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Ewige Warterei in „Cast Away“ (© Paramount)

Fast fertig sei die Förderreform. Auch die Investitionsverpflichtung kommt „in Kürze“, verspricht der BKM. Doch bis alle Pläne auch umgesetzt sind, wird es wohl schon wieder Sommer sein.

Der BKM hatte sich vorigen Freitag erneut mit Streamern und Sendern „in sehr konstruktiven Gesprächen ausgetauscht. Den Entwurf für ein Investitionsverpflichtungsgesetz wird Staatsminister Weimer zeitnah vorlegen“, verspricht die Pressemitteilung. Dann wäre endlich vollbracht, was seine Vorgängerin Claudia Roth vor die Jahren angekündigt hatte: die gründliche Reform der Filmförderung für eine stärkere Branche und bessere Filme – der „große Wurf“.

Ganz so grundsätzlich war die Reform doch nicht durchdacht, es ging vornehmlich wieder nur ums Geld und wie es vermeintlich zielführender verteilt werden sollte. Immerhin brachte Roth in letzter Minute noch das neue Filmfördergesetz durch, die Finanzierung indes blieb offen: ein Steueranreizsystem und eine Investitionsverpflichtung für Streamer und Sender waren mal Teil der Reformpläne.

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Am Set von „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2012). | Foto © Stadion Babelsberg

Die Branche hat Krise genug, aber dahinter wächst ein noch größeres Problem: Stell dir vor, du produzierst wieder Filme, und es ist keiner mehr da!

Die deutsche Filmbranche steht unter Druck – um es möglichst neutral auszudrücken. Gefühlt alle zwei Monate erscheinen Offene Briefe, in denen die Lage dramatischer geschildert wird. Von „Abgrund“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Mitunter gibt es auch Zahlen dazu, vereinzelte Umfragen bestätigten bislang den Abwärtstrend.

Einen aktuellen Überblick gibt die „Übersicht der Produktionen 2015 bis heute“ bei Crew United. Auch hier keine gute Nachricht: Es geht weiter nach unten, und das immer schneller. Der Ausblick aufs laufende Jahr spiegelt eine strukturelle Entwicklung wider, die Sorgen macht: Bislang liegt die Zahl an Spielfilmen (Kino und TV) und Serien um ein Viertel unter dem Vorjahr; bei den Dokumentarfilme ist ein Rückgang auf ein Drittel, bei Kinodokus gar ein Zehntel des Vorjahrs (gezählt wurden nur Produktionen mit einem Drehstart in 2025, die im Dreh oder abgedreht sind und einen deutschen Produzenten oder Koproduzenten haben – also auch alle Projekte, die teils oder komplett im Ausland gedreht werden; Dokuformate erscheinen zum Teil verzögert in der Datenbank).

Zwei zentrale Ursachen prägen die aktuelle Lage. Zum einen wirtschaftliche Faktoren: Überall werden Haushalte gekürzt; die Inflation geht weiter; Produktionskosten steigen; Erlöse bei der Verwertung sinken; es herrscht Zurückhaltung bei Investitionen in Inhalte; weniger internationale Produktionen produzieren in Deutschland.

Zum anderen strukturelle Probleme: Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird weiter gespart; Privatsender investieren deutlich weniger in Fiktion; Streamer reduzieren ihre Ausgaben für deutschen „Content“ – zu viel davon findet nur begrenzte Aufmerksamkeit. Derweil drehen deutsche Produktionen zunehmend im Ausland. Oft aus finanziellen Gründen, denn zwei zentrale Förderinstrumente sind immer noch in Arbeit: Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell (inzwischen ohne Steuern).

Zugegeben, die Listen sind lang. Was dabei aber leicht vergessen geht: Es gibt noch zwei Kernprobleme mit Wechselwirkung. Die Auftragsflaute bekommen natürlich auch die Filmschaffenden zu spüren: Mehr als 60 Prozent der aktiven Crew-United-Member mit Berufen hinter der Kamera haben in diesem Jahr noch kein einziges Projekt in ihrer Filmografie eingetragen. Bei den Schauspieler*innen sind es fast 80 Prozent.

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Finanzminister Lars Klingbeil (links) und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer haben eine Lösung gefunden: Statt Steueranreiz gibt’s viel mehr Geld für die Filmförderung. Der BKM erklärt den Kurswechsel pragmatisch. Die Investitionsverpflichtung soll auch bald kommen; dann sei die Filmreform abgeschlossen. | Foto © BKM

Noch mehr Geld soll’s nächstes Jahr für die Kultur geben. Wenn alle Pläne aufgehen, kommt auch die Förderreform zum Abschluss. Sie sieht nur etwas anders aus als angekündigt. 

Plötzlich kann alles ganz schnell gehen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Haushalt fürs nächste Jahr verabschiedet. Rund 2,5 Milliarden Euro will die Bundesregierung für Kultur und Medien bereitstellen. Um rund 10 Prozent würde der Etat damit wachsen – der Gesamthaushalt, darauf weist Jörg Häntzschel in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke] hin, steigt lediglich um 3,5 Prozent. Das sei ein „Rekordniveau“ und „steht für einen kultur- und medienpolitischen Aufbruch“, so der Beauftragte Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Wolfram Weimer. „So können wir kulturpolitische Vorhaben des Koalitionsvertrags zügig umsetzen“.

Jetzt müssen nur noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, dann steht beinahe auch die zweite Säule der großen Förderreform! Sie sieht nur etwas anders aus. Ein großer Teil vom Zuwachs (117 Millionen Euro) ist für die Filmförderung vorgesehen. Die Mittel für die Deutschen Filmförderfonds und den German Motion Picture Fund werden fast verdoppelt auf 250 Millionen Euro. „Dies ermöglicht ein attraktives Anreizsystem, das deutschen und internationalen Produzentinnen und Produzenten langfristige Planungssicherheit bietet“, verspricht Weimer. „Dem Filmstandort Deutschland eröffnet das die Gelegenheit zum dringend nötigen Neustart auf international wettbewerbsfähigem Niveau.“ Zum Vergleich: Die französische Filmförderung CNC hatte 2022 ein Budget von 821 Millionen Euro.

„Das klingt nach viel, droht aber angesichts der prekären Situation, in dem sich die deutsche Filmindustrie befindet, wie Tropfen auf heißen Steinen zu verdunsten“, zweifelt Harry Nutt in der „Frankfurter Rundschau“. Die Branche hatte auf Steuererleichterungen gehofft. „Die jedoch hätten Einnahmeverluste bei den Bundesländern zur Folge gehabt, die deshalb gegen fiskalische Eingriffe opponierten. Die nun ausgewiesene Kompensation durch höhere Fördersummen betrachten Experten äußerst skeptisch, weil diese kaum nachhaltig seien.“

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Was plant der neue BKM? Irgendwas mit Film halt. Wolfram Weimer (links, mit Ministerpräsident Markus Söder) gab beim „2. Bayerischen Filmgipfel“ erste Auskunft über den Fortgang der Förderreform. Auch dieses Jahr wird sie wohl wieder nicht fertig. | Foto © Joerg Koch/Bayerische Staatskanzlei

So geht deutsche Filmpolitik: Bayerns Ministerpräsident träumt von Hollywood, der Kulturstaatsminister von der Marktwirtschaft, und die Branche wartet weiter auf die Förderreform.

Bislang hat der neue Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nur allgemeine Grundsatzdiskussionen zur Kulturpolitik angeregt. Vorige Woche wurde Wolfram Weimer beinahe konkret. Bayerns Ministerpräsident Markus hatte vor dem Münchner Filmfest am Freitag zum zweiten „Bayerischen Filmgipfel“ mit Produzent*innen, Sendern und Streamern eingeladen, mit dem BKM als prominentestem Gast. Söders Sorge gilt der „schwächelnden deutschen Filmbranche“, berichtet David Steinitz in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Sie drehe immer weniger daheim und immer mehr im Ausland, weil es dort bessere Konditionen und Steuersparmodelle gebe. Ganz zu schweigen von internationalen Produktionen, besonders aus Hollywood, die auch schon mal zahlreicher nach Deutschland gekommen seien.“  

Bei Söders Plänen bleibt Steinitz skeptisch. Denn der habe „auch in Sachen Filmpolitik schon seit Jahren viel versprochen und wenig geliefert.“ Spannender ist da, was der BKM beim Filmgipfel zu sagen hatte. Schließlich warten so ziemlich alle darauf, dass die Reform der Bundesfilmförderung endlich vollendet wird. Drei Jahre nach der Ankündigung sind Investitionsverpflichtung und Steueranreizsystem immer noch nicht geregelt, obwohl sich die Regierungsparteien doch weitgehend einig schienen. 

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Hauptsache billig. Drehstart zur dritten Staffel von „Charité? in Tschechien 2019. | Foto © MDR/Ufa Fiction/Stanislav Honzík

Die Förderreform lässt weiter auf sich warten. Unterdessen zieht es Produktionen lieber in billigere Nachbarländern. Sogar die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen dabei mit.

Während die Feuilletons mit dem neuen Kulturstaatsminister noch die Kultur erörten, drängt die Branche zum Handeln. 22 Berufsverbände und Vereinigungen haben einen Offenen Brief an BKM Wolfram Weimer geschrieben – mit der „dringenden Erwartung, dass Sie zwei zentrale Förderinstrumente aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen: ,eine gesetzliche Investitionsverpflichtung sowie ein steuerbasiertes Anreizmodell, um die Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland durch eine zeitnahe Reform der Filmförderung zu verbessern.’“  

Im ganzen Wortlaut ist der Offene Brief zurzeit nur auf „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] zu lesen. Darin schließen sich die Unterzeichnenden ausdrücklich einem ähnlichen Appell an. Schon im März, kurz nach der Wahl, hatten mehrere Verbände mit Sitz im FFA-Verwaltungsrat gemahnt [hier bei „Blickpunkt Film“]: „Deutschlands Filmtalente sind auf Weltniveau, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind es derzeit nicht. Deswegen befindet sich die deutsche Filmproduktionslandschaft in einer strukturellen Krise.“ Gemeint ist: Der großen Reform fehlen noch Steueranreize und Investitionsverpflichtung.  

Denn ohne die „rauscht die Produktion von TV-Serien und Kinofilmen am heimischen Markt vorbei in Länder wie Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Tschechien oder eben Österreich“, schreibt Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF), in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Da sieht er auch die Öffentlich-Rechtlichen in der Verantwortung: 

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caption=“Arcata Theatre Lounge, Kalifornen, USA 2009. | Foto CC Bob Doran“

Kurz vor Jahresschluss kam doch noch das neue Filmförderungsgesetz. Die große Reform bleibt aber weiterhin eine Baustelle.  Und auch im FFG sind von den einstigen Plänen nur Bruchstücke geblieben. 

Das war knapp! Zwei Tage vor Jahresschluss wurde das neue Filmförderungsgesetz 2025 (FFG) veröffentlicht. Damit können auch in diesem Jahr weiter Filme gefördert werden, und die FFA wird „modernisiert“. Sie verantwortet nun alle Filmförderungsprogramme auf Bundesebene, „schneller und transparenter“ als bisher: die Filmförderung nach dem novellierten FFG, die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes, den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF).  „Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel“, sagte FFA-Vorstand Peter Dinges bei der ersten Pressekonferenz im neuen Jahr, von der  Susanne von Kessel-Doelle bei „Blickpunkt Film“ berichtet: „Einen zentralen Schwerpunkt des neuen Gesetzes bildet die Automatisierung der Förderung. ,Die selektive Förderung alter Prägung hat ausgedient’, erklärte Dinges. ,Das neue System basiert auf Referenzpunkten und macht die Förderung planbar und unbürokratisch.’ Produzenten könnten ihre Mittel nun selbstständig kalkulieren und verwenden, ohne auf Gremienentscheidungen angewiesen zu sein. Die Schwellen für kleinere Projekte – etwa Talentfilme, Kinderfilme oder Dokumentarfilme – wurden bewusst gesenkt. ,Schon ein Festivalpreis oder ein erfolgreicher Kinostart reichen aus, um Förderung zu erhalten’, so Dinges. Diese Maßnahmen sollen vor allem jungen Filmschaffenden zugutekommen und die Vielfalt des deutschen Films stärken.“ Und immerhin: Die erste Säule der großen Förderreform steht.

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Szenenfoto aus „Der Grinch“ (2000). | Foto © Universal

Trotz neuer Versprechen der BKM wird’s wohl nichts mehr mit der ganzen Förderreform. Das FFG hat zwar noch Chancen, aber Investitionsverpflichtung und Steueranreize werden vertagt. Der Vorwurf: Für eine Reform von „von existenzieller Bedeutung“ für Land und Branche habe sich Deutschland oberste Filmförderin ganz schön viel Zeit gelassen. Und reihenweise Fehler gemacht. 

Der Countdown läuft, und alle drängeln. Vier Wochen noch bis Silvester, dann muss ein neues Filmfördergesetz her. Ansonsten droht der Untergang für Deutschlands Filmbranche. So schildert die Produktionsallianz die Aussichten und hat auch allen Grund dafür, nämlich die aktuelle Herbstumfrage unter ihren Mitgliedsfirmen: 77 Prozent der Unternehmen in der Produktionsallianz schätzten die Lage als „schlecht oder sehr schlecht“ ein (im Vorjahr waren es noch 56 Prozent). Nur für 0,5 Prozent ist die sehr gut oder gut. 80 Prozent der Unternehmen im Fiction-Bereich gaben an, das Auftragsvolumen internationaler Streamer sei seit 2022 stark beziehungsweise sehr stark gesunken.  

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Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth. | Foto © Kristian Schuller

In sieben Wochen läuft das Filmfördergesetz aus. Politik und Branche läuft die Zeit davon. Durch den Koalitionsbruch ist die Lage noch unklarer geworden. Dabei drängen alle auf eine schnelle Lösung für alle Teile der großen Reform.

In drei Monaten, am letzten Tag der Berlinale, wird in Deutschland gewählt. Solange regiert die Restkoalition ohne Mehrheit, und unklar ist, welche Pläne sie noch umsetzen kann. Zum Beispiel die große Förderreform, die auch ohne den Bruch in der Regierung, bislang kaum vorankam. Das Filmfördergesetz ist zwar durch den Kulturausschuss des Bundestags, doch das ist erst ein Teil der Strecke – und auch nichts wert, wenn die anderen beiden Säulen nicht stehen. Um die Investitionsverpflichtung ringt die BKM mit Streamern und Mediatheken, bei den Steueranreizen sind sich Bund und Länder uneins, wer das bezahlen soll. Und für beides liegt noch nicht einmal ein Gesetzesentwurf vor.    

Dass nun alles bis zum Jahresende plötzlich fertig sein soll, mag keiner mehr glauben. Klappen könnte das schon – wenn alle nur wollten, glaubt Julia Maier-Hauff, die Geschäftsführerin des Produzent*innenverbands, in „Blickpunkt Film“. Das müsse es auch, „denn ohne Haushalt und die angekündigten Gesetze wird es zu einer Abwanderung des Filmschaffens in benachbarte Länder und zu Insolvenzen kommen. Wir fürchten den Verlust von mehr als 120.000 Arbeitsplätzen in der Filmproduktion.“ Das wären wohl, nach Zählung des jüngsten Appells, alle Arbeitsplätze der Branche.

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70.000 neue Arbeitsplätze könnten durch die große Förderreform entstehen, glauben Produktionsallianz, Produzent*innenverband und Deutsche Filmakademie. Wo aber sollen die herkommen? | Foto © DFA/Hans-Christian Plambeck

Kurz vor der Regierungskrise hatte der Kulturausschuss das neue Filmfördergesetz abgesegnet. Mit einigen Änderungen: Die geplante Altersvorsorge für die Filmschaffenden wurde gestrichen.

Die gute Nachricht zuerst: Der Kulturausschuss [ab 1:31] hat am Mittwoch das neue Filmfördergesetz (FFG) angenommen. Es geht nun zur zweiten Lesung zurück vor den Bundestag. 

Eigentlich hätte der Ausschuss schon früher entscheiden sollen. Doch nach einer Anhörung der Interessengruppen sah man noch einigen Nachbesserungsbedarf und vorschob die Abstimmung auf diese Woche. Dazu hatten die Regierungsparteien einen umfassenden Änderungsantrag vorgelegt, den „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] im Vorspann so zusammenfasst: „Medialeistungen gerettet, Sperrfristenregelungen deutlich verändert und die sozialen Belange der Beschäftigten gestärkt.“ Was in zwei Fällen richtig sein mag, im letzten aber überhaupt nicht.

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Gleich fünffach gewann „Das Lehrerzimmer“ im vorigen Jahr den „Deutschen Filmpreis“, unter anderem als bester Film. Kurz zuvor hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (2. von rechts) ihre Ideen für eine bessere Förderung skizziert und Hoffnungen geweckt. | Foto © Deutscher Filmpreis/Eventpress

Acht Punkte hatte BKM Claudia Roth angekündigt, drei Säulen sind es geworden. Oder vielleicht auch vier. Bei der großen Reform der Filmförderung ist noch einiges offen und vieles in Bewegung. Ein Überblick zum Zwischenstand. 

Die erste Säule steht. Das war erstmal die gute Nachricht inmitten all der Skepsis, ob’s noch was wird mit dem angekündigten großen Wurf, mit dem es wieder aufwärts gehen soll beim Deutschen Film. Ein Jahr hat Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), auf sich warten lassen seit ihrem Acht-Punkte-Plan zur großen Reform der deutschen Filmförderung und FFA. 

Die Erwartungen sind hoch. Die große Reform wird schon seit Jahren erwartet und wurde zweimal verschoben. Und der Branche geht inzwischen überhaupt nicht gut. Streamer und Sender fahren ihre Produktionen herunter, den Kinos fehlt immer noch Publikum, Firmen melden Insolvenz, Filmschaffende verlassen die Branche – die Auftragslage sei „katastrophal“. Beziehungsweise „desaströs“. Sagen nicht nur viele Betroffene, sondern bestätigt auch ein Blick in die Datenbank von Crew United. 

Wie es besser werden soll, skizziert der Referentenentwurf, den die BKM im Februar zur Berlinale vorstellte. Dann hatten die vielen Interessengruppen der Branche Zeit für ihre Stellungnahmen. Ende Mai verabschiedete das Kabinett den Gesetzentwurf, der zum nächsten Jahr in Kraft treten soll. Diesmal war die Frist für Stellungnahmen etwas knapper, denn laut Plan (wir berichteten auf „Outtakes“) soll das Gesetz im Juni durch den Bundestag, der es wiederum durch den Kulturausschuss schickt. Und dann schaut auch noch der Bundesrat, was er davon hält. Kurzum: Es kann sich noch einiges ändern – schon zwischen Referentenentwurf und Kabinettsvorlage gibt es „umfangreiche Änderungen“, die Marc Mensch bei „Spot“ dokumentiert hat.

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Das Filmfest München meint es offenbar ernst mit der Vielfalt. Bereits zum zweiten Mal lud es zur Tagung. | Foto © Bojan Ritan/Filmfest München

Diversität ist wichtig, da sind sich beim Film viele einig. Doch dazu braucht es auch Geld und Ausbildung. Zum zweiten Mal luden das Münchner Filmfest und die Evangelische Akademie Tutzing zur Tagung. Der Schwerpunkt lag diesmal auf den Filmschulen und der Förderung. 

Über Diversität wird ja viel geredet. Sender, Förderer, Produktionsfirmen melden sich mit Diversitätsbeauftragten und Initiativen, auf zahllosen Panels wird quer durchs Land diskutiert: Wieviel die Bilder und Geschichten in Fernsehen und Kino überhaupt noch mit ihrem Publikum zu  tun haben? Auch das Münchner Filmfest hatte voriges Jahr eingeladen, aber nicht einfach bloß zu einem weiteren Festivalpanel, sondern gleich zu drei Tagen Konferenz mit der Evangelischen Akademie Tutzing am Starnberger See. Um Kreative, Aktivist*innen und Entscheider*innen der Branche zusammenzubringen. „Wir brauchen nicht mehr Worte, sondern konkrete nächste Schritte“, hatten Christoph Gröner und Julia Weigl erklärt, die das Filmfest inzwischen leiten. 

Ende November gab’s Gelegenheit zur Überprüfung: Mit „Inklusion – Vol. 2“ luden Filmfest und Akademie zur Fortsetzung. Als erstes die Bestandsaufnahme: Was hat sich getan in den vergangenen anderthalb Jahren? Ziemlich viel, sollte man doch meinen, nach all den Panels mit aufgeschlossenen Entscheider*innen. Auch das ZDF entfaltet weiter unten in der Mediathek ja schon eine gewisse Art von Vielfalt. Mit der Diversität verhält es sich freilich ein wenig komplexer, erklärt Stacy L. Smith, die schon seit Jahren die Ungleichheiten in Hollywood untersucht, in einer Online-Keynote (hier auf Youtube). Es geht nicht bloß um Sichtbarkeit, sondern um die Perspektive, die die Figur vermittelt, um die Geschichte, die sie mit sich trägt. Wer also schreibt das Drehbuch? Wer entscheidet, ob das Thema das Publikum interessiert? Ob es gefördert werden soll? Nur an wenigen Entscheidungsstellen sitzen Menschen mit eigener Erfahrung. Der Mangel an Vielfalt ist auch ein Problem der Strukturen.

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Die Kunst mag frei sein, aber manchmal will die AfD schon sehr genau wissen, wer denn nun sowas schon wieder gefördert hat und warum und ob man nicht etwas dagegen tun will … Zum Beispiel den deutschen „Oscar“-Kandidaten „Und morgen die ganze Welt“. | Foto © Alamode

Die AfD weiß, warum es beim Deutschen Film klemmt: Gleichberechtigung und Umweltschutz stehen der Kunstfreiheit im Weg – Filmförderung dürfe keine „ideologischen Vorgaben“ machen. Nur eine: Wenn’s ums Kaiserreich geht, hört die Kunstfreiheit auf. Das ist ein echtes Dilemma, wenn man ins Grundgesetz schaut. 

Die AfD sorgt sich um die Freiheit der Kunst. Vorige Woche stellte die Bundestagsfraktion einen Antrag zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG), der sich gegen die Pläne aus dem Kulturstaatsministerium (BKM) richtet, Kriterien wie „Green Culture“, „Diversität“ oder „Geschlechtergerechtigkeit“ zum Förderkriterium zu machen. Dies stelle eine „Einengung künstlerischer Freiheit durch ideologische Gängelung“ dar, heißt es in dem AfD-Antrag. Zudem spricht sich Fraktion gegen die angekündigte Umwandlung der Filmförderungsanstalt (FFA) in eine Filmagentur aus, die alle filmpolitischen Aufgaben der Bundesförderungen übernehmen soll. Damit würde der Bund, der die künstlerische Qualität des deutschen Films bislang mit einem Volumen von 27 Millionen Euro fördert, seine besondere Stellung aufgeben. Beides zeige, „dass ideologische Vorgaben in der Bundesfilmförderung aus Sicht der BKM vorrangig sind und filmkulturelle oder filmästhetische Aspekte nachrangig.“ 

Acht Eckpunkte für das neue FFG hatte die BKM Claudia Roth im Februar skizziert.  Diversität, Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit sowie die Filmagentur waren nur zwei davon. Der Rest behandelt filmkulturelle oder filmästhetische Aspekte – und vor allem filmwirtschaftliche. Über alles wird ausgiebig diskutiert, lediglich die AfD hatte dazu bislang nichts zu sagen. 

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Vor vier Jahren hat Felicitas Darschin ihre eigene Nachwuchsförderung gestartet. Mit Absolvent*innen der HFF München entwickelt sie im „Feenlab“ gemeinsam Geschichten – ehrenamtlich: „ich habe bisher leider noch keinen Fördertopf dafür entdeckt“, sagt die Regisseurin. | Foto © Zoe Hoffmann

Was passiert eigentlich mit dem Nachwuchs, wenn er größer wird? Felicitas Darschin hat Spielfilm-Regie studiert, macht aber noch viel mehr. Autorin ist sie auch, unterrichtet seit mehr als zehn Jahren, arbeitet als Fotografin und hat neben drei Spielfilmen einige TV-Dokus gedreht. Ihren Hauptberuf jedoch liebt sie ganz besonders und würde ihn gerne noch häufiger ausüben. Sprich: mehr inszenieren!

Frau Darschin, Ihr Langfilmdebüt als Regisseurin haben Sie gleich nach dem Abschluss an der HFF München gegeben. Inzwischen gibt es schon ihren dritten Film. Der sei ja die größte Hürde für junge Talente, heißt es immer wieder. Fühlen Sie sich als Nachwuchs von der Filmbranche gut gefördert?
Jein. Mein Debüt konnte ich erfreulich schnell nach dem Abschluss drehen, wofür ich unter anderem dem BR wirklich dankbar bin. Nun bin ich auch schon 41 – die Pause vor dem dritten Langfilm war also viel zu lang für meinen Geschmack, da juckte es schon weit vorher wieder in den Regie-Fingern. Als ich in München an der HFF studiert habe, wurden, je nach Sender, noch zwischen 10 und 40 Fernsehspiele und Kino-Koproduktionen finanziert und umgesetzt. Dann wurde die Schlagzahl deutlich kleiner –  Finanzkrise und dadurch bedingte Branchenkrise seit 2008. Damals waren da vor allem viele Herren um die 50, die das verbleibende Regie-Feld dominierten. Ich war 26. 

Und als Neuling bekamen sie dann den Märchenfilm zugeteilt …
Ich bekam sogar die Chance, danach noch einen Film für die Degeto zu machen. Deren Chef Jörn Klamroth war ein mutiger Mann noch vom alten Schlag. Er mochte meinen fantasievollen „Zwerg Nase“ und vertraute mir ein „Problem-Projekt“ an, aus dem eine andere Kollegin bereits ausgestiegen war – eine etwas unentschlossene Komödie. Leider war das Buch nicht so der Burner, aber ich wollte einfach drehen und hätte in meiner Anfangsphase vermutlich zu allem ja gesagt. 

Eine Fehlentscheidung?
Ich bereue nichts, aber die Branche bewertet einen da ziemlich streng, vor allem wenn man eigentlich noch ganz andere künstlerische Ambitionen hat als Regisseurin. Insofern hätte ich mir definitiv noch mehr Chancen gewünscht, mich weiter ausprobieren zu dürfen und andere Facetten zu zeigen.
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Die Kulturstaatsministerin will soziale Standards in der Filmförderung. Die Initiative Fair Film hat schon konkrete Vorschläge dafür. Dahinter stehen 29 Berufsverbände und Organisationen der Branche.

Bei den Arbeitsbedingungen hat die Branche noch einiges aufzuholen. Das weiß auch Kulturstaatsministerin. In ihren Eckpunkten zur Reform des Filmfördergesetzes (FFG) forderte Claudia Roth die Einhaltung sozialer Standards als Fördervoraussetzung. 

Die Branche nimmt sie beim Wort, denn das sei mehr als überfällig, schreibt die Initiative Fair Film in einem Offenen Brief an die BKM. Dahinter stehen 29 Organisationen und Initiativen, darunter fast alle Berufsverbände: „Die durch zahlreiche Presseberichte in die Öffentlichkeit geratenen Missstände bei der Produktion ,Manta Manta – Zwoter Teil’ werfen ein Schlaglicht auf unsere Branche. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass dies kein Einzelfall ist. Die Fallzahlen der Themis, aber auch die Umfrage von ,Vielfalt im Film’ belegen, die Strukturen in der Film- und Fernsehbranche fördern systemischen Machtmissbrauch. Zeitdruck, zu lange Arbeitszeiten sowie mangelnde finanzielle Mittel bei vielen Produktionen führen oft zu einer physischen und psychischen Überlastung der Filmschaffenden. Daher müssen wir Strukturen schaffen, die den dringend nötigen Kulturwandel in der Filmbranche ermöglichen.“ 

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Mit Geld allein hat der Deutsche Film keine Zukunft. Es braucht auch Spielraum, damit schräge Ideen schiefgehen können. Und ein anderes Fördersystem, finden die Teilnehmer*innen beim Kongress in Frankfurt. | Foto © Elisa Grehl

Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.

„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“

Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.

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