Endlich wieder richtig Festival! Nach drei Jahren im Schatten der Pandemie präsentierte sich die Berlinale im alten Glanz. Doch im Wettbewerb und den Preisvergaben ließ sich auch durchaus Neues erkennen.
Im Sommer des Jahres 1951 finden sich mehr als 20.000 Zuschauer*innen in der Berliner Waldbühne ein, um eine Open-Air-Filmvorführung zu sehen. Es ist das Gründungsjahr der Berlinale.
72 Jahre später, im kalten Februar 2023, kreuzen sich die Wege von 20.000 Akkreditierten, darunter 2.800 Medienvertreter*innen aus 132 Ländern, am Potsdamer Platz. Sie sind wieder da, die echten Menschen. Die Kinos sind voll. Im Laufe der 73. internationalen Filmfestspiele Berlin werden 320.000 Tickets für eine Auswahl von knapp 400 Filmen und Serien verkauft. Dem Ruf des Berlinale-Duos Mariëtte Rissenbeek (Geschäftsführung) und Carlo Chatrian (künstlerische Leitung) „Let’s get together“ folgen die Filmbranche und das Publikum gleichermaßen.Selbst die saftigen Ticketpreise von 15 Euro schrecken anscheinend nicht ab. Und das in Zeiten, in denen wir fast alle an irgendetwas sparen müssen.
Im internationalen Wettbewerb konkurrieren 19 Produktionen um acht Preise. Die Jury, unter Leitung von Kristen Stewart, muss sieben „Silberne Bären“ für besondere Leistungen und einen „Goldenen Bären“ für den besten Film vergeben. Soviel vorweg: Kein Bär verlässt Europa!
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Sabine Felberhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgSabine Felber2023-03-08 00:36:162023-03-08 00:36:16Berlinale 2023: Grand Prix Eurovision
Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.
Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet, steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier.
Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärtenBenesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-02-25 14:39:392023-03-03 14:51:21„Fair Film Award Fiction“: Ein besseres Miteinander
Die Branche hat ein Personalproblem. Mit neuen Programmen und Förderungen ist es nicht getan, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“. In ihrer Keynote zum „Fair Film Award Fiction“ erklärten sie, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft:
„Als Studentinnen der Filmuniversität Babelsberg und angehende Producerinnen stehen wir kurz davor, in die Branche einzutreten und können es eigentlich kaum erwarten. Endlich die Menschen bezahlen, mit denen wir arbeiten. Endlich auch mal selbst bezahlt werden. Und Filme machen, die auch gesehen werden. Gleichzeitig blicken wir in eine Branche, deren Strukturen so alt und verkrustet sind, dass es fast unmöglich scheint, darin noch gute, innovative, qualitativ hochwertige Filme zu machen. Strukturen, die von starken Hierarchien geprägt sind und von einem teilweise extrem rauen Umgangston; von der Erwartungshaltung, dass die Arbeit beim Film wichtiger ist, als alles andere. In denen Leidenschaft mit absoluter Opferbereitschaft verwechselt wird. Strukturen, denen ein Förder- und Finanzierungssystem zu Grunde liegt, das den Anforderungen der Realität kaum noch gerecht werden kann. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-02-24 14:56:182023-02-24 14:57:24Zeit für Veränderung!
Die BKM hat eine filmpolitische Grundsatzrede gehalten. Das war Zeit, denn Claudia Roth ist seit mehr als einem Jahr im Amt, und das neue Filmförderungsgesetz wird dringlich erwartet. Die große Reform soll es werden, die dem Deutschen Film zu neuem Schwung verhilft.
Auf dem „Deutschen Produzententag“ stellte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien am Donnerstag voriger Woche acht Eckpunkte für eine Reform der Filmförderung vor. Als Beispiel, was möglich sein sollte, nahm Claudia Roth den aktuellen deutschen Vorzeigeerfolg: Der nämlich „konfrontiert uns mit der Frage, warum unser gut ausgestattetes deutsches Fördersystem selten vergleichbare Erfolge erzielt. Denn, wie wir alle wissen: ,Im Westen nichts Neues’ ist eine Netflix-Produktion“, sagte Roth auf dem „Deutschen Produzententag“. Ihr Fazit: „Ziel einer Reform der Filmförderung kann deshalb nur sein, sie effizienter, sie schneller und ganzheitlicher zu machen.“
„Ganzheitlich“ ist ein großes Wort. Erst recht, wenn dabei ein Teil der Filmlandschaft ignoriert wird, der schon seit Jahren rapide wächst: Festivals sind längst zu einer eigenen wichtigen Auswertungs- und Werbeschiene geworden und haben offenbar auch keine Probleme, ihr Publikum zu finden. In den Eckpunkten der BKM werden sie nicht mal erwähnt – was allerdings auch keine Neuigkeit ist. Obwohl es doch, sechstens, darum gehe, „auch die Sichtbarkeit deutscher Filme zu erhöhen.“ Und wo doch die BKM ihre Ankündigung selbst nicht ohne Grund vor der Kulisse ihrer Berlinale machte.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-02-24 10:01:222023-02-24 15:31:32FFG 2024: Acht Punkte für die Förderung
Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse: Ganzheitlich vom Casting bis zur Postproduktion und über Grenzen. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will man ukrainischen Filmschaffenden Stimme und Arbeit geben. Gemeinsam mit Filmmakers for Refugees und Crew United startete jetzt die Kampagne „Worked on in Ukraine“: Ein Siegel für Produktionen, die Filmschaffende im Krieg und auf der Flucht unterstützt haben.
Vor einem Jahr überfiel Russlands Armee die Ukraine. Viele Filmschaffende mussten das Land verlassen, andere blieben – die meisten versuchen, weiterhin zu drehen.In Deutschland überlegte damals Eric Holland, was er tun könnte. Der Amerikaner lebte seit zwei Jahren in Berlin und hatte bereits eine stattliche Filmografie in Musik- und Tonabteilung. Mit seinen Kenntnissen wollte er den Filmschaffenden im Exil helfen.Der Wechsel ins Produzentenfach fiel Holland nicht schwer, sagt er. Er habe lange Jahre im Silicon Valley gearbeitet und viele Erfahrungen mit Start-ups gesammelt. Nun gründete er mit ukrainischen Kolleg*innen selber eines: Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will es „eine Brücke für ukrainische Stimmen und Talente zur internationalen Filmlandschaft“ sein, heißt es auf der Website.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-02-15 14:47:192023-02-15 14:49:46Worked on in Ukraine
Die Kinos suchen ihr Publikum, die Festivals hingegen können nicht klagen. Selbst in Zeiten von Pandemie und Lockdown sind neue hinzugekommen. Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz untersuchten in einem Sammelband*, wie die Festivals die Krisen meisterten – und welche Chancen und Perspektiven sie für die Filmkunst zeigen.
Über das beeindruckende Wachstum, den anhaltenden Wandel der Festivallandschaft und welche Funktionen Filmfestivals heute übernehmen, darüber hatten wir bereitsvor drei Jahren gesprochen. Dann kam Corona. Die Kinos mussten schließen, die Festivals standen zunächst vor ähnlichen Problemen, fanden dann schnell alternative Wege. Aber ist ein Festival ohne Kino überhaupt vorstellbar?
Tanja C. Krainhöfer: Zweifelsohne ist das Kino ein natürliches Habitat eines Filmfestivals, aber wenn kein Kino zur Verfügung steht, bedienen sich Festivals anderer Orte, um stattfinden zu können und so ihre Anliegen oder ihren Zweck zu erfüllen. Dies wurde während der Pandemie mehr als deutlich: kein Hinterhof war zu klein, kein Parkdeck zu hoch, keine Industriehalle zu abwegig und selbst die Herausforderungen, virtuelle Räume zu beziehen, wurden selten gescheut. Was jedoch wesentlicher ist, ist die Haltung, die der Festivalsektor in der Pandemie bewiesen hat. Es ging darum Zugänge zur Filmkultur zu schaffen. Die damit verbundenen Bestrebungen haben sich bis heute noch weiter ausdifferenziert und mit Sicherheit werden sich noch weitere Optionen erschließen – onsite wie online. Joachim Kurz: Andererseits muss man schon feststellen, dass ein Kinoraum für ein Festival der Idealzustand ist und nach Möglichkeit – sofern vorhanden – genutzt werden sollte. Weil es nur im Kino optimale Bedingungen zur Projektion eines Films gibt. Es wäre definitiv sehr wünschenswert, dass Filmfestivals in ländlichen Räumen ohne Kino die Gemeinden so sehr begeistern, dass bei ihnen die Idee wächst, dass ein Kino am Ort vielleicht doch keine so schlechte Idee wäre – und zwar nicht nur als Kultur-, sondern auch als Begegnungsort.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-02-14 17:06:592023-02-14 17:06:59Chancen für die Filmkultur
Es braucht keine Diktatur, um die Kultur zu zähmen, findet Agnieszka Holland (rechts), die Präsidentin der Europäischen Filmakademie: „Ich sehe an keinem Ort wirklich mutige Filme spielen. Wir leben in einer Welt, in der die Filmemacher keine Rebellen sein können, weil sie kein Geld finden, um ihre Filme zu machen.“ | Screenshot
23 Verbände und Institutionen der Branche haben sich im „Netzwerk Film & Demokratie“ zusammengeschlossen. Vorige Woche stellte sich das Netzwerk mit einer Online-Konferenz vor. Was passiert, wenn Kultur und Demokratie unter Druck geraten, schilderte die polnische Regisseurin Agnieszka Holland. Und der Soziologe Matthias Quent beleuchtete die Probleme der extremen Rechten mit der Kultur.
Auch in Europa sind rechtsextreme und nationalistische Parteien auf dem Vormarsch. In Deutschland kämpft die AfD gegen einen „linksgrün-versifften“ Kulturbetrieb, in Polen oder Ungarn ist man mit der Zähmung der Kultur schon viel weiter – eine Mahnung für das übrige Europa. In Deutschland ist der Widerstand gegen solche Entwicklungen noch wenig ausgeprägt. Es gibt wohl klare Haltungen und Kampagnen gegen die Angriffe von rechts außen. Und sogar wirkungsvolle Proteste: der Chef der hessischen Filmförderung musste vor vier Jahren abtreten, nachdem er sich mit AFD-Chef Jörg Meuthen auf Instagram präsentiert hatte. Doch insgesamt wußte die Kultur dem noch wenig entgegenzusetzen – und kurz darauf ganz andere Sorgen mit der Pandemie.
Darum riefen im Herbst 2020 die Filmunion in Verdi und Crew United das „Netzwerk Film & Demokratie“ ins Leben. Inzwischen sind 23 Verbände und Institutionen der Branche dabei. Am vorigen Dienstag stellte sich das Netzwerk in einer Online-Konferenz vor. Die Aufzeichnung ist auf dem Youtube-Kanal zu sehen.
Vor 50 Jahren wurde das Businessnetzwerk für Women in Film and Television (WIFT) in Los Angeles gegründet. Die internationale Dach-Organisation umfasst inzwischen 20.000 Frauen weltweit – seit 2005 auch in Deutschland. Auf den Hofer Filmtagen sammelte WIFT Germany Impulse für eine bessere Stoffentwicklung und Besetzung. Catherine Lieser und Cornelia Köhler erklären, warum die Branche neue Spielregeln braucht.
WasistdieEntstehungsgeschichtevonWIFT? CorneliaKöhler:WIFT Germany wurde 2005 gegründet. Die Gründungsmitglieder waren unter anderem Alexandra Georgi, Edith Forster, Rochelle Grayson, Henriette Wollmann und Jana Filmer. In den letzten Jahren ist WIFT Germany zu einem Verein mit über 350 Mitgliedern gewachsen. WIFT ist in den 1970er-Jahren in den USA entstanden. Eine Redakteurin des „Hollywood Reporter“ ist auf die Idee gekommen, die Frauen in der Branche zu einem Netzwerk zu verbinden. 1973 wurde das erste WIFT-Chapter in Los Angeles gegründet. Die Dach-Organisation „Women in Film and Television International“ umfasst mittlerweile über 20.000 Frauen weltweit und hat im Sommer 2022 ihren 25. Geburtstag bei einer großen internationalen Konferenz in Nigeria gefeiert. WIFT Germany hat dort ein Online-Netzwerk-Event organisiert. Catherine und ich haben das mit Frauen aus der ganzen Welt vorbereitet und durchgeführt – da geht einem schon das Herz auf, wenn sich so viele großartige Frauen treffen.
Wann ist Euch zum ersten Mal bewusst geworden, dass Frauen nicht die gleichen Vorzüge in der Branche genießenwieMänner? Cornelia Köhler: Tatsächlich bei der Serie „Der große Bellheim“, die Anfang der 1990er-Jahre im Fernsehen lief. Leslie Malton hat in der Serie eine Bankerin gespielt. Ihre Figur war sehr negativ angelegt. Und eine Freundin sagte damals: „Das ist doch schrecklich, dass eine Figur, die so lebt, wie wir leben, nämlich unabhängig, erfolgreich und selbstständig, so negativ dargestellt wird.“ CatherineLieser:Bei mir gab es kein prägnantes Ereignis. Dass Frauen von Männern marginalisiert werden, ist kein medienspezifisches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das ich von früh an wahrgenommen habe. Ich habe jedoch eine ganze Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich diesen Status quo in Frage stellen und dagegenwirken kann.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2023-02-11 23:00:352023-02-13 23:07:16Neue Spielregeln für die Branche
Berlinale 2023: Grand Prix Eurovision
Sabine Felber, Unsere GästeNicolas Philibert mit seinem „Goldenen Bären“. Noch sieben weitere in Silber werden im Berlinale-Wettbewerb vergeben – keiner verlässt Europa! Ist das jetzt Zeitgeist oder Zufall? Nicht mal die Hälfte der Filme im Wettbewerb stammte aus anderen Gegenden der Welt. | Foto © Berlinale
Endlich wieder richtig Festival! Nach drei Jahren im Schatten der Pandemie präsentierte sich die Berlinale im alten Glanz. Doch im Wettbewerb und den Preisvergaben ließ sich auch durchaus Neues erkennen.
Im Sommer des Jahres 1951 finden sich mehr als 20.000 Zuschauer*innen in der Berliner Waldbühne ein, um eine Open-Air-Filmvorführung zu sehen. Es ist das Gründungsjahr der Berlinale.
72 Jahre später, im kalten Februar 2023, kreuzen sich die Wege von 20.000 Akkreditierten, darunter 2.800 Medienvertreter*innen aus 132 Ländern, am Potsdamer Platz. Sie sind wieder da, die echten Menschen. Die Kinos sind voll. Im Laufe der 73. internationalen Filmfestspiele Berlin werden 320.000 Tickets für eine Auswahl von knapp 400 Filmen und Serien verkauft. Dem Ruf des Berlinale-Duos Mariëtte Rissenbeek (Geschäftsführung) und Carlo Chatrian (künstlerische Leitung) „Let’s get together“ folgen die Filmbranche und das Publikum gleichermaßen. Selbst die saftigen Ticketpreise von 15 Euro schrecken anscheinend nicht ab. Und das in Zeiten, in denen wir fast alle an irgendetwas sparen müssen.
Im internationalen Wettbewerb konkurrieren 19 Produktionen um acht Preise. Die Jury, unter Leitung von Kristen Stewart, muss sieben „Silberne Bären“ für besondere Leistungen und einen „Goldenen Bären“ für den besten Film vergeben. Soviel vorweg: Kein Bär verlässt Europa!
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„Fair Film Award Fiction“: Ein besseres Miteinander
out takes, Peter HartigDie Gewinner*innen des „Fair Film Award 2023“ mit Moderatorin in der Kulturbrauerei in Berlin. | Foto © Alena Sternberg
Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.
Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet, steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier.
Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärten Benesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.
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Zeit für Veränderung!
out takes, Peter HartigDie einen gehen, die anderen kommen gar nicht erst. Das zeigt: Etwas läuft ganz gewaltig schief in der Filmbranche – doch die kämpft nur gegen die Symptome, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. | Foto © Alena Sternberg
Die Branche hat ein Personalproblem. Mit neuen Programmen und Förderungen ist es nicht getan, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“. In ihrer Keynote zum „Fair Film Award Fiction“ erklärten sie, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft:
„Als Studentinnen der Filmuniversität Babelsberg und angehende Producerinnen stehen wir kurz davor, in die Branche einzutreten und können es eigentlich kaum erwarten. Endlich die Menschen bezahlen, mit denen wir arbeiten. Endlich auch mal selbst bezahlt werden. Und Filme machen, die auch gesehen werden. Gleichzeitig blicken wir in eine Branche, deren Strukturen so alt und verkrustet sind, dass es fast unmöglich scheint, darin noch gute, innovative, qualitativ hochwertige Filme zu machen. Strukturen, die von starken Hierarchien geprägt sind und von einem teilweise extrem rauen Umgangston; von der Erwartungshaltung, dass die Arbeit beim Film wichtiger ist, als alles andere. In denen Leidenschaft mit absoluter Opferbereitschaft verwechselt wird. Strukturen, denen ein Förder- und Finanzierungssystem zu Grunde liegt, das den Anforderungen der Realität kaum noch gerecht werden kann. Weiterlesen
FFG 2024: Acht Punkte für die Förderung
out takes, Peter HartigKulturstaatsministerin Claudia Roth (links) und MFG-Geschäftsführer Carl Bergengruen beim „Deutschen Produzententag 2023“. | Foto © Filmstiftung NRW/Severin Wohlleben
Die BKM hat eine filmpolitische Grundsatzrede gehalten. Das war Zeit, denn Claudia Roth ist seit mehr als einem Jahr im Amt, und das neue Filmförderungsgesetz wird dringlich erwartet. Die große Reform soll es werden, die dem Deutschen Film zu neuem Schwung verhilft.
Auf dem „Deutschen Produzententag“ stellte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien am Donnerstag voriger Woche acht Eckpunkte für eine Reform der Filmförderung vor. Als Beispiel, was möglich sein sollte, nahm Claudia Roth den aktuellen deutschen Vorzeigeerfolg: Der nämlich „konfrontiert uns mit der Frage, warum unser gut ausgestattetes deutsches Fördersystem selten vergleichbare Erfolge erzielt. Denn, wie wir alle wissen: ,Im Westen nichts Neues’ ist eine Netflix-Produktion“, sagte Roth auf dem „Deutschen Produzententag“. Ihr Fazit: „Ziel einer Reform der Filmförderung kann deshalb nur sein, sie effizienter, sie schneller und ganzheitlicher zu machen.“
„Ganzheitlich“ ist ein großes Wort. Erst recht, wenn dabei ein Teil der Filmlandschaft ignoriert wird, der schon seit Jahren rapide wächst: Festivals sind längst zu einer eigenen wichtigen Auswertungs- und Werbeschiene geworden und haben offenbar auch keine Probleme, ihr Publikum zu finden. In den Eckpunkten der BKM werden sie nicht mal erwähnt – was allerdings auch keine Neuigkeit ist. Obwohl es doch, sechstens, darum gehe, „auch die Sichtbarkeit deutscher Filme zu erhöhen.“ Und wo doch die BKM ihre Ankündigung selbst nicht ohne Grund vor der Kulisse ihrer Berlinale machte.
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Worked on in Ukraine
out takes, Peter HartigDer Storch im Vorspann soll zeigen: An diesem Film haben Filmschaffende aus der Ukraine mitgearbeitet. Zur Berlinale startete DIM Filmhose die Kampagne „Worked on in Ukraine“: Eric Holland (Mitte) und seine Mitgründer*innen (von links) Alisa Voznesenska, Mykyta Pavlov und Hilma Wiberg in Berlin. In Kyjiw machten Yuliia Kasianova und Darya Padenko ihr Selfie vor der U-Bahn-Station. Die ukrainische Hauptstadt war kurz zuvor wieder beschossen worden. | Fotos © DIM Filmhouse
Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse: Ganzheitlich vom Casting bis zur Postproduktion und über Grenzen. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will man ukrainischen Filmschaffenden Stimme und Arbeit geben. Gemeinsam mit Filmmakers for Refugees und Crew United startete jetzt die Kampagne „Worked on in Ukraine“: Ein Siegel für Produktionen, die Filmschaffende im Krieg und auf der Flucht unterstützt haben.
Vor einem Jahr überfiel Russlands Armee die Ukraine. Viele Filmschaffende mussten das Land verlassen, andere blieben – die meisten versuchen, weiterhin zu drehen. In Deutschland überlegte damals Eric Holland, was er tun könnte. Der Amerikaner lebte seit zwei Jahren in Berlin und hatte bereits eine stattliche Filmografie in Musik- und Tonabteilung. Mit seinen Kenntnissen wollte er den Filmschaffenden im Exil helfen. Der Wechsel ins Produzentenfach fiel Holland nicht schwer, sagt er. Er habe lange Jahre im Silicon Valley gearbeitet und viele Erfahrungen mit Start-ups gesammelt. Nun gründete er mit ukrainischen Kolleg*innen selber eines: Als „Produktionsfirma der nächsten Generation“ bezeichnet sich das DIM Filmhouse. Mit Büros in Berlin und Kyjiw will es „eine Brücke für ukrainische Stimmen und Talente zur internationalen Filmlandschaft“ sein, heißt es auf der Website.
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Chancen für die Filmkultur
out takes, Peter HartigFestivals und Kinos sind natürliche Verbündete, meinen Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz. Es brauche Strukturen, damit beide enger zusammenarbeiten können. | Foto © Kenneth Hujer
Die Kinos suchen ihr Publikum, die Festivals hingegen können nicht klagen. Selbst in Zeiten von Pandemie und Lockdown sind neue hinzugekommen. Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz untersuchten in einem Sammelband*, wie die Festivals die Krisen meisterten – und welche Chancen und Perspektiven sie für die Filmkunst zeigen.
[*Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz (Hg.): „Filmfestivals – Krisen, Chancen, Perspektiven“. Edition Text + Kritik, 2022. Mehr zum Thema gibt’s auf der Website zum Buch, die weiter ausgebaut werden soll.]
Über das beeindruckende Wachstum, den anhaltenden Wandel der Festivallandschaft und welche Funktionen Filmfestivals heute übernehmen, darüber hatten wir bereits vor drei Jahren gesprochen. Dann kam Corona. Die Kinos mussten schließen, die Festivals standen zunächst vor ähnlichen Problemen, fanden dann schnell alternative Wege. Aber ist ein Festival ohne Kino überhaupt vorstellbar?
Tanja C. Krainhöfer: Zweifelsohne ist das Kino ein natürliches Habitat eines Filmfestivals, aber wenn kein Kino zur Verfügung steht, bedienen sich Festivals anderer Orte, um stattfinden zu können und so ihre Anliegen oder ihren Zweck zu erfüllen. Dies wurde während der Pandemie mehr als deutlich: kein Hinterhof war zu klein, kein Parkdeck zu hoch, keine Industriehalle zu abwegig und selbst die Herausforderungen, virtuelle Räume zu beziehen, wurden selten gescheut. Was jedoch wesentlicher ist, ist die Haltung, die der Festivalsektor in der Pandemie bewiesen hat. Es ging darum Zugänge zur Filmkultur zu schaffen. Die damit verbundenen Bestrebungen haben sich bis heute noch weiter ausdifferenziert und mit Sicherheit werden sich noch weitere Optionen erschließen – onsite wie online.
Joachim Kurz: Andererseits muss man schon feststellen, dass ein Kinoraum für ein Festival der Idealzustand ist und nach Möglichkeit – sofern vorhanden – genutzt werden sollte. Weil es nur im Kino optimale Bedingungen zur Projektion eines Films gibt. Es wäre definitiv sehr wünschenswert, dass Filmfestivals in ländlichen Räumen ohne Kino die Gemeinden so sehr begeistern, dass bei ihnen die Idee wächst, dass ein Kino am Ort vielleicht doch keine so schlechte Idee wäre – und zwar nicht nur als Kultur-, sondern auch als Begegnungsort.
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Demokratie unter Druck
out takes, Pierpaolo FestaEs braucht keine Diktatur, um die Kultur zu zähmen, findet Agnieszka Holland (rechts), die Präsidentin der Europäischen Filmakademie: „Ich sehe an keinem Ort wirklich mutige Filme spielen. Wir leben in einer Welt, in der die Filmemacher keine Rebellen sein können, weil sie kein Geld finden, um ihre Filme zu machen.“ | Screenshot
23 Verbände und Institutionen der Branche haben sich im „Netzwerk Film & Demokratie“ zusammengeschlossen. Vorige Woche stellte sich das Netzwerk mit einer Online-Konferenz vor. Was passiert, wenn Kultur und Demokratie unter Druck geraten, schilderte die polnische Regisseurin Agnieszka Holland. Und der Soziologe Matthias Quent beleuchtete die Probleme der extremen Rechten mit der Kultur.
Auch in Europa sind rechtsextreme und nationalistische Parteien auf dem Vormarsch. In Deutschland kämpft die AfD gegen einen „linksgrün-versifften“ Kulturbetrieb, in Polen oder Ungarn ist man mit der Zähmung der Kultur schon viel weiter – eine Mahnung für das übrige Europa. In Deutschland ist der Widerstand gegen solche Entwicklungen noch wenig ausgeprägt. Es gibt wohl klare Haltungen und Kampagnen gegen die Angriffe von rechts außen. Und sogar wirkungsvolle Proteste: der Chef der hessischen Filmförderung musste vor vier Jahren abtreten, nachdem er sich mit AFD-Chef Jörg Meuthen auf Instagram präsentiert hatte. Doch insgesamt wußte die Kultur dem noch wenig entgegenzusetzen – und kurz darauf ganz andere Sorgen mit der Pandemie.
Darum riefen im Herbst 2020 die Filmunion in Verdi und Crew United das „Netzwerk Film & Demokratie“ ins Leben. Inzwischen sind 23 Verbände und Institutionen der Branche dabei. Am vorigen Dienstag stellte sich das Netzwerk in einer Online-Konferenz vor. Die Aufzeichnung ist auf dem Youtube-Kanal zu sehen.
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Neue Spielregeln für die Branche
out takesFür alles mögliche gibt’s Quoten bei Fernsehen und Förderung. Warum eigentlich nicht auch für Frauen im Beruf, fragen sich Catherine Lieser (links) und Cornelia Köhler: „Denn ohne Quote geht es nicht.“ | Fotos © Catherine Lieser
Vor 50 Jahren wurde das Businessnetzwerk für Women in Film and Television (WIFT) in Los Angeles gegründet. Die internationale Dach-Organisation umfasst inzwischen 20.000 Frauen weltweit – seit 2005 auch in Deutschland. Auf den Hofer Filmtagen sammelte WIFT Germany Impulse für eine bessere Stoffentwicklung und Besetzung. Catherine Lieser und Cornelia Köhler erklären, warum die Branche neue Spielregeln braucht.
Was ist die Entstehungsgeschichte von WIFT?
Cornelia Köhler: WIFT Germany wurde 2005 gegründet. Die Gründungsmitglieder waren unter anderem Alexandra Georgi, Edith Forster, Rochelle Grayson, Henriette Wollmann und Jana Filmer. In den letzten Jahren ist WIFT Germany zu einem Verein mit über 350 Mitgliedern gewachsen. WIFT ist in den 1970er-Jahren in den USA entstanden. Eine Redakteurin des „Hollywood Reporter“ ist auf die Idee gekommen, die Frauen in der Branche zu einem Netzwerk zu verbinden. 1973 wurde das erste WIFT-Chapter in Los Angeles gegründet. Die Dach-Organisation „Women in Film and Television International“ umfasst mittlerweile über 20.000 Frauen weltweit und hat im Sommer 2022 ihren 25. Geburtstag bei einer großen internationalen Konferenz in Nigeria gefeiert. WIFT Germany hat dort ein Online-Netzwerk-Event organisiert. Catherine und ich haben das mit Frauen aus der ganzen Welt vorbereitet und durchgeführt – da geht einem schon das Herz auf, wenn sich so viele großartige Frauen treffen.
Wann ist Euch zum ersten Mal bewusst geworden, dass Frauen nicht die gleichen Vorzüge in der Branche genießen wie Männer?
Cornelia Köhler: Tatsächlich bei der Serie „Der große Bellheim“, die Anfang der 1990er-Jahre im Fernsehen lief. Leslie Malton hat in der Serie eine Bankerin gespielt. Ihre Figur war sehr negativ angelegt. Und eine Freundin sagte damals: „Das ist doch schrecklich, dass eine Figur, die so lebt, wie wir leben, nämlich unabhängig, erfolgreich und selbstständig, so negativ dargestellt wird.“
Catherine Lieser: Bei mir gab es kein prägnantes Ereignis. Dass Frauen von Männern marginalisiert werden, ist kein medienspezifisches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das ich von früh an wahrgenommen habe. Ich habe jedoch eine ganze Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich diesen Status quo in Frage stellen und dagegenwirken kann.
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