsallianz, Produzent*innenverband und Deutsche Filmakademie. Wo aber sollen die herkommen? | Foto © DFA/Hans-Christian Plambeck

Kurz vor der Regierungskrise hatte der Kulturausschuss das neue Filmfördergesetz abgesegnet. Mit einigen Änderungen: Die geplante Altersvorsorge für die Filmschaffenden wurde gestrichen.

Die gute Nachricht zuerst: Der Kulturausschuss [ab 1:31] hat am Mittwoch das neue Filmfördergesetz (FFG) angenommen. Es geht nun zur zweiten Lesung zurück vor den Bundestag. 

Eigentlich hätte der Ausschuss schon früher entscheiden sollen. Doch nach einer Anhörung der Interessengruppen sah man noch einigen Nachbesserungsbedarf und vorschob die Abstimmung auf diese Woche. Dazu hatten die Regierungsparteien einen umfassenden Änderungsantrag vorgelegt, den „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] im Vorspann so zusammenfasst: „Medialeistungen gerettet, Sperrfristenregelungen deutlich verändert und die sozialen Belange der Beschäftigten gestärkt.“ Was in zwei Fällen richtig sein mag, im letzten aber überhaupt nicht.

Es geht um Paragraf 81: „Angemessene Beschäftigungsbedingungen“. Hier hatte die Kulturstaatsministerin (BKM) Claudia Roth ebenfalls Großes geplant. Gagen nach Tarifvertrag sollen zum Förderkriterium werden – eine Forderung, die in früheren Novellen seit Jahren übergangen wurde. Und mehr noch: Auch auf eine Altersvorsorge sollten die Produktionsfirmen verpflichtet werden. Nicht nur für auf Produktionsdauer Beschäftige, sondern für alle – einschließlich selbstständig Tätige.

Die Tariftreue bleibt weiter Förderkriterium; doch die Altersvorsorge wurde gestrichen – beziehungsweise „auf die untergesetzliche Ebene verlagert“, heißt es in der Begründung zum Änderungsantrag: „Damit kann der Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt durch Richtlinie bestimmen, welche weiteren branchenüblichen Anforderungen der mit Referenzmitteln herzustellende Film in Bezug auf angemessene Beschäftigungsbedingungen und Altersvorsorgeangeboten für das für die Produktionsdauer des Films beschäftigte Personal entsprechen soll.“

Das soll wohl ein Vorteil sein. Doch schon in der Formulierung fallen die ersten Löcher auf: Die Rede ist nur von einem Teil der Filmschaffenden – Selbständige oder Festangestellte sind nicht mitgemeint. „Branchenübliche Anforderungen“ zur Altersvorsorge gibt es bislang nicht beim Kinofilm. Und ob es eine solche Richtlinie jemals geben wird, ist ebenfalls fraglich, denn im Verwaltungsrat haben Hersteller und Verwerter die Mehrheit. Kurzum: die Altersvorsorge ist wohl gestorben!

Das sei ein „fatales Signal an die Branche“ meint ein Regisseur. Auf die fehlende soziale Absicherung hatten die Berufsverbände immer wieder hingewiesen. Nun werde ihnen mitgeteilt: Die Filmschaffenden sind nicht wichtig, ihre soziale Absicherung egal.

Die dafür sorgen sollten, hatten derweil nochmal den Ernst der Lage beschworen: Produktionsallianz, Produzent*innenverband und Deutsche Filmakademie mahnten vor der Sitzung an die anderen beiden Säulen der großen Reform: „Der Filmstandort Deutschland ist auf den Landkarten internationaler Produzenten kaum mehr zu finden“, und eine Branche mit 120.000 Arbeitsplätzen sei in Gefahr, warnten sie in einem Appell, den 19 Schauspieler*innen und prominente Filmschaffende anderer Werke unterschrieben haben. „Der Grund: Unsere europäischen Nachbarn bieten steuerliche Anreize“. 

Während in Deutschland noch um Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell gestritten wird, sei in Frankreich „durch eine sinnvolle Kombination“ aus beidem das Produktionsvolumen bereits im ersten Jahr um 345 Millionen Euro gestiegen. Auch in Österreich „entstanden 8.000 neue Arbeitsplätze durch eine mutige Filmförderreform. Überträgt man das auf Deutschland, wären dies rund 70.000 neue Beschäftigte in der Filmindustrie.“

Das wäre ein gewaltiger Zuwachs. Bleibt nur die Frage, wo diese 70.000 herkommen sollen? Wir erinnern uns: Seit 2018 klagt auch die Filmbranche über Fachkräftemangel, im Sommer 2022 gab’s schon mal einen Probelauf für den angekündigten Boom. Damals mussten Produktionen verschoben oder gar abgesagt werden, weil es an Personal fehlte. 

Die Produktionsallianz hat als Antwort den Nachwuchs im Blick und setzt auf ihre Ausbildungsinitiative. Dabei fehlt es nicht nur am Nachwuchs. Auch altgediente Fachkräfte steigen aus. Einen dramatischen Anstieg hat man bei Crew United in diesem Jahr beobachtet. Das liegt nicht allein an dem Einbruch an Aufträgen seit dem vorigen Jahr – die freilich eine soziale Absicherung umso nötiger machen. Grund sind auch die oft prekären Arbeitsbedingungen und überlange Arbeitszeiten, die zunehmend zum Thema geworden sind. Selbst in den letzten beiden Tarifrunden waren Verdi geregelte Arbeits- und Ruhezeiten wichtiger als die Gagen.

Die Produktionsallianz hat sich mit solchen Vorstellungen immer schwer getan. Schon 2005 waren Tarifverhandlungen gescheitert, weil man sich gegen die Einführung von Arbeitszeitkonten wehrte. In diesem Jahr scheiterte es zuerst an einem bezahlten Urlaubstag unter ohnehin eingeschränkten Bedingungen. Was sie anscheinend übersieht, berichtete Dominique Ott-Despoix voriges Jahr beim „Fluter“: Auch beim Nachwuchs hat die Arbeit beim Film längst schon den einstigen Glanz verloren.