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Mit Geld allein hat der Deutsche Film keine Zukunft. Es braucht auch Spielraum, damit schräge Ideen schiefgehen können. Und ein anderes Fördersystem, finden die Teilnehmer*innen beim Kongress in Frankfurt. | Foto © Elisa Grehl

Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.

„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“

Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.

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Im Writers’ Room von „Breaking Bad“. „Wer Serien kreiert, tut dies schreibend“, sagt der Deutsche Drehbuchverband. | Foto © AMC

Bei deutschen Serien werden die Credits oft noch unscharf benutzt. Der Drehbuchverband hat jetzt einen „Branchenstandard“ für die Berufsbezeichnungen vorgelegt. 

Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) will den Wildwuchs an Funktionen in der Serienproduktion lichten. Dazu legte er heute einen Praxisleitfaden vor, der nichts weniger als „Branchenstandard in Deutschland für Credits und Berufsbezeichnungen“ sein soll. Der Leitfaden wurde im Austausch mit der Writers Guild of America (WGA) und der FSE (Federation of Screenwriters in Europe) erarbeitet, „um deutsche Gepflogenheiten den internationalen Standards anzugleichen und zukunftsfähig zu machen“, erklärt der DDV. Das vorangestellte 10-Punkte-Papier fasst das wesentliche Prinzip zusammen: „Im Zentrum der Serienentwicklung steht der/die schreibende Autor*in, der/die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben übernehmen kann. Showrunner, Creator und Headwriter sind dabei Funktionen, die Drehbuchautor*innen vorbehalten bleiben. Wer Serien kreiert, tut dies schreibend.“
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„Manta Manta – Zwoter Teil“, die Aufarbeitung läuft. Constantin-Chef Martin Moskowicz hat inzwischen viele Vorwürfe bestätigt, die er erst abgestritten hatte, und räumt Fehler ein. | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Da sind sich alle einig: ein schlechter Umgang am Set darf nicht sein! Auf dem Weg zur Wahrheit stellen sich aber noch einige Fragen.

Übrigens: Beim jüngsten „Fair Film Award Fiction“ im Februar war „Manta Manta – Zwoter Teil“ auf dem letzten Platz gelandet. Schulnote: 3,52. 

Monatelang arbeitete ein Team der „Süddeutschen Zeitung“ an der Recherche zu Til Schweiger. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, dann platzte die Geschichte ganz – und landete beim „Spiegel“. Wie konnte das passieren? Bei „Übermedien“ schildert Lisa Kräher, warum sich die Zeitung am Ende doch nicht traute. Für sie scheint es „vor allem ein hausgemachtes Problem der ,SZ’ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben.“ 

Statt auf die eigene Recherche vertraute die Chefredaktion auf Rat von außerhalb und „zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. […] Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die ,SZ‘, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. […] Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.“  

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Die Berichte aus dem Filmalltag waren auch beim „Deutschen Filmpreis“ im Gespräch. Eigentlich brauche es keinen „Code of Conducts“ für die Arbeit am Set, meinte der Ehrenpreisträger Volker Schlöndorff (vorne links): „Anstand und ein ordentlicher Umgang mit Menschen sollten genügen.“ | Foto © DFP/Clemens Porikys

Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.

Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“

Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“ Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“

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Was vorfällt an deutschen Filmsets, sammelt die Plattform „Let’s Plant Stories“. Mit den Berichten wollen die Initiatoren „die Kultur der Stille“ aufbrechen. | Screenshot

Einmal noch nehmen wir uns heute die Arbeitsbedingungen vor, denn langsam wird’s interessant. Ein paar Geschichten von Strukturproblemen und Alltagsanstand.

Hat’s schon jemand bemerkt? Über die Arbeit beim Film wird zurzeit viel geschrieben. Doch das meiste steht hinter Bezahlschranken.

„Etwas überdreht“ findet Andreas Scheiner in der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Aufregung um Til Schweiger: „Vermutlich hat Schweiger ein Alkoholproblem. Aber wie toxisch geht es überhaupt zu beim deutschen Film?“ Die Antwort muss warten, denn erst wird doch lieber über Psyche und Talent eines Regisseurs unter Druck spekuliert. Anschließend wird „Der Spiegel“ verdächtigt, mit seinen Enthüllungen gar ein „Geschäftsmodell“ zu verfolgen (was sonst sollte wohl das Geschäftsmodell eines Nachrichtenmagazins sein?). „Müssen ausserdem Menschen, denen offenbar ein Unrecht angetan wurde, zwingend zum ,Spiegel’, oder gibt es auch andere Wege?“ 

Nein. Da sind die drei Filmschaffenden, die Scheiner schließlich zitiert, eindeutig: „Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu outen“, sagt eine Kostümbildnerin. Wer als „troublemaker“ gelte, werde nicht mehr gebucht. Scheiners dürres Fazit: „Ganz unrecht“ seien die Vorwürfe wohl nicht. Was er offenbar noch nicht wusste: „Der Spiegel“ hat sich das gar nicht selber ausgedacht. Weiterlesen

Der „Spiegel“ sieht sich weiter um hinter den Filmkulissen. Die Branche reagiert wie üblich. Szenenfoto aus „Manta Manta – Zwoter Teil.“ | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Nicht alles läuft gut an deutschen Filmsets, das räumt die Branche selbst ein. Und weiß auch warum: Schuld sind immer die anderen. Neu ist das alles nicht, könnte aber noch spannend werden.

Wie verbreitet ist übergriffiges Verhalten im Filmgeschäft? Der „Spiegel“ hatte vorige Woche über mutmaßliche Schikanen am Set von Til Schweiger berichtet (hier der Überblick). Gleich acht Autor*innen fragten zum Wochenende im „Spiegel“ [Bezahlschranke], „inwiefern die mutmaßlichen Übergriffe des Erfolgsregisseurs nur ein Beispiel für ein insgesamt unfaires oder gar toxisches System sind. Schweigers angebliche Ausfälle sollen unter Alkoholeinfluss passiert und von einem Mann gekommen sein, der sich möglicherweise in einer privaten Krise befunden hat. Viele sahen am Set von ,Manta Manta – Zwoter Teil’ aber offenbar einfach zu und taten nichts. Wie vergiftet von Gebrüll, Mobbing und sogar körperlichen Attacken ist der Arbeitsalltag bei Film- und Fernsehproduktionen? Im Filmgeschäft sind viele Menschen in zeitlich befristeten und oft prekären Beschäftigungsverhältnissen engagiert – und offensichtlich ist es auch nach Jahren der Debatte über Machtmissbrauch in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich, dass am Set gepöbelt und im Extremfall sogar geprügelt wird, weil keiner es verhindert.“

Die Fragestellung macht klar, welchen Verdacht das „Spiegel“-Team hegt. Die Antwort der Regisseurin Doris Dörrie deutet zwar eher auf einen Systemfehler hin, doch für sie gibt es „einen Hauptschuldigen in dieser Sache: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“. Damit spreche sie „einen zentralen Punkt an: Die meisten Kinofilme in Deutschland sind auf eine Filmförderung angewiesen, von der FFA, der Filmförderungsanstalt, oder von den Landesanstalten. Eine Förderung gibt es aber in der Regel nur mit der Zusage eines Teilbeitrags durch eine Fernsehanstalt. Die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten Sender sparen jedoch. Deshalb ist es zuletzt schwieriger geworden, eine Förderung zu bekommen und Filme zu produzieren.“ Der „Spiegel“ merkt an, dass Dörrie „die Partnerin des Constantin-Chefs und Schweiger-Produzenten“ ist. Angemerkt sei außerdem, dass „Manta Manta – Zwoter Teil“ ein Kinofilm ist und mit mehr als vier Millionen Euro gefördert wurde. Eine Senderbeteiligung ist nicht bekannt.  

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Schwere Vorwürfe gegen Til Schweiger: Mitarbeiter*innen berichten von Druck und Schikanen beim Dreh. Der Fall rückt auch die Arbeitsbedingungen der Branche ins Scheinwerferlicht.

Als Regisseur und Schauspieler Til Schweiger ist einer der größten deutschen Kinostars. Mit „Manta Manta – Zwoter Teil“ gibt er zurzeit an der Kinokasse Vollgas. Doch am Set ist die Begeisterung offenbar nicht ganz so groß, berichten Maike Backhaus und Alexandra Rojkov im „Spiegel“ [Bezahlschranke]. Dort erzählen mehrere Mitarbeiter*innen von Schikane bis hin zu Gewalt bei einem Dreh. Schweiger widerspricht der Darstellung.

Der „Perlentaucher“ fasst die heftigen Vorwürfe zusammen: „Das Einmann-Filmstudio (Produktion, Drehbuch, Regie, Hauptrolle) neige nach Angaben diverser Crewmitglieder am Set zu erheblichem Alkoholkonsum und entsprechend jähzornigem Auftreten (angeblich sogar gegenüber Kinderdarstellern). Crew-Mitglieder behaupten, dass er einem Mitarbeiter bei einer Auseinandersetzung angeblich ins Gesicht geschlagen hat. Eine Statistin soll spontan zu einer Entblößung gedrängt worden sein, eine Mitarbeiterin habe sich bei einer waghalsigen Szene schwer verletzt. Daneben dehne er Arbeitszeiten so weit, bis Crewmitglieder körperlich und psychisch am Ende seien und sich Unfälle am Set häuften.“

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Auf dem Podium von links nach rechts: Gergana Voigt, Fritzie Benesch, Judith Frahm, Štepán Altrichter und Raquel Dukpa. | Screenshot

Braucht ein großer Film das eine Genie, das alles regelt? Oder geht es auch anders – zum Beispiel im Team? Die Gesprächsreihe „Ausnahmezustand Film!?“ fragte nach.

Die Idee vom genialischen Ego ist der Kunst nicht auszutreiben. Selbst da, wo es doch um Teamarbeit geht. Dabei geht’s nicht allein Ruhm, erklärte Fritzie Benesch beim Studierendenfestival „Sehsüchte“ in Potsdam, sondern um Hierarchien, Ausbeutung, Machtmissbrauch … 

Benesch studiert Produktion an der Filmuniversität Babelsberg, ebenso Judith Frahm. Erst im November hatten sie die Gesprächsreihe „Ausnahmezustand Film!?“ gestartet. Inzwischen dürfte es die fünfte Veranstaltung sein. Jedesmal wird das Thema aus einer anderen Perspektive oder anderem Schwerpunkt mit anderen Gästen diskutiert.  Zuletzt waren sie damit beim Max-Ophüls-Preis zu Gast. Nun also Potsdam (wieder in Kooperation mit Crew United) mit der Frage: „Braucht es für einen großen Film diese eine Person mit dieser einen Vision? Oder geht es auch anders?“ 

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Preisgala bei den „First Steps Awards“ im „Theater des Westens“ in Berlin. Festivals und Preise gibt es reihenweise für den Nachwuchs in Deutschland. Doch nach dem Abschluss wird die Luft plötzlich dünn für die neuen Talente. | Foto © Florian Liedl/First Steps

Wenn die Branche wirklich bessere Filme will, sollte sie den Nachwuchs vielleicht einfach mal machen lassen. In einem Appell redet der junge deutsche Film ungewohnten Klartext.

Der Deutsche Film tut sich zurzeit bekanntlich etwas schwer. Am sogenannten Nachwuchs sollte es jedenfalls nicht liegen. Der räumt bei den „Hochschul-Oscars“ regelmäßig ab und punktet auch immer wieder auf Festivals. Beste Voraussetzungen also für eine Branche, die gerne Größeres vorhätte, aber sich doch nicht traut: „Entstand der erste Lang?lm nicht im Rahmen des Studiums, vergingen nach dem Abschluss Im Durchschnitt fünf Jahre bis zur Realisierung“, stellte der Produzentenverband in seiner Nachwuchsstudie 2021 fest. 

Jetzt reden die jungen Talente (zum Teil schon weit über 30) selbst. Und das in ungewohntem Klartext. Im Rahmen des Kongresses Zukunft Deutscher Film (mehr zum Kongress in der nächsten Ausgabe) stellten die Regisseurinnen Eileen Byrne und Pauline Roenneberg am Mittwoch den Appell „Angst essen Kino auf“ vor. „Junger deutscher Film 2023“ nennt sich die Initiative; bis heute haben 434 Filmschaffende aus allen Gewerken unterzeichnet, weitere 357 haben sich solidarisch erklärt, darunter auch viele prominente Namen. Weiterlesen

Achtung, Spoiler: Nach diesem Text werden Sie „John Wick 4“ womöglich mit anderen Augen sehen. Irgendwie fehlt eine Szene … Am Tag nach dem Dreh stand Dorothea Neukirchen noch ganz unter dem Eindruck ihrer Rolle. | Foto © Heike Steinweg

Dorothea Neukirchen hat in einem 90-Millionen-US-Dollar-Hollywood-Blockbuster mitgespielt! Zu sehen ist sie leider nicht – Schauspielschicksal. Aber eine tolle Erfahrung war es doch.

Juni 2021. Yeah, Jackpot! Ich bekomme eine Zweitagesrolle in einem amerikanischen Action Film, und das im zarten Alter von Fünfundsiebzig. E-Casting und Zoom-Call machen es möglich. Allerdings bekomme ich nur meine Szenen zu lesen. Geheimhaltung geht in diesem Fall über Drehbuchkenntnis. Selbst im Vertrag steht nur ein Fake-Titel, zudem muss ich eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Die Fans von Keanu Reeves sollen nicht erfahren, was, wann, wo gedreht wird.

Ich aber soll mir die früheren Folgen des Blockbusters ansehen, damit ich weiß, auf was ich mich einlasse. Der Bildwert ist fantastisch. Gut, es wird ein bisschen viel geballert für meinen Geschmack, aber die Gewalt ist kein Selbstzweck. Keanu Reeves ist ein tragischer Held, dem nichts anderes übrigbleibt, als sich gegen die Bösen zu verteidigen. Und zwischen den Actionszenen gibt es Zeit für Blicke, für ruhige Dialoge, für Comic Relief.

In diese Kategorie gehört wohl, was ich spielen soll: eine weißhaarige Tierpräparatorin, die unter der Hand mit Waffen dealt. Die Szene ist tricky: Während ich mit John Wick verhandele, soll ich eine „Glock“-Pistole auseinandernehmen und wieder zusammenbauen, so als hätte ich mein Lebtag nichts anderes getan. Dafür bekomme ich vor Drehbeginn fünf Tage Waffentraining. Das macht Spaß. Die amerikanische Lob-Kultur spornt mich an. Selbst unvollkommene erste Versuche werden mit awesome – you are doing so well belohnt. Hinter mir proben die Martial Arts Spezialisten für die Kämpfe. Ich bin fasziniert. Was im fertigen Film blitzschnell abläuft, wird hier sorgfältig und in Zeitlupe angelegt.

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Eine Mission hat das Abenteuer hinter den Kulissen schon erfüllt: Selten haben sich die Kritiken so mit den Filmkünsten beschäftigt, wie bei „The Ordinaries“. | Foto © Bandenfilm

Das Kino feiert sich ja immer wieder gerne selbst. Aber auf die Idee ist in mehr als 100 Jahren auch noch keiner gekommen.* Sophie Linnenbaum traut sich was in ihrem Debüt- und Abschlussfilm „The Ordinaries“.

„Alles andere als ein gewöhnlicher Abschlussfilm“, fand die Jury beim „First Steps Award“: Mit „The Ordinaries“ beendete Sophie Linnenbaum Masterstudium an der Filmuniversität Babelsberg. Das Drehbuch, das sie mit Michael Fetter Nathansky geschrieben hat, führt tief in die Welt des Films: In ein Metaversum, das streng in Haupt- und Nebenfiguren, Komparsen und Outtakes unterteilt ist. Der Film selbst kennt keine Grenzen und zieht munter durch die Genres – in der Dystopie wird gesungen und getanzt, in Farbe und Schwarzweiß.

Dafür gab’s nach der Uraufführung beim Filmfest München im vorigen Sommer den „Förderpreis Neues Deutsches Kino“ gleich zweimal: für Regie und Produktion. Viele weitere Auszeichnungen folgten. Beim „Deutschen Filmpreis“ ist der Film für Szenenbild und VFX nominiert. Heute startet „The Ordinaries“ in den deutschen Kinos (in Österreich zwei Wochen später). In den kommenden Tagen sind Cast und Crew auf Kinotour.

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In der Fernseh-Fiktion kommen Frauen ab 47 kaum mehr vor. Und falls doch, sind die Drehbücher erstaunlich einfallslos. In Wirklichkeit gibt es viel buntere Geschichten zu erzählen, findet die Schauspielerin Esther Esche (2. von links). Szenenfoto aus „Katie Fforde: Ein Haus am Meer“ (2020). | Foto © ZDF/Rick Friedman

Bei der Chancengleichheit klemmt’s auch vor der Kamera. Erst recht, wenn Frau in die Jahre kommt. Kuschen, kochen, kümmern – mehr fällt Film und Fernsehen nicht ein zur Zielgruppe weiblich ab 47. Dabei ist das ein Viertel der Menschen im Land und macht ganz andere Sachen. Eine Initiative ruft deshalb auf: „Let’s change the Picture“!

Die Schauspielerin Esther Esche ist über 50 und bekommt oft Rollen angeboten, „die ihrer Meinung nach ein negatives Bild von nicht mehr ganz so jungen Frauen zeichnen“. Ziemlich vorsichtig kündigt Caro Korneli da ihr Gespräch mit der Schauspielerin auf Deutschlandfunk Kultur an. Denn was Esche aufzählt, sind Klischees, die selbst vor 50 Jahren nicht mehr jung waren: „Betrogene Anwaltsgattinnen, frustrierte Ehefrauen, Alkoholikerinnen habe ich auch schon gemacht, Witwen, Frauen, die es irgendwie noch auf die Reihe kriegen, wenn der Mann gestorben ist, ihr Dasein zu fristen […]. Häufig sind die Figuren, die ich angeboten bekomme, ,Fleischbeilage’ – er ist der Hauptact, und sie ist die Wasserträgerin.“

Sie staune bei Filmen nur, „warum die Geschichten so rar sind um Frauen jenseits eines bestimmten Alters, jenseits der 50. Und da frage ich mich, gibt es jetzt kein Interesse seitens der Geschichtenerzähler, also der Filmemacher und der Redakteure, oder ist es vielleicht das mangelnde Interesse des Publikums?“

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Frauen erhalten zwar oft schon in den Filmhochschulen mehr Preise, bei den entscheidenden Schritten in die Karriere werden sie trotzdem übersehen, sagt die Regisseurin Esther Gronenborn: „Wird bei Männern meist das Potenzial betrachtet, so werden Frauen eher danach bewertet, was sie in der Vergangenheit bereits gemacht haben.“ | Foto © Birgit Gudjunsdottir

Am Mittwoch war Weltfrauentag, am Dienstag Equal Pay Day. Die Chancengleichheit ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Aber es geht nicht bloß um Geld, sondern um Sichtbarkeit und falsche Bilder.

18 Prozent war die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen im vorigen Jahr in Deutschland. Soviel weniger verdienten Frauen durchschnittlich für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation. Anders ausgedrückt: die ersten 66 Tage im neuen Jahr arbeiten sie praktisch umsonst. So rechnet die europaweite Initiative Equal Pay Day die Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern in Arbeitszeit um. In diesem Jahr fiel er wieder auf den 7. März – genau ein Tag vor dem Weltfrauentag.

Aber die Kunst der gleichen Bezahlung ist übers ganze Jahr ein Thema – besonders in der Filmbranche. Die Regisseurin Esther Gronenborn ist Gründungsmitglied von Pro Quote Film. Im Blog erklärt sie nochmal die Lage:

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Die Gewinner*innen des „Fair Film Award 2023“ mit Moderatorin in der Kulturbrauerei in Berlin. | Foto © Alena Sternberg

Nach drei Jahren Corona-Pause stieg endlich wieder der Crew Call zur Berlinale. Wichtiger noch: Auch der „Fair Film Award Fiction“ wurde wieder live vergeben. Und von der BKM kam eine Ankündigung, die Hoffnung macht.  

Während die Schutzpatronin des Deutschen Films vormittags die Produzent*innen aufbaut und abends Deutschlands größtes Festival eröffnet,  steigt in der Kulturbrauerei die coolere Party. Nach drei Jahren Zwangspause ins der Pandemie lud Crew United endlich wieder zum Crew Call nach Berlin. Wichtiger noch: Vorab wurde auch der „Fair Film Award Fiction“ wieder live vergeben, moderiert von Sonia Hausséguy. Beim Gala-Dinner wurden die vorbildlichsten Film- und Serienproduktionen des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Die Übersicht mit allen bewerteten Produktionen gibt es hier. 

Am Vormittag hatte die Kulturstaatsministerin beim „Produzententag“ skizziert, wie sie sich ein neues, besseres Filmfördergesetz vorstellt. Abends beim „Fair Film Award“, erklärten  Benesch und Judith Frahm, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft. Mit neuen Programmen und Förderungen allein sei es nicht getan, sagten sie in ihrer Keynote zur Preisverleihung. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“.

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Die einen gehen, die anderen kommen gar nicht erst. Das zeigt: Etwas läuft ganz gewaltig schief in der Filmbranche – doch die kämpft nur gegen die Symptome, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. | Foto © Alena Sternberg

Die Branche hat ein Personalproblem. Mit neuen Programmen und Förderungen ist es nicht getan, finden Fritzie Benesch und Judith Frahm. Die beiden Produktionsstudentinnen haben an der Filmuniversität Babelsberg eine Gesprächsreihe gestartet, die nach mehr fragt, nämlich „wie wir miteinander arbeiten wollen“. In ihrer Keynote zum „Fair Film Award Fiction“ erklärten sie, worauf es wirklich ankommt bei der Neuordnung der deutschen Filmlandschaft:

„Als Studentinnen der Filmuniversität Babelsberg und angehende Producerinnen stehen wir kurz davor, in die Branche einzutreten und können es eigentlich kaum erwarten. Endlich die Menschen bezahlen, mit denen wir arbeiten. Endlich auch mal selbst bezahlt werden. Und Filme machen, die auch gesehen werden. Gleichzeitig blicken wir in eine Branche, deren Strukturen so alt und verkrustet sind, dass es fast unmöglich scheint, darin noch gute, innovative, qualitativ hochwertige Filme zu machen. Strukturen, die von starken Hierarchien geprägt sind und von einem teilweise extrem rauen Umgangston; von der Erwartungshaltung, dass die Arbeit beim Film wichtiger ist, als alles andere. In denen Leidenschaft mit absoluter Opferbereitschaft verwechselt wird. Strukturen, denen ein Förder- und Finanzierungssystem zu Grunde liegt, das den Anforderungen der Realität kaum noch gerecht werden kann. Weiterlesen