caption=“Arcata Theatre Lounge, Kalifornen, USA 2009. | Foto CC Bob Doran“

Kurz vor Jahresschluss kam doch noch das neue Filmförderungsgesetz. Die große Reform bleibt aber weiterhin eine Baustelle.  Und auch im FFG sind von den einstigen Plänen nur Bruchstücke geblieben. 

Das war knapp! Zwei Tage vor Jahresschluss wurde das neue Filmförderungsgesetz 2025 (FFG) veröffentlicht. Damit können auch in diesem Jahr weiter Filme gefördert werden, und die FFA wird „modernisiert“. Sie verantwortet nun alle Filmförderungsprogramme auf Bundesebene, „schneller und transparenter“ als bisher: die Filmförderung nach dem novellierten FFG, die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes, den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF).  „Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel“, sagte FFA-Vorstand Peter Dinges bei der ersten Pressekonferenz im neuen Jahr, von der  Susanne von Kessel-Doelle bei „Blickpunkt Film“ berichtet: „Einen zentralen Schwerpunkt des neuen Gesetzes bildet die Automatisierung der Förderung. ,Die selektive Förderung alter Prägung hat ausgedient’, erklärte Dinges. ,Das neue System basiert auf Referenzpunkten und macht die Förderung planbar und unbürokratisch.’ Produzenten könnten ihre Mittel nun selbstständig kalkulieren und verwenden, ohne auf Gremienentscheidungen angewiesen zu sein. Die Schwellen für kleinere Projekte – etwa Talentfilme, Kinderfilme oder Dokumentarfilme – wurden bewusst gesenkt. ,Schon ein Festivalpreis oder ein erfolgreicher Kinostart reichen aus, um Förderung zu erhalten’, so Dinges. Diese Maßnahmen sollen vor allem jungen Filmschaffenden zugutekommen und die Vielfalt des deutschen Films stärken.“ Und immerhin: Die erste Säule der großen Förderreform steht.

Doch echte Begeisterung sieht anders aus. Für Andreas Kilb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“[Bezahlschranke] bleibt von der Reform nur ein Torso. Das Überleben der Branche sei „wenigstens in den alten gesetzlichen Bahnen vorerst gesichert. Allerdings auch nur das. […] Denn ohne den Steuernachlass für Filmfirmen und die Investitionspflicht für audiovisuelle Großanbieter kommen auch die Förderungsautomatismen, die das neue FFG vorsieht, und die geplante Stärkung der Berliner Filmförderungsanstalt nicht wirklich zum Tragen. […] Dass die jetzige Gesetzesnovelle die Misere beheben wird, glaubt deshalb niemand; sie wird sie nur nicht noch schlimmer machen.“ 

In letzter Minute war der Gesetzesentwurf noch weiter gestutzt worden. Der Kompromiss sei „nach über­ein­stim­mendem Urteil vieler verschie­dener Stimmen in der Branche – sowohl auf der Seite der Macher und Film­schaf­fenden wie auch auf Seiten der Verwerter – […] mehr als faul, so faul, dass er zum Himmel stinkt“, schreibt Rüdiger Suchsland auf „Artechock“. „Der Druck der Industrie hat es möglich gemacht. Die Lobbys waren sehr aktiv. Und am Ende freuen sich wieder wie schon am Anfang die großen Produ­zenten am meisten.“ 

Für kleinere Filme und Produktionsfirmen könnte es jedenfalls schwieriger werden bei der Förderung, fürchtet Rudolf Worschech bei „EPD Medien“: „Zum einen bleibt offen, ob der Wegfall der bisherigen Projektfilmförderung durch die FFA durch das Referenzprinzip kompensiert werden kann. Denn bei der Projektförderung zählt nur das Projekt, nicht der vorherige Erfolg, der in Referenzpunkten und Zuschauern erfasst wird. Hier hatten auch neue Produktionsfirmen eine Chance.“  

Auch die Referenzpunkte für Festival-Teilnahmen gingen an der Wirklichkeit vorbei: „Die Liste erkennt nicht an, dass gerade viele kleine Filme oft eine große Runde auf internationalen wie nationalen Festivals drehen und dort möglicherweise von mehr Zuschauern gesehen werden als später im Kino. Sie gewinnen dort Preise, die nicht anrechenbar sind. Bei den deutschen Festivals bringt nur die Teilnahme an der Berlinale und den Filmfestivals in München und Saarbrücken jeweils 50.000 Punkte – vorausgesetzt, der Film gewinnt den Wettbewerb.“ 

Kurzum: Die Filmförderung des Bundes bleibe weiterhin eine Baustelle, „von der großen Reform, die Bundeskulturministerin Claudia Roth geplant hatte, blieben nur Bruchstücke“: „Auf der Strecke blieben auch zwei Vorhaben, für die sich die Kulturstaatsministerin lange starkgemacht hatte: eine Formulierung ökologischer Standards für die Filmproduktion und ein sogenannter Diversitätsbeirat, der die in Berlin ansässige Filmförderungsanstalt (FFA) in Fragen von Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion beraten sollte. Diese Neuerungen wollte die FDP, der kleinste Partner der auseinandergebrochenen Ampel-Koalition, nicht mittragen.“  

Es bleibt (auch in den anderen Artikeln) nur bei der Erwähnung. Das erstaunt, schließlich ist doch Diversität zurzeit eines der großen Anliegen von Sendern, Streamern und Produktionsunternehmen. Wichtig war das nur Stefan Seidler, der für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) im Bundestag sitzt, die Partei der dänischen Minderheit. Die wiederum ist (wie Sorben, Friesen und Sinti und Roma) eine der vier anerkannten nationalen Minderheiten und Volksgruppen in Deutschland. In seinem Änderungsantrag (den nur Die Linke unterstützte) bestand Seidler auf ökologischen Standards und einem Beirat, der „eine umfassende Repräsentation von Diversitätsdimensionen“ sicherstellt. Darin sollte eine der vier Minderheiten ständig vertreten sein. Für die sei nämlich „grundsätzlich der diversitätssensible Grundsatz ,Kein Film über uns ohne uns’ zu berücksichtigen. Das ist bisher in der Filmförderung nach dem FFG in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall. Gerade problematische, stereotype Thematisierungen und marginalisierende (Nicht-) Darstellungen (besonders von Sinti und Roma) von angestammten Minderheiten und ihrer Sprachen in geförderten Filmen zeigt den politischen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf. In der Regel ist das problematische Ergebnis auf eine Nichteinbeziehung der Betroffenen in kreative Produktions- oder Entscheidungsprozesse beziehungsweise auf Unkenntnis der Problemlage zurückzuführen.“  

„Ohne außergewöhnliche Geschichten und mutige Visionen wird die deutsche Film- und Medienindustrie unsichtbar und irrelevant“, meint auch Martin Moszkowicz, ehemaliger Vorstand der Constantin Film, in einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Mit Geld allein sei es nicht getan, die größte Herausforderung bleibe „das kreative Defizit bei Produzenten, Sendern, Auswertern, Filmemachern und Autoren für mutige, experimentelle und gleichzeitig erfolgreiche Erzählformen. Es mangelt an schöpferischem Mut und auch an Sendeplätzen und Budgets, um neue Ideen auszuprobieren. Ohne Raum für kreative Experimente wird die Branche weiterhin von festgefahrenen Strukturen und einem Mangel an Innovation gehemmt.“ 

Letztlich geht es bei Moszkowicz aber doch ums Geld. Sein Vorschlag: „Weniger, dafür hochwertigere Filme im Kino mit angemessenem Budget und starker Marketingpower, die das Publikum überraschen und ein unvergessliches Erlebnis bieten.“ 

Zweifel sind angebracht. Mehr Publikum durch bessere Filme ist erklärtes Ziel der Förderreform, der Weg dorthin scheinbar einfach: Mehr Geld und weniger Bürokratie – dann dreht auch die Branche endlich auf. So hatten schon Roths Vorgänger*innen als BKM die Etats für den Film laufend erhöht (der DFFF etwa startete 2007 mit 50 Millionen Euro im Jahr, 2021 verteilten DFFF, DFFF II und GMPF rund 150 Millionen Euro). Am Ende fragte selbst Monika Grütters die Branche, warum die Erfolge trotzdem ausblieben.  

Auch die Constantin ist in dieser Zeit nicht durch großen Wagemut aufgefallen. Der Branchenriese produziert zwar reihenweise Kassenerfolge, die meisten aber nach sicherem Konzept, was im deutschen Kino halt gut läuft: Komödien und Kinderfilme, oft nach bekannter Vorlage. Und zwischendurch als Drama ein aktueller Bestseller. Nach dem neuen Referenzsystem dürfte dieses Erfolgsrezept noch umso besser laufen. Ganz ohne Innovationen.