Talk zur Vielfalt im Film

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Film und Fernsehen müssen mehr Vielfalt zeigen. Darüber sind sich alle auf dem Podium einig. Nur den Weg dorthin sehen sie unterschiedlich. | Foto © Antidiskriminierungsstelle des Bundes/Nils Hasenau

Diskriminierung und Belästigung gehören für viele Filmschaffende zum Berufsalltag. Das hatte im Frühjahr eine Umfrage der Initiative „Vielfalt im Film“ gezeigt. Vorige Woche diskutierten Filmschaffende und Vertreter*innen von Sendern, Verbänden, Förderung und Politik, wie es besser werden könnte.

Die Umfrage „Vielfalt im Film“ hatte im Frühjahr ein unschönes Bild der Branche gezeichnet. Rund 6.000 Filmschaffende hatten zu ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und Belästigung vor und hinter der Kamera geantwortet. „Acht von zehn der befragten Frauen haben demnach sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, ein Großteil sogar mehrfach. Vier von zehn queeren Filmschaffenden gehen nie oder nur selten offen mit ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität um. Drei von zehn Befragten machten Erfahrungen mit Altersdiskriminierung. Filmschaffende mit Behinderung sind extrem unterrepräsentiert. Filmschaffende mit Migrationshintergrund sind seltener fest angestellt und verdienen auch weniger, ein Fünftel von ihnen erlebt regelmäßig Rassismus am Arbeitsplatz“, fasst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Ergebnisse zusammen. Am Dienstag voriger Woche lud sie mit der Initiative „Vielfalt im Film“ zur prominent besetzten Podiumsdiskussion. Die Aufzeichnung ist auf Youtube zu sehen. 

In ihrer Keynote rief die Drehbuchautorin und Regisseurin Kerstin Polte dazu auf, Vorbilder zu schaffen, Besetzungsmuster zu hinterfragen und utopische Erzählweisen zu nutzen. Zu lange schon sei das Denken und Handeln „von Normalitätszuschreibungen geprägt, nicht von Diversität.“ Der Mangel an Repräsentation habe dazu geführt, dass „viele auch so leben, als würden sie nicht existieren“. Zugleich würden „normale“ Figuren deutlich komplexer dargestellt und gesehen. „Empathie kann man lernen“, sagte Polte.

Da ist über vergangene Jahr einiges in Bewegung geraten. Mit dem Manifest #actout hatten 185 Schauspieler*innen öffentlich gemacht, dass sie wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität berufliche Nachteile befürchten. Die Moin Filmförderung in Hamburg verlangt inzwischen eine Checkliste zur Diversität bei Produktionen, und auch die großen Sender und Produktionsfirmen bemühen sich redlich. Der Eindruck konnte jedenfalls entstehen, wenn wenn der Produzent Oliver Berben als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Constantin sprach oder die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger.

Hier zeigten sich aber auch die Unterschiede auf dem Podium. Die Schauspielerin Dennenesch Zoudé etwa, Vorständin und Co-Initiatorin der AG Diversity der Deutschen Filmakademie, berichtete nicht nur über deren Aktivitäten, sondern auch von eigenen Erfahrungen. Schlesingers Argument, man müsse hier trotz allem behutsam vorgehen, weil ein Teil des Publikums sich in einem diverseren Fernsehprogramm nicht wiederfinden wolle, ließ die Schauspielerin nicht gelten: „Da müssen sie durch. Alle haben wir ein Recht, hier zu leben und uns auch widergespiegelt zu sehen durch das, was auf dem Bildschirm ist.“ Das Theater sei da schon viel weiter, bestätigten sich Zoudé und ihre Kollegin Annabelle Mandeng, die die Diskussion moderierte, gegenseitig. Auch da habe es Anfangs heftige Ablehnung gegeben – inzwischen gehe das Publikum mit. 

Der Moderatorin waren die Bekenntnisse von Produzent und Intendantin zu vage. Sie habe den Eindruck, beide würden einer Antwort ausweichen, sagte Mandeng. Entrüstet widersprach Schlesinger und zählte nochmals auf, was die ARD so alles unternehme – das sei doch kein Ausweichen, sondern Fakten. Doch wann und wie dies in konkrete Handlungsanweisungen münden soll, sagte sie nicht. 

Ob vielleicht im Filmförderungsgesetz (FFG) so etwas zu erwarten sei, wollte Mandeng von Jan Ole Püschel wissen, dem Leiter der Abteilung Medien und Film bei der BKM. Schließlich werde da ja inzwischen auch die ökologische Nachhaltigkeit gefordert. „So einen Satz bräuchte es auch für Diversität, Vielfalt und Inklusion. Wird es den geben?“ 

Er halte das nicht für nötig, meint Püschel. Ökologische Nachhaltigkeit sei ein „neutrales“ Thema, das sich relativ einfach regeln ließe. Beim Thema Diversität stelle sich hingegen auch die Frage nach der „Freiheit eine kreativen Branche“: Anders als der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk habe der Staat keinen Programmauftrag. Es sei ein gravierender Unterschied, ob weniger CO2 vorgeschrieben oder ob per Gesetz festgelegt werde, wie Rollen zu besetzen sind. Im Ziel sei man sich einig, doch es gebe unterschiedliche Wege und unterschiedliche Akteure: „Wir sehen uns als Begleiter, als Animator. Wir sensibilisieren […] ohne vorzuschreiben.“ Bei Gendergerechtigkeit verfahre man so. Und: „Wir kümmern uns um soziale Standards am Set. Wir erkennen an, wenn Mehrkosten entstehen – wir fördern das.“ 

Die letzte Information überraschte nicht nur die Moderatorin. Das FFG schreibt zwar seit seiner gerade auslaufenden Fassung vor, auf „sozialverträglichen Bedingungen“ für die Beschäftigten „hinzuwirken“ – das war’s aber auch schon. Mindestkriterien (wie etwa der Branchentarifvertrag), die inzwischen mehrere Regionalförderungen verlangen, sind der Filmförderngsanstalt nicht vorgeschrieben. Dass irgendwelche Mehrkosten wegen sozialer Standards erstattet wurden, ist bislang auch nicht bekannt geworden.