FFG 2022 – Stellungnahmen 9: ARD und ZDF
„Der Kinofilm ist wesentlicher Bestandteil unserer Kultur und des gesellschaftlichen Diskurses. Er spiegelt unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben, er eröffnet uns neue Perspektiven und fordert uns heraus.“ Schöner hätte es die AG Kino nicht schreiben können. Doch wer da so vom Kino schwärmt, ist das Fernsehen, öffentlich-rechtlich: ARD und ZDF [PDF].
Da darf man kurz stutzen, aber das spiegelt ja nur die Wirklichkeit wider eines Deutschen Kinos, das zum großen Teil an zwei Tröpfen hängt, um irgendwie leben zu können. Der erste: „Die Filmförderung des Bundes, das heißt der FFA und des DFFF, ist gemeinsam mit und neben den Länderförderungen wichtige und unverzichtbare Voraussetzung des deutschen Kinofilms.“ Der zweite sind die Öffentlich-Rechtlichen selbst: „ARD und ZDF unterstützen diese Aufgabe durch gesetzlich vorgegebene und darüber hinausgehende freiwillige Leistungen.“
Es macht Spaß, diese Zeilen zu lesen – oder besser das, was dazwischen steht. Das ist keine Wortklauberei, schließlich stehen im Briefkopf zwei Juristen, die die gemeinsame Stellungnahme der Sender unterzeichnen. Da gilt jedes Wort. Zum Beispiel, was wichtig ist und was weniger. Die Gewichtung lässt sich in feinen Formulierungen zwischen allerlei Süßholz verstecken: Die gesamte Filmförderung von Bund und Ländern sei also „unverzichtbar“ und „wichtig“, wird gesagt, aber eben nicht die „wichtigste“ Voraussetzung des deutschen Kinofilm.
Sonst wäre die Leistung der beiden Sender ja weniger wichtig. Ist sie aber nicht, denn die tun nicht nur, was sie müssen, wird gesagt, sondern leisten „freiwillig“ noch mehr „darüber hinaus“. Nachdem das klargestellt ist, kann man sich auf Augenhöhe begegnen. Denn nicht nur der Kinofilm, auch die Sender stehen „vor großen Herausforderungen“, Schönsprech für: es gibt Probleme.
Trotzdem wollen ARD und ZDF die Kinoförderung der FFA weiter „unterstützen“ (was nett klingt, aber ohnehin nicht anders im FFG vorgeschrieben wird), sogar einschließlich „der darüber hinaus zugesagten freiwilligen Leistungen“, was wirklich nett ist, aber eh schon zugesagt war (derweil sich die Sender vom Kinofilm zurückziehen), also kann man den Nettigkeiten auch zärtlich die Forderung hinterher schieben: Es sei „wesentlich, dem geänderten Nutzungsverhalten audiovisueller Inhalte Rechnung zu tragen.“ Videoplattformen und Streaming-Dienste wachsen heftig und entziehen dem linearen Fernsehen Zuschauer. Übrigens waren im vorigen Jahr 90 Prozent der Deutschen online, wird vorher erwähnt. Die schauten da zwar nicht alle Filme, aber eine hochdramatische Zahl haben die Sender dennoch in ihr Szenario gestreut. Und dem sei nur auf eine Weise zu begegnen: Wenn der Medienkonsum immer flexibler wird, müssten das auch die Rahmenbedingungen: Es sei „unerlässlich, von den derzeit bestehenden starren Auswertungsfenstern weg zu kommen hin zu flexiblen Auswertungskaskaden, die dem geänderten Nutzungsverhalten Rechnung tragen.“
Dass die Sender ihre Leistung zur Finanzierung der FFA anführten, hat aber nicht bloß rhethorisch-argumentative Gründe, sondern einen ganz praktischen. In den näheren Ausführungen zu diesem Punkt zählen die Sender erstmal vor, was sie seit der jüngsten FFG-Novelle mehr aufzubringen haben und „darüber hinaus“, also „freiwillig“ leisten, um dann klarzustellen: Mehr Geld gibt’s in dieser Runde nicht, „derzeit jedenfalls“. Die Sender hätten ja „seit vielen Jahren“ die Förderinstitutionen im Land in „beträchtlichem Umfang“ finanziert. Die Mittel müssten aus dem Programmetat entnommen werden, hätten „daher unmittelbaren Einfluss auf die Beauftragung von Auftragsproduktionen der Sender und tangieren insoweit auch die Programmfreiheiten.“
Klar, dass darum auch die Bemühungen und ersten Erfolge der FFA gelobt werden, die großen Streaming-Plattform-Betreiber in die Filmabgabe einzubeziehen. Das sei unbedingt fortzuführen, denn die Last werde so gerechter verteilt – aber nur, wenn auch die Rahmenbedingungen gleich sind.
Womit wir wieder bei den Auswertungsfenstern und Sperrfristen wären. Da fordern ARD und ZDF schon seit mehreren Novellen eine „kritische Überprüfung“. Das Nutzungsverhalten habe sich bereits geändert, diese Entwicklung schreite weiter fort: Auch Kino-Produktionen werden auf unterschiedlichen Auswertungswegen angeboten, das ständig verfügbare Angebot durch Streaming-Dienste „deutlich erhöht“, Auswertungszyklen haben sich „wesentlich verdichtet“. Dies führe dazu, dass fiktionale Produktionen „wesentlich schneller altern als zuvor.“ Das FFG mit seinen gesetzlichen Auswertungskaskaden werde „dieser Nutzungsrealität nicht mehr gerecht“. Für die Sendeunternehmen sei nicht akzeptabel, „wenn von ihnen substanzielle Finanzbeiträge zur Filmförderung und zu Kino-Koproduktionen erwartet werden und sie gleichzeitig die Produktionen, an denen sie sich beteiligen, erst an letzter Stelle in der Auswertungskaskade nutzen können. Zu diesem Zeitpunkt hat eine Auswertung durch Kino, Video, Pay-TV und Pay-/SVoD bereits stattgefunden.“
Außerdem seien die Filme dann auch schon mehrere Jahre alt – „dies mindert Programmwert wie Aktualität des Programms und stellt ein Investitionshemmnis dar.“ Was nicht nur als nachvollziehbares Argument verstanden werden kann, sondern auch als Drohung. Zumal ja „andere Marktteilnehmer wie insbesondere das Pay-TV systematisch versuchen, ihre exklusiven Auswertungsfenster auszuweiten, nicht selten ohne angemessene Finanzbeiträge zu der Produktion zu leisten.“
Und eben darum sollte es möglich werden, selbst „angemessene Auswertungsfenster zu vereinbaren, die den Finanzierungsanteilen an der Produktion Rechnung tragen und gleichzeitig die bestmögliche Auswertung eines Filmwerkes gewährleisten.“ Wenn etwa ein Film im Kino floppt, sollte er schneller ins Fernsehen dürfen. Oder falls sich kein Bezahlsender an der Kinoproduktion beteiligt hat, sollte diese Sperrfrist automatisch verkürzt werden.
Als „starker Partner“ des Nachwuchsfilms bezeichnen sich die Sender, und den würden sie „intensiv“ fördern (was an dieser Stelle nicht kommentiert werden soll – das war ja hier schon geschehen). Die FFA tue da aber nicht genug, denn obwohl doch Nachwuchsprojekte auf Förderung angewiesen seien, stelle sie das FFG „vor hohe Hürden“. Kurz: Man möge doch prüfen, inwieweit Projekte „des talentierten Nachwuchses in angemessenem Umfang“ gefördert werden könnten. Und der Begriff „Nachwuchs“ müsste dazu auch mal klar und einheitlich für die ganze Branche definiert werden. Stimmt.