Schnitt-Preis Kurzfilm: Leila Fatima Keita für „The Silence of 600 Million Results“

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Leila Fatima Keita hat das Thema Abtreibung in einem Desktop-Film montiert. Ihr war wichtig, „dass der Film zwar eine emotionale Note hat, das Thema jedoch auch aus politischer, medizinischer und sozialer Perspektive beleuchtet wird.“ Raum für die Kunst fand sie dabei trotzdem. | Foto © Juliane Guder/Edimotion

Um Filmschnitt und Montagekunst dreht sich das Edimotion im Köln. Beim Festival werden die „Schnitt-Preise“ in mehreren Kategorien verliehen. Die Editorin Leila Fatima Keita wurde den Kurzfilm „The Silence of 600 Million Results“ ausgezeichnet. 

Die Protagonistin deines Films „The Silence of 600 Million Results“ erfährt, dass sie ungeplant schwanger geworden ist und wir erleben ihre Suche nach Antworten zu der Frage, wie sie damit umgehen soll, über die Bildschirme ihres Laptops und ihres Smartphones. Welche Herausforderungen gab es für dich bei diesem Desktop-Film?
Sophie Lahusen hat mir für den Schnitt zahlreiche Videos und Fotos zur Verfügung gestellt. Zusätzlich entstand auch einiges an Footage durch Bildschirmaufnahmen, die ich im Schnittraum erstellt habe. Im Laufe des Montageprozesses erhielten wir Erfahrungsberichte von Menschen, die eine Abtreibung erlebt haben – sowohl in Audio- als auch in Videoform. Diese Berichte haben wir versucht, organisch mit dem übrigen Material zu verweben.
Anfangs arbeiteten wir ausschließlich mit deutschsprachigem Material. Da wir jedoch wollten, dass der Film auch international gesehen werden kann, haben wir nach einer Pause nochmals neu begonnen und eine englische Version produziert. Bei Desktop-Filmen ist es immer eine Herausforderung, zusätzliche Untertitel zu integrieren, da oft bereits viel Schrift auf dem Bildschirm vorhanden ist. 

Abtreibung ist ein sehr emotionales und aufgeladenes Thema für viele Menschen. Welche erzählerische Haltung habt ihr für den Film in der Montage gesucht?
Wenn das Thema Abtreibung in Filmen vorkommt, wird es häufig stark vereinfacht und einseitig dargestellt. Zu oft sehe ich Filme, in denen eine weiße, cis-hetero Frau nach einer Abtreibung weinend unter der Dusche steht und sich über den Bauch streicht. Häufig wird gezeigt, dass eine Abtreibung das gesamte Leben verändert – doch eine ungewollt ausgetragene Schwangerschaft kann dies ebenso tun.
Diese einseitige Darstellung halte ich für sehr problematisch, denn Abtreibungen betreffen Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen, und niemand sollte sich für eine Abtreibung rechtfertigen müssen. Es war mir persönlich wichtig, dass der Film zwar eine emotionale Note hat, das Thema jedoch auch aus politischer, medizinischer und sozialer Perspektive beleuchtet wird. Um zu verhindern, dass der Film eine individuelle Geschichte erzählt, haben wir uns entschieden, unsere Protagonistin nie sichtbar zu zeigen, damit sich alle Zuschauer*innen angesprochen fühlen können.

War immer klar, dass man die Protagonistin nie sehen wird?
Im Laufe der Montage kam immer wieder die Sorge auf, dass der Film ohne sichtbare Protagonistin kühl und schwer greifbar wirken könnte. Aber es ist ja nicht so, dass gar keine Menschen auf dem Bildschirm zu sehen wären. Wie gesagt, wir haben Videos und Erfahrungsberichte von verschiedenen Personen erhalten und zusätzlich im Internet Material von Abtreibungsgegnern sowie der Pro-Choice-Bewegung gesammelt, um im Film zu zeigen, was auf eine schwangere Person alles einwirkt. Es war oft schwer zu entscheiden, wie viel Raum wir beispielsweise den Abtreibungsgegner*innen geben sollten, da es teilweise sehr abschreckende und unrealistische Videos gibt, die Betroffenen ein schlechtes Gewissen machen sollen. Gleichzeitig wäre es aber auch falsch, einen Film zu machen, der die gesamte Situation nur durch eine rosarote Brille zeigt. Ich hoffe uns ist eine gute Balance gelungen. 

Auf jeden Fall! Auch weil du dich in einzelnen Szenen von der Realität des Desktops verabschiedest und die digitalen Bilder zu einer Art „Stream of consciousness“ der Protagonistin werden. Du verwendest dann zum Beispiel ziemlich aufwendige Bild-in-Bild-Montagen. Wie wichtig war es für dich, diese poetische Freiheit in der Bildgestaltung immer wieder im Film einzusetzen?
Da ich ADHS habe, arbeite ich oft sehr assoziativ und nutze diese Freiheit gerne, um kreativ und intuitiv vorzugehen. Ich liebe es zu basteln und mache in meiner Freizeit gerne Collagen. Sophie kannte auch meine anderen Arbeiten und wusste, dass ich gerne Neues ausprobiere. Sie hat mir daher viel Freiheiten gelassen, und ich bin ihr dankbar für dieses Vertrauen.

Woran arbeitest du aktuell und wo können wir deinen nächsten Film sehen?
Momentan liege ich krank im Bett und erhole mich vom Trubel der letzten Wochen. So einen tollen Preis bekomme ich ja nicht alle Tage, und mein Körper muss das alles erst mal verarbeiten.
Tatsächlich habe ich gemeinsam mit einem guten Freund, Felix Klee, einen weiteren Desktop-Film über Tiere in Google Maps gemacht, der Ende Oktober bei Dok Leipzig Premiere feierte. 

 

Werner Busch ist Kurator bei Edimotion – Festival für Filmschnitt und Montagekunst.