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Bücher und DVD gibt’s nicht nur bei Amazon. Auch klassisch Buchhandlungen bieten Telefon- und Onlinebestellungen mit Lieferservice an. Nicht nur in den Metropolen. | Foto © Buchhandlung Collibri

Wenn der Notfall da ist, kann man ihn nicht vorbereiten. Handeln kann man aber trotzdem: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 06.

„Unsere Körper pulsieren im Beat der Angst.“
Sasha Marianna Salzmann 

 

Hattet ihr, liebe Leser, ein angenehmes Wochenende? Wie ist es auf der Insel namens Corona-Island? Sonnig am Samstag, kalt am Sonntag. Wer hat den Online-Gottesdienst besucht, für wen war es ein Werktag im Heimat-Büro, äh Home Office? Wer ist rausgegangen und wer kommt schon auf zweistellige Tage im geschlossenen Pandemie-Knast? In den 70er-Jahren kam bei der politischen Linken, die mit den „politischen Gefangenen“ der RAF sympathisierte, der Ausdruck „Isolationsfolter“ auf. Wenn man denen gesagt hätte: Das ist doch „Social Distancing“, das würde uns allen ganz gut tun, hätte es zynisch geklungen. Heute meinen das nicht wenige ernst – jedenfalls den letzten Satz. Bin gespannt, wann der Ausdruck „Isolationsfolter“ wieder in Mode kommt. Kann nicht mehr lange dauern – wetten das?

Und für wen ist Corona-Island wie ein Gang in eine riesige Bibliothek oder Mediathek? Oder bleibt man einfach im Bett? Schon Lagerkoller? 

Ein bisschen entwickelt man wohl auch das Gefühl einer Weltraumfahrt: Völlig losgelöst, von der Erde, fliegt das Raaaaauuuumschiff …“ Man kann sich verlieren – keine Ground Control für den Major Tom in uns allen. Das Lied von David Bowie habe ich am Samstag gehört, ein Lokal, das in Berlin-Mitte Straßenverkauf macht, hatte gedacht: Da machen wir doch gleich noch Samstagsnachmittagsdisko für die ganze Straße.Immerhin war die Musik gut.

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Eine Online-Plattform sammelt Ideen von Kinos für Kinos, die durch die Krise helfen sollen.? | Foto © Kur-Theater Hennef

Ab heute sollen die Hilfen fließen. Derweil schafft die Diskussion ums Kurzarbeitergeld weiter Unsicherheit, und manche halten es gar für Zeit, den Stillstand zu beenden. Die gute Nachricht: Die Lage der Filmarbeiter ist Dauerthema in den Medien.  Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare.

 

Die Kurve zeigt weiterhin steil nach oben, die Diskussion, wie es weitergehen soll, ist schon im Gange. Der Virologe  Alexander Kekulé macht Vorschläge, wie der Stillstand beendet werden könne.

Die Produzentin Meike Kordes mahnt, die Zeit nach der Krise nicht aus den Augen zu verlieren – und schon jetzt geplante Fördersitzungen abzuhalten.

Die Corona-Epidemie kostet zahlreiche Leben, die drohende Wirtschaftskrise aber auch, meint der Regisseur Dietrich Brüggemann („3 Zimmer Küche Bad“) in seinem Blog. Das zweite Szenario hält er „für deutlich gravierender“. 

Covid-19 ist schlimm. Manche meinen, es gibt Schlimmeres, und möchten sich dem Coronavirus mit dem Wirtschaftswunder entgegenstemmen. »Ein interessantes Experiment!“ meint Thomas Fischer in seiner „Spiegel“-Kolumne.

Politik in Zeiten von Corona darf sich nicht in Krisenbewältigung erschöpfen. Sie muss auch Zukunft gestalten, meint der Politik-Professor Hans-Jörg Sigwart: Die aktuelle Krise erfordere eine demokratische und eine zur Utopie fähige Politik.

Damit all die Anzeigen und Anträge möglichst schnell bearbeitet werden, hat die Arbeitsagentur in Hamburg inzwischen die 40-Stunden-Woche für ihre Mitarbeiter aufgehoben. Freiwillige durften auch am Samstag arbeiten, die zuständige Abteilung wurde mit Kollegen aus anderen Bereichen verstärkt. Trotzdem dauere es 10 bis 15 Werktage, bis Unternehmen eine Rückmeldung bekommen.

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Jeder Zyniker ist nur ein enttäuschter Moralist, lässt Susanne Heinrich in ihrem Film „Das melancholische Mädchen“ sagen. Nein, ein Zyniker will unser Kolumnist nicht sein. | Foto © Stadtkino

Lese-, Hör- und Streamingtips fürs blogfreie Wochenende, Hilfe für eine Schauspielerin und ein paar Sätze in eigener Sache – Apokalyptiker & Integrierte; Gedanken in der Pandemie 05.

 

„The streets are that empty. It seems as though the bulk of the city has retreated to their quarters, rightfully so. At this time, it seems very poignant to avoid all public spaces. Even the bars, as I told Hemingway, but to that he punched me in the stomach, to which I asked if he had washed his hands. He hadn’t. He is much the denier, that one. Why, he considers the virus to be just influenza. I’m curious of his sources.“
Der US-Schriftsteller F. Scott Fitzgerald über sich und seinen Freund Ernest Hemingway während der Spanischen Grippe – leider zu schön, um wahr zu sein.

 

Fake News gibt es viele. So auch leider, leider dieses wunderbare Zitat von Francis Scott Fitzgerald, das in den letzten Tagen durch die Medien geisterte. Auch die „Taz“ ist ihm aufgesessen, reagiert aber souverän: „Warum soll man denn Fakes vergessen, Non-Fakes aber nicht? Das war mal genau andersherum: Als Romane noch buchstäblich ergreifend waren, und Zeitungen eher was für den ebenso schnell- wie leichtgläubigen Plebs.“ schreibt „Taz“-Autor Ralf Sotschek. Recht hat er.

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Eigentlich wollte ich heute mal nur über schöne Dinge schreiben. Aber das ist nicht ganz so einfach in Corona-Zeiten. 

So muss ich zuerst eine Schauspielerin erwähnen, der es gerade nicht gut geht, nicht zuletzt in der Hoffnung dass wir alle ihr helfen können. Es handelt sich um Halima Ilter. Sie kommt aus Berlin und ist Deutsche. In den letzten Wochen hat sie im kurdischen Teil des Irak (oder im irakischen Kurdistan, das ist egal jetzt) mit einer spanischen Crew einen Film gedreht. Jetzt wollte sie zurück, alle Flüge sind gecancelt, und das deutsche Konsulat in Erbil hat sich (anscheinend auch in nicht eben freundlichen Worten) geweigert, ihr zu helfen oder auch nur Unterkunft zu besorgen – warum auch immer. Nun muss sie im spanischen Konsulat wohnen. 

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Wir wollen nicht angeben mit unserer Collage. Sondern uns damit einfach mal zurückbedanken für die vielen Dankeschöns auf unsere Brancheninfos. Das spornt uns an. | Collage © cinearte

Die überall angekündigten Hilfsprogramme sind da (oder zumindest fast), Unsicherheit herrscht weiterhin in Sachen Kurzarbeit. Und wir schildern ein Beispiel, wie man die Krise zum Guten nutzen kann. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Der Bundespräsident hat heute das Gesetzespaket mit den Milliardenhilfen in der Corona-Krise unterzeichnet. Die Gesetze müssen jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, dann soll die Hilfe rollen. 

Doch wie funktionieren diese und ähnlich Hilfsmaßnahmen in der Praxis? Wir bitten alle, die bereits Erfahrungen mit den Soforthilfen aller Art gemacht haben, um eine Einschätzung beziehungsweise einen Erfahrungsbericht.

 

Seit dieser Woche gibt es einen Kurzarbeit-Tarifvertrag für die Branche. Und der schafft weitere Unsicherheit. Die Berufsverbände prüfen noch, Juristen auf beiden Seiten sehen Probleme und zu viele offene Fragen. Und wie viele Fragen tatsächlich noch offen sind, erfahren wir seitdem in ratlosen E-Mails von Betroffenen. Die Antworten wissen wir auch nicht. Zum Ende der Woche scheinen uns aber folgende Hinweise für Betroffene, also alle Filmschaffende, die einen laufenden Vertrag haben, hilfreich zu sein:

# Überstürzt nichts.
# Erstmal keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung unterschreiben, die sich auf diesen Tarifvertrag beziehen, denn die Gageneinbußen und die „Anordnung“ scheinen zu groß zu sein. Für Verdi-Mitglieder kann die Kurzarbeit natürlich angeordnet werden.
# Die Entwicklung der nächsten Tage und die Einschätzungen und Empfehlungen der Berufsverbände abwarten.
# Solange keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung vom Filmschaffenden unterschrieben wurde, läuft der Gagenanspruch in vereinbarter Höhe weiter. Erst durch eine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung verliert man diesen.
# Lieber keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarungen unterschreiben, die irgendeine Änderung oder Verkürzung der Vertragslaufzeit zur Folge haben könnten. Die Verträge laufen ja nicht etwa zu dem in den Verträgen meistens „voraussichtlich“ genannten Termin aus, sondern erst mit der tatsächlichen Fertigstellung des Films. Es handelt sich bei den Verträgen in der Regel nicht um zeitlich befristete Verträge, sondern um „zweckbefristete“. Erst mit der Fertigstellung der Produktion wird deren Zweck erreicht und das Arbeitsverhältnis beendet. Daher heißt der Tarifvertrag ja auch „für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende“.
# Vor dem Unterschreiben die Vereinbarung möglichst von einem Rechtsanwalt oder einer Einrichtung, die rechtsberatend tätig sein darf, prüfen lassen.

 

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„Isadoras Kinder“ gewann in Locarno den Regie-Preis und sollte eigentlich im April in die deutschen Kinos kommen. Doch die sind nun geschlossen. Die Verleiher haben sich darum etwas Neues ausgedacht. | Foto © Eksystent

Die Kinos sind geschlossen. Eine Filmerfahrung, die man in der Regel gemeinsam erlebt, wird so eine ganze Weile lang nicht mehr stattfinden. Darunter leiden die Kinos und ihre Betreiber und ihre Mitarbeiter*innen. Darunter leiden die Verleihfirmen, und mitnichten sind das nur die Majors. Und Filmemacher*innen, die lange auf einen Kinostart hingearbeitet haben, werden geradezu unsichtbar. In Zeiten, wo der nächste Film als Heimkino nur einen Klick bei den großen Streamingdiensten entfernt ist, braucht es besondere Anstrengungen Präzens zu zeigen – auch um den Kontakt zum Publikum nicht zu verlieren. Was tun?

Grandfilm, ein kleiner Verleih aus Nürnberg machte den Anfang. Da trudelte eine Pressemitteilung in die Mailbox, bereits am 17. März, dass sie jetzt einen Vimeo-Channel eröffnet hätten. Der Geschäftsführer von Grandfilm, Patrick Horn, formuliert es in der Mitteilung so: „Es ist ein Zeichen der Solidarität, die Kinos sind genauso wie wir Verleiher existenziell von dem aktuellen Lockdown betroffen. Wir wollen nun ein Zeichen setzen und bieten über Vimeo unsere Filme zu minimalen Vertriebskosten an. Die Einnahmen werden wir mit den von den Ausfällen unserer Kinostarts betroffenen Kinos teilen. Wir hoffen auf all die Kinozuschauer*innen zuhause und appellieren an deren Solidarität.“

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In Wolfgang Petersens „Outbreak“ ließ sich die Pandemie noch in 127 Minuten besiegen. Das war 1995. | Foto © Warner Brothers

Von kommenden Dingen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 04. 

„Wir sind gesessen, ein leichtes Geschlechte / In Häusern, die für unzerstörbare galten
(So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
Und die dünnen Antennen, die das atlantische Meer unterhalten). 

Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie / Hindurchging, der Wind!
Fröhlich machet das Haus den Esser: Er leert es. / Wir wissen, daß wir Vorläufige sind /
Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes. 

Bei den Erdbeben, die kommen werden, werde ich hoffentlich /
Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit
Ich, Bertolt Brecht, in die Asphaltstädte verschlagen /
Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter in früher Zeit“
Bertold Brecht

 

„Wenn die Ressourcen nicht ausreichen, muss unausweichlich entschieden werden, welche intensivpflichtigen Patienten akut-/intensivmedizinisch behandelt und welche nicht (oder nicht mehr) akut-/intensivmedizinisch behandelt werden sollen. Dies bedeutet eine Einschränkung der sonst gebotenen patientenzentrierten Behandlungsentscheidungen, was enorme emotionale und moralische Herausforderungen für das Behandlungsteam darstellt.“
Empfehlungen zur Ressourcenzuteilung in Notfall- und Intensivmedizin bei Covid-19-Pandemie

Als ich gestern über die wattierte Melancholie dieser Tage geschrieben habe, meinte ich: Die dumpfe Erwartung des Kommenden. Das seltsam Irreale des Geschehens. Die coole Apokalyptik, die zum Beispiel das oben zitierte Brecht-Gedicht durchzieht. Die coole Pragmatik der Handlungsempfehlungen für Intensivmediziner.

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Die Kinos haben geschlossen. Einige Arthaus-Verleiher setzen darum auf den Stream – und wollen mit den Kinos teilen. Und in Berlin gibt es jetzt sogar eine Crowdfunding-Kampagne. | Foto © Yorck Kinogruppe

Draußen wird’s ernster, es herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Derweil regen sich auch schon Stimmen gegen den verordneten Stillstand. Mit weiteren Petitionen und Initiativen organisieren sich Teile der Branche. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Die Welt kommt zum Stillstand. Die Corona-Krise bringt den Verkehr zum Erliegen. Wie weit, zeigt „Der Spiegel“ mit teils interaktiven Grafiken. 

Wegen des Corona-Virus wird die Wirtschaft weltweit heruntergefahren. Doch irgendwann ist das wieder vorbei. Und die Kolumnistin „Der Zeit“ überlegt: „Was aber müsste passieren, damit die Politiker nicht einfach versuchen, jenes Deutschland, das wir vor der Krise hatten, möglichst weitgehend wiederherzustellen? Was braucht das Land, um nicht nur die Corona-Krise, sondern auch andere Krisen zu meistern?“

Einige fordern schon den großen Lockdown, andere meinen, es müsse langsam gut sein mit den Einschränkungen – eine Wirtschaftskrise droht. Ein Bericht zur Talkrunde bei „Maischberger Die Woche“.  

Konsequent bis zum Schluss gibt sich der Vizegouverneur von Texas: Das Wichtigste sei, dass die Wirtschaft weiterläuft, sagt Dan Patrick. Dafür würde er sogar sein Leben geben.

Der US-Forscher Anthony Fauci hingegen sei „die Stimme der Vernunft im Chor der Unvernünftigen“, meint „Der Spiegel“.

Und in Italien verzweifeln Bürgermeister an der Vernunft.

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Sebastian Höglinger (links) und Peter Schernhuber leiten seit 2016 die Diagonale. Theodor W. Adorno starb 1969. | Foto © Diagonale, Natascha Unkart

Loggt Euch alle ein! Filmfestivals als Lebensmittel: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 02.

„Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung.“
„Mir nicht.“
Theodor W. Adorno im Gespräch mit dem „Spiegel“ vom 5. Mai 1969.

„Wir möchten uns gegen eine Kunst und Kulturszene verwehren, die bloß anlassspezifisch, tagesaktuell und themenorientiert politisch agiert. Die Zusammenhänge sind komplexer. Und bedürfen des Zweifels. Wo er fehlt, regiert die Unsicherheit, von der uns gegenwärtig viel zu viel umgibt.“
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber 2016 in ihrer ersten Diagonale-Eröffnungsrede.

 

Am Dienstag-Abend wurde die „Diagonale“ in Graz eröffnet, das wichtigste „Festival des österreichischen Films“ und eine der Veranstaltungen, auf die ich mich in den letzten Jahren immer gefreut habe. Graz ist so etwas wie der Frühlingsanfang des Filmjahres. Hier in der zweitgrößten Stadt Österreichs in der südlichen Steiermark ist es schon wärmer, man kann außer im Kino auch draußen in der Sonne sitzen, und die Filme sind sehr gut. Auch 2020 werde ich die Diagonale besuchen.

Aber wie bitte? Was heißt das: „besuchen“, „eröffnet“? Schließlich gelten in Österreich noch strengere Ausgangsregeln und Pandemie-Einschränkungen. Was soll es also, was ist gemeint?

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Um den Filmkunstkinos in der Coronakrise zu helfen, verdoppelt das Medienboard Berlins-Brandenburg dieses Jahr die Prämien seiner „Kinoprogrammpreise“ und vergibt eine Soforthilfe. | Foto © RBB

Das Coronavirus verbreitet sich weiter, die Gegenmaßnahmen sind ab heute bundesweit strenger geworden. Zugleich hat die Bundesregierung ihre Hilfspakete genauer vorgestellt. Und wir erweitern unsere Brancheninfos mit einem Blog: Der Filmjournalist Rüdiger Suchsland (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen) macht sich nun täglich zum Abschluss seine „Gedanken in der Pandemie“.  

Das Festival von Cannes ist nun offiziell abgesagt oder vielleicht auch nur verschoben. 

An den Kleinigkeiten merkt man, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht. Im Postfach lag heute zwischen vielen Antworten auf unsere Brancheninfos auch die übliche Viagra-Mail, vorigen Donnerstag wollte uns ein nigerianischer Prinz gleich mehrere Millionen Dollar überweisen. 

 

Die Bundesregierung hat sich gestern mit den Ländern beraten, ein milliardenschweres Hilfspaket beschlossen (siehe unten) und eine Kontaktsperre erlassen: Draußen nur noch zu zweit. Was drinnen vorgeht, bleibt noch jedem selbst überlassen. Bleibt zu hoffen, dass alle verstehen: „Draußen zu zweit“ heißt nicht, dass ich heute Jessica treffe, morgen Heinz und den Rest der Woche all die anderen, der Reihe nach …

Bayern bleibt hingegen bei der angeblich schärferen Ausgangsbeschränkung. Ministerpräsident Markus Söder verteidigte heute morgen im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF sein Vorpreschen: Innerhalb Deutschlands sei „die Betroffenheit auch sehr unterschiedlich“, darum sei es nur natürlich, dass grenznahe Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und das Saarland früher Schutzmaßnahmen ergriffen hätten – das sei ja auch eine Stärke des Föderalismus.

„Wir schreiben diese Zeilen in einer Zeit größter Verunsicherung und Undurchsichtigkeit, einer Zeit, in der sich Affekte und Denken kaum noch trennen lassen, einer Zeit des Nicht-Wissens. Das einzige, was kollektives Nachdenken in diesen Zeiten stiften kann, ist vorläufige Orientierung. Es gibt keine letztgültigen Antworten, weder auf die Frage, was uns bevorsteht und was zu tun ist, noch auf die Frage, wie sich die politischen Prozesse dieser Tage beschreiben lassen.“ Die Wochenzeitung „Der Freitag“ wagt es trotzdem, denkt über die Krise und gewohnte Muster hinaus und an die Zukunft von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft. 

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caption=“Auch das Deutsche Filmmuseum ist wegen Corona geschlossen. Stattdessen bietet es jetzt Filmkultur online. | Screenshot“

Immer lauter wird der Ruf nach einem allgemeinen Drehstopp. Viele Produktionen haben bereits selbst reagiert. Es gibt keine einheitlichen Regelungen. Derweil werden weitere Hilfspakete versprochen. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen). Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen. Aber man wird wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen genauso weiterführen, wie man sie jetzt gestartet hat. Man wird nachjustieren können und müssen. Man muss dann einzelne Dinge zurückfahren. Aber während der ersten Phase von jetzt bis zur Woche nach Ostern muss man wirklich konsequent handeln und gleichzeitig die Fallentwicklung beobachten“, sagt der Virologe Christian Drosten heute im Interview mit der „Zeit“. Ein Gespräch über Ausgangssperren, die Dauer der Krise – und wie sie unser Leben verändert.

In Bayern gelten ab morgen Ausgangsbeschränkungen. Damit prescht Bayern vor, doch der drastische Schritt wurde auch von der Bundesregierung diese Woche nicht mehr ausgeschlossen. Weil zu viele Menschen die Lage immer noch nicht ernst nehmen und sich draußen in Gruppen treffen. Dies sei nicht zu akzeptieren, meinte  Ministerpräsident Markus Söder für Bayern. 

 

Die Filmbranche könnte solche klaren Ansagen gebrauchen. Noch sind Dreharbeiten nur im öffentlichen Raum untersagt, aber auch das anscheinend noch nicht überall. Die zuständigen Institutionen pendeln zwischen Hilflosigkeit und Ignoranz.

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#wirbleibenzuhause: Auf Youtube melden sich die Nachbarn aus Österreich zu Wort. | Screenshot

Reihenweise schalten Produktionen auf Pause oder werden abgesagt, an anderen Orten wird noch gedreht. Die Lage ist unübersichtlich, Produzent*innen können und müssen noch selbst entscheiden. An vielen Filmschaffenden gehen die versprochenen Hilfsmaßnahmen vorbei. Bei der Suche nach Lösungen kommt auch ein umstrittenes Konzept wieder in die Diskussion. Wir danken Ihnen für Ihre Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen). 

Zur Einstimmung ein kurzes Video. 

Gestern tagte in Wiesbaden der Krisenstab der Hessischen Landesregierung. Der wurde 2005 geschaffen, um „für die Bewältigung einer landesweiten Lage von politischer Bedeutung“ die Maßnahmen quer durch alle Ressorts zentral zu steuern.

Es ist das erste Mal, dass der Krisenstab zusammengerufen wurde, sagte uns ein leitender Mitarbeiter der Landesverwaltung. „Das gab es bisher in Hessen noch nie und zeigt nochmals den Ernst der Lage.“

„Wir haben vollstes Verständnis für die Entscheidung der Produzenten, die Dreharbeiten vorerst um einige Wochen zu verschieben […] Wir sind es in unserem Projektgeschäft gewohnt, flexibel auf solche Situationen wie Verzögerungen, Verschiebungen oder Abbrüche zu reagieren. Das Personal auf den Projekten wird zum Teil weiterbeschäftigt. Bei einem Teil der Crew handelt es sich um Freelancer, zum Beispiel Handwerker, die auch nicht filmbezogene Aufträge annehmen, bei denen wir nur hoffen können, dass sie uns bei der Wiederaufnahme der Produktion noch zur Verfügung stehen.“ So zitierte die Süddeutsche Zeitung gestern Studio Babelsberg und versuchte einen Überblick der gegenwärtigen Produktionslandschaft. Der Titel ist Programm: „Wir machen weiter, solang es geht“.

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Den aktuellen Corona-Stand in Deutschland zeigt eine Karte, die nach den Daten des Robert-Koch-Instituts ständig aktualisiert wird. Sie hängt allerdings mindestens einen Tag hinterher. | Screenshot

Zahlreiche Fragen und Ergänzungen haben wir auf die erste Brancheninfo zum Coronavirus erhalten. Einige werden in der heutigen zweiten Folge beantwortet, auf die anderen werden wir in den kommenden Tagen eingehen. Allerdings: Detaillierte Antworten zu Einzelfällen können wir nicht liefern. Für eine individuelle arbeitsrechtliche Einschätzung verweisen wir an Berufsverbände, Gewerkschaften und Berater. Wir danken Ihnen für Ihre Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. 

Am Montag Nachmittag hat auch die Bundesregierung drastischere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus erlassen. Das öffentliche Leben wird stark eingeschränkt, Dreharbeiten außerhalb von Studios dürften somit in ganz Deutschland nicht mehr möglich sein.

Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung berichteten heute dazu.

Eine Übersicht der internationalen und deutschen Risikogebiete hat das Robert-Koch-Institut (RKI) zusammengestellt. Den aktuellen Stand in Deutschland zeigt eine Karte, die auf Basis der Daten des RKI aktualisiert wird, hängt damit allerdings mindestens einen Tag hinterher.

Reisewarnungen und Hinweise gibt das Auswärtige Amt.

Die Probleme der Produzenten mit dem Coronavirus schildert Jan Philip Lange (Junifilm) in Blickpunkt:Film: Ausfallversicherungen greifen nicht bei höherer Gewalt wie einer Pandemie. Er mahnt eine Lösung an: „Wenn Staat und Filmförderungen hier mit den Filmversicherern kooperieren und eine Art branchenspezifische Rückversicherung bilden könnten, wäre meines Erachstens viel gewonnen. Ziel müsste sein, dass die Filmversicherer wieder Deckung im Schadensfall auch durch Corona zusagen können und sich in einem Schadensfall dann an Staat und Förderer als Rückversicherer wenden können.“

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Die Deutsche Filmakademie fordert einen echten Neuanfang des Fördersystems: „Spätestens jetzt muss allen Beteiligten klar werden, dass die jahrzehntelange Politik des mehr oder weniger ,Immer-weiter-so‘ gescheitert ist.“ | Foto © Florian Liedel, Deutsche Filmakademie

Die Deutsche Filmakademie hatte schon früh Stellung zum anstehenden Filmförderungsgesetz genommen. Im April 2019 hatte sie ein düsteres Bild der deutschen Filmlandschaft skizziert. Das sollte aber noch nicht alles gewesen sein: ein zweiter Teil mit konkreten Vorschlägen sollte folgen, wenn die Diskussion der Kinofilmverbände in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) gelaufen ist. Auch die Deutsche Filmakademie gehört dem Dachverband von 20 Interessen- und Berufsverbänden an. Darauf nimmt sie in ihrer Stellungnahme allerdings wenig Rücksicht.
Die Ausgangssituation, die die Filmakademie schildert, ist bekannt: Das Publikum, vor allem das Jüngere, zieht es immer weniger ins Kino und erst recht nicht in deutsche Filme. Die Konkurrenz „durch die neuen Formen des ,Home-Entertainments‘ verschärft den Abwärtstrend – und ist selbst für Filmemacher attraktiver. Auf der anderen Seite sinkt das Budget der Filmförderungsanstalt (FFA) und wird noch weiter sinken. Damit habe sie noch weniger Möglichkeiten, „,die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films‘ nach den Vorstellungen der Filmbranche selber zu fördern.“

Kurz: „Der schleichenden finanziellen Krise der FFA entspricht in vielfältiger Weise auch eine inhaltliche Schwächung des Kinofilms.“

Das muss nicht so sein! Die Deutsche Filmakademie glaubt ganz fest an das Kino, der Film sei „als genuine erzählerische Form noch lange nicht ,tot‘“. Andere Länder und hin und wieder ein Erfolgsfilm aus heimischer Produktion machten es ja vor. Auch vor dem Streaming-Boom hat die Filmakademie keine Angst: „In den hervorragenden Beispielen deutscher Serienproduktion für die neuen Plattformen erkennen wir eine Chance für das Kino, da diese Serien von der Kraft und dem Einfallsreichtum deutscher Filmemacherinnen und -macher im globalen Wettbewerb um das Publikum zeugen.“

Kurz: Die Zuschauer*innen würden schon tolle Kinofilme ansehen, die Filmemacher*innen könnten sie schon drehen. An beiden liegt es anscheinend nicht.

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Eine Sensation: Zum ersten Mal in den 92 Ausgaben der „Oscars“ eine nicht-englischsprachige Produktion die höchste Auszeichnung für den besten Film gewonnen! Und nicht nur das: Die süd-koreanische Gesellschaftssatire „Parasite“ wurde auch für Regie, Drehbuch und als bester internationaler Film prämiert. Dass ein einzelner Filmemacher gleich vier Goldmännchen entgegennehmen darf, hatte bislang nur Walt Disney geschafft. Doch der hatte dafür 1954 vier verschiedene Filme gebraucht. | Foto: Koch Films

„Man ist am krea­tivsten, wenn man am persön­lichsten ist. Das habe ich bereits auf der Film­schule gelernt.“ Also sprach der Koreaner Joon-ho Bong in einer seiner gleich vier Dankes­reden gestern Abend. Diesen Satz sollte sich die ganze Film­in­dus­trie hinter die Ohren schreiben – in einer Epoche, die von zuneh­mender Forma­tie­rung geprägt ist, in der die CEO und Controller die Macht über die Kreativen haben.
Danach hob Bong gleich zwei nomi­nierte US-Regis­seure heraus und bedankte sich bei ihnen: Martin Scorsese „In der Filmuni habe ich seine Filme studiert“ und Quentin Tarantino – „Als niemand in den USA meinen Namen kannte, hatte er meine Filme immer in seinen Besten­listen.“

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Es war ein Durch­marsch für den Außen­seiter: Joon-ho Bong, Jahrgang 1969, der inter­na­tional bekann­teste Filme­ma­cher Süd-Koreas, gewinnt für seinen Film „Parasite“ gleich vier „Oscars“, und das auch noch in den wich­tigsten Kate­go­rien: bester Film, bbeste Regie, bestes Drehbuch und bester inter­na­tio­naler Film.
Kaum einer hätte es vorher erwartet, aber so wurde es eine histo­ri­sche „Oscar“-Nacht, und eine Preis­ver­lei­hung der Über­ra­schungen. Denn diese Preis­ver­lei­hung ist ein deut­li­ches Miss­trau­ens­votum gegen gewisse Tendenzen des Gegen­warts­kinos: Etwa gegen die allzu wohlfeile, allzu nost­al­gi­sche Flucht weiter Teile des Kinos ins Histo­ri­sche, oft Geschmäck­le­ri­sche.
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Immer wieder greift die AfD die Filmbranche an. Der Kampf um die Kultur tobt schon längst. | Montage: cinearte

Bei der Verleihung der „First Steps Awards“ hatte Ulrich Matthes Klartext gesprochen: Die AfD sei „eine rechtsradikale, demokratiefeindliche, parlamentarismusfeindliche, kunstfeindliche, rassistische, antisemitische Partei“, erklärte der Präsident der Deutschen Filmakademie in seiner Eröffnungsrede. Sollte sie irgendwo an die Macht kommen, „wir alle, die wie hier sitzen, wir müssten uns, um es mal etwas flapsig zu sagen, warm anziehen.“

Matthes’ Mahnung stand unter dem Eindruck dramatischer Ereignisse. Am 2. Juni 2019 war der Kasseler Regierungspräsident auf seiner Terrasse mit einem Kopfschuss getötet worden. Als dringend tatverdächtig wurde ein Rechtsextremist festgenommen. Der Mordanschlag auf den CDU-Politiker rüttelte die Parteien auf. Allein die AfD blieb mitleidslos: Schuld sei die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Asylpolitik, erklärte der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann. Ohne sie „würde Walter Lübcke noch leben.“

Und als sich im Bayerischen Landtag alle Abgeordneten zum Gedenken an Lübcke erhoben, blieb nur einer sitzen: Ralph Müller von der AfD.
Der Partei hat das nicht geschadet – im Gegenteil: Bei der Landtagswahl in Brandenburg am 1. September verdoppelte sie fast ihr vorheriges Ergebnis und wurde mit 23,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Fraktion. Ebenso am selben Tag in Sachsen, wo der Zulauf auf 27,5 Prozent sogar noch größer war. Acht Tage später hielt Matthes seine Rede.

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