Diskriminierung und Belästigung gehören für viele Filmschaffende zum Berufsalltag. Das hatte im Frühjahr eine Umfrage der Initiative „Vielfalt im Film“ gezeigt. Vorige Woche diskutierten Filmschaffende und Vertreter*innen von Sendern, Verbänden, Förderung und Politik, wie es besser werden könnte.
Die Umfrage „Vielfalt im Film“ hatte im Frühjahr ein unschönes Bild der Branche gezeichnet. Rund 6.000 Filmschaffende hatten zu ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und Belästigung vor und hinter der Kamera geantwortet. „Acht von zehn der befragten Frauen haben demnach sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, ein Großteil sogar mehrfach. Vier von zehn queeren Filmschaffenden gehen nie oder nur selten offen mit ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität um. Drei von zehn Befragten machten Erfahrungen mit Altersdiskriminierung. Filmschaffende mit Behinderung sind extrem unterrepräsentiert. Filmschaffende mit Migrationshintergrund sind seltener fest angestellt und verdienen auch weniger, ein Fünftel von ihnen erlebt regelmäßig Rassismus am Arbeitsplatz“, fasst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Ergebnisse zusammen. Am Dienstag voriger Woche lud sie mit der Initiative „Vielfalt im Film“ zur prominent besetzten Podiumsdiskussion. Die Aufzeichnung ist auf Youtube zu sehen.
In ihrer Keynote rief die Drehbuchautorin und Regisseurin Kerstin Polte dazu auf, Vorbilder zu schaffen, Besetzungsmuster zu hinterfragen und utopische Erzählweisen zu nutzen. Zu lange schon sei das Denken und Handeln „von Normalitätszuschreibungen geprägt, nicht von Diversität.“ Der Mangel an Repräsentation habe dazu geführt, dass „viele auch so leben, als würden sie nicht existieren“. Zugleich würden „normale“ Figuren deutlich komplexer dargestellt und gesehen. „Empathie kann man lernen“, sagte Polte.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2021-11-15 22:36:302021-11-15 22:36:30Talk zur Vielfalt im Film
Stattdessen gibt es Dinge, die man nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen tun muss, aber auch erhöhter Druck führt zum Impferfolg – und eine Erinnerung an Bettina Gaus. Gedanken in der Pandemie, Folge 136.
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“
Ludwig Wittgenstein, 6.43
„Ich weiß aber eines: ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tode lachen.“ Hannah Arendt
Es sind sehr sehr traurige Nachrichten, die uns letzte Woche erreicht haben: Bettina Gaus ist gestorben. Nach „kurzer schwerer Krankheit“. Sie war erst 64 Jahre alt, und arbeitete 30 Jahre für die taz. Ein großer Verlust für den deutschen Journalismus und für die deutsche Öffentlichkeit in der sie eine einmalige, unverzichtbare Figur war.
Ich habe sie nicht wirklich gekannt, bin in nur ein paar Male in größeren Runden begegnet, bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Beispiel und einmal, als sie vor etwa zehn Jahren im Auswärtigen Amt ihr Buch über Afrika vorstellte, über ihre Erfahrungen berichtete. Mit einem Afrikaner hat sie auch zusammen gelebt, und eine Tochter gehabt.
Für ihr Buch ist Gaus, die sowieso gern reiste, mit Laptop und leichten Gepäck monatelang durch Afrika gereist. Ihre zentrale These ist für uns heute auch noch interessant: Mittelstand muss entwickelt werden. Je weniger groß die Unterschiede zwischen Arm und Reich in einem Land sind, umso glücklicher sind die Menschen, um so friedlicher die Gesellschaften.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-11-11 22:37:402021-11-11 22:37:40Gedanken in der Pandemie 136: Die Rückkehr des Panikmodus
Über ein halbes Jahrhundert gehörte Tamara Trampe zu den einflussreichsten Filmemacherinnen Deutschlands. Bei rund 90 Projekten hatte sie als Dramaturgin gewirkt, ihre Dokumentarfilme wurden ausgezeichnet. Am vorigen Freitag ist sie mit 78 Jahren gestorben.
„Tamara Trampe war eine Erzählerin, die in Geschichten gelebt hat. Sie hat die Menschen zum Reden gebracht, indem sie von sich sprach,“ schreibt Matthias Dell in seinem Nachruf in der „Zeit“. „Wer wissen will, wie man Dokumentarfilme macht, wenn es Zeit ist, aus der Beobachtung herauszutreten, muss sich ,Der schwarze Kasten‘ von Tamara Trampe aus dem Jahr 1992 anschauen. Der Film ist einer der besten unter denen, die über die DDR-Staatssicherheit gedreht worden sind, denn er will etwas herausfinden: Wie der Einzelne seinen Beitrag zum System leistet.“
Der „Hollywood Reporter“ nimmt sich einen Budgetentwurf für den Western „Rust“ vor. Und die Requisiteurin Cathy Scorsese prangert Sparzwang und Arbeitszeiten in der US-Filmbranche an.
„Die Produzenten des Films ,Rust‘ kalkulierten 650.000 US-Dollar für sich selbst, 7.913 Dollar für ihre Waffenmeisterin und 350.000 Dollar als Notkasse für den Fall, dass etwas schiefgeht.“ Ziemlich heftig packt der „Hollywood Reporter“ [auf Englisch] zusammen, was er in einem Entwurf des Produktionsbudgets gelesen hat: Das Gesamtbudget für „Rust“ betrug 7.279.305 US-Dollar, mit 75 Crew-Mitgliedern, 22 Schauspieler*innen und 230 Kompars*innen aus der Region. Alec Baldwin sollte als Hauptdarsteller 150.000 Dollar und als Produzent weitere 100.000 Dollar erhalten. Vier der fünf anderen Produzenten sollten alle 150.000 Dollar erhalten.„Ich würde sagen, dass dieser Film ein Kampf wird, aber ich würde nicht sagen, dass er abgestürzt und verbrannt wäre‘, sagt eine Quelle mit Kenntnissen ähnlicher Produktionen, die das Budget überprüft hat. ,Ich frage mich, warum sie sechs Produzenten brauchen, die bezahlt werden. Sie würden übereinander herfallen, wenn sie wirklich am Set wären. Aber sowas ist nicht unbekannt.‘“
Die Ermittlungen zum tödlichen Zwischenfall beim Dreh in den USA laufen weiter – ebenso die Berichte zu Zwischenfällen bei früheren Produktionen. Das Branchenmagazin „Variety“ hat sich eingehender mit einigen der Produzent*innen des Low-Budget-Western befasst.
Bei den Dreharbeiten zum Film „Rust“ wurde am 21. Oktober die Kamerafrau Halyna Hutchins mit einer Requisitenwaffe erschossen. Bandar Albuliwi, der vor ihr am American Film Institute (AFI) studierte, hat nun eine Petition gestartet, in der er das Verbot von echten Waffen an Filmsets fordert: „Wie jeder in der ,AFI-Familie’ kannten wir uns alle untereinander. AFI ist eine sehr kleine Gemeinschaft von Filmemacher*innen, die alles daran setzen, nach dem Abschluss des Programms ihren ,großen Durchbruch’ in der Filmindustrie zu schaffen. Diese aufstrebende Kamerafrau wurde 2019 zum ,Rising Star Cinematographer’ ernannt und schaffte endlich den Durchbruch in der Hollywood-Filmindustrie, nachdem sie sich ein halbes Jahrzehnt lang abgemüht und tolle Inhalte gedreht hatte. Vor ,Rust’ hat sie drei Spielfilme gedreht, aber dies wäre der Film gewesen, der sie in Hollywood als talentierte Kamerafrau bekannt gemacht hätte, die mit einem A-Promi zusammenarbeitet. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese vermeidbare Tragödie nie wieder ereignet! Im 21. Jahrhundert gibt es keine Entschuldigung dafür, dass so etwas passieren kann. Echte Waffen werden an den Drehorten von Filmproduktionen nicht mehr benötigt. Wir befinden uns nicht mehr in den frühen 90er Jahren, als Brandon Lee auf die gleiche Weise getötet wurde.“
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2021-11-03 00:32:042021-11-03 00:32:04„Rust“ 3: Filmemachen für die Steuer?
Um Medientechnik der nächsten Generation geht’s bei derMediaTech Hub Conference am 10. und 11. November in Babelsberg und Online. Da kennt Michael Cioni sich aus. Er leitet zahlreiche Workflow-Innovationen, darunter die Camera-to-Cloud-Technik. Am kommenden Mittwoch erklärt er, wie effiziente Workflows zu mehr Kreativität verhelfen.
Michael, Sie sind sicherlich einer der bekanntesten Innovatoren in Hollywood, und die Produktionsbranche verändert sich noch immer massiv. Wo stehen wir? Die Leidenschaft für meine Arbeit war und ist immer durch die Verschmelzung von Technik und Kreativität motiviert, um die kreative Kontrolle für Filmemacher zu verbessern. Ich nenne es „Technative“, weil es Technologie kreativ einsetzt, um neue Workflows zu entdecken und aufzuzeigen, sodass das Machen von Filmen und Fernsehen sowohl einfacher als auch besser wird. Aus meiner Sicht gibt es alle fünf oder sechs Jahre einen neuen Technologieschub, und ich liebe es zu erkennen, was sich am Horizont abzeichnet und ein Early Adopter zu sein.
Bei jeder technologischen Transformation gibt es Hindernisse, die überwunden werden müssen und die Akzeptanz in der kreativen Gemeinschaft erfolgt in kleinen Schritten. Wenn es darum geht, Produktion und Postproduktion vollständig in die Cloud zu verlagern, gibt es Herausforderungen wie Bandbreite, Cloud-Codec-Unterstützung, Sicherheit und virtuelles Asset-Management.
Als ich die Möglichkeiten der Cloud evaluierte, war Frame.io bereits das weltweit am schnellsten wachsende professionelle Cloud-Collaboration-Tool und ich war inspiriert, mich den Gründern Emery Wells und John Traver anzuschließen, weil sie die Vision, das technische Talent und das Fundament hatten, auf dem sie aufbauen konnten.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Effenberghttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Effenberg2021-11-03 00:10:272021-11-03 00:10:27Filmemachen in der Cloud
Bei den Untersuchungen zum Todesfall beim Dreh des US-Westerns „Rust“ vermuten die Ermittler scharfe Munition am Set. Unterdessen hatten mehrere Filmschaffende ihre Erfahrungen geteilt: Sie werfen der Produktion vor, auf Kosten der Sicherheit gespart zu haben.
Nach dem tödlichen Schuss am Filmset des Western „Rust“ gehen die Ermittler davon aus, dass die von dem Schauspieler Alec Baldwin benutzte Waffe mit einer echten Kugel geladen war, berichtet die „Tagesschau“. Dies gaben die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico bekannt. „Nach Angaben des Sheriffs gibt es Hinweise, dass sich noch mehr scharfe Munition am Set befand. Dazu seien weitere Untersuchungen in einem Waffenlabor nötig. Demnach stellte die Polizei am Filmset 500 Kugeln sicher – eine ,Mischung’ aus Platzpatronen, Patronenattrappen und vermutlich auch echten Kugeln. ,Wir werden feststellen, wie sie (die echten Kugeln) dort hingekommen sind, warum sie da waren, denn sie hätten nicht dort sein sollen’, so [Sheriff] Mendoza. Die Ermittler ließen auch durchblicken, dass ihnen Berichte bekannt seien, wonach Crewmitglieder einige Stunden vor dem tödlichen Vorfall Waffen mit scharfer Munition für Schießübungen benutzt hätten. Auch diesen Berichten gehe man nach.“
Beim „Edimotion“ wurde Mitte Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Der „Schnitt-Preis“ für die beste Spielfilmarbeit ging an den Editor Kaya Inan für „Wanda, Mein Wunder“.
Lieber Kaya, gratuliere zu Deiner Montage-Leistung bei diesem Spielfilm, in dem sowohl das grandiose Ensemble als auch die unterschiedlichen Tonalitäten hervorstechen. Wie bist Du zu dem Projekt gestoßen?
Meine erste Schnittassistenz war bei „Die Herbstzeitlosen“ (2006), Bettinas Durchbruch als Regisseurin. Ich habe danach noch ein Kunstvideo für sie geschnitten, während meiner Studienzeit in Ludwigsburg, aber beides ist schon lange her.
Ich kannte die Produzenten Lukas Hobi und Reto Schaerli von zwei früheren Projekten. Das erste war die Teenager-Komödie „Achtung, fertig, Charlie!“ (2003) – mein Einstieg in die Filmbranche, damals noch als Schauspieler. Da habe ich bei einem Street-Casting mitgemacht und bin so überhaupt erst auf Film als ein mögliches Berufsfeld gestoßen. 2016 haben Lukas und Reto mich als Editor angefragt, für den Kinderfilm „Papa Moll“. Danach schlugen sie mich auch Bettina vor; so haben sich unsere Wege noch mal gekreuzt.
Ich mochte das Drehbuch zu „Wanda, mein Wunder“ von Anfang an; dieser Humor und diese Figuren. Ich habe die Figuren bereits beim Lesen sehr stark gespürt.
Talk zur Vielfalt im Film
out takes, Peter HartigFilm und Fernsehen müssen mehr Vielfalt zeigen. Darüber sind sich alle auf dem Podium einig. Nur den Weg dorthin sehen sie unterschiedlich. | Foto © Antidiskriminierungsstelle des Bundes/Nils Hasenau
Diskriminierung und Belästigung gehören für viele Filmschaffende zum Berufsalltag. Das hatte im Frühjahr eine Umfrage der Initiative „Vielfalt im Film“ gezeigt. Vorige Woche diskutierten Filmschaffende und Vertreter*innen von Sendern, Verbänden, Förderung und Politik, wie es besser werden könnte.
Die Umfrage „Vielfalt im Film“ hatte im Frühjahr ein unschönes Bild der Branche gezeichnet. Rund 6.000 Filmschaffende hatten zu ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und Belästigung vor und hinter der Kamera geantwortet. „Acht von zehn der befragten Frauen haben demnach sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, ein Großteil sogar mehrfach. Vier von zehn queeren Filmschaffenden gehen nie oder nur selten offen mit ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität um. Drei von zehn Befragten machten Erfahrungen mit Altersdiskriminierung. Filmschaffende mit Behinderung sind extrem unterrepräsentiert. Filmschaffende mit Migrationshintergrund sind seltener fest angestellt und verdienen auch weniger, ein Fünftel von ihnen erlebt regelmäßig Rassismus am Arbeitsplatz“, fasst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Ergebnisse zusammen. Am Dienstag voriger Woche lud sie mit der Initiative „Vielfalt im Film“ zur prominent besetzten Podiumsdiskussion. Die Aufzeichnung ist auf Youtube zu sehen.
In ihrer Keynote rief die Drehbuchautorin und Regisseurin Kerstin Polte dazu auf, Vorbilder zu schaffen, Besetzungsmuster zu hinterfragen und utopische Erzählweisen zu nutzen. Zu lange schon sei das Denken und Handeln „von Normalitätszuschreibungen geprägt, nicht von Diversität.“ Der Mangel an Repräsentation habe dazu geführt, dass „viele auch so leben, als würden sie nicht existieren“. Zugleich würden „normale“ Figuren deutlich komplexer dargestellt und gesehen. „Empathie kann man lernen“, sagte Polte.
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Gedanken in der Pandemie 136: Die Rückkehr des Panikmodus
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDie Inzidenzen steigen, die Diskussion schwillt an: Impfzwang oder nicht? (Szenenfoto aus „Beyond Re-Animator“). | Foto © Capelight Pictures
Stattdessen gibt es Dinge, die man nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen tun muss, aber auch erhöhter Druck führt zum Impferfolg – und eine Erinnerung an Bettina Gaus. Gedanken in der Pandemie, Folge 136.
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“
Ludwig Wittgenstein, 6.43
„Ich weiß aber eines: ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tode lachen.“
Hannah Arendt
Es sind sehr sehr traurige Nachrichten, die uns letzte Woche erreicht haben: Bettina Gaus ist gestorben. Nach „kurzer schwerer Krankheit“. Sie war erst 64 Jahre alt, und arbeitete 30 Jahre für die taz. Ein großer Verlust für den deutschen Journalismus und für die deutsche Öffentlichkeit in der sie eine einmalige, unverzichtbare Figur war.
Ich habe sie nicht wirklich gekannt, bin in nur ein paar Male in größeren Runden begegnet, bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Beispiel und einmal, als sie vor etwa zehn Jahren im Auswärtigen Amt ihr Buch über Afrika vorstellte, über ihre Erfahrungen berichtete. Mit einem Afrikaner hat sie auch zusammen gelebt, und eine Tochter gehabt.
Für ihr Buch ist Gaus, die sowieso gern reiste, mit Laptop und leichten Gepäck monatelang durch Afrika gereist. Ihre zentrale These ist für uns heute auch noch interessant: Mittelstand muss entwickelt werden. Je weniger groß die Unterschiede zwischen Arm und Reich in einem Land sind, umso glücklicher sind die Menschen, um so friedlicher die Gesellschaften.
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Chronistin der Gefühle
out takes, Peter HartigSeit 1970 war Tamara Trampe Dramaturgin bei der Defa. Nach der Wiedervereinigung drehte sie ihre eigenen Filme. | Foto © privat
Über ein halbes Jahrhundert gehörte Tamara Trampe zu den einflussreichsten Filmemacherinnen Deutschlands. Bei rund 90 Projekten hatte sie als Dramaturgin gewirkt, ihre Dokumentarfilme wurden ausgezeichnet. Am vorigen Freitag ist sie mit 78 Jahren gestorben.
„Tamara Trampe war eine Erzählerin, die in Geschichten gelebt hat. Sie hat die Menschen zum Reden gebracht, indem sie von sich sprach,“ schreibt Matthias Dell in seinem Nachruf in der „Zeit“. „Wer wissen will, wie man Dokumentarfilme macht, wenn es Zeit ist, aus der Beobachtung herauszutreten, muss sich ,Der schwarze Kasten‘ von Tamara Trampe aus dem Jahr 1992 anschauen. Der Film ist einer der besten unter denen, die über die DDR-Staatssicherheit gedreht worden sind, denn er will etwas herausfinden: Wie der Einzelne seinen Beitrag zum System leistet.“
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„Rust“ 4: Enge Kalkulationen
out takes, Peter Hartig„Jeder, egal in welcher Abteilung, ist überarbeitet.“ Cathy Scorsese (links, mit ihrem Vater Martin) fordert schon seit Jahren eine bessere Art, Filme zu machen. | Foto © Cathy Scorsese
Der „Hollywood Reporter“ nimmt sich einen Budgetentwurf für den Western „Rust“ vor. Und die Requisiteurin Cathy Scorsese prangert Sparzwang und Arbeitszeiten in der US-Filmbranche an.
„Die Produzenten des Films ,Rust‘ kalkulierten 650.000 US-Dollar für sich selbst, 7.913 Dollar für ihre Waffenmeisterin und 350.000 Dollar als Notkasse für den Fall, dass etwas schiefgeht.“ Ziemlich heftig packt der „Hollywood Reporter“ [auf Englisch] zusammen, was er in einem Entwurf des Produktionsbudgets gelesen hat: Das Gesamtbudget für „Rust“ betrug 7.279.305 US-Dollar, mit 75 Crew-Mitgliedern, 22 Schauspieler*innen und 230 Kompars*innen aus der Region. Alec Baldwin sollte als Hauptdarsteller 150.000 Dollar und als Produzent weitere 100.000 Dollar erhalten. Vier der fünf anderen Produzenten sollten alle 150.000 Dollar erhalten. „Ich würde sagen, dass dieser Film ein Kampf wird, aber ich würde nicht sagen, dass er abgestürzt und verbrannt wäre‘, sagt eine Quelle mit Kenntnissen ähnlicher Produktionen, die das Budget überprüft hat. ,Ich frage mich, warum sie sechs Produzenten brauchen, die bezahlt werden. Sie würden übereinander herfallen, wenn sie wirklich am Set wären. Aber sowas ist nicht unbekannt.‘“
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„Rust“ 3: Filmemachen für die Steuer?
out takes, Peter HartigDie Kamerafrau Halyna Hutchins starb am 21. Oktober bei Dreharbeiten. Zwischen 6 und 7 Millionen US-Dollar soll das Budget von „Rust“ betragen. Hierzulande eine stattliche Summe, in den USA die niedrigste Kategorie – darunter gibt es nur noch „Ultra-Low“-Budget-Filme, erklärt „Variety“. | Foto © Change
Die Ermittlungen zum tödlichen Zwischenfall beim Dreh in den USA laufen weiter – ebenso die Berichte zu Zwischenfällen bei früheren Produktionen. Das Branchenmagazin „Variety“ hat sich eingehender mit einigen der Produzent*innen des Low-Budget-Western befasst.
Bei den Dreharbeiten zum Film „Rust“ wurde am 21. Oktober die Kamerafrau Halyna Hutchins mit einer Requisitenwaffe erschossen. Bandar Albuliwi, der vor ihr am American Film Institute (AFI) studierte, hat nun eine Petition gestartet, in der er das Verbot von echten Waffen an Filmsets fordert: „Wie jeder in der ,AFI-Familie’ kannten wir uns alle untereinander. AFI ist eine sehr kleine Gemeinschaft von Filmemacher*innen, die alles daran setzen, nach dem Abschluss des Programms ihren ,großen Durchbruch’ in der Filmindustrie zu schaffen. Diese aufstrebende Kamerafrau wurde 2019 zum ,Rising Star Cinematographer’ ernannt und schaffte endlich den Durchbruch in der Hollywood-Filmindustrie, nachdem sie sich ein halbes Jahrzehnt lang abgemüht und tolle Inhalte gedreht hatte. Vor ,Rust’ hat sie drei Spielfilme gedreht, aber dies wäre der Film gewesen, der sie in Hollywood als talentierte Kamerafrau bekannt gemacht hätte, die mit einem A-Promi zusammenarbeitet. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese vermeidbare Tragödie nie wieder ereignet! Im 21. Jahrhundert gibt es keine Entschuldigung dafür, dass so etwas passieren kann. Echte Waffen werden an den Drehorten von Filmproduktionen nicht mehr benötigt. Wir befinden uns nicht mehr in den frühen 90er Jahren, als Brandon Lee auf die gleiche Weise getötet wurde.“
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Filmemachen in der Cloud
Peter Effenberg, Unsere Gäste„In einem Jahrzehnt werden die Kameras überhaupt keine Wechselmedien mehr haben“, meint Michael Cioni. Der „Hollywood Reporter“ hat ihn neulich als einen der einflussreichsten Technik-Experten Hollywoods ausgezeichnet. Cioni war Mitbegründer und CEO des Postproduktionshauses Light Iron, Produktdirektor für das 8K-Kamera-Ökosystem „Millennium DXL” von Panavision und schließlich bei der Videoplattform frame.io für „globale Innovationen“ zuständig. | Foto © MTH Conference
Um Medientechnik der nächsten Generation geht’s bei der MediaTech Hub Conference am 10. und 11. November in Babelsberg und Online. Da kennt Michael Cioni sich aus. Er leitet zahlreiche Workflow-Innovationen, darunter die Camera-to-Cloud-Technik. Am kommenden Mittwoch erklärt er, wie effiziente Workflows zu mehr Kreativität verhelfen.
Michael, Sie sind sicherlich einer der bekanntesten Innovatoren in Hollywood, und die Produktionsbranche verändert sich noch immer massiv. Wo stehen wir?
Die Leidenschaft für meine Arbeit war und ist immer durch die Verschmelzung von Technik und Kreativität motiviert, um die kreative Kontrolle für Filmemacher zu verbessern. Ich nenne es „Technative“, weil es Technologie kreativ einsetzt, um neue Workflows zu entdecken und aufzuzeigen, sodass das Machen von Filmen und Fernsehen sowohl einfacher als auch besser wird. Aus meiner Sicht gibt es alle fünf oder sechs Jahre einen neuen Technologieschub, und ich liebe es zu erkennen, was sich am Horizont abzeichnet und ein Early Adopter zu sein.
Bei jeder technologischen Transformation gibt es Hindernisse, die überwunden werden müssen und die Akzeptanz in der kreativen Gemeinschaft erfolgt in kleinen Schritten. Wenn es darum geht, Produktion und Postproduktion vollständig in die Cloud zu verlagern, gibt es Herausforderungen wie Bandbreite, Cloud-Codec-Unterstützung, Sicherheit und virtuelles Asset-Management.
Als ich die Möglichkeiten der Cloud evaluierte, war Frame.io bereits das weltweit am schnellsten wachsende professionelle Cloud-Collaboration-Tool und ich war inspiriert, mich den Gründern Emery Wells und John Traver anzuschließen, weil sie die Vision, das technische Talent und das Fundament hatten, auf dem sie aufbauen konnten.
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„Rust“ 2: Riesige rote Warnflaggen
out takes, Peter HartigDer Oberbeleuchter Serge Svetnoy teilte auf Facebook das letzte Foto vor dem Unglück und erhob schwere Vorwürfe. Halyna Hutchins ist bereits die vierte Kamerafrau, die in den vergangenen zehn Jahren in den USA bei Dreharbeiten getötet wurde, rechnet das Magazin „Jacobin“ vor. | Foto © Serge Svetnoy
Bei den Untersuchungen zum Todesfall beim Dreh des US-Westerns „Rust“ vermuten die Ermittler scharfe Munition am Set. Unterdessen hatten mehrere Filmschaffende ihre Erfahrungen geteilt: Sie werfen der Produktion vor, auf Kosten der Sicherheit gespart zu haben.
Nach dem tödlichen Schuss am Filmset des Western „Rust“ gehen die Ermittler davon aus, dass die von dem Schauspieler Alec Baldwin benutzte Waffe mit einer echten Kugel geladen war, berichtet die „Tagesschau“. Dies gaben die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico bekannt. „Nach Angaben des Sheriffs gibt es Hinweise, dass sich noch mehr scharfe Munition am Set befand. Dazu seien weitere Untersuchungen in einem Waffenlabor nötig. Demnach stellte die Polizei am Filmset 500 Kugeln sicher – eine ,Mischung’ aus Platzpatronen, Patronenattrappen und vermutlich auch echten Kugeln. ,Wir werden feststellen, wie sie (die echten Kugeln) dort hingekommen sind, warum sie da waren, denn sie hätten nicht dort sein sollen’, so [Sheriff] Mendoza. Die Ermittler ließen auch durchblicken, dass ihnen Berichte bekannt seien, wonach Crewmitglieder einige Stunden vor dem tödlichen Vorfall Waffen mit scharfer Munition für Schießübungen benutzt hätten. Auch diesen Berichten gehe man nach.“
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Schnitt-Preis Spielfilm: Kaya Inan
Dietmar Kraus, Unsere Gäste„Ein Schnittwunder“ nennt die Jury den Spielfilm und meint damit letztlich den Editor: Kaya Inan war zur Verleihung des „Schnitt-Preises“ in Köln zugeschaltet. | Foto © Juliane Guder/Edimotion
Beim „Edimotion“ wurde Mitte Oktober wieder die Kunst der Filmmontage gewürdigt. Der „Schnitt-Preis“ für die beste Spielfilmarbeit ging an den Editor Kaya Inan für „Wanda, Mein Wunder“.
Lieber Kaya, gratuliere zu Deiner Montage-Leistung bei diesem Spielfilm, in dem sowohl das grandiose Ensemble als auch die unterschiedlichen Tonalitäten hervorstechen. Wie bist Du zu dem Projekt gestoßen?
Meine erste Schnittassistenz war bei „Die Herbstzeitlosen“ (2006), Bettinas Durchbruch als Regisseurin. Ich habe danach noch ein Kunstvideo für sie geschnitten, während meiner Studienzeit in Ludwigsburg, aber beides ist schon lange her.
Ich kannte die Produzenten Lukas Hobi und Reto Schaerli von zwei früheren Projekten. Das erste war die Teenager-Komödie „Achtung, fertig, Charlie!“ (2003) – mein Einstieg in die Filmbranche, damals noch als Schauspieler. Da habe ich bei einem Street-Casting mitgemacht und bin so überhaupt erst auf Film als ein mögliches Berufsfeld gestoßen. 2016 haben Lukas und Reto mich als Editor angefragt, für den Kinderfilm „Papa Moll“. Danach schlugen sie mich auch Bettina vor; so haben sich unsere Wege noch mal gekreuzt.
Ich mochte das Drehbuch zu „Wanda, mein Wunder“ von Anfang an; dieser Humor und diese Figuren. Ich habe die Figuren bereits beim Lesen sehr stark gespürt.
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