Kulturkampf mit Religion

Jonas Dassler als „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ Neun der Hauptdarsteller*innen wehren sich in einem öffentlichen Statement gegen die „Vereinnahmung durch radikale Evangelikale“. | Foto © Angel Studios
In den USA läuft ein Film über Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Rechte Evangelikale machen mit ihm Politik gegen die Demokratie.
Ein Film über Dietrich Bonhoeffer – da kann doch eigentlich nicht viel schief gehen. Der Theologe war mit klarer Haltung im Widerstand gegen die Nazis, auf Befehl Hitlers wurde er noch kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager ermordet. Eine „tiefgründige und ziemlich unerzählte Geschichte vom Heldentum“, wollte der Amerikaner Todd Komarnicki nun endlich erzählen: „Dietrichs Botschaft von Frieden und Mut ist 2023 genauso dringend wie 1945”, sagte er dem Branchenmagazin „Deadline“ [auf Englisch]. „God’s Spy“ hieß sein Drehbuch, für die Hauptrollen gewann er viele bekannte deutsche Namen. Erzählt hatten die Geschichte schon andere (zum Beispiel „Bonhoeffer – Die letzte Stufe“ 2000), aber wohl nicht so. Als „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ kam der Film vorige Woche in die US-Kinos – und sorgte schon vorher für Ärger, berichtet Carlo Mariani in der „Neuen Zürcher Zeitung“ [Bezahlschranke]: „Der Film wurde von Angel Studios produziert, einem christlichen Streamingdienst, der auch hinter dem Actionthriller ,Sound of Freedom’ steht. ,Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.’ werfe die Frage auf, ,wie weit würden Sie gehen, um für das Richtige einzustehen?’, heißt es im Beschrieb unter dem Trailer. ,Der Kampf gegen die Tyrannei beginnt jetzt!’ oder ,Schauen Sie den Film, der eine Bewegung auslöst!’, steht unter den Posts, die den Film in den sozialen Netzwerken bewerben.“
Auf dem Plakat schreitet der Spion Gottes mit Pistole in der Hand zur Tat. „Die völlige Geschichtsverdrehung. Infam!“, sagte sein Großneffe Tobias Korenke in der „Zeit“ [Bezahlschranke]. Auch inhaltlich nimmt’s die Biografie nicht so genau. „Dietrich Bonhoeffer wird zum evangelikalen Heiligen stilisiert“, sagt Korenke. Der Film sei „grottenschlecht“ und „grauenhaft kitschig“: „Ich dachte mir, das nimmt doch keiner ernst.“
Oh doch! Schon Mitte hatten deutsche und amerikanische Theolog*innen gegen den Film protestiert: „Christliche Nationalisten berufen sich immer häufiger auf Dietrich Bonhoeffer – vor allem in der aufgeheizten politischen Stimmung in den USA. Vor diesem Missbrauch möchten wir auf diesem Wege eindringlich warnen.“ Das tun sie in einem Offenen Brief, den die „Zeit“ sinnigerweise hinter die [Bezahlschranke] stellt: „Auch heute setzen christliche Nationalisten in den USA ihre politischen Gegner mit Nazi-Verbrechern gleich und stellen ihre eigenen militanten Aktionen auf eine Stufe mit dem Widerstand gegen die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Sie missbrauchen Dietrich Bonhoeffers Widerstand gegen Hitlers Regime als Tarnung für ihre Agenda und ihre zunehmende Gewaltbereitschaft.“ Der Film ist nur eines von drei Beispielen, das dafür angeführt wird.
Wie die evangelikale Rechte in den USA mit Bonhoeffer Politik macht, erzählt Claudia Kuhland bei „Titel Thesen Temperamente“.
Neun der Hauptdarsteller*innen wehren sich in einem öffentlichen Statement [auf Englisch] gegen „eine Vereinnahmung durch radikale Evangelikale“. Sie seien „tief besorgt über den Missbrauch unseres Films und des Vermächtnisses von Dietrich Bonhoeffer durch christliche Nationalisten“.