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Jella Haase in der neuen Netflix-Serie „Kleo“. Eigentlich eine gute Nachricht: Der Streamer produziert seine Serien jetzt nach Tarif. Drum fragen wir auch nicht, wie es wohl vorher war. | Foto © Netflix/Svenja Terjung

Der Streamingriese Netflix und die Gewerkschaft Verdi haben Mindestgagen für die Beteiligten von Serienproduktionen vereinbart. Man habe damit die „Sozialpartnerschaft für faire Produktionsbedingungen“ ausgebaut.

Netflix will Beteiligte an Serienproduktionen in Deutschland künftig besser bezahlen, meldet „Der Spiegel“ via DPA und mutmaßt sogleich: „Dazu dürfte wohl auch ein Fachkräftemangel beigetragen haben.“ 

Bereits Anfang Juni hatten sich Netflix und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) darauf geeinigt: Seit dem 1. Juli macht der Streamer den Tarif- und den Gagentarifvertrag zwischen Verdi und der Produzentenallianz zur formellen Grundlage bei seinen Serienproduktionen. Das teilte Verdi heute mit. 

Demnach will Netflix sogar noch weiter gehen: „Filmschaffende mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung über den bestehenden Gagentarifvertrag hinaus: Bei Folgenbudgets über 1,2 Millionen Euro werden die Mindestgagen um 5 Prozent angehoben und bei Folgenbudgets über 2,5 Millionen Euro um 7,5 Prozent. Außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“ Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) zu erfolgsbasierten Zusatzvergütungen hatten Netflix und Verdi bereits vor zwei Jahren beschlossen. Es sei „das erste Abkommen dieser Art mit einem Streamingdienst in Deutschland und daher ein Meilenstein für die Film- und Fernsehbranche“, meinte Verdi damals. 

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Wenn’s vor der Kamera intim wird, geht es oft nicht sehr professionell zu, finden die meisten Schauspieler*innen in einer Befragung. Intimitätskoordinator*innen am Set halten die meisten für sinnvoll. Szenenfoto aus „Uhrwerk Orange“ (1971). | Foto © Warner Bros.

Der Bundesverband Schauspiel hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt. Die Antworten zeichnen kein gutes Bild von der Branche.

Auf dem Münchener Filmfest hatte der Bundesverband Schauspiel (BFFS) am Donnerstag einen neuen Beruf vorgestellt: „Intimacy Coordinating und die Professionalisierung der Darstellung von Intimität“. Die Aufzeichnung ist im Youtube-Kanal des BFFS zu sehen. 

Bei der Veranstaltung stellte der Verband auch die Ergebnisse einer Umfrage vor. Der BFFS hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt, die Daten wurden am Institut für Medienforschung der Universität Rostock ausgewertet, das auch hinter den Diversitätsstudien der Malisa-Stiftung und den Diversitätsberichten des Regieverbands steht.

Dem BFFS hatten 417 Schauspieler*innen geantwortet. Neunmal so viele Mitglieder hat der Verband nach eigenen Angaben – so richtig „repräsentativ“ sind die Ergebnisse also nicht. Sie zeichnen gleichwohl ein Bild der Branche („die Ergebnisse sind binär, da nur wenige non-binäre Personen unter den Befragten waren und so kein auswertbares Sample geschaffen werden konnte“, wird eingangs erklärt). „Die Ergebnisse sind ernüchternd, nein, sie sind erschütternd“, schreibt Joachim Huber im „Tagesspiegel“.  

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Am Anfang wollte Katharina Mückstein auf Instagram nur ihre eigenen Erfahrungen in der Branche schildern. Dann sammelte die Regisseurin die Berichte, die ihr Kolleg*innen zuschickten. Sie zeigen ein System an Übergriffen und Machtmissbrauch. | Screenshot

Österreich hat vorige Woche seine Filmpreise verliehen. Doch die Branche beschäftigt Anderes: Auf Instagram berichten Betroffene von Übergriffen und Machtmissbrauch an Filmsets und Theaterbühnen.

Nach fünf Jahren hat „#MeToo“ auch Österreich  erreicht, berichtete Magdalena Miedl vorige Woche beim ORF.  Den Anstoß gab die Regisseurin Katharina Mückstein. Auf Instagram hatte sie aufgerufen, über sexualisierte Übergriffe und Gewalt in der Kulturbranche zu sprechen. „Die Fälle, die über Mücksteins Instagram-Account bekannt werden, rangieren von unangenehm bis zu schwer traumatisierend – und in vielen Fällen sind sie ein Zeichen äußerster Respektlosigkeit und Unprofessionalität: Da ist etwa der renommierte Regisseur und Professor, der in der Schauspielausbildung sagt, dass Schauspieler ,bei Sexszenen eine echte Erektion haben müssen, und das auszuhalten oder auch zu genießen zum Berufsbild einer Schauspielerin’ gehöre. Da ist auch der Schauspieler, der eine Kollegin überredet, zum Textlernen in sein Hotelzimmer zu kommen, und ihr dann Nackenmassage und Oralverkehr vorschlägt. Wieder andere Fälle seien zu heftig, um sie wörtlich auf ihrem Instagram-Kanal zu teilen, so Mückstein […] Das Echo ist gewaltig, die Medienberichte zahlreich, die Reaktionen heftig – und vielfach auch verständnislos.“

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Die Branche braucht vor allem Fachkräfte an der Basis, erklärt Janna Bardewyck, Senior Human Resource Managerin bei der Ufa. Deren Ausbildung habe früher eher „nebenbei“ stattgefunden, dabei sei „Stück für Stück Expertise verloren gegangen“ – auch ein Grund für den Fachkräftemangel. Mit der neuen Initiative will Ufa-Geschäftsführer Joachim Kosack neue Gesellschaftsgruppen ansprechen, „auch was Diversität angeht“. | Foto © UFA/Bernd Jaworek

Der Branche fehlen Nachwuchs und Fachkräfte – vor allem „below the line“. Die Ufa startet darum im Mai ein neues  Weiterbildungsprogramm für Quereinsteiger*innen fast jeden Alters. Der Ufa-Geschäftsführer Joachim Kosack und die Personalmanagerin Janna Bardewyck erklären, worum es ihnen bei der Ufa Academy geht.

Im Mai startet Ihr neues Weiterbildungsprogramm. Die Ufa Academy richtet sich „gezielt“ an Quereinsteiger*innen, die zum Film wollen. Ist das eine einmalige Initiative oder langfristig geplant?
Janna Bardewyck: Wir starten erstmalig mit dieser Zielgruppe, wollen perspektivisch das Angebot aber auch auf andere Fachbereiche ausweiten. Ob wir bereits nächstes Jahr einen weiteren Ausbildungsgang anbieten oder erst in zwei Jahren, entscheiden wir Ende des Jahres.

In zwei Jahren sollen die Quereinsteiger*innen „zum Profi“ für Aufnahmeleitung, Filmgeschäftsführung, Regieassistenz oder Script/Continuity ausgebildet werden. Wie hatten Sie Ihre Mitarbeiter*innen denn bisher ausgebildet?
Janna Bardewyck: Bisher haben wir ebenfalls sehr praxisbezogen ausgebildet. Dann kamen jedoch vor allem junge Menschen mit Vorerfahrung, zum Beispiel durch verschiedene Praktika.
Joachim Kosack: Aufgrund des großen Bedarfs wenden wir uns jetzt mit der Ufa Academy an Quereinsteiger*innen.

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Der beste Film des Jahres ist ein Remake: „Coda“ ist ein anrührender Film, aber gewiss nicht die ganz große Filmkunst. Ohnehin waren die Filmkünste in diesem Jahr aus der Gala verbannt, weil sowas eh niemanden interessiere. | Foto © Apple

Zum ersten Mal gewann ein Streamer den „Oscar“ für den besten Film. Wichtiger als das Medium sind aber die Preisträgerinnen: Die Hauptpreise für Film und Regie gingen an Frauen. Die diesjährige „Oscar“-Gala war eine Feier der Diversität und ein Absage an Kino. 

Am Sonntag war „Oscar“-Nacht, und alle Gewinner und Nominierten sehen Sie hier [auf Englisch].

Am Freitag sah in der „Frankfurter Rundschau“ Daniel Kothenschulte „Hollywood am Scheideweg“, gar „das Ende einer Ära“: „Während die Academy of Motion Picture Arts and Sciences endlich über ein prächtiges Filmmuseum in Los Angeles verfügt, dürfte es seine begehrten ,Oscars‘ im großen Stil an die möglichen Totengräber des Kinos, die Streamingdienste, verteilen. Die Frage ist nur, ob Netflix oder Apple am Ende mit dem Hauptpreis nach Hause gehen.“

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Vor sieben Jahren erfuhren junge Schauspieler*innen ein Casting als Alptraum. In „The Case You“ erinnern fünf von ihnen das Erlebte. | Foto © Lenn Lamster/Mindjazz Pictures

Im Film „The Case You“ erinnern sich fünf junge Schauspielerinnen an ein Casting, bei dem sie gedemütigt, bedroht und sexuell belästigt wurden. Und vor Gericht klagen sie gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.

Seit vor fünf Jahren die „MeToo-Bewegung“ loslegte, ist klar: Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe sind auch in der Filmbranche kein Einzelfall. In dem Dokumentarfilm „The Case You“, der zurzeit im Kino läuft, erinnert sich eine Gruppe junger Schauspielerinnen an ein Casting, bei dem sie gedemütigt, bedroht und sexuell belästigt wurden. Der Film war voriges Jahr mit dem „Deutschen Dokumentarfilmpreis“ (in der Kategorie Kultur) und beim Dokfest München mit dem „Student Award“ ausgezeichnet worden. 

Was damals geschah, beschreibt Gabi Sikorski im „Filmdienst“: „Am Anfang stand eine seriös wirkende Casting-Einladung, das Drehbuch war beigefügt. Für die jungen Schauspielerinnen bot sich 2015 die Chance auf eine kleine oder größere Rolle. Mehr als 300 Mädchen und junge Frauen stellten sich vor; viele von ihnen waren noch keine 18 Jahre alt, manche unter 16. Die meisten waren naiv; der Traum von der Filmkarriere wischte alle Bedenken weg. Was dann allerdings auf die Frauen zukam, war ebenso überraschend wie schrecklich. Im Rahmen des Vorsprechens mussten sie sich entkleiden oder wurden dazu genötigt. Männer und Frauen aus dem Team begrapschten sie am ganzen Körper. Sie wurden angebrüllt, bedroht und geschlagen, alles ohne Vorbereitung oder Begründung. Viele weinten, doch niemand kam ihnen zu Hilfe. Ihre offenkundige Hilflosigkeit war Teil des Kalküls.“ 

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Seit einem Jahr ist Crew United auch auf Polnisch online. Die Nutzung ist rasant gestiegen. | Screenshot

Anfang Februar 2021 ging die Website von Crew United Polska online. Irena Gruca-Rozbicka und Anna Rembowska betreuen die polnische Version der Plattform – und ziehen eine kleine Zwischenbilanz.

Seit einem Jahr gibt es Crew United auch in Polen. Wie läuft es nach dem ersten Jahr?
Irena Gruca-Rozbicka: Wir haben heute einen Blick auf die Website-Statistiken geworfen. Es schaut gut aus! Der Verkehr von polnischen Nutzer*innen ist um 445 Prozent gestiegen! Mehrere hundert polnische Filmemacher*innen und Schauspieler*innen haben uns bereits ihr Vertrauen geschenkt. Auf Crew United befinden sich schon fast zweitausend polnische Projekte aller Genres, die von registrierten Nutzern und unserem Redaktionsteam eingetragen wurden. Darunter auch Produktionen, die sich in der Vorbereitungs- und Finanzierungsphase befinden – das ist eine wertvolle Informationsquelle für viele registrierte Nutzer und Unternehmen. 

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„Jeder, egal in welcher Abteilung, ist überarbeitet.“ Cathy Scorsese (links, mit ihrem Vater Martin) fordert schon seit Jahren eine bessere Art, Filme zu machen. | Foto © Cathy Scorsese

Der „Hollywood Reporter“ nimmt sich einen Budgetentwurf für den Western „Rust“ vor. Und die Requisiteurin Cathy Scorsese prangert Sparzwang und Arbeitszeiten in der US-Filmbranche an. 

„Die Produzenten des Films ,Rust‘ kalkulierten 650.000 US-Dollar für sich selbst, 7.913 Dollar für ihre Waffenmeisterin und 350.000 Dollar als Notkasse für den Fall, dass etwas schiefgeht.“ Ziemlich heftig packt der „Hollywood Reporter“ [auf Englisch] zusammen, was er in einem Entwurf des Produktionsbudgets gelesen hat: Das Gesamtbudget für „Rust“ betrug 7.279.305 US-Dollar, mit 75 Crew-Mitgliedern, 22 Schauspieler*innen und 230 Kompars*innen aus der Region. Alec Baldwin sollte als Hauptdarsteller 150.000 Dollar und als Produzent weitere 100.000 Dollar erhalten. Vier der fünf anderen Produzenten sollten alle 150.000 Dollar erhalten. „Ich würde sagen, dass dieser Film ein Kampf wird, aber ich würde nicht sagen, dass er abgestürzt und verbrannt wäre‘, sagt eine Quelle mit Kenntnissen ähnlicher Produktionen, die das Budget überprüft hat. ,Ich frage mich, warum sie sechs Produzenten brauchen, die bezahlt werden. Sie würden übereinander herfallen, wenn sie wirklich am Set wären. Aber sowas ist nicht unbekannt.‘“

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Die Kamerafrau Halyna Hutchins starb am 21. Oktober bei Dreharbeiten. Zwischen 6 und 7 Millionen US-Dollar soll das Budget von „Rust“ betragen. Hierzulande eine stattliche Summe, in den USA die niedrigste Kategorie – darunter gibt es nur noch „Ultra-Low“-Budget-Filme, erklärt „Variety“. | Foto © Change

Die Ermittlungen zum tödlichen Zwischenfall beim Dreh in den USA laufen weiter – ebenso die Berichte zu Zwischenfällen bei früheren Produktionen. Das Branchenmagazin „Variety“ hat sich eingehender mit einigen der Produzent*innen des Low-Budget-Western befasst. 

Bei den Dreharbeiten zum Film „Rust“ wurde am 21. Oktober die Kamerafrau Halyna Hutchins mit einer Requisitenwaffe erschossen. Bandar Albuliwi, der vor ihr am American Film Institute (AFI) studierte, hat nun eine Petition gestartet, in der er das Verbot von echten Waffen an Filmsets fordert: „Wie jeder in der ,AFI-Familie’ kannten wir uns alle untereinander. AFI ist eine sehr kleine Gemeinschaft von Filmemacher*innen, die alles daran setzen, nach dem Abschluss des Programms ihren ,großen Durchbruch’ in der Filmindustrie zu schaffen. Diese aufstrebende Kamerafrau wurde 2019 zum ,Rising Star Cinematographer’ ernannt und schaffte endlich den Durchbruch in der Hollywood-Filmindustrie, nachdem sie sich ein halbes Jahrzehnt lang abgemüht und tolle Inhalte gedreht hatte. Vor ,Rust’ hat sie drei Spielfilme gedreht, aber dies wäre der Film gewesen, der sie in Hollywood als talentierte Kamerafrau bekannt gemacht hätte, die mit einem A-Promi zusammenarbeitet. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese vermeidbare Tragödie nie wieder ereignet!  Im 21. Jahrhundert gibt es keine Entschuldigung dafür, dass so etwas passieren kann. Echte Waffen werden an den Drehorten von Filmproduktionen nicht mehr benötigt. Wir befinden uns nicht mehr in den frühen 90er Jahren, als Brandon Lee auf die gleiche Weise getötet wurde.“

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Der Oberbeleuchter Serge Svetnoy teilte auf Facebook das letzte Foto vor dem Unglück und erhob schwere Vorwürfe. Halyna Hutchins ist bereits die vierte Kamerafrau, die in den vergangenen zehn Jahren in den USA bei Dreharbeiten getötet wurde, rechnet das Magazin „Jacobin“ vor. | Foto © Serge Svetnoy

Bei den Untersuchungen zum Todesfall beim Dreh des US-Westerns „Rust“ vermuten die Ermittler scharfe Munition am Set. Unterdessen hatten mehrere Filmschaffende ihre Erfahrungen geteilt: Sie werfen der Produktion vor, auf Kosten der Sicherheit gespart zu haben. 

Nach dem tödlichen Schuss am Filmset des Western „Rust“ gehen die Ermittler davon aus, dass die von dem Schauspieler Alec Baldwin benutzte Waffe mit einer echten Kugel geladen war, berichtet die „Tagesschau“. Dies gaben die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico bekannt. „Nach Angaben des Sheriffs gibt es Hinweise, dass sich noch mehr scharfe Munition am Set befand. Dazu seien weitere Untersuchungen in einem Waffenlabor nötig. Demnach stellte die Polizei am Filmset 500 Kugeln sicher – eine ,Mischung’ aus Platzpatronen, Patronenattrappen und vermutlich auch echten Kugeln. ,Wir werden feststellen, wie sie (die echten Kugeln) dort hingekommen sind, warum sie da waren, denn sie hätten nicht dort sein sollen’, so [Sheriff] Mendoza. Die Ermittler ließen auch durchblicken, dass ihnen Berichte bekannt seien, wonach Crewmitglieder einige Stunden vor dem tödlichen Vorfall Waffen mit scharfer Munition für Schießübungen benutzt hätten. Auch diesen Berichten gehe man nach.“ 

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Benedict Hoermann (2. von rechts) beim Dreh von „Euphoria“. Hoermann hat als 1st AD an an internationalen Koproduktionen wie „Resistance“ oder „Trautmann“ gearbeitet. Mit Inken Janssen ist er Erster Vorstand der Assistant Directors Union mit rund 100 Mitgliedern. | Foto © Jürgen Olcyk/Tatfilm

Bei Dreharbeiten in den USA kam die Kamerafrau Halyna Hutchins ums Leben, weil eine Requisiten-Waffe geladen war. Ein solcher Unfall lasse sich nur vermeiden, wenn die Sicherheit an erster Stelle steht, meint Benedict Hoermann, 1st AD und Vorstand der Assistant Directors Union. Dafür brauche es aber gute Planung, mehr Schulungen und klarere Hierarchien. 

Herr Hoermann, Platzpatronen kenne ich nur vom Fasching. Wie kann es, technisch gesehen, überhaupt zu solch einem tödlichen Unfall kommen?
Das ist schwierig zu sagen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen sind. Was ich bisher gelesen habe: Dass bei einer Probe oder beim Dreh sich ein oder mehrere Schüsse aus einem Revolver gelöst haben, der zuvor von dem 1st AD als „Cold Weapon“, also ungeladene Waffe bezeichnet wurde. Es ist nicht unüblich, dass der 1st AD diese Ansage laut macht. Dies ist sogar sehr sinnvoll, weil dann alle Umstehenden genau wissen, dass diese Waffe ungefährlich ist.
Im gegenteiligen Fall, also wenn etwa eine Waffe mit einer oder mehreren Platzpatronen geladen ist, macht man direkt vor der Übergabe die Ansage „Hot Weapon“ und weist noch einmal Crew und Cast klar und deutlich darauf hin, dass die Waffe mit Platzpatronen geladen ist, äusserst gefährlich ist und niemals auf Personen gerichtet werden darf, es sei denn sie sind extra durch schussfeste Scheiben oder ähnliches geschützt.
Platzpatronen kommen in der Regel nur zum Einsatz, wenn es zu teuer und aufwendig wäre, das Mündungsfeuer einer Pistole und die Bewegung der Mechanik einer Waffe beim Schuss erst im Nachhinein mit VFX zu generieren. Das ist meist der Fall, wenn sich grössere Teile an einer Waffe beim Auslösen bewegen; oder wenn die Waffe im Dunklen abgefeuert wird und der Lichteffekt sehr deutlich zu sehen ist; oder wenn die Waffe sich recht nah vor der Kamera befindet.
Was natürlich niemals passieren darf: Dass ein*e 1st AD eine Waffe übergibt – das muss stets über eine*n Waffenmeister*in, die Fachkraft am Set, geschehen. Und natürlich darf ein*e 1st AD die Ansage „Cold Weapon“ auch erst machen, nachdem der*die Waffenmeister*in den leeren Lauf der Waffe und die leere Kammer gezeigt hat und gesagt hat, dass die Waffe leer ist.

Muss denn der 1. AD nochmals kontrollieren?
Ja. auf jeden Fall. Ich fühle mich in der Regel für alles verantwortlich, und jedes Problem ist auch mein Problem. Demnach ist vor allem wichtig, bei allen Dingen die Kontrolle zu haben. Und das geht nur, indem man, gerade bei sicherheitsrelevanten Dingen, jeden Schritt und jedes Department noch einmal selbst hinterfragt und kontrolliert. Das heißt natürlich nicht das ich alles selbst tue. Aber an einem Set sollte nichts passieren und geschehen, dass nicht genau so läuft, wie es von AD und Production Assistant angesagt wurde. Das bedeutet eine große Verantwortung, aber dafür hat man als AD bei Sicherheitsentscheidungen auch das letzte Wort: Wenn ein AD in Großbritannien sagt, „Nein, das ist nicht sicher“ oder „So wird es nicht gedreht“ dann gilt das und kann auch nicht von Regie oder DoP übergangen werden. Weiterlesen

Beim Dreh zum Western „Rust“ erschoss der Hauptdarsteller versehentlich die Kamerafrau. Im Fokus von Ermittlungen und Berichten stehen zurzeit die Waffenmeisterin und der 1st AD. | Screenshot

Beim Dreh zum Western „Rust“ erschoss der Schauspieler Alec Baldwin versehentlich die Kamerafrau und verletzte den Regisseur. Anscheinend wurden Sicherheitsprotokolle nicht eingehalten. Filmschaffende hatten sich zuvor über Arbeitsbedingungen und mangelnde Sicherheit beschwert. 

Ein tödlicher Unfall ereignete sich vorigen Donnerstag bei Dreharbeiten zu dem Western „Rust“ im US-Bundesstaat New Mexico. Der Schauspieler Alec Baldwin hatte eine Requisitenpistole abgefeuert, die laut Polizeibericht versehentlich geladen war. Die Kamerafrau Halyna Hutchins starb im Krankenhaus an ihren Verletzungen, der Regisseur Joel Souza wurde ebenfalls getroffen und verletzt. 

Die Ermittlungen fokussieren sich auf eine Waffenmeisterin und den Regieassistenten, berichtet „Der Spiegel“. Mit „Regieassistent“ meint das Nachrichtenmagazin den 1st AD, Dave Halls (den Unterschied erklärt die Assistant Directors Union). Für die Waffen war Hannah Gutierrez-Reed verantwortlich: Sie „ist die Tochter des langjährigen Hollywood-Waffenmeisters Thell Reed. Die 24-Jährige hatte sich in einem Podcast im September über ihren ersten Filmauftrag für den Western ,The Old Way’ mit Nicolas Cage geäußert. ,Ich war anfangs wirklich nervös und hätte den Job beinahe nicht angenommen, weil ich nicht sicher war, ob ich bereit bin. Aber als ich ihn machte, lief alles glatt’, sagte sie.“

Wenigstens zwei Kolleg*innen hätten das anderes gesehen, zitiert die Nachrichtenseite „Daily Beast“ [auf Englisch] ihre Quellen: Im Vergleich zu anderen Sets sei bei „The Old Way“ erheblich weniger auf Schusswaffensicherheit geachtet worden. Gutierrez-Reed habe einer elfjährigen Schauspielerin eine Waffe gegeben, ohne sie vorher ordnungsgemäß zu prüfen. Erst als Crew-Mitglieder eingriffen und den Dreh abbrechen wollten, habe sie das nachgeholt. 

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Die Antworten sind ausführlicher, eine Tabelle fasst sie zusammen: So stellen sich die Parteien die Zukunft des Films vor. | Screenshot

Sechsmal werden wir noch wach – dann wird gewählt. Ein schneller Überblick, was die Parteien mit der Filmkultur vorhaben.

Dass ohne Kultur gar nichts geht, hatte im in den vergangenen anderthalb Jahren fast jede Partei im Bundestag gepredigt. Indes gingen Hilfsprogramme an vielen Kulturschaffenden vorbei, andere mußten monatelang auf die Nothilfen warten oder wurden gleich in die „Grundsicherung“ verwiesen. Und als wieder geöffnet wurde, galten für Kulturstätten strengere Regeln – auch sie mussten länger warten. 

Wer Schlimmes vermutet, wird im Wahlkampf bestätigt: Die Kultur spielt in den Diskussionen keine Rolle. Der „Wahl-O-Mat“ findet in seinen 38 Fragen keinen Platz für die Kulturpolitik – die Alternativen ebensowenig.

Auch für den Film ist die Zukunft ungewiss. Die dringend erwartete Neufassung des Filmförderungsgesetzes (FFG) wurde wegen Corona vertagt – eine Behelfsnovelle gilt für die nächsten zwei Jahre. Welche Vorstellungen die Parteien von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur haben, wollte die Initiative Zukunft+Film wissen und stellte  für ihre Wahlprüfsteine „acht grundlegende Fragen“ zur Filmpolitik. Auf „Outtakes“ hatten wir die Antworten von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linke, FDP und Freien Wählern veröffentlicht. Zum Abschluss und schnellen Überblick fasst eine Tabelle die Positionen zusammen.

Die Union bestimmt seit 16 Jahren die Filmpolitik des Bundes. Und so stellt sie sich das in Zukunft vor. | Montage © cinearte

Mit ihren „Wahlprüfsteinen“ befragt die Initiative Zukunft Kino+Film zur Bundestagswahl sieben Parteien: Acht Fragen zu ihren Visionen von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur. Zum Abschluss der Reihe antworten CDU und CSU.

1. Welchen Stellenwert hat für Ihre Partei die Film- und Kinokultur im Kontext der Künste? Werden Sie sich für eine Erhöhung des Filmetats im Kulturhaushalt einsetzen?
Für CDU und CSU steht die Filmförderung des Bundes für Qualität und Vielfalt des Filmschaffens in Deutschland und Europa. Diese gilt es zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir stärken den Filmstandort Deutschland und damit nicht nur die Kultur, sondern auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Dazu führen wir die Filmförderung fort und werden die Förderinstrumente von Bund, Ländern und der Filmförderungsanstalt stärker aufeinander abstimmen. Mit dem Zukunftsprogramm Kino wollen wir insbesondere die Kultur auf dem Land unterstützen.

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Heute skizziert die deutsche Sozialdemokratie ihre Zukunftspläne für Film und Kino. | Montage © cinearte

Zur Bundestagswahl fragt die Initiative Zukunft Kino+Film sieben Parteien nach ihren Visionen von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur. Auf die acht Fragen antwortet heute die SPD.

1. Welchen Stellenwert hat für Ihre Partei die Film- und Kinokultur im Kontext der Künste? Werden Sie sich für eine Erhöhung des Filmetats im Kulturhaushalt einsetzen?
Film und Kinos sind wichtige Teile deutschen Kulturguts. Sie tragen wesentlich zur kulturellen Ausstrahlung Deutschlands in der Welt bei. Unsere vielfältige Kinolandschaft wollen wir erhalten durch die dauerhafte Etablierung der Kinoförderung, welche wir investiv wie auch im Hinblick auf Programme ausgestalten wollen. Wir wollen die Produktion von audiovisuellen Inhalten am Standort Deutschland fördern, um so zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Wir werden Zukunftskonzepte für die Filmförderung gemeinsam mit der Film-Community entwickeln.

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