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Ich hab noch eine Klinik in Berlin … Vorsicht, Nachsicht und das Präventionsparadox: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 33. 

„Ich habe keine Angst davor, zu erkranken. Wovor dann? Vor alledem, was die Ansteckung verändern kann. Davor, zu entdecken, dass das Gerüst der Zivilisation, so wie ich sie kenne, ein Kartenhaus ist.“
Paolo Giordano

„Ich habe keinen Text gefunden, der besagt, dass man nicht mit weniger Maßnahmen den gleichen Effekt erzielt hätte, den man jetzt hat.“
Jakob Augstein

 

Das Erste, das geschlossen wurde, und das Letzte, das geöffnet werden wird – so lautet die neue Definition von Kultur. 

„Systemrelevanz“ hat alle Chancen, das „Unwort des Jahres“ zu werden. Aber wie viele Unworte des Jahres sind derartige Benennungen vor allem Ausdruck der momentanen Moralisierung der Gesellschaft und einer Political Correctness, die die Wahrheit nicht aussprechen möchte, und lieber eine Feensprache bevorzugt. Systemrelevanz ist nämlich ein sehr wahrer, sehr präziser Begriff. Er bezeichnet: Was ist relevant für das System in den Augen des Systems?

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Man muss versuchen, sich ganz unverblümt klarzumachen, es auszusprechen und zu beschreiben, was eigentlich passiert ist. Wir sind überwältigt worden. Es ist über uns gekommen, wie ein Angriff von Außerirdischen. Aliens hätten grundsätzlich nicht viel geheimnisvoller, wohl aber beunruhigender sein können: Unsichtbar, fremdartig, ein „Es“, mit dem man nicht kommunizieren, das man bestenfalls beobachten kann. Plötzlich war es da und plötzlich war alles anders. 

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft kollektiv das, was Corona bedeutet, noch gar nicht annähernd zu Kenntnis genommen, geschweige denn verarbeitet hat.

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Heute vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Ein Anlass, sich in den Mediatheken von Arte und ARD den Zweiteiler „Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt“ von Volker Heise anzuschauen. | Foto © ARD

Unterhaltsame moralische Dilemmata absurde Regelungswut und brillante Theorien: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 32.

„Meine Herren, in hundert Jahren wird man einen schönen Farbfilm über die schrecklichen Tage zeigen, die wir durchleben. Möchten Sie nicht in diesem Film eine Rolle spielen? Halten sie jetzt durch, damit die Zuschauer in hundert Jahren nicht johlen und pfeifen, wenn Sie auf der Leinwand erscheinen.“
Joseph Goebbels, am 17. April 1945 in einer Ansprache zu seinen Mitarbeitern

„Die Geschäftigkeit der Deutschen ist ihre Hauptwaffe bei der Abwehr der Wirklichkeit geworden.“
Hannah Arendt, „Besuch in Deutschland“, 1949

 

„Was tun Sie, wenn Ihnen in Zeiten ausdrücklicher Ausgangsbeschränkung in Berlin die Decke auf den Kopf fällt?“
„Ich fahre nachts oft stundenlang durch das leere Berlin, diesen Anblick werde ich nie wieder vergessen. Die leeren Plätze, die dunklen Restaurants und Cafés, kaum Autos, manchmal ein Polizeiwagen, dann wieder Stille. In dem Film ,Vanilla Sky’ fährt Tom Cruise morgens durch das vollkommen ausgestorbene New York. So kommt es mir vor, ein seltsamer Wachtraum. Ich war am Flughafen und am Bahnhof – es war erschreckend, unwirklich, falsch.“
Ferdinand von Schirach, Jurist und Schriftsteller, in einem Zeitungsinterview.

Heute möchte ich Euch zum Abschluss der Woche ein Computerspiel empfehlen. Das ideale Vergnügen fürs Wochenende. Versprochen! Genau gesagt, sind es sogar ziemlich viele Computerspiele, und sie haben den Vorzug, dass sie uns, wie diese Psychotests in Frauen-, Männer- und Teenagerzeitschriften („Bin ich empathisch?“) auch noch etwas über uns selbst verraten. 

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Am Sonntag gibt’s ein wenig Hilfe für die Kinos im Stillstand und etwas Glanz für den „Deutschen Filmpreis“: Am Online-Kinotag läuft der achtfache „Lola“-Gewinner „Systemsprenger“, begleitet von Live-Filmgesprächen. | Foto © Port au Prince

Zum Wochenende wird’s etwas ruhiger, zumindest was Nachrichten und Neuigkeiten angeht. Es wurde ja auch schon viel gesagt und beschlossen diese Woche. Ach ja: In Hessen sollen ab Samstag schon die Kinos wieder öffnen dürfen – sofern sie die Standards zum Gesundheitsschutz gewährleisten können. Und am Sonntag wird der „Deutsche Filmpreis“ nochmal gefeiert. 

Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Die Situation von Hamburger Obdachlosen in der Corona-Krise hat der Filmemacher Leve Kühl festgehalten und „die Perspektive auf die Schwächsten der Gesellschaft erweitert“, lobt Klaas Heufer-Einlauf im Kommentar auf Youtube. Ein „sehenswerter Kurzfilm“, empfiehlt das Straßenmagazin „Hinz & Kunzt“.

 

Und noch etwas Wichtiges gleich am Anfang: Am Sonntag ist der große Kinotag zum „Deutschen Filmpreis“. In diesem Jahr umständehalber online, dafür aber mit vollem Programm: Am 10. Mai ist über das Virtual Theatre Portal der Hauptgewinner „Systemsprenger“ 24 Stunden lang zu sehen. Begleitet wird das von 16 bis 20 Uhr mit Live-Filmgesprächen mit den Preisträger*innen. Ein Drittel der Einnahmen gehen direkt an mehr als 200 Kinos, die teilnehmen. Die Zuschauer*innen wählen beim Ticketkauf ihr Lieblingskino aus.

 

Zum Thema SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards hat die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) „Empfehlungen für die Branche Bühnen und Studios für den Bereich: Probenbetrieb“ herausgegeben.
Die Website bietet auch weitere Hilfen und Hinweise zur Arbeitssicherheit etwa des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales oder die Arbeitsschutzstandards der BGW für Friseurbetriebe.

 

Drei Briefe von Leser*innen erhielten wir zu den Meldungen und Diskussionen der jüngsten Ausgaben:

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Kinos im Stillstand 6: Der „Zoo-Palast“ in Berlin. | Foto © Elisabeth Nagy

Schritt für Schritt tastet alles nach der Normalität. Berlin erteilt wieder Drehgenehmigungen, Nordrhein-Westfalen weiß schon, wann die Kinos wieder aufmachen, und bestimmt hat auch jemand einen Plan, wie das alles funktionieren soll, so unter den gewohnten normalen Bedingungen. Nur in Frankreich rufen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen auf, doch erstmal gründlich nachzudenken, was wir wirklich wollen sollten: Eine Rückkehr in die Normalität, wie wir sie kannten, sei für sie undenkbar.  

Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare – auch wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

So wäre Corona leichter zu ertragen: Seit 1995 zeichnet Til Mette exklusiv für den „Stern“, und die Leser lieben ihn. Hier ist eine Auswahl seiner Cartoons.

 

Das angekündigte „Sozialschutz-Paket II“, das unter anderem verlängerte Bezugszeiten für das ALG1 vorsieht, sollte heute Nachmittag im Bundestag in Erster Lesung beraten und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen werden. Wann abschließend darüber entschieden wird, ist zurzeit noch nicht bekannt, teilte die Pressestelle des Bundestags auf Anfrage mit.
Um das Prozedere zu beschleunigen, liegt der Entwurf auch bereits dem Bundesrat vor, der anschließend ebenfalls zustimmen muss. Auch dort konnte man deshalb noch keine Zeiten angeben. Sollte es im Bundestag schnell gehen und das Sozialschutzpaket II angenommen werden, könnte es schon Ende nächster Woche auf der Tagesordnung stehen; ansonsten voraussichtlich am 5. Juni. 

 

In Berlin werden wieder Drehgenehmigungen erteilt. Die Berlin Brandenburg Film Commission hält auf ihrer Website auch Informationen zu den Sars-CoV-2 Arbeitsschutzstandard bereit: Neben den Broschüren vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom European Film Commissions Network auch die gestern vorgestellten Richtlinien der Initiative der Berufsverbände „Wir wollen sicher drehen“. 

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Manch eine*r gebärdet sich in der Wiederöffnungsdiskussion als Kassandra. Die hatte einst die Trojaner gewarnt, besser kein Holzpferd in ihre Stadt zu schaffen. Wolfgang Petersen hatte den Rest der Geschichte vor 15 Jahren in „Troja“ erzählt. | Foto © Warner Brothers

Selbstbestimmung, Medien: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 31.

„I am just a reporter. I report what I see.“
Graham Greene „The Quiet American“

„So viel Wissen über unser Nichtwissen gab es noch nie.“
Jürgen Habermas 

„Ach!“
Heinrich von Kleist, „Amphytrion“

 

Heute mal gleich zu Anfang ein Filmtip: „Mirage“, das ist nicht nur ein schnittiges französisches Militärflugzeug aus der Zeit, als unsere Väter Koteletten, Cordanzüge und Herrenhandtaschen trugen, uns mit dem Citroën mal eben zum Kiosk fuhren, wo wir uns vom Taschengeld „Michel-Vaillant“-Comics kauften, aus der Zeit also, als Frankreich noch eine ungebrochene Hoffnung verkörperte, nicht nur für Wolfram Siebeck, der abtrünnigen Filmkritiker, der den Deutschen erklärte, dass es jenseits des „Wienerwald“ noch für jede Familie ein Coq au Vin im Topf gab … Ach, diese 70er! Heiko Engelkes aus Paris, Alfred Grosser im Internationalen Frühschoppen, und Didi Thurau im Gelben Trikot bei der Tour de France … Aber ich schweife mal wieder ab. Zurück zur „Mirage“. 

Das ist nämlich auch der Titel eines Hollywood-Films von 1965, der im deutschen Verleih „Die 27. Etage“ heißt, obwohl er manchmal auch auf der 26. und 25. Etage spielt. Ach, diese deutschen Filmtitel! Edward Dmytryk führte Regie, die Hauptrolle spielt Gregory Peck, der schönste Verwirrte des Hollywood-Kinos. Diesmal spielt er einen Mann, der unter Gedächtnisverlust leidet und dem auch sonst allerlei merkwürdige Dinge geschehen. Die Welt ist aus den Fugen: Die zunehmende Unmöglichkeit die Welt zu begreifen, war auch in den 1950er und 60er Jahren schon ein Thema im Kino, dazu braucht man kein Corona, sondern nur die Erinnerung an Hitchcocks „North by Northwest“ („Der unsichtbare Dritte“, auch so ein deutscher Titel, der die Frage nahelegt, wer denn eigentlich der sichtbare Zweite ist?), oder an Pecks nächsten Film direkt nach Mirage: „Arabeske“, ein, wie ich finde, stark unterschätzter, vor allem visuell bezaubernder Film vom erst im letzten Jahr verstorbenen großen Stanley Donen (1924-2019), der schon als frühreifer Twen mit Musicalklassikern wie „On the Town“ (1949) und „Singin’ in the Rain“ (1952) Filmgeschichte schrieb, und den Rest seines Lebens, also etwa 69 Jahre lang, versuchte, etwas anderes zu machen. Über den mäßigen Zuspruch für diese für Hollywood zu guten Versuche tröstete sich Donen mit fünf Ehen, die sämtlich in Scheidung endeten (die letzte mit 80), und diversen Affairen, unter anderen mit Liz Taylor. 

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„In der Krise gibt es so etwas wie eine Sehnsucht, dass es doch eine bessere Welt gebe“, sagt Alexander Kluge, mit 88 Jahren der schnellste und jüngste unter den deutschen Filmregisseuren. | Foto © Alexander Kluge

Über die Vorzüge der Meinungsverschiedenenheit: Jeder hat seine Pandemie – Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 30.

„Haben wir überreagiert? Haben wir es übertrieben?“
Markus Lanz, 22. April 2020 

„In Notfällen wird man nicht mit Diskussionen anfangen. Aber gleich danach geht es darum, dass man so etwas, was nicht in unseren Körpern steckt, wie die Verfassung, dass man das wieder in Erinnerung ruft. Das ist etwas ganz Wichtiges. […] Es gibt eine Verhältnismäßigkeit.“
Alexander Kluge, Jurist, Autor und Filmemacher

 

Gestern musste alles allzuschnell fertig werden, darum hatte ich vergessen, die Links zu setzen. Denn selbstverständlich gibt es einen Link zu der englischsprachigen Fassung des wunderbaren Textes von chinesischen Regisseur Jia Zhang-ke. Der steht beim „Filmkrant“ in den Niederlanden.

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Auch ein deutscher Filmregisseur hat sich jetzt als erster zu Wort gemeldet. Klarerweise der schnellste und jüngste von allen, der gerade mal 88 Jahre junge Alexander Kluge. 

Im Deutschlandfunk sprach er über sein gemeinsames Buch, das er mit Ferdinand von Schirach in den letzten Wochen geschrieben hat. Neben der Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen und Opfern geht es darum, ob nach der Krise die Dinge überhaupt anders werden sollen. „In der Krise gibt es so etwas wie eine Sehnsucht, dass es doch eine bessere Welt gebe“, sagt Kluge. 

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Warum kommt der substanziellste Grundsatzbeitrag von einem 88-jährigen? Warum ist kein anderer aus der Filmbranche bisher darauf gekommen, dass man die Systemrelevanz des eigenen Schaffens am Besten dadurch belegen könnte, dass man etwas Systemrelevantes tut? Ich meine jetzt nicht, im Krankenhaus aushelfen, oder Masken basteln, das können andere besser. Sondern denken, schreiben, filmen … 

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Die Kinos kämpfen ums Überleben, die Streamingdienste machen gute Geschäfte im Lockdown. Ein wenig Solidarität mit der Branche sollte da ruhig eingefordert werden, meinen neun Verbände.

Die Filmemacher*innen sitzen zuhause und haben nichts zu tun. Streamingdienste, Netzprovider und Sender profitieren vom Lockdown. Neun Verbände fordern nun eine „Solidaritätsabgabe“ für die Branche. Heute haben sie einen Offenen Brief an die Kulturstaatsministerin, die Kulturministerkonferenz und mehrere Bundestagsabgeordnete geschrieben:

Betrifft: Rettet die Filmkultur! Positionen von neun Interessenverbänden zur FFG Novelle und zur Unterstützung der Filmschaffenden in der Corona-Krise

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Monika Grütters,
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bernd Sibler,
Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages
Elisabeth Motschmann, Martin Rabanus, Yvonne Magwas, Johannes Selle,

wir unterzeichnenden Verbände und Vereinigungen haben großes Verständnis, dass die außergewöhnlichen und für uns alle unerwarteten und belastenden Umstände der Corona-Pandemie auch außergewöhnliche Maßnahmen erfordern.

Wir ersuchen Sie daher, die Laufzeit des aktuellen FFG keinesfalls um mehr als ein Jahr zu verlängern, da wir es für dringend geboten halten, zeitnah ein Gesetz umzusetzen, das schlüssige Antworten auf die Entwicklung und die Krise findet.

Ebenso möchten wir Sie bitten, die Konsultationen zur Novellierung des Gesetzes zeitnah wieder aufzunehmen. Dies kann auch auf kürzeren Wegen als an Runden Tischen geschehen – aber bevor durch Referentenentwürfe bereits Vorfestlegungen vorgenommen werden. Weiterlesen

Folge 11 ist ein guter Einstieg: Weil der Schauspielerin Anne Hoffmann und ihrem Lebensgefährten, dem Künstler Moritz Frei, viele Aufträge weggefallen sind, arbeiten sie jetzt zuhause vor der Fototapete an ihren „Corona Chroniken“. | Screenshot

Erinnert sich noch jemand an die AfD? Kein Wunder: Zur Kultur fiel der Partei während der Corona-Krise bisher nichts ein – außer dem Generalverdacht, dass die Kreativen bei den Hilfsprogrammen betrügen könnten. Und die Mikrostipendien, mit denen Sachsen seinen Künstler*innen helfen will, findet sie auch ungerecht. Daran wird wohl auch der Offene Brief Kölner Dokumentarfilmer*innen an die BKM nichts ändern.

Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. Leider können wir nicht alle persönlich beantworten. 

 

In Sachsen können Künstler*innen seit vorigem Donnerstag Mikrostipendien in Höhe von je 2.000 Euro beantragen. Das Programm „Denkzeit“ soll helfen, „an ihrer künstlerischen Arbeit festzuhalten und individuelle Handlungsansätze für den Umgang mit der Corona-Krise zu entwickeln.“ Zwei Millionen Euro hat der Sächsische Landtag, in dem die Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD die Mehrheit hat, für Künstler*innen aus den Sparten Darstellende und Bildende Kunst, Musik, Literatur und Film bewilligt.
Die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag ist dagegen. „Statt einzelne Randgruppen bevorzugt zu behandeln“, sollten besser Pauschalen „von 1.000 Euro an erwerbstätige Familien mit Kindern“ gehen, schrieb die Partei in einer Pressemitteilung. „Unbürokratische Nothilfe muss für alle Betriebe, die von der Corona-Krise betroffen sind, da sein. Es ist jedoch der falsche Weg, mit unzähligen, intransparenten Förderprogrammen Sonderregeln und Vorteile für einzelne Berufe zu schaffen.“
Damit ignoriert die Partei sämtliche Hilferufe und Berichte zur Situation der Kulturschaffenden (einen guten Überblick bieten vor allem die Brancheninfos der letzten sechs Wochen). Auch auf Bundesebene steht die AfD den Kulturschaffenden misstrauisch gegenüber: Vorige Woche wurde im Kulturausschuss des Bundestags über Soforthilfen beraten. Die einzige Sorge des kulturpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion war lediglich wichtig, dass diese Hilfen von den Kreativen nicht missbraucht werden.
Am 16. März erschien die erste „Corona Brancheninfo“. 95 Pressemitteilungen hat die Bundes-AfD seit diesem Tag herausgegeben. Kein einziger hatte die Kultur zum Thema. Geschweige denn die Kulturschaffenden. 

 

Kulturstaatsministerin Monika Grütters ermöglicht ab sofort Kulturinstitutionen, Honorare für Engagements zu zahlen, die wegen der Coronakrise abgesagt wurden. Die Regelung gilt für Kultureinrichtungen und Projekte, die vom Bund gefördert werden. Bedingung: Das Engagement wurde bis zum Stichtag 15. März 2020 vereinbart. Für Gagen unter 1.000 Euro, kann ein Ausfallhonorar von bis zu 60 Prozent des Nettoentgelts anerkannt werden, bei Gagen über 1.000 Euro maximal 40 Prozent; die Obergrenze des Ausfallhonorars liegt bei 2.500 Euro.
„Jetzt ist es wichtig, dass alle Bundesländer ähnlich verfahren und es den von ihnen geförderten Kulturinstitutionen ebenfalls ermöglichen, Ausfallhonorare zu zahlen“, wird die Kulturstaatsministerin (BKM) in der heutigen Pressemitteilung zitiert. Im Interesse der Künstler*innen „brauchen wir eine möglichst einheitliche Regelung bei Bund, Ländern und Kommunen.“
Die Hilfen für Künstler*innen und Kreative von Bund, Ländern und anderen im Überblick der BKM.

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„Systemsprenger“! Das Debüt der Regisseurin Nora Fingscheidt wurde gleich achtfach mit dem „Deutschen Filmpreis“ ausgezeichnet. | Foto © Weydemann Bros.

Ziemlich sensationell, was am Freitag beim „Deutschen Filmpreis“ passierte: Ein Debütfilm räumte ab, und das gleich achtfach – das hatten in 70 Jahren nur drei Filme geschafft. Leider schaute kaum jemand zu bei der Geistergala im Livestream.

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Alles anders diesmal bei der Lola, staunt „Die Zeit“: Ein Debütfilm bekommt den Hauptpreis, eine Elfjährige den Preis als beste Schauspielerin – und das Ganze auch noch ohne Publikum.
Acht „Lolas“ für „Systemsprenger“. Das Drama von Nora Fingscheidt hat am Freitag beim „Deutschen Filmpreis“ abgeräumt. Nur zwei Filme hatten in 70 Jahren mehr Auszeichnungen.
Eine „Übung im Trockenschwimmen“ nennt die „FAZ“ die „Lola“-Gala im Corona-Stil. Gut gemeint, aber … findet auch die „Berliner Zeitung“ die „Geistergala“. Die „Süddeutsche Zeitung“ findet’s trotzdem „schön und ermutigend“ und sah auch „noch immer dieses Strahlen“: „Leidenschaft und Zusammenhalt der Szene waren spürbarer.“
Nur das Publikum selbst zeigte wenig Interesse am Deutschen Film. 

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Die Krise hat auch gute Effekte: Heute Abend werden die „Lolas“ verliehen. Zum 70. Mal. Aber erstmals live und im Ersten. | Foto © Deutscher Filmpreis

Heute Abend wird zum 70. Mal der „Deutsche Filmpreis“ vergeben. Das soll zum Wochenausklang mal den Vorspann für sich alleine bekommen. 

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Das Wochenende naht, da kommt man früh morgens vor dem Spiegel auf die besten Ideen: Gibt’s denn eigentlich schon eine Website für die originellsten Corona-Masken? Doch eigentlich interessieren uns andere Eigenarten unserer Spezies, darum fragten wir Google nach „stupid things you can do with your corona mask“. 

Wer’s nicht ganz so flach mag, kann ja das Essay „Die Maske“ in der „New York Times“ lesen. Und zwar auf Englisch. 

 

Erstmals live und im Ersten: Heute abend wird der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. Zum 70. Mal. Um 22:30 Uhr geht’s los, der Livestream läuft hier.
Wer die Favoriten bei der Lola-Gala sind, weiß „Der Tagesspiegel“, der RBB aber auch. Und die Deutsche Welle.

Normalerweise lädt „Blickpunkt Film“ die für den besten Film nominierten Produzent*innen zum Roundtable-Gespräch. Dieses Jahr geht das nur nacheinander. Hier antworten Jochen Laube und Fabian Maubach von Sommerhaus Filmproduktion für „Berlin Alexanderplatz“.

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Was wirklich wichtig ist: Die Schauspielerin Jannika Jira erklärt bei #wirspielenzusammen, wie „Self Hugging“ geht. | Screenshot

Erinnern Sie sich noch an die Petition zum Arbeitslosengeld, die viele betrifft, aber noch immer zu wenige unterschrieben haben? Der Geist zumindest wurde offenbar weitergetragen: Die Regierungskoalition will am Arbeitslosengeld drehen und die Bezugsdauer vorübergehend verlängern. Auch im Kulturausschuss wurde gestern die Lage der Kreativen erörtert. Einig waren sich alle Fraktionen: So, wie es ist, reicht es noch nicht!  

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Wir beginnen mit einer frohen Botschaft: Es gibt Bewegung beim Kurzarbeit- (KUG) und Arbeitslosengeld (ALG). Der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD hat sich gestern auf weitere Maßnahmen in der Coronakrise verständigt, darunter auch lange geforderte Erleichterungen für die Filmschaffenden:
# Die Bezugsdauer von ALG1 wird um drei Monate verlängert: Voraussetzung: Man hat bereits vor der Krise ALG1 bezogen, und der Anspruch würde zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember 2020 enden.
# Das KUG wird ab dem 4. Monat auf 70 Prozent, ab dem 7. Monat auf 80 Prozent erhöht – „längstens bis 31. Dezember 2020. Die bereits bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten werden bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet.

 

Was vorige Nacht von den Regierungsparteien abgesprochen wurde, bringt für viele Erleichterung. Doch nicht wenige fallen immer noch durchs Raster, weil sie nicht die nötigen Anwartszeiten zusammenbekommen haben. Vielleicht sollten sie nochmal nachzählen, denn zum Jahresbeginn hat sich da einiges verändert. Der Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug, der mit seiner Künstler-Kanzlei Filmschaffende in arbeitsrechtlichen Fragen berät und vertritt, erklärt, was neu und besser ist:

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Einer der besten deutschen Filme aller Zeiten: Rudolf Thomés „Rote Sonne“ von 1970. | Foto © Arthaus

Politik in Zeiten demokratischer Zumutungen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 22.

„Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung.“
Angela Merkel

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Paulus

„Now this is not the end. It is not even the beginning of the end. But it is, perhaps, the end of the beginning.“ 
Winston Churchill

 

Wir alle kennen inzwischen Alexander S. Kekulé. Manche sind richtige Fans, und schreiben auf Facebook vom Camp Kekulé, andere gehören eher zur Boygroup von Christian Drosten. Wie die beiden sich eigentlich inhaltlich unterscheiden, kann man gar nicht so genau sagen, es geht eher um Stilfragen. Und die hängen wieder damit zusammen, dass der eine „drinnen“ ist, der andere „draußen“. Und auch wenn der Münchner Kekulé erklärter Fan des FC Bayern ist, ist er hier eher der Homo Novus, der mächtige. mit ein wenig Ressentiment ausgestattete Außenseiter, so eine Art RB Leipzig der Virologie. Drosten Regierungsberater, Kekulé Möchtegernregierungsberater. 

Kekulé hat viele interessante, zum Teil filmaffine Verwandte, und es würde sich lohnen, hier einmal richtig in Ruhe nachzuforschen: Der Uropa August Kekulé einer der Begründer der modernen Chemie, der Opa Oswald Urchs ein Nazi, der für die IG Farben in Indien tätig war und den Spitznamen „Gauleiter von Indien“ trug, Mutter und Vater Autoren und Filmemacher, Stiefvater auch Filmemacher, eine weitere Anverwandte (seine Tante?) eine der drei WG-Genossinnen von Uschi Obermeier in Rudolf Thomés „Rote Sonne“, einem der besten deutschen Filme aller Zeiten.

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Corona in Grafiken: „Die Zeit“ zeigt anhand von Daten, wie das Virus unseren Alltag verändert | Screenshot

Kultur ist wichtig! So schmettert es seit Beginn der Krise so oft durchs Land wie nie zuvor. Nur ganz oben, hinter verschlossenen Türen, wird anscheinend Klartext geredet: Während der Sitzung des CDU-Präsidiums am Montag soll die Kanzlerin gesagt haben, was wirklich zählt – und was eher doch nicht ganz so wichtig ist. Gezählt haben wir auch und verraten die ersten Daten aus der Kurzumfrage zur Lage der Filmschaffenden in der Corona-Krise.  

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Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für die Film- und Fernsehschaffenden? Und wie wirksam sind die Soforthilfe-Maßnahmen? Darum ging’s in der Kurzumfrage, die Jörg Langer mit Unterstützung von AG Dok, BFS, BVFK, Crew United und Fair TV führte. 3.921 Filmschaffende hatten es durch den Fragenkatalog geschafft, Durchschnittsalter: 36 Jahre. Und damit beginnen auch schon die Daten, die gewonnen werden sollten. Eine erste, noch sehr schnelle Auswertung auf Bundesebene liegt uns vor, das endgültige Ergebnis ist Ende nächster Woche zu erwarten.

Der Großteil der Befragten verteilt sich gleichmäßig auf zwei Gruppen: 44,1% sind auf Produktionsdauer beschäftigt, 42,7% selbständig (Soloselbständige, Freiberufler*innen, Einzelunternehmer*innen).
37,9% sind „unterschiedlich tätig“ und arbeiten mal auf Lohnsteuerkarte, mal auf Rechnung. Nur 5,2% beschäftigen Angestellte.

Die Corona-Pandemie-Maßnahmen werden sich bei fast allen negativ auf das Einkommen auswirken:
12,6% befürchten, in diesem Jahr überhaupt kein Einkommen mehr zu haben,
67,0% ein beträchtliches Sinken des Einkommens,
12,8% ein leichtes Sinken.

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Gleich zwei Beiträge widmete das „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF heute den Sorgen der Filmbranche. Und nicht nur das Fernsehen bemerkt die Lücken in den Hilfsprogrammen. | Screenshot

In Bayern gibt’s jetzt sowas wie ein bedingungsloses Mini-Grundeinkommen auf Zeit für Künsterler*innen in der Corona-Krise. Nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland, das auf die Notrufe gehört hat. Und auch Zeitungen und Fernsehen beschäftigten sich heute ausführlich mit den besonderen Problemen der Branche und ihrer Filmschaffenden. Nur die Kulturstaatsministerin hält Hartz IV immer noch für eine gute Alternative. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. 

 

Morgen hätte es losgehen sollen, doch aus aktuellem Anlass wird der zweite Kongress zur „Zukunft Deutscher Film“ frühestens im Herbst stattfinden. „Perspektiven der deutschen Film- und Kinokultur“ sollen trotzdem diskutiert werden: Gestern startete das Lichter Filmfest seinen Podcast zum Kongress – und fragte uns. „Der Deutsche Film – schon wieder in der Krise und diesmal richtig!“ heißt die erste Folge. Jenni Zylka sprach mit Oliver Zenglein, Geschäftsführer von Crew United, und Peter Hartig, Herausgeber von „cinearte“.

 

Ein letztes Mal drängeln wir noch: Heute nacht schließt unsere Kurzumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Filmschaffenden. Jede Antwort ist wichtig.

 

Auch Bayern greift jetzt zur praktischen Lösung und zahlt Künstler*innen in der Corona-Krise 1.000 Euro pro Monat, und zwar drei Monate lang. Das verkündete Ministerpräsident Markus Söder heute in seiner zweiten Regierungserklärung zur Pandemie im Landtag. Unterstützt werden seiner Formulierung zufolge aber ausschließlich die rund 30.000 Künstler, „die auch in der Künstlersozialkasse organisiert“ seien.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft in München findet das eine „echte Verbesserung“, die sie übrigens selber angestoßen habe. Allerdings hätte man sich einen höheren Betrag wie in Baden-Württemberg gewünscht – dort gibt es 1.180 Euro. Zudem sollten „die Hilfen für alle Soloselbstständigen gelten, unabhängig davon, ob sie Mitglied in der Künstlersozialkasse sind.“  Weiterlesen

Knapp 130 Millionen US-Dollar haben Popstars mit ihrem Wohltätigkeitskonzert „One World: Together at Home“ für die Weltgesundheitsorganisation gesammelt. Und schon ist die Welt wieder ein bisschen besser geworden. | Screenshot

Not & Spiele: Öffnungsdiskussionsorgien, Corona-Moralismus und Aufmärsche: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 19. 

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“
Friedrich Nietzsche

„Kommunikation ist das, was ankommt.“
Markus Lanz 

 

„Eine Lebenshymne“, sagte Igor Levit, sei Beethovens „Waldsteinsonate“. Wer es noch nicht bekommen oder es im Corona-Stress einfach wieder vergessen hat (kann passieren), den möchte ich hier mal daran erinnern, dass dieser sehr besondere Pianist während unser aller Corona-Zeit, die ins Beethoven-Jubiläumsjahr fällt, aus seinem Home-Office jeden Abend gegen 19 Uhr „Hauskonzerte“ gibt, in denen er Beethoven-Sonaten spielt. Vorige Woche tat er das ausnahmsweise woanders, nämlich in „Schloß Bellevue“ auf Einladung des Bundespräsidenten. Als Anregung, auch die anderen Konzerte nachzuhören, hier der Link zu diesem Termin. 

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Es lohnt sich immer noch, „Extra 3“ und die „Heute Show“ anzusehen. Allerdings sind beide Formate genau genommen weniger lustig, als auch die Intendanten glauben. Weil das, wovon sie erzählen, eigentlich sehr ernst und sehr nahe an der Wahrheit ist. 

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Das kann man von der „Jauch-Gottschalk-Schöneberger-Show“ auf RTL nicht behaupten. Dafür, dass es dann doch noch ernst wird, sorgte dann nach der Sendung die biedere Mehrheit der deutschen Medienöffentlichkeit. 

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