In zwei Jahren Pandemie haben sich die Filmförderungen für das Kino stark gemacht. Doch die Filmverleiher werden im Regen stehen gelassen – zumindest jene, die auch „etwas schwierigere Filme und Themen“ im Kino möglich machen wollen. In einem Offenen Brief erklärt Björn Koll, Geschäftsführer von Salzgeber, die Unsinnigkeiten des Fördersystems. Hier der Text in ganzer Länge:
Liebe Filmemacherinnen und Filmemacher, liebe Produzentinnen und Produzenten,
seit fast 40 Jahren sind wir bei Salzgeber ein hoffentlich guter, verlässlicher und treuer Partner für Eure Filme und gemeinsam haben wir gerade auch für den deutschen Nachwuchs, die Dokumentarfilme und die etwas schwierigeren Filme und Themen vieles im Kino möglich gemacht und schöne Erfolge feiern können. Nun landen hier immer mehr Projekte auf meinem Schreibtisch: Ihr wollt einen neuen Film drehen, habt vielleicht schon eine erste Förderung bekommen und benötigt nun einen Verleihvertrag, um es mit den nächsten Bausteinen der Finanzierung einfacher zu haben oder gar DFFF-Mittel zu erhalten. Ich sage Euch immer häufiger ab und ganz zurecht verdienen diese nicht-inhaltlichen Absagen eine Begründung:
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2022-02-08 12:17:532022-02-08 12:17:53„So geht es einfach nicht mehr weiter“ – ein Arthouse-Verleih in der Pandemie
So geht’s, wenn man’s mit der Diversität nicht richtig ernst meint: Disney will „Schneewittchen“ neu verfilmen und feierte seine erste „Latino-Prinzessin“. Doch die sieben Zwerge hatte man irgendwie übersehen. Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage zeigte sich öffentlich „ein bisschen sprachlos“, warum man „diese verdammt noch mal rückwärtsgewandte Geschichte über sieben Zwerge“ überhaupt nochmal erzählt.
An seinen Prinzessinnen hat Disney über die Jahre schwer gearbeitet. Seit den 1990er-Jahren kamen welche aus nahen und dem fernen Osten und aus dem Pazifikhinzu, sogar eine amerikanische Ureinwohnerin wurde zur Titelheldin, und vor zwölf Jahren durfte erstmals eine Schwarze Prinzessin den Frosch küssen. Selbstbewusster und unabhängiger wurden die Prinzessinnen – der Unterhaltungskonzern ging mit der Zeit: „Die Eiskönigin“ von 2013 hatte locker den „Bechdel-Test“ bestanden.
Nur am Aussehen hat man kaum gearbeitet. Die Prinzessinnen-Riege sieht immer noch aus wie frisch von der Barbie-Akademie, ein Pummelchen wie in „Lilo und Stitch“ ist die Ausnahme. Und wird auch nicht zur Pyjama-Party eingeladen, wenn man sich etwa in „Ralph reicht’s 2“ über die eigenen Klischees lustig macht. Mehr aber auch nicht, und darum endet hier der märchenhafte Teil der Geschichte. Denn die Prinzessinnen sind zwar inzwischen so international wie ihre Zielgruppe – doch so richtig scheint man das doch nicht ernst zu nehmen, und „bessert“ lieber plastisch am Erscheinungsbild nach, wie die Reaktionen auf die Pyjama-Party vor drei Jahren zeigten.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2022-02-01 12:46:372022-02-08 12:19:23Falsche Vielfalt – wie Disney das mit der Diversität missversteht …
… und am Ende des Tages sind wir alle klüger. Warum wir nicht in ruhigen Zeiten leben, und das auch gut so ist – Gedanken in der Pandemie, Folge 144.
„Ohne Spaltung keine Politik.“
Michael Rutschky (1943-2018)
„The mind does not come to life until it meets something it cannot comprehend.“ James Carse (19??-2020)
Eine lange Winterschlaf-Pause war das; jetzt sind wir wieder da im Herbst der Pandemie, bevor diese dann zu einer Endemie wird. Wollen wir doch hoffen!
Aber auch in den letzten fünf Wochen hat sich – seien wir ehrlich! – nichts wesentlich geändert. Die Themen,die öffentlich im Zusammenhang mit der Pandemie diskutiert werden, sind die gleichen geblieben: Impfpflicht, der Umgang mit Impfgegnern, die Frage der Gefährlichkeit von Omikron, der sozialpsychologische Zustand der Republik, der Vergleich mit England (die natürlich alles schlechter machen, als wir), der Vergleich mit Österreich (wo man nichts schlechter macht, manches vielleicht sogar besser, es aber bei uns nicht wahrhaben will), vielleicht noch der Blick nach Schweden (wo sowieso alles ganz schlimm ist, oder?).
Gleich geblieben sind auch die Leerstellen, also das was nicht besprochen wird,
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2022-01-31 20:12:482022-01-31 20:12:48Gedanken in der Pandemie 144: Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung …
Was erwartet die Filmwirtschaft im neuen Jahr? Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes hat eine neue Untersuchung mit Hochrechnungen veröffentlicht.
„Es ist mittlerweile zu befürchten, dass es ein ähnlich schwieriges Jahr wie 2021 wird“: Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft hat Ende voriger Woche eine neue Untersuchung zur „Betroffenheit der Kultur- und Kreativwirtschaft von der Corona-Pandemie“ veröffentlicht. Die Aussichten sind verhalten: „Sollte wider Erwarten doch ab Frühjahr und Sommer eine Erholung eintreten, könnte möglicherweise eine langsame Annäherung an das Ausgangsjahr 2019 stattfinden. Vor 2023 wird dieses aber von der KKW [Kultur- und Kreativwirtschaft, Red.] insgesamt nicht zu erreichen sein. Die Erholungsfahrt der KKW erfolgt in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Für einige Teilmärkte der Kulturwirtschaft ist eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau noch nicht absehbar.“
Seit 15 Jahren hilft das Mediengründerzentrum NRW dem Nachwuchsproduzent*innen beim Start in die Praxis. Und dabei geht’s nicht so sehr ums Geld – viel wichtiger seien das Know-how und das Netzwerk, erklärt Geschäftsführer Rainer Weiland die Erfolgsgeschichte.
Herr Weiland, das Mediengründerzentrum NRW wurde im vorigen Jahr 15. Als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnen Sie es selbst: Fast 200 junge Unternehmen haben Sie bislang mit Stipendien gefördert, 90 Prozent Ihrer Stipendiat*innen hätten sich langfristig am Markt etabliert und mehr als 300 Auszeichnungen erhalten – bis hin zum „Europäischen Filmpreis“. Wie hat das Mediengründerzentrum dazu beigetragen? Das beginnt sicherlich bei der richtigen Auswahl. Das MGZ beruft dazu jedes Jahr eine hochkarätige Jury. In unserer aktuellen Jury sitzen neben Claudia Steffen, Geschäftsführerin von Pandora Film, Julia Pfiffer, Geschäftsführerin von Astragon Entertainment, Tobias Schiwek, CEO von We Are Era, sieben weitere erfahrene Vertreter*innen der Medienbranche.Unsere Jury nimmt sich viel Zeit, um aus den vielen guten Bewerbungen die allerbesten auszuwählen. Wer also zum Kreis unserer Stipendiat*innen zählt, hat schon vor Beginn des Programmsein anspruchsvolles Verfahren durchlaufen.
Die generelle Erfolgsformel des Mediengründerzentrums NRW ist vermutlich der Mix aus finanziellem Anreiz, einem passgenauen Seminarangebot zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und branchenbezogenen Themen, einem individuellen Coaching und aus einem sehr starken Netzwerk, in dem insbesondere erfahrene Mentor*innen aus der Medienbranche den Gründer*innen zur Seite stehen. Viele unserer Alumni sagen uns, der Gründungszuschuss sei zwar ganz schön, aber viel wichtiger sei das Know-how und das Netzwerk für sie gewesen.
Ihre Stipendien gehen an Produzent*innen, die in der Regel bereits eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben. Sie waren fünf Jahre selbst Geschäftsführer der Internationalen Filmschule Köln (IFS). Was bringen Sie den Stipendiat*innen bei, das an den Filmhochschulen nicht gelehrt wird? Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2022-01-19 17:22:212022-01-19 17:22:21Know-how für die Praxis: 15 Jahre Mediengründerzentrum NRW
In „Servus Bayern“ flüchtete Herbert Achternbusch 1978 nach Grönland, weil es dort nicht so kalt ist wie dahoam. | Screenshot.
Mit seinen Filmen hat sich Herbert Achternbusch an Bayern abgearbeitet. Fürs breite Publikum waren sie nichts, für Aufsehen sorgte seine Hassliebe zur Heimat dennoch. Vorige Woche ist der Künstler mit 83 Jahren gestorben. Am 10. Januar ist er mit 83 Jahren gestorben.
Mehr als 30 Filme hat Herbert Achternbusch gedreht, an die 50 Bücher und 20 Theaterstücke geschrieben. Fürs breite Publikum waren sie nichts, obwohl der Künstler gerne mit Karl Valentin verglichen wurde. Für Aufsehen sorgte seineHassliebe zur Heimat dennoch. „In Bayern mag ich nicht mal gestorben sein“, ließ Achternbusch 1978 einen seiner Filmhelden in „Servus Bayern“ sagen. Prompt verweigerte die Landesregierung ihm die Förderung. Nicht zum letzten Mal, schildert die „Taz“: „Seine oft mit geringem Aufwand gedrehten Filme nahmen regelmäßig die so unangepasst-subversive wie obrigkeitshörige und bigotte bayerische Volksseele aufs Korn. In ,Der Depp‘ (1983) ließ er seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften, im halbdokumentarischen ,Bierkampf‘ rechnet er mit einem bayerischen Heiligtum ab: dem Oktoberfest.“ Als er in ,Das Gespenst‘ Jesus Christus vom Kreuz herabsteigen lässt, um mit Maria eine Kneipe zu eröffnen, war für dem gerade neu ernannten Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann die Maß voll: Der CSU-Politiker verweigerte dem Regisseur das Preisgeld für seinen Film „Das letzte Loch“, der ein „Filmband in Silber“ (den heutigen „Deutschen Filmpreis“) gewonnen hatte. Im Jahr darauf lehnte Zimmermann auch die Förderung des Films „Der Wanderkrebs“ ab.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2022-01-18 12:04:522022-01-26 12:21:27Ein leidenschaftlicher Unruhestifter – zum Tod von Herbert Achternbusch
Entscheidende Augenblicke: Französische Erfahrungen, deutsche Fragen und die Steuerungsfähigkeit des Staates in der Tyrannei der Ungeimpften – Gedanken in der Pandemie, Folge 143.
„Die Schlacht von Austerlitz ist die schönste, die ich jemals geschlagen habe.“ Napoleon Bonaparte, an Josephine, am 2. Dezember 1805
„Der Nebel begann sich zu zerteilen, und in einer Entfernung von etwa zwei Werst konnte man bereits auf den gegenüberliegenden Höhen feindliche Truppen wahrnehmen, wenn auch nur undeutlich. Von links unten wurde das Schießen vernehmbar. Kutusow machte halt und sprach ein paar Worte mit einem österreichischen General. Fürst Andrej hielt dicht hinter ihm und beobachtete die beiden, dann wandte er sich an einen Adjutanten, um sich dessen Fernrohr auszubitten. ,Sehen Sie bloß, sehen Sie bloß‘, sagte dieser Adjutant und blickte nicht auf die Truppen in der Ferne, sondern vor sich den Berg hinunter. ,Das sind die Franzosen!‘ Die beiden Generäle und die anderen Adjutanten griffen nach dem Glase und entrissen es einer dem anderen. Ihre Gesichter hatten sich plötzlich verfärbt und drückten Entsetzen aus. Sie hatten die Franzosen in zwei Werst Entfernung geglaubt, und jetzt standen sie plötzlich unerwartet vor ihnen. ,Ist das der Feind? … Nein! … Aber sehen Sie doch, das ist er … ganz sicher … Was ist das?‘ schwirrte es durcheinander. Fürst Andrej erkannte mit bloßem Auge rechts unten eine dichte Kolonne Franzosen, die nicht weiter als fünfhundert Schritt von der Stelle entfernt war, wo Kutusow hielt. Jetzt ist er da, der entscheidende Augenblick. Jetzt ist’s an mir! dachte Fürst Andrej, riss sein Pferd herum und ritt an Kutusow heran.“ Leo Tolstoi,
„Den Weihnachtsmann gibt es nicht.“ Antonio Staglianò, Bischof von Noto auf Sizilien am 6.12.2021
Es gibt nicht nur eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, sondern auch epidemische Lügen. Undepidemische Dummheit von nationaler Tragweite. Sie kann man leider nicht abschaffen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-12-20 18:51:502021-12-20 18:51:50Gedanken in der Pandemie 143: Krieg und Frieden
Proporz-Probleme und Wissenschaft – Gedanken in der Pandemie, Folge 142.
„Wir müssen jene berücksichtigen, die fortgesetzt Fragen stellen und keine Schlüsse ziehen.“ Albert Camus, Schriftsteller, Philosoph
„Ich möchte nicht, dass wir dazu beitragen, dass die Schwierigkeiten noch größer werden.“ Rita Süßmuth, Gesundheitsministerin, 1985 zu ihrer AIDS-Kampagne
„Was im kollektiven Unterbewusstsein der Epoche rumort, das erscheint mit tödlicher Sicherheit auf der Leinwand – wenn auch zumeist in gefälliger Verpackung, mit tröstlichem Happy End und den Wechseln der Maskierung. Wenn unser Blick diese Schichten durchdringt, stoßen wir auf Zentralpunkte des modernen Lebensgefühls – und immer wieder auf die große Angst, das verborgene Leitmotiv der Zivilisation: Angst vor der Katastrophe, Angst vor der Langeweile, Angst vor der Angst.“ Gunter Groll, Filmkritiker
Wir können Geburtstag feiern. Aber vielleicht ist uns gar nicht zum Feiern zumute. Trotzdem: Vor fast genau zwei Jahren wurde das Covid-19-Virus erstmals in Europa nachgewiesen. Man hat dem damals noch keine große Bedeutung gegeben. aber ungefähr vor zwei Jahren und so um Weihnachten oder Silvester 2019 herum ging alles los. Und dann ging es wie wir uns erinnern sehr schnell. seitdem ist immer wieder von der neuen Normalität oder gar von der neuen Realität die Rede, was ich beides für ziemliches ideologisches Geschwätz halte. Denn weder sind die Verhältnisse normal noch hat sich die Realität – zu Erinnerung: gemeint ist die Wirklichkeit – geändert.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-12-16 20:13:322021-12-16 20:13:32Gedanken in der Pandemie 142: Lasst uns froh und munter sein!
„So geht es einfach nicht mehr weiter“ – ein Arthouse-Verleih in der Pandemie
out takes, Peter HartigAlle reden von der Filmkunst. Doch deren Verleiher wurden in der Pandemie vom Fördersystem im Stich gelassen. Björn Koll, Geschäftsführer von Salzgeber, hat einen sehr Offenen Brief geschrieben. | Foto © Salzgeber
In zwei Jahren Pandemie haben sich die Filmförderungen für das Kino stark gemacht. Doch die Filmverleiher werden im Regen stehen gelassen – zumindest jene, die auch „etwas schwierigere Filme und Themen“ im Kino möglich machen wollen. In einem Offenen Brief erklärt Björn Koll, Geschäftsführer von Salzgeber, die Unsinnigkeiten des Fördersystems. Hier der Text in ganzer Länge:
Liebe Filmemacherinnen und Filmemacher, liebe Produzentinnen und Produzenten,
seit fast 40 Jahren sind wir bei Salzgeber ein hoffentlich guter, verlässlicher und treuer Partner für Eure Filme und gemeinsam haben wir gerade auch für den deutschen Nachwuchs, die Dokumentarfilme und die etwas schwierigeren Filme und Themen vieles im Kino möglich gemacht und schöne Erfolge feiern können. Nun landen hier immer mehr Projekte auf meinem Schreibtisch: Ihr wollt einen neuen Film drehen, habt vielleicht schon eine erste Förderung bekommen und benötigt nun einen Verleihvertrag, um es mit den nächsten Bausteinen der Finanzierung einfacher zu haben oder gar DFFF-Mittel zu erhalten. Ich sage Euch immer häufiger ab und ganz zurecht verdienen diese nicht-inhaltlichen Absagen eine Begründung:
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Falsche Vielfalt – wie Disney das mit der Diversität missversteht …
out takes, Peter HartigPyjama-Party mit Prinzessinnen in „Ralph reicht’s 2“. Disney hat bald für jeden Herkunftshintergrund die passende Identifikationsfigur – und retten können die sich inzwischen schon selber. Doch Diversität sieht anders aus, wenn man’s ernst meint. | Foto © Disney
So geht’s, wenn man’s mit der Diversität nicht richtig ernst meint: Disney will „Schneewittchen“ neu verfilmen und feierte seine erste „Latino-Prinzessin“. Doch die sieben Zwerge hatte man irgendwie übersehen. Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage zeigte sich öffentlich „ein bisschen sprachlos“, warum man „diese verdammt noch mal rückwärtsgewandte Geschichte über sieben Zwerge“ überhaupt nochmal erzählt.
An seinen Prinzessinnen hat Disney über die Jahre schwer gearbeitet. Seit den 1990er-Jahren kamen welche aus nahen und dem fernen Osten und aus dem Pazifik hinzu, sogar eine amerikanische Ureinwohnerin wurde zur Titelheldin, und vor zwölf Jahren durfte erstmals eine Schwarze Prinzessin den Frosch küssen. Selbstbewusster und unabhängiger wurden die Prinzessinnen – der Unterhaltungskonzern ging mit der Zeit: „Die Eiskönigin“ von 2013 hatte locker den „Bechdel-Test“ bestanden.
Nur am Aussehen hat man kaum gearbeitet. Die Prinzessinnen-Riege sieht immer noch aus wie frisch von der Barbie-Akademie, ein Pummelchen wie in „Lilo und Stitch“ ist die Ausnahme. Und wird auch nicht zur Pyjama-Party eingeladen, wenn man sich etwa in „Ralph reicht’s 2“ über die eigenen Klischees lustig macht. Mehr aber auch nicht, und darum endet hier der märchenhafte Teil der Geschichte. Denn die Prinzessinnen sind zwar inzwischen so international wie ihre Zielgruppe – doch so richtig scheint man das doch nicht ernst zu nehmen, und „bessert“ lieber plastisch am Erscheinungsbild nach, wie die Reaktionen auf die Pyjama-Party vor drei Jahren zeigten.
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Gedanken in der Pandemie 144: Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung …
Rüdiger Suchsland, Unsere Gäste1968, als wenigstens morgens um 7 die Welt noch in Ordnung war. | Foto © HR/Degeto
… und am Ende des Tages sind wir alle klüger. Warum wir nicht in ruhigen Zeiten leben, und das auch gut so ist – Gedanken in der Pandemie, Folge 144.
„Ohne Spaltung keine Politik.“
Michael Rutschky (1943-2018)
„The mind does not come to life until it meets something it cannot comprehend.“
James Carse (19??-2020)
Eine lange Winterschlaf-Pause war das; jetzt sind wir wieder da im Herbst der Pandemie, bevor diese dann zu einer Endemie wird. Wollen wir doch hoffen!
Aber auch in den letzten fünf Wochen hat sich – seien wir ehrlich! – nichts wesentlich geändert. Die Themen, die öffentlich im Zusammenhang mit der Pandemie diskutiert werden, sind die gleichen geblieben: Impfpflicht, der Umgang mit Impfgegnern, die Frage der Gefährlichkeit von Omikron, der sozialpsychologische Zustand der Republik, der Vergleich mit England (die natürlich alles schlechter machen, als wir), der Vergleich mit Österreich (wo man nichts schlechter macht, manches vielleicht sogar besser, es aber bei uns nicht wahrhaben will), vielleicht noch der Blick nach Schweden (wo sowieso alles ganz schlimm ist, oder?).
Gleich geblieben sind auch die Leerstellen, also das was nicht besprochen wird,
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Gemischte Prognose
out takesDie Kultur- und Kreativwirtschaft ist von der Pandemie nicht gleichermaßen betroffen. Der Teilmarkt Film gehört zu den größten Verlierern. Auch im günstigsten Szenario wird er noch nicht wieder den Stand vor Corona erreichen. | Grafik © Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Was erwartet die Filmwirtschaft im neuen Jahr? Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes hat eine neue Untersuchung mit Hochrechnungen veröffentlicht.
„Es ist mittlerweile zu befürchten, dass es ein ähnlich schwieriges Jahr wie 2021 wird“: Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft hat Ende voriger Woche eine neue Untersuchung zur „Betroffenheit der Kultur- und Kreativwirtschaft von der Corona-Pandemie“ veröffentlicht. Die Aussichten sind verhalten: „Sollte wider Erwarten doch ab Frühjahr und Sommer eine Erholung eintreten, könnte möglicherweise eine langsame Annäherung an das Ausgangsjahr 2019 stattfinden. Vor 2023 wird dieses aber von der KKW [Kultur- und Kreativwirtschaft, Red.] insgesamt nicht zu erreichen sein. Die Erholungsfahrt der KKW erfolgt in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Für einige Teilmärkte der Kulturwirtschaft ist eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau noch nicht absehbar.“
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Know-how für die Praxis: 15 Jahre Mediengründerzentrum NRW
out takes, Peter HartigFünf Jahre lang war Rainer Weiland in der Geschäftsführung der Internationalen Filmschule Köln. Seit einem Jahr leitet er das Mediengründerzentrum NRW – und hat noch einiges vor: Im September startete mit „Sheroes“ ein „Empowerment-Programm“. Bislang hatten sich nämlich wesentlich weniger Frauen als Männer um ein Starthilfe-Stipendium beworben. | Foto © Mediengründerzentrum NRW/Hojabr Riahi
Seit 15 Jahren hilft das Mediengründerzentrum NRW dem Nachwuchsproduzent*innen beim Start in die Praxis. Und dabei geht’s nicht so sehr ums Geld – viel wichtiger seien das Know-how und das Netzwerk, erklärt Geschäftsführer Rainer Weiland die Erfolgsgeschichte.
Herr Weiland, das Mediengründerzentrum NRW wurde im vorigen Jahr 15. Als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnen Sie es selbst: Fast 200 junge Unternehmen haben Sie bislang mit Stipendien gefördert, 90 Prozent Ihrer Stipendiat*innen hätten sich langfristig am Markt etabliert und mehr als 300 Auszeichnungen erhalten – bis hin zum „Europäischen Filmpreis“. Wie hat das Mediengründerzentrum dazu beigetragen?
Das beginnt sicherlich bei der richtigen Auswahl. Das MGZ beruft dazu jedes Jahr eine hochkarätige Jury. In unserer aktuellen Jury sitzen neben Claudia Steffen, Geschäftsführerin von Pandora Film, Julia Pfiffer, Geschäftsführerin von Astragon Entertainment, Tobias Schiwek, CEO von We Are Era, sieben weitere erfahrene Vertreter*innen der Medienbranche. Unsere Jury nimmt sich viel Zeit, um aus den vielen guten Bewerbungen die allerbesten auszuwählen. Wer also zum Kreis unserer Stipendiat*innen zählt, hat schon vor Beginn des Programms ein anspruchsvolles Verfahren durchlaufen.
Die generelle Erfolgsformel des Mediengründerzentrums NRW ist vermutlich der Mix aus finanziellem Anreiz, einem passgenauen Seminarangebot zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und branchenbezogenen Themen, einem individuellen Coaching und aus einem sehr starken Netzwerk, in dem insbesondere erfahrene Mentor*innen aus der Medienbranche den Gründer*innen zur Seite stehen. Viele unserer Alumni sagen uns, der Gründungszuschuss sei zwar ganz schön, aber viel wichtiger sei das Know-how und das Netzwerk für sie gewesen.
Ihre Stipendien gehen an Produzent*innen, die in der Regel bereits eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben. Sie waren fünf Jahre selbst Geschäftsführer der Internationalen Filmschule Köln (IFS). Was bringen Sie den Stipendiat*innen bei, das an den Filmhochschulen nicht gelehrt wird?
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Ein leidenschaftlicher Unruhestifter – zum Tod von Herbert Achternbusch
out takes, Peter HartigIn „Servus Bayern“ flüchtete Herbert Achternbusch 1978 nach Grönland, weil es dort nicht so kalt ist wie dahoam. | Screenshot.
Mit seinen Filmen hat sich Herbert Achternbusch an Bayern abgearbeitet. Fürs breite Publikum waren sie nichts, für Aufsehen sorgte seine Hassliebe zur Heimat dennoch. Vorige Woche ist der Künstler mit 83 Jahren gestorben. Am 10. Januar ist er mit 83 Jahren gestorben.
Mehr als 30 Filme hat Herbert Achternbusch gedreht, an die 50 Bücher und 20 Theaterstücke geschrieben. Fürs breite Publikum waren sie nichts, obwohl der Künstler gerne mit Karl Valentin verglichen wurde. Für Aufsehen sorgte seine Hassliebe zur Heimat dennoch. „In Bayern mag ich nicht mal gestorben sein“, ließ Achternbusch 1978 einen seiner Filmhelden in „Servus Bayern“ sagen. Prompt verweigerte die Landesregierung ihm die Förderung. Nicht zum letzten Mal, schildert die „Taz“: „Seine oft mit geringem Aufwand gedrehten Filme nahmen regelmäßig die so unangepasst-subversive wie obrigkeitshörige und bigotte bayerische Volksseele aufs Korn. In ,Der Depp‘ (1983) ließ er seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften, im halbdokumentarischen ,Bierkampf‘ rechnet er mit einem bayerischen Heiligtum ab: dem Oktoberfest.“ Als er in ,Das Gespenst‘ Jesus Christus vom Kreuz herabsteigen lässt, um mit Maria eine Kneipe zu eröffnen, war für dem gerade neu ernannten Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann die Maß voll: Der CSU-Politiker verweigerte dem Regisseur das Preisgeld für seinen Film „Das letzte Loch“, der ein „Filmband in Silber“ (den heutigen „Deutschen Filmpreis“) gewonnen hatte. Im Jahr darauf lehnte Zimmermann auch die Förderung des Films „Der Wanderkrebs“ ab.
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Gedanken in der Pandemie 143: Krieg und Frieden
Rüdiger Suchsland, Unsere Gäste„Den Weihnachtsmann gibt es nicht“, hatte ein Bischof auf Sizilien gepetzt und wurde prompt als Spielverderber geschimpft. Dabei hatte er bloß das Geschäftsmodell dahinter angeprangert: „Warum bringt der Weihnachtsmann nur den Reichen Geschenke und nicht den Kindern, die nichts haben?“ Szenenbild aus „Versprochen ist versprochen“. | Foto © 20th Century Fox
Entscheidende Augenblicke: Französische Erfahrungen, deutsche Fragen und die Steuerungsfähigkeit des Staates in der Tyrannei der Ungeimpften – Gedanken in der Pandemie, Folge 143.
„Die Schlacht von Austerlitz ist die schönste, die ich jemals geschlagen habe.“
Napoleon Bonaparte, an Josephine, am 2. Dezember 1805
„Der Nebel begann sich zu zerteilen, und in einer Entfernung von etwa zwei Werst konnte man bereits auf den gegenüberliegenden Höhen feindliche Truppen wahrnehmen, wenn auch nur undeutlich. Von links unten wurde das Schießen vernehmbar. Kutusow machte halt und sprach ein paar Worte mit einem österreichischen General. Fürst Andrej hielt dicht hinter ihm und beobachtete die beiden, dann wandte er sich an einen Adjutanten, um sich dessen Fernrohr auszubitten. ,Sehen Sie bloß, sehen Sie bloß‘, sagte dieser Adjutant und blickte nicht auf die Truppen in der Ferne, sondern vor sich den Berg hinunter. ,Das sind die Franzosen!‘ Die beiden Generäle und die anderen Adjutanten griffen nach dem Glase und entrissen es einer dem anderen. Ihre Gesichter hatten sich plötzlich verfärbt und drückten Entsetzen aus. Sie hatten die Franzosen in zwei Werst Entfernung geglaubt, und jetzt standen sie plötzlich unerwartet vor ihnen. ,Ist das der Feind? … Nein! … Aber sehen Sie doch, das ist er … ganz sicher … Was ist das?‘ schwirrte es durcheinander. Fürst Andrej erkannte mit bloßem Auge rechts unten eine dichte Kolonne Franzosen, die nicht weiter als fünfhundert Schritt von der Stelle entfernt war, wo Kutusow hielt. Jetzt ist er da, der entscheidende Augenblick. Jetzt ist’s an mir! dachte Fürst Andrej, riss sein Pferd herum und ritt an Kutusow heran.“
Leo Tolstoi,
„Den Weihnachtsmann gibt es nicht.“
Antonio Staglianò, Bischof von Noto auf Sizilien am 6.12.2021
Es gibt nicht nur eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, sondern auch epidemische Lügen. Und epidemische Dummheit von nationaler Tragweite. Sie kann man leider nicht abschaffen.
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Gedanken in der Pandemie 142: Lasst uns froh und munter sein!
Rüdiger Suchsland, Unsere GästePieks! | Grafik © Ayzit Bostan
Proporz-Probleme und Wissenschaft – Gedanken in der Pandemie, Folge 142.
„Wir müssen jene berücksichtigen, die fortgesetzt Fragen stellen und keine Schlüsse ziehen.“
Albert Camus, Schriftsteller, Philosoph
„Ich möchte nicht, dass wir dazu beitragen, dass die Schwierigkeiten noch größer werden.“
Rita Süßmuth, Gesundheitsministerin, 1985 zu ihrer AIDS-Kampagne
„Was im kollektiven Unterbewusstsein der Epoche rumort, das erscheint mit tödlicher Sicherheit auf der Leinwand – wenn auch zumeist in gefälliger Verpackung, mit tröstlichem Happy End und den Wechseln der Maskierung. Wenn unser Blick diese Schichten durchdringt, stoßen wir auf Zentralpunkte des modernen Lebensgefühls – und immer wieder auf die große Angst, das verborgene Leitmotiv der Zivilisation: Angst vor der Katastrophe, Angst vor der Langeweile, Angst vor der Angst.“
Gunter Groll, Filmkritiker
Wir können Geburtstag feiern. Aber vielleicht ist uns gar nicht zum Feiern zumute. Trotzdem: Vor fast genau zwei Jahren wurde das Covid-19-Virus erstmals in Europa nachgewiesen. Man hat dem damals noch keine große Bedeutung gegeben. aber ungefähr vor zwei Jahren und so um Weihnachten oder Silvester 2019 herum ging alles los. Und dann ging es wie wir uns erinnern sehr schnell. seitdem ist immer wieder von der neuen Normalität oder gar von der neuen Realität die Rede, was ich beides für ziemliches ideologisches Geschwätz halte. Denn weder sind die Verhältnisse normal noch hat sich die Realität – zu Erinnerung: gemeint ist die Wirklichkeit – geändert.
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