In Österreich hat die Förderreform schon vor zwei Jahren stattgefunden. Und gilt als Erfolgsmodell: Das neue Anreizsystem FISAplus brachte nicht nur einen Standorteffekt von 300 Prozent, sondern auch mehr „internationale Sichtbarkeit“, erklären Nina-Anica Keidies und Juliane Buchroithner von der Film Commission ABA – Film in Austria.
Deutschland hofft auf die große Förderreform, in Österreich gab’s die bereits vor zwei Jahren. Die Presseberichte klingen begeistert: Vor allem das neue Anreizprogramm FISAplus sorge für „Aufbruchstimmung“ und „Rückenwind“ im Land. Was heißt das in Zahlen? Nina-Anica Keidies: Die anfänglichen Erwartungen wurden bei FISAplus weit übertroffen. Seit Anfang 2023 wurden mit FISAplus 113 Projekte mit einem Gesamtzuschuss von rund 109,9 Millionen Euro genehmigt, wodurch 2.900 Drehtage und ein Österreich-Effekt von rund 347 Millionen Euro entstanden. Dadurch wurde ein Gesamtumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirkt, inklusive indirekter und induzierter Effekte. Auch ein erheblicher Beschäftigungseffekt konnte festgestellt werden. Juliane Buchroithner: Durch das neue Anreizsystem FISAplus wird zudem der Werbe- und Markenwert für Österreich gesteigert. Entlang der Wertschöpfungskette sind bereits deutliche Effekte bemerkbar. Jeder Euro an Förderung durch das neue Anreizsystem löst rund 3 Euro an direkten Produktionsausgaben im Land aus.
Der Direktor des ÖFI sieht Filme aus Österreich inzwischen gar als internationale Marke. Aber Erfolge hatten die doch auch vorher schon vorzuweisen – allein zwei „Oscars“ für den besten internationalen Film 2008 und 2013. Wo lag das Problem?
Dokumentarfilme zeigen uns die Welt, und hinterher fühlen wir uns manchmal hilflos. ShareDoc will das ändern: Mit einem QR-Code können Dokumentarfilme Spenden sammeln und zugleich für sich selber werben.
Ein QR-Code macht den Unterschied. So wirbt ShareDoc für sein Anliegen unter Dokumentarfilmer*innen: Die Welt nicht nur zu zeigen, sondern auch beim Helfen zu helfen. Denn „nichts ist frustrierender, als helfen zu wollen, aber nicht können.“
Anne-Marie Borsboom nennt das den „postdokumentarischen Blues“, wenn auf die Erkenntnis ein Gefühl der Ohnmacht folgt. Das Dilemma ist bekannt. Viele Dokumentarfilme verraten jetzt schon im Abspann oder auf der Website, wo es Möglichkeiten gibt, zu spenden oder sich gar persönlich zu engagieren. ShareDoc macht das zum Programm: 54 Dokumentarfilme sind inzwischen auf der Website vertreten – nicht als Stream, sondern vor allem mit einem Zweck: weiterzuwirken.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2024-07-22 16:45:342024-07-22 16:45:34ShareDoc: Mehr Wirkung für den Dokumentarfilm
Acht Punkte hatte BKM Claudia Roth angekündigt, drei Säulen sind es geworden. Oder vielleicht auch vier. Bei der großen Reform der Filmförderung ist noch einiges offen und vieles in Bewegung. Ein Überblick zum Zwischenstand.
Die erste Säule steht. Das war erstmal die gute Nachricht inmitten all der Skepsis, ob’s noch was wird mit dem angekündigten großen Wurf, mit dem es wieder aufwärts gehen soll beim Deutschen Film. Ein Jahr hat Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), auf sich warten lassen seit ihrem Acht-Punkte-Plan zur großen Reform der deutschen Filmförderung und FFA.
Die Erwartungen sind hoch. Die große Reform wird schon seit Jahren erwartet und wurde zweimal verschoben. Und der Branche geht inzwischen überhaupt nicht gut. Streamer und Sender fahren ihre Produktionen herunter, den Kinos fehlt immer noch Publikum, Firmen melden Insolvenz, Filmschaffende verlassen die Branche – die Auftragslage sei „katastrophal“. Beziehungsweise „desaströs“. Sagen nicht nur viele Betroffene, sondern bestätigt auch ein Blick in die Datenbank von Crew United.
Wie es besser werden soll, skizziert der Referentenentwurf, den die BKM im Februar zur Berlinale vorstellte. Dann hatten die vielen Interessengruppen der Branche Zeit für ihre Stellungnahmen. Ende Mai verabschiedete das Kabinett den Gesetzentwurf, der zum nächsten Jahr in Kraft treten soll. Diesmal war die Frist für Stellungnahmen etwas knapper, denn laut Plan (wir berichteten auf „Outtakes“) soll das Gesetz im Juni durch den Bundestag, der es wiederum durch den Kulturausschuss schickt. Und dann schaut auch noch der Bundesrat, was er davon hält. Kurzum: Es kann sich noch einiges ändern – schon zwischen Referentenentwurf und Kabinettsvorlage gibt es „umfangreiche Änderungen“, die Marc Mensch bei „Spot“ dokumentiert hat.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2024-06-14 19:08:072024-06-14 19:08:07Förderreform: Ein Plan ohne Plan
Die Produktionsallianz ehrt alljährlich ein Lebenswerk. Für 16 Filmverbände ist das Anlass, an die Arbeitsbedingungen zu erinnern. Für ihre Kritik kriegen sie heftig Gegenwind. Ein Faktencheck.
Martin Moszkowicz wurde am Donnerstag mit dem „Carl-Laemmle-Produzentenpreis“ geehrt. Laemmle hatte irgendwie Hollywood gegründet, darum gilt der Preis für nicht weniger als das Lebenswerk eines Produzenten. Das sind bei Moskowicz, der bis vor kurzem die Constantin Film leitete, mehr als 300 Produktionen von „Fack ju Göhte“ bis „Die drei Musketiere“, die auch beim Publikum gut ankommen.
Gegen die Ehrung hatte sich die Filmunion in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) schon im März empört (cinearte 719). Kurz vor der Preisverleihung meldeten sich nun 16 weitere Organisationen und Berufsverbände aus gleichem Grund. „Für uns als Filmschaffende hat diese Ehrung leider einen bitteren Beigeschmack“, schrieben sie am Montag in einem gemeinsamen Offenen Brief: Weiterlesen
Südtirol in Norditalien ist nicht nur beim deutschen Fernsehpublikum beliebt. Die Filmförderung tut auch einiges für den Standort über alle Grenzen, erklärt Birgit Oberkofler. Die Leiterin der IDM Film Commission Südtirol ist mit dem vergangenen Filmjahr hochzufrieden – und hat schon ein neues Projekt am Start.
Frau Oberkofler, die Provinz Südtirol wird zunehmend bei Produktionen gefragt. Wie war das Jahr aus dem Blick der Filmförderung? Die IDM Film Commission Südtirol gilt mittlerweile als sehr verlässlicher Partner. Deshalb entscheiden sich immer mehr italienische und ausländische Produzenten für die Dreharbeiten ihrer Projekte in Südtirol und bewerben sich um eine Förderung. Dank des von uns jährlich verwalteten Filmfonds sind wir in der Lage, ein großes Produktionsvolumen zu finanzieren. Im Jahr 2023 unterstützte IDM beispielsweise 31 Projekte, darunter Filme, Dokumentationen, TV-Serien und Kurzfilme, mit einem Gesamtfördervolumen von mehr als vier Millionen Euro. Zudem wurden in unserer Region weitere 26 in den Vorjahren finanzierte und während der Drehphase geförderte Produktionen gedreht, von denen neun Projekte nicht vom Fonds gefördert wurden. Dank dieser Arbeit konnten insgesamt 248 Drehtage in der Region gedreht werden, was einer Wirkung von 333 Prozent entspricht. Unsere Produktionsunterstützung bringt uns jedes Jahr weit, aber im Jahr 2023 hat sie uns besonders wichtige Momente der Sichtbarkeit und Zufriedenheit für unsere Arbeit beschert. Wir waren auf einigen der bedeutendsten Festivals der Branche: „Lubo“ von Giorgio Diritti lief im Wettbewerb von Venedig, der Dokumentarfilm „Vista Mare“ der Südtiroler Künstler Julia Gutweniger und Florian Kofler in Locarno, und „Souvenirs of War“ von Georg Zeller hatte seine Weltpremiere in Sarajevo – um nur einige Beispiele zu nennen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Antonio Braccohttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgAntonio Bracco2024-05-16 22:45:182024-05-16 22:45:44Hohe Berge mit Blick nach Süden
Dem Zustand der Demokratie widmet sich das Dokfest München in diesem Jahr mit Themenreihen und Eröffnungsfilm. Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden, sagt Festivalleiter Daniel Sponsel: „Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm.“
Viel Politik zeigt die Homepage des Dokfests. Digitale Überwachung im Eröffnungsfilm, die Fokus-Themenreihe blickt auf den Zustand europäischer Demokratien, ein weitere widmet sich Filmemacher*innen, die im Exil leben und aktuell nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Ähnliches findet man sogar auf Festivals, die sich eher dem Spielfilm verschrieben haben. Fühlt sich die Filmwelt zurzeit besonders aufgefordert? Wir als Dokumentarfilmfestival fühlen uns seit jeher gefordert, in bestimmten Bereichen Aspekte des gesellschaftlich Politischen abzudecken. Das spiegelt das Programm der letzten Jahre eigentlich immer wieder. Vielleicht hat das nochmal ein Stück weit zugelegt, weil tatsächlich der Ton in der Gesellschaft rauer geworden ist, die Konflikte größer, die Lagerbildung ist expliziter geworden. Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm. Dieser Anspruch gilt möglicherweise nicht für alle Filmfestivals – ob jetzt ein Trickfilmfestival oder ein Kurzfilmfestival das so leisten kann, weiß ich nicht, aber wir als Dokumentarfilmfestival auf jeden Fall. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2024-04-26 00:00:422024-04-26 00:01:20Ein Dokfest der Demokratie
Der Einstieg in die Kreativbranchen ist eh schon kompliziert. Für Menschen mit „Migrationshistorie“ sind die Hürden noch viel höher, sagt Agnieszka Aksamit. Mit ihrem Mentorenprogramm erleichtert der Verein TLNT & TLNT benachteiligten jungen Menschen den Zugang zur Arbeitswelt. Gratis!
Netzwerke sind wichtig im Beruf. In Kreativbranchen wie Film und Fernsehen geht es gar nicht ohne. Schwierig aber, wenn man noch am Anfang steht und Zugang sucht in eine Branche mit eigenen Regeln und unbekannten Berufen. Mentorenprogramme wollen den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern. Auch bei TLNT & TLNT werden „Mentors“ und „Mentees“ verbunden. Mit einer Besonderheit: Das Programm richtet sich in erster Linie an junge Menschen mit Migrationshistorie. Und ist für die Mentees kostenlos. Agnieszka Aksamit ist Sozialpädagogin und Gründerin der gemeinnützigen Organisation. In ihrer Zeit als Sozialarbeiterin in einer Fachstelle für Integration und Migration hatte sie schon vor langer Zeit die Idee. Während der Covid-Krise wurde das Programm von TLNT & TLNT zu einem Online-Format für Menschen, die im kreativen oder Tech Bereich Fuß fassen wollen – „wir bauen eine große Community auf“, sagt sie.
Regeln, Workshops und Ansprechstellen sollen für ein sicheres Arbeitsklima sorgen. Ob dann auch wirklich alles gut läuft beim Dreh, ist eine andere Frage. Eine App soll den täglichen Überblick verschaffen. „Call It!“ fragt Cast und Crew anonym nach Problemen und Stimmung am Set und gibt Produktionen die Chance, rasch zu reagieren, sagt Kate Wilson, die die App mit Jules Hussey und Delyth Thomas entwickelt hat.
Frau Wilson, „Call It!“ soll für gute Arbeitsbedingungen beim Film sorgen: Die App fragt, wie es auf der Arbeit war – geantwortet wird nach einem simplen Ampelsystem, wie man es aus dem Supermarkt kennt. Reicht das? Schließlich geht es laut Ihrer Website um eine ganze Menge: „Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsbedingungen, inakzeptable Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen sowie Fälle von Mobbing, Belästigung und Diskriminierung“. Die App stellt drei verschiedene Fragen: Zuerst die allgemeine Frage „Wie wurden Sie heute am Arbeitsplatz behandelt?“ Hier können Sie tatsächlich mit dem Ampelsystem angeben, ob es gut, okay oder schlecht war.
Die zweite fragt, ob Sie Bedenken haben in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsschutz oder Arbeitsbedingungen – oder (und das ist wichtig) ob Sie bestätigen, dass Sie keine dieser Bedenken haben.
Die dritte Frage ist, ob Sie Mobbing oder Belästigung erlebt haben. Wenn Sie mit „Ja“ antworten, erhalten Sie eine Liste von Diskriminierungsarten (wie sexuelle Belästigung, Rassismus oder Ableismus) und können ankreuzen, ob eine dieser Arten auf Ihre Erfahrung zutrifft.
Hotspot Österreich
out takes, Peter HartigDreharbeiten zu „Downhill“ in Tirol 2020. Als Kulisse war Österreich zwar schon vorher beliebt, durch das neue Anreizsystem werde der internationale Werbe- und Markenwert aber gesteigert, meinen die Förderungen. | Foto © Jaap Buitendijk/20th Century Fox
In Österreich hat die Förderreform schon vor zwei Jahren stattgefunden. Und gilt als Erfolgsmodell: Das neue Anreizsystem FISAplus brachte nicht nur einen Standorteffekt von 300 Prozent, sondern auch mehr „internationale Sichtbarkeit“, erklären Nina-Anica Keidies und Juliane Buchroithner von der Film Commission ABA – Film in Austria.
Deutschland hofft auf die große Förderreform, in Österreich gab’s die bereits vor zwei Jahren. Die Presseberichte klingen begeistert: Vor allem das neue Anreizprogramm FISAplus sorge für „Aufbruchstimmung“ und „Rückenwind“ im Land. Was heißt das in Zahlen?
Nina-Anica Keidies: Die anfänglichen Erwartungen wurden bei FISAplus weit übertroffen. Seit Anfang 2023 wurden mit FISAplus 113 Projekte mit einem Gesamtzuschuss von rund 109,9 Millionen Euro genehmigt, wodurch 2.900 Drehtage und ein Österreich-Effekt von rund 347 Millionen Euro entstanden. Dadurch wurde ein Gesamtumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirkt, inklusive indirekter und induzierter Effekte. Auch ein erheblicher Beschäftigungseffekt konnte festgestellt werden.
Juliane Buchroithner: Durch das neue Anreizsystem FISAplus wird zudem der Werbe- und Markenwert für Österreich gesteigert. Entlang der Wertschöpfungskette sind bereits deutliche Effekte bemerkbar. Jeder Euro an Förderung durch das neue Anreizsystem löst rund 3 Euro an direkten Produktionsausgaben im Land aus.
Der Direktor des ÖFI sieht Filme aus Österreich inzwischen gar als internationale Marke. Aber Erfolge hatten die doch auch vorher schon vorzuweisen – allein zwei „Oscars“ für den besten internationalen Film 2008 und 2013. Wo lag das Problem?
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ShareDoc: Mehr Wirkung für den Dokumentarfilm
out takes, Peter HartigMehr als 30.000 Euro hat „Daughters of the Sun“ an Spenden gesammelt, das Geld ging an die neun Protagonistinnen des Dokumentarfilms. | Foto © Mokum
Dokumentarfilme zeigen uns die Welt, und hinterher fühlen wir uns manchmal hilflos. ShareDoc will das ändern: Mit einem QR-Code können Dokumentarfilme Spenden sammeln und zugleich für sich selber werben.
Ein QR-Code macht den Unterschied. So wirbt ShareDoc für sein Anliegen unter Dokumentarfilmer*innen: Die Welt nicht nur zu zeigen, sondern auch beim Helfen zu helfen. Denn „nichts ist frustrierender, als helfen zu wollen, aber nicht können.“
Anne-Marie Borsboom nennt das den „postdokumentarischen Blues“, wenn auf die Erkenntnis ein Gefühl der Ohnmacht folgt. Das Dilemma ist bekannt. Viele Dokumentarfilme verraten jetzt schon im Abspann oder auf der Website, wo es Möglichkeiten gibt, zu spenden oder sich gar persönlich zu engagieren. ShareDoc macht das zum Programm: 54 Dokumentarfilme sind inzwischen auf der Website vertreten – nicht als Stream, sondern vor allem mit einem Zweck: weiterzuwirken.
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Förderreform: Ein Plan ohne Plan
out takes, Peter HartigGleich fünffach gewann „Das Lehrerzimmer“ im vorigen Jahr den „Deutschen Filmpreis“, unter anderem als bester Film. Kurz zuvor hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (2. von rechts) ihre Ideen für eine bessere Förderung skizziert und Hoffnungen geweckt. | Foto © Deutscher Filmpreis/Eventpress
Acht Punkte hatte BKM Claudia Roth angekündigt, drei Säulen sind es geworden. Oder vielleicht auch vier. Bei der großen Reform der Filmförderung ist noch einiges offen und vieles in Bewegung. Ein Überblick zum Zwischenstand.
Die erste Säule steht. Das war erstmal die gute Nachricht inmitten all der Skepsis, ob’s noch was wird mit dem angekündigten großen Wurf, mit dem es wieder aufwärts gehen soll beim Deutschen Film. Ein Jahr hat Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), auf sich warten lassen seit ihrem Acht-Punkte-Plan zur großen Reform der deutschen Filmförderung und FFA.
Die Erwartungen sind hoch. Die große Reform wird schon seit Jahren erwartet und wurde zweimal verschoben. Und der Branche geht inzwischen überhaupt nicht gut. Streamer und Sender fahren ihre Produktionen herunter, den Kinos fehlt immer noch Publikum, Firmen melden Insolvenz, Filmschaffende verlassen die Branche – die Auftragslage sei „katastrophal“. Beziehungsweise „desaströs“. Sagen nicht nur viele Betroffene, sondern bestätigt auch ein Blick in die Datenbank von Crew United.
Wie es besser werden soll, skizziert der Referentenentwurf, den die BKM im Februar zur Berlinale vorstellte. Dann hatten die vielen Interessengruppen der Branche Zeit für ihre Stellungnahmen. Ende Mai verabschiedete das Kabinett den Gesetzentwurf, der zum nächsten Jahr in Kraft treten soll. Diesmal war die Frist für Stellungnahmen etwas knapper, denn laut Plan (wir berichteten auf „Outtakes“) soll das Gesetz im Juni durch den Bundestag, der es wiederum durch den Kulturausschuss schickt. Und dann schaut auch noch der Bundesrat, was er davon hält. Kurzum: Es kann sich noch einiges ändern – schon zwischen Referentenentwurf und Kabinettsvorlage gibt es „umfangreiche Änderungen“, die Marc Mensch bei „Spot“ dokumentiert hat.
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Die Preisverderber
out takes, Peter HartigIm schwäbischen Laupheim wurde einst Carl Laemmle geboren, der 1912 die Universal Filmstudios gründete und nebenbei auch Hollywood. Ein großes Vorbild für die Produktionsallianz. Seit 2017 vergibt sie mit der Stadt Laupheim den „Carl-Laemmle-Produzentenpreis“ für ein Lebenswerk und stellt damit „zugleich die besondere Leistung der Produzent*innen im kreativen und wirtschaftlichen Prozess des Filmschaffens heraus.“ | Foto © Carl Laemmle Produzentenpreis/Severin Wohlleben
Die Produktionsallianz ehrt alljährlich ein Lebenswerk. Für 16 Filmverbände ist das Anlass, an die Arbeitsbedingungen zu erinnern. Für ihre Kritik kriegen sie heftig Gegenwind. Ein Faktencheck.
Martin Moszkowicz wurde am Donnerstag mit dem „Carl-Laemmle-Produzentenpreis“ geehrt. Laemmle hatte irgendwie Hollywood gegründet, darum gilt der Preis für nicht weniger als das Lebenswerk eines Produzenten. Das sind bei Moskowicz, der bis vor kurzem die Constantin Film leitete, mehr als 300 Produktionen von „Fack ju Göhte“ bis „Die drei Musketiere“, die auch beim Publikum gut ankommen.
Gegen die Ehrung hatte sich die Filmunion in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) schon im März empört (cinearte 719). Kurz vor der Preisverleihung meldeten sich nun 16 weitere Organisationen und Berufsverbände aus gleichem Grund. „Für uns als Filmschaffende hat diese Ehrung leider einen bitteren Beigeschmack“, schrieben sie am Montag in einem gemeinsamen Offenen Brief:
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Hohe Berge mit Blick nach Süden
Antonio Bracco, out takes2023 lief besonders gut, freut sich Birgit Oberkofler, die Leiterin der IDM Film Commission Südtirol. Damit meint sie nicht bloß die Zahlen, sondern „besonders wichtige Momente der Sichtbarkeit und Zufriedenheit für unsere Arbeit“. | Foto © IDM
Südtirol in Norditalien ist nicht nur beim deutschen Fernsehpublikum beliebt. Die Filmförderung tut auch einiges für den Standort über alle Grenzen, erklärt Birgit Oberkofler. Die Leiterin der IDM Film Commission Südtirol ist mit dem vergangenen Filmjahr hochzufrieden – und hat schon ein neues Projekt am Start.
Frau Oberkofler, die Provinz Südtirol wird zunehmend bei Produktionen gefragt. Wie war das Jahr aus dem Blick der Filmförderung?
Die IDM Film Commission Südtirol gilt mittlerweile als sehr verlässlicher Partner. Deshalb entscheiden sich immer mehr italienische und ausländische Produzenten für die Dreharbeiten ihrer Projekte in Südtirol und bewerben sich um eine Förderung. Dank des von uns jährlich verwalteten Filmfonds sind wir in der Lage, ein großes Produktionsvolumen zu finanzieren. Im Jahr 2023 unterstützte IDM beispielsweise 31 Projekte, darunter Filme, Dokumentationen, TV-Serien und Kurzfilme, mit einem Gesamtfördervolumen von mehr als vier Millionen Euro. Zudem wurden in unserer Region weitere 26 in den Vorjahren finanzierte und während der Drehphase geförderte Produktionen gedreht, von denen neun Projekte nicht vom Fonds gefördert wurden. Dank dieser Arbeit konnten insgesamt 248 Drehtage in der Region gedreht werden, was einer Wirkung von 333 Prozent entspricht.
Unsere Produktionsunterstützung bringt uns jedes Jahr weit, aber im Jahr 2023 hat sie uns besonders wichtige Momente der Sichtbarkeit und Zufriedenheit für unsere Arbeit beschert. Wir waren auf einigen der bedeutendsten Festivals der Branche: „Lubo“ von Giorgio Diritti lief im Wettbewerb von Venedig, der Dokumentarfilm „Vista Mare“ der Südtiroler Künstler Julia Gutweniger und Florian Kofler in Locarno, und „Souvenirs of War“ von Georg Zeller hatte seine Weltpremiere in Sarajevo – um nur einige Beispiele zu nennen.
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Ein Dokfest der Demokratie
out takes, Peter Hartig„Im Dokumentarfilm heißt es immer, dass ich mich einem vertiefenden Blick widme“, sagt Dokfest-Leiter Daniel Sponsel. Das sei schon etwas anderes als die täglichen Nachrichten. | Foto © Dokfest München
Dem Zustand der Demokratie widmet sich das Dokfest München in diesem Jahr mit Themenreihen und Eröffnungsfilm. Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden, sagt Festivalleiter Daniel Sponsel: „Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm.“
Viel Politik zeigt die Homepage des Dokfests. Digitale Überwachung im Eröffnungsfilm, die Fokus-Themenreihe blickt auf den Zustand europäischer Demokratien, ein weitere widmet sich Filmemacher*innen, die im Exil leben und aktuell nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Ähnliches findet man sogar auf Festivals, die sich eher dem Spielfilm verschrieben haben. Fühlt sich die Filmwelt zurzeit besonders aufgefordert?
Wir als Dokumentarfilmfestival fühlen uns seit jeher gefordert, in bestimmten Bereichen Aspekte des gesellschaftlich Politischen abzudecken. Das spiegelt das Programm der letzten Jahre eigentlich immer wieder. Vielleicht hat das nochmal ein Stück weit zugelegt, weil tatsächlich der Ton in der Gesellschaft rauer geworden ist, die Konflikte größer, die Lagerbildung ist expliziter geworden. Und wenn eine Kulturgattung da etwas leisten kann, dann doch der Dokumentarfilm. Dieser Anspruch gilt möglicherweise nicht für alle Filmfestivals – ob jetzt ein Trickfilmfestival oder ein Kurzfilmfestival das so leisten kann, weiß ich nicht, aber wir als Dokumentarfilmfestival auf jeden Fall. Weiterlesen
Willkommen bei TLNT & TLNT!
out takes, Pierpaolo FestaMentorenprogramme wollen den Einstieg in die Branche erleichtern. Der Verein TLNT & TLNT hat dabei Menschen mit Migrationshistorie im Fokus. | Foto © TLNT & TLNT
Der Einstieg in die Kreativbranchen ist eh schon kompliziert. Für Menschen mit „Migrationshistorie“ sind die Hürden noch viel höher, sagt Agnieszka Aksamit. Mit ihrem Mentorenprogramm erleichtert der Verein TLNT & TLNT benachteiligten jungen Menschen den Zugang zur Arbeitswelt. Gratis!
Netzwerke sind wichtig im Beruf. In Kreativbranchen wie Film und Fernsehen geht es gar nicht ohne. Schwierig aber, wenn man noch am Anfang steht und Zugang sucht in eine Branche mit eigenen Regeln und unbekannten Berufen. Mentorenprogramme wollen den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern. Auch bei TLNT & TLNT werden „Mentors“ und „Mentees“ verbunden. Mit einer Besonderheit: Das Programm richtet sich in erster Linie an junge Menschen mit Migrationshistorie. Und ist für die Mentees kostenlos.
Agnieszka Aksamit ist Sozialpädagogin und Gründerin der gemeinnützigen Organisation. In ihrer Zeit als Sozialarbeiterin in einer Fachstelle für Integration und Migration hatte sie schon vor langer Zeit die Idee. Während der Covid-Krise wurde das Programm von TLNT & TLNT zu einem Online-Format für Menschen, die im kreativen oder Tech Bereich Fuß fassen wollen – „wir bauen eine große Community auf“, sagt sie.
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Stimmungsbarometer und Frühwarnsystem
out takes, Peter HartigWenn am Set was schieflief, will keiner etwas gewusst haben. Oder weiß noch ganz andere Sachen zu erzählen. Da wär’s doch ganz gut, wenn die Produktion schon vorher wüsste, wo etwas klemmt. | Foto © Adobe Stock
Regeln, Workshops und Ansprechstellen sollen für ein sicheres Arbeitsklima sorgen. Ob dann auch wirklich alles gut läuft beim Dreh, ist eine andere Frage. Eine App soll den täglichen Überblick verschaffen. „Call It!“ fragt Cast und Crew anonym nach Problemen und Stimmung am Set und gibt Produktionen die Chance, rasch zu reagieren, sagt Kate Wilson, die die App mit Jules Hussey und Delyth Thomas entwickelt hat.
Frau Wilson, „Call It!“ soll für gute Arbeitsbedingungen beim Film sorgen: Die App fragt, wie es auf der Arbeit war – geantwortet wird nach einem simplen Ampelsystem, wie man es aus dem Supermarkt kennt. Reicht das? Schließlich geht es laut Ihrer Website um eine ganze Menge: „Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsbedingungen, inakzeptable Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen sowie Fälle von Mobbing, Belästigung und Diskriminierung“.
Die App stellt drei verschiedene Fragen: Zuerst die allgemeine Frage „Wie wurden Sie heute am Arbeitsplatz behandelt?“ Hier können Sie tatsächlich mit dem Ampelsystem angeben, ob es gut, okay oder schlecht war.
Die zweite fragt, ob Sie Bedenken haben in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsschutz oder Arbeitsbedingungen – oder (und das ist wichtig) ob Sie bestätigen, dass Sie keine dieser Bedenken haben.
Die dritte Frage ist, ob Sie Mobbing oder Belästigung erlebt haben. Wenn Sie mit „Ja“ antworten, erhalten Sie eine Liste von Diskriminierungsarten (wie sexuelle Belästigung, Rassismus oder Ableismus) und können ankreuzen, ob eine dieser Arten auf Ihre Erfahrung zutrifft.
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