Die Kulturstaatsministerin will soziale Standards in der Filmförderung. Die Initiative Fair Film hat schon konkrete Vorschläge dafür. Dahinter stehen 29 Berufsverbände und Organisationen der Branche.
Bei den Arbeitsbedingungen hat die Branche noch einiges aufzuholen. Das weiß auch Kulturstaatsministerin. In ihren Eckpunkten zur Reform des Filmfördergesetzes (FFG) forderte Claudia Roth die Einhaltung sozialer Standards als Fördervoraussetzung.
Die Branche nimmt sie beim Wort, denn das sei mehr als überfällig, schreibt die Initiative Fair Film in einem Offenen Brief an die BKM. Dahinter stehen 29 Organisationen und Initiativen, darunter fast alle Berufsverbände: „Die durch zahlreiche Presseberichte in die Öffentlichkeit geratenen Missstände bei der Produktion ,Manta Manta – Zwoter Teil’ werfen ein Schlaglicht auf unsere Branche. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass dies kein Einzelfall ist. Die Fallzahlen der Themis, aber auch die Umfrage von ,Vielfalt im Film’ belegen, die Strukturen in der Film- und Fernsehbranche fördern systemischen Machtmissbrauch. Zeitdruck, zu lange Arbeitszeiten sowie mangelnde finanzielle Mittel bei vielen Produktionen führen oft zu einer physischen und psychischen Überlastung der Filmschaffenden. Daher müssen wir Strukturen schaffen, die den dringend nötigen Kulturwandel in der Filmbranche ermöglichen.“
Rund 35.000 Gäste meldet das diesjährige Dokfest München zum Abschluss. Das erreicht zwar noch nicht den Stand vor Corona, doch das Festival läuft auch weiterhin dual. Und erreichte damit insgesamt 56.000 Zuschauer*innen – so viele wie noch nie. Die Kombination von Heim und Kino habe sich bewährt, findet der Festivalleiter Daniel Sponsel.
Herr Sponsel, zwei Jahre lang fand das Dokfest München virtuell statt, im vorigen Jahr lief es dual, dieses Jahr scheint alles wieder normal. Was ist geblieben vom Ausflug ins Virtuelle? Das Freizeit- und das Rezeptionsverhalten, nicht nur unseres Publikums, hat sich durch die zwei Jahre der Pandemie relevant verändert – das ist die eine Erkenntnis. Die andere Erfahrung, die wir dank der rein digitalen Editionen gewinnen konnten, ist der Gewinn des bedingungsloseren Zugangs zu dem sorgfältig kuratierten Filmprogramm, das wir anbieten. Die jeweils drei bis vier Filmvorführungen, die wir im Kino in München anbieten, haben eine Kapazität von maximal 500 bis 600 Plätzen, das ist ganz schön exklusiv. Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum, das nicht zu den Vorführungen im Kino erscheinen kann, und bauen auf diese Weise Barrieren für die Zugänge zu dieser Filmkultur ab. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-06-01 23:46:312023-06-01 23:46:31Mehr Sichtbarkeit beim Dokfest
Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.
„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“
Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.
Bei deutschen Serien werden die Credits oft noch unscharf benutzt. Der Drehbuchverband hat jetzt einen „Branchenstandard“ für die Berufsbezeichnungen vorgelegt.
Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) will den Wildwuchs an Funktionen in der Serienproduktion lichten. Dazu legte er heute einen Praxisleitfaden vor, der nichts weniger als „Branchenstandard in Deutschland für Credits und Berufsbezeichnungen“ sein soll. Der Leitfaden wurde im Austausch mit der Writers Guild of America (WGA) und der FSE (Federation of Screenwriters in Europe) erarbeitet, „um deutsche Gepflogenheiten den internationalen Standards anzugleichen und zukunftsfähig zu machen“, erklärt der DDV. Das vorangestellte 10-Punkte-Papier fasst das wesentliche Prinzip zusammen: „Im Zentrum der Serienentwicklung steht der/die schreibende Autor*in, der/die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben übernehmen kann. Showrunner, Creator und Headwriter sind dabei Funktionen, die Drehbuchautor*innen vorbehalten bleiben. Wer Serien kreiert, tut dies schreibend.“ Weiterlesen
Da sind sich alle einig: ein schlechter Umgang am Set darf nicht sein! Auf dem Weg zur Wahrheit stellen sich aber noch einige Fragen.
Übrigens: Beim jüngsten „Fair Film Award Fiction“ im Februar war „Manta Manta – Zwoter Teil“ auf dem letzten Platz gelandet. Schulnote: 3,52.
Monatelang arbeitete ein Team der „Süddeutschen Zeitung“ an der Recherche zu Til Schweiger. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, dann platzte die Geschichte ganz – und landete beim „Spiegel“. Wie konnte das passieren? Bei „Übermedien“ schildert Lisa Kräher, warum sich die Zeitung am Ende doch nicht traute. Für sie scheint es „vor allem ein hausgemachtes Problem der ,SZ’ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben.“
Statt auf die eigene Recherche vertraute die Chefredaktion auf Rat von außerhalb und „zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. […] Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die ,SZ‘, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. […] Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.“
Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.
Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“
Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“
Was vorfällt an deutschen Filmsets, sammelt die Plattform „Let’s Plant Stories“. Mit den Berichten wollen die Initiatoren „die Kultur der Stille“ aufbrechen. | Screenshot
Einmal noch nehmen wir uns heute die Arbeitsbedingungen vor, denn langsam wird’s interessant. Ein paar Geschichten von Strukturproblemen und Alltagsanstand.
Hat’s schon jemand bemerkt? Über die Arbeit beim Film wird zurzeit viel geschrieben. Doch das meiste steht hinter Bezahlschranken.
„Etwas überdreht“ findet Andreas Scheiner in der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Aufregung um Til Schweiger: „Vermutlich hat Schweiger ein Alkoholproblem. Aber wie toxisch geht es überhaupt zu beim deutschen Film?“ Die Antwort muss warten, denn erst wird doch lieber über Psyche und Talent eines Regisseurs unter Druck spekuliert. Anschließend wird „Der Spiegel“ verdächtigt, mit seinen Enthüllungen gar ein „Geschäftsmodell“ zu verfolgen (was sonst sollte wohl das Geschäftsmodell eines Nachrichtenmagazins sein?). „Müssen ausserdem Menschen, denen offenbar ein Unrecht angetan wurde, zwingend zum ,Spiegel’, oder gibt es auch andere Wege?“
Nein. Da sind die drei Filmschaffenden, die Scheiner schließlich zitiert, eindeutig: „Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu outen“, sagt eine Kostümbildnerin. Wer als „troublemaker“ gelte, werde nicht mehr gebucht. Scheiners dürres Fazit: „Ganz unrecht“ seien die Vorwürfe wohl nicht.Was er offenbar noch nicht wusste: „Der Spiegel“ hat sich das gar nicht selber ausgedacht. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2023-05-12 03:55:522023-05-12 03:55:52Machtmissbrauch und die Kultur der Stille
Nicht alles läuft gut an deutschen Filmsets, das räumt die Branche selbst ein. Und weiß auch warum: Schuld sind immer die anderen. Neu ist das alles nicht, könnte aber noch spannend werden.
Wie verbreitet ist übergriffiges Verhalten im Filmgeschäft? Der „Spiegel“ hatte vorige Woche über mutmaßliche Schikanen am Set von Til Schweiger berichtet (hier der Überblick). Gleich acht Autor*innen fragten zum Wochenende im „Spiegel“ [Bezahlschranke], „inwiefern die mutmaßlichen Übergriffe des Erfolgsregisseurs nur ein Beispiel für ein insgesamt unfaires oder gar toxisches System sind. Schweigers angebliche Ausfälle sollen unter Alkoholeinfluss passiert und von einem Mann gekommen sein, der sich möglicherweise in einer privaten Krise befunden hat. Viele sahen am Set von ,Manta Manta – Zwoter Teil’ aber offenbar einfach zu und taten nichts. Wie vergiftet von Gebrüll, Mobbing und sogar körperlichen Attacken ist der Arbeitsalltag bei Film- und Fernsehproduktionen? Im Filmgeschäft sind viele Menschen in zeitlich befristeten und oft prekären Beschäftigungsverhältnissen engagiert – und offensichtlich ist es auch nach Jahren der Debatte über Machtmissbrauch in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich, dass am Set gepöbelt und im Extremfall sogar geprügelt wird, weil keiner es verhindert.“
Die Fragestellung macht klar, welchen Verdacht das „Spiegel“-Team hegt. Die Antwort der Regisseurin Doris Dörrie deutet zwar eher auf einen Systemfehler hin, doch für sie gibt es „einen Hauptschuldigen in dieser Sache: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“. Damit spreche sie „einen zentralen Punkt an: Die meisten Kinofilme in Deutschland sind auf eine Filmförderung angewiesen, von der FFA, der Filmförderungsanstalt, oder von den Landesanstalten. Eine Förderung gibt es aber in der Regel nur mit der Zusage eines Teilbeitrags durch eine Fernsehanstalt. Die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten Sender sparen jedoch. Deshalb ist es zuletzt schwieriger geworden, eine Förderung zu bekommen und Filme zu produzieren.“ Der „Spiegel“ merkt an, dass Dörrie „die Partnerin des Constantin-Chefs und Schweiger-Produzenten“ ist. Angemerkt sei außerdem, dass „Manta Manta – Zwoter Teil“ ein Kinofilm ist und mit mehr als vier Millionen Euro gefördert wurde. Eine Senderbeteiligung ist nicht bekannt.
Besser Filme machen: Faire Vorschläge fürs nächste FFG
out takes, Peter HartigScreenshot
Die Kulturstaatsministerin will soziale Standards in der Filmförderung. Die Initiative Fair Film hat schon konkrete Vorschläge dafür. Dahinter stehen 29 Berufsverbände und Organisationen der Branche.
Bei den Arbeitsbedingungen hat die Branche noch einiges aufzuholen. Das weiß auch Kulturstaatsministerin. In ihren Eckpunkten zur Reform des Filmfördergesetzes (FFG) forderte Claudia Roth die Einhaltung sozialer Standards als Fördervoraussetzung.
Die Branche nimmt sie beim Wort, denn das sei mehr als überfällig, schreibt die Initiative Fair Film in einem Offenen Brief an die BKM. Dahinter stehen 29 Organisationen und Initiativen, darunter fast alle Berufsverbände: „Die durch zahlreiche Presseberichte in die Öffentlichkeit geratenen Missstände bei der Produktion ,Manta Manta – Zwoter Teil’ werfen ein Schlaglicht auf unsere Branche. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass dies kein Einzelfall ist. Die Fallzahlen der Themis, aber auch die Umfrage von ,Vielfalt im Film’ belegen, die Strukturen in der Film- und Fernsehbranche fördern systemischen Machtmissbrauch. Zeitdruck, zu lange Arbeitszeiten sowie mangelnde finanzielle Mittel bei vielen Produktionen führen oft zu einer physischen und psychischen Überlastung der Filmschaffenden. Daher müssen wir Strukturen schaffen, die den dringend nötigen Kulturwandel in der Filmbranche ermöglichen.“
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Mehr Sichtbarkeit beim Dokfest
out takes, Peter Hartig„Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum und bauen so Barrieren zu dieser Filmkultur ab“, sagt Dokfest-Leiter Daniel Sponsel. | Foto © Dokfest München
Rund 35.000 Gäste meldet das diesjährige Dokfest München zum Abschluss. Das erreicht zwar noch nicht den Stand vor Corona, doch das Festival läuft auch weiterhin dual. Und erreichte damit insgesamt 56.000 Zuschauer*innen – so viele wie noch nie. Die Kombination von Heim und Kino habe sich bewährt, findet der Festivalleiter Daniel Sponsel.
Herr Sponsel, zwei Jahre lang fand das Dokfest München virtuell statt, im vorigen Jahr lief es dual, dieses Jahr scheint alles wieder normal. Was ist geblieben vom Ausflug ins Virtuelle?
Das Freizeit- und das Rezeptionsverhalten, nicht nur unseres Publikums, hat sich durch die zwei Jahre der Pandemie relevant verändert – das ist die eine Erkenntnis. Die andere Erfahrung, die wir dank der rein digitalen Editionen gewinnen konnten, ist der Gewinn des bedingungsloseren Zugangs zu dem sorgfältig kuratierten Filmprogramm, das wir anbieten. Die jeweils drei bis vier Filmvorführungen, die wir im Kino in München anbieten, haben eine Kapazität von maximal 500 bis 600 Plätzen, das ist ganz schön exklusiv. Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum, das nicht zu den Vorführungen im Kino erscheinen kann, und bauen auf diese Weise Barrieren für die Zugänge zu dieser Filmkultur ab. Weiterlesen
Mehr Mut zum Scheitern
out takes, Peter HartigMit Geld allein hat der Deutsche Film keine Zukunft. Es braucht auch Spielraum, damit schräge Ideen schiefgehen können. Und ein anderes Fördersystem, finden die Teilnehmer*innen beim Kongress in Frankfurt. | Foto © Elisa Grehl
Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.
„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“
Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.
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Creator, Headwriter, Showrunner …
out takes, Peter HartigIm Writers’ Room von „Breaking Bad“. „Wer Serien kreiert, tut dies schreibend“, sagt der Deutsche Drehbuchverband. | Foto © AMC
Bei deutschen Serien werden die Credits oft noch unscharf benutzt. Der Drehbuchverband hat jetzt einen „Branchenstandard“ für die Berufsbezeichnungen vorgelegt.
Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) will den Wildwuchs an Funktionen in der Serienproduktion lichten. Dazu legte er heute einen Praxisleitfaden vor, der nichts weniger als „Branchenstandard in Deutschland für Credits und Berufsbezeichnungen“ sein soll. Der Leitfaden wurde im Austausch mit der Writers Guild of America (WGA) und der FSE (Federation of Screenwriters in Europe) erarbeitet, „um deutsche Gepflogenheiten den internationalen Standards anzugleichen und zukunftsfähig zu machen“, erklärt der DDV. Das vorangestellte 10-Punkte-Papier fasst das wesentliche Prinzip zusammen: „Im Zentrum der Serienentwicklung steht der/die schreibende Autor*in, der/die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben übernehmen kann. Showrunner, Creator und Headwriter sind dabei Funktionen, die Drehbuchautor*innen vorbehalten bleiben. Wer Serien kreiert, tut dies schreibend.“
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Machtmissbrauch am Set: Offene Fragen
out takes, Peter Hartig„Manta Manta – Zwoter Teil“, die Aufarbeitung läuft. Constantin-Chef Martin Moskowicz hat inzwischen viele Vorwürfe bestätigt, die er erst abgestritten hatte, und räumt Fehler ein. | Foto © Constantin/Bernd Spauke
Da sind sich alle einig: ein schlechter Umgang am Set darf nicht sein! Auf dem Weg zur Wahrheit stellen sich aber noch einige Fragen.
Übrigens: Beim jüngsten „Fair Film Award Fiction“ im Februar war „Manta Manta – Zwoter Teil“ auf dem letzten Platz gelandet. Schulnote: 3,52.
Monatelang arbeitete ein Team der „Süddeutschen Zeitung“ an der Recherche zu Til Schweiger. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, dann platzte die Geschichte ganz – und landete beim „Spiegel“. Wie konnte das passieren? Bei „Übermedien“ schildert Lisa Kräher, warum sich die Zeitung am Ende doch nicht traute. Für sie scheint es „vor allem ein hausgemachtes Problem der ,SZ’ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben.“
Statt auf die eigene Recherche vertraute die Chefredaktion auf Rat von außerhalb und „zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. […] Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die ,SZ‘, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. […] Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.“
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„Deutscher Filmpreis“: Ein guter Jahrgang
out takes, Peter HartigDie Berichte aus dem Filmalltag waren auch beim „Deutschen Filmpreis“ im Gespräch. Eigentlich brauche es keinen „Code of Conducts“ für die Arbeit am Set, meinte der Ehrenpreisträger Volker Schlöndorff (vorne links): „Anstand und ein ordentlicher Umgang mit Menschen sollten genügen.“ | Foto © DFP/Clemens Porikys
Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.
Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“
Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“ Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“
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Machtmissbrauch und die Kultur der Stille
out takes, Peter HartigWas vorfällt an deutschen Filmsets, sammelt die Plattform „Let’s Plant Stories“. Mit den Berichten wollen die Initiatoren „die Kultur der Stille“ aufbrechen. | Screenshot
Einmal noch nehmen wir uns heute die Arbeitsbedingungen vor, denn langsam wird’s interessant. Ein paar Geschichten von Strukturproblemen und Alltagsanstand.
Hat’s schon jemand bemerkt? Über die Arbeit beim Film wird zurzeit viel geschrieben. Doch das meiste steht hinter Bezahlschranken.
„Etwas überdreht“ findet Andreas Scheiner in der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Aufregung um Til Schweiger: „Vermutlich hat Schweiger ein Alkoholproblem. Aber wie toxisch geht es überhaupt zu beim deutschen Film?“ Die Antwort muss warten, denn erst wird doch lieber über Psyche und Talent eines Regisseurs unter Druck spekuliert. Anschließend wird „Der Spiegel“ verdächtigt, mit seinen Enthüllungen gar ein „Geschäftsmodell“ zu verfolgen (was sonst sollte wohl das Geschäftsmodell eines Nachrichtenmagazins sein?). „Müssen ausserdem Menschen, denen offenbar ein Unrecht angetan wurde, zwingend zum ,Spiegel’, oder gibt es auch andere Wege?“
Nein. Da sind die drei Filmschaffenden, die Scheiner schließlich zitiert, eindeutig: „Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu outen“, sagt eine Kostümbildnerin. Wer als „troublemaker“ gelte, werde nicht mehr gebucht. Scheiners dürres Fazit: „Ganz unrecht“ seien die Vorwürfe wohl nicht. Was er offenbar noch nicht wusste: „Der Spiegel“ hat sich das gar nicht selber ausgedacht. Weiterlesen
Schlechtes Arbeitsklima: Systemfehler oder Einzelfall?
out takes, Peter HartigDer „Spiegel“ sieht sich weiter um hinter den Filmkulissen. Die Branche reagiert wie üblich. Szenenfoto aus „Manta Manta – Zwoter Teil.“ | Foto © Constantin/Bernd Spauke
Nicht alles läuft gut an deutschen Filmsets, das räumt die Branche selbst ein. Und weiß auch warum: Schuld sind immer die anderen. Neu ist das alles nicht, könnte aber noch spannend werden.
Wie verbreitet ist übergriffiges Verhalten im Filmgeschäft? Der „Spiegel“ hatte vorige Woche über mutmaßliche Schikanen am Set von Til Schweiger berichtet (hier der Überblick). Gleich acht Autor*innen fragten zum Wochenende im „Spiegel“ [Bezahlschranke], „inwiefern die mutmaßlichen Übergriffe des Erfolgsregisseurs nur ein Beispiel für ein insgesamt unfaires oder gar toxisches System sind. Schweigers angebliche Ausfälle sollen unter Alkoholeinfluss passiert und von einem Mann gekommen sein, der sich möglicherweise in einer privaten Krise befunden hat. Viele sahen am Set von ,Manta Manta – Zwoter Teil’ aber offenbar einfach zu und taten nichts. Wie vergiftet von Gebrüll, Mobbing und sogar körperlichen Attacken ist der Arbeitsalltag bei Film- und Fernsehproduktionen? Im Filmgeschäft sind viele Menschen in zeitlich befristeten und oft prekären Beschäftigungsverhältnissen engagiert – und offensichtlich ist es auch nach Jahren der Debatte über Machtmissbrauch in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich, dass am Set gepöbelt und im Extremfall sogar geprügelt wird, weil keiner es verhindert.“
Die Fragestellung macht klar, welchen Verdacht das „Spiegel“-Team hegt. Die Antwort der Regisseurin Doris Dörrie deutet zwar eher auf einen Systemfehler hin, doch für sie gibt es „einen Hauptschuldigen in dieser Sache: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“. Damit spreche sie „einen zentralen Punkt an: Die meisten Kinofilme in Deutschland sind auf eine Filmförderung angewiesen, von der FFA, der Filmförderungsanstalt, oder von den Landesanstalten. Eine Förderung gibt es aber in der Regel nur mit der Zusage eines Teilbeitrags durch eine Fernsehanstalt. Die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten Sender sparen jedoch. Deshalb ist es zuletzt schwieriger geworden, eine Förderung zu bekommen und Filme zu produzieren.“ Der „Spiegel“ merkt an, dass Dörrie „die Partnerin des Constantin-Chefs und Schweiger-Produzenten“ ist. Angemerkt sei außerdem, dass „Manta Manta – Zwoter Teil“ ein Kinofilm ist und mit mehr als vier Millionen Euro gefördert wurde. Eine Senderbeteiligung ist nicht bekannt.
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