Liebe, Musik und Politik: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 51.
„Wir leben derzeit unter dem virologischen Imperativ. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Übertragen wir also diesen biblischen Spruch auf die Pandemiesituation! Es kann doch das Leben nicht nur darauf begrenzt sein, dass wir überleben. Zum Leben gehört eben sehr viel mehr. Und das eindimensionale Fixieren auf das, was virologisch richtig oder falsch ist, kann es nicht sein.“
Michael Wolffsohn, Historiker
„Der Hecht, Er macht der Pläne viel. Ich werd, so sagt er, besuchen den Ganges und den Nil, den Tajo und den Tiber dann und darauf den Jangstekiang. Ich werde, da ich ungebunden, gut nutzen meine freien Stunden.“
Robert Desnos
Wir haben gut reden und regeln und lockern mit Corona. Aber wie läuft es damit in den anderen, ärmeren Regionen der Welt?
Indien mit seinen 1,3 Milliarden Menschen hat der Lockdown auf die schwerste Probe seit der Unabhängigkeit gestellt. Zum Beispiel: Dharavi. So heißt ein Slum im indischen Bombay. „Slumdog Millionär“ wurde dort gedreht. Auf einem Quadratkilometer leben dort 270.?000 Menschen, also etwa 60-mal so viele wie in einer deutschen Großstadt. Die Behörden kennen nicht einmal die genaue Zahl der Einwohner. Im Slum teilen sich acht oder zwölf Menschen eine aus Müll zusammengenagelte Hütte, vielleicht drei mal drei Meter groß. Die Verhältnisse sind so dicht, dass der berühmte Satz „Die Hölle, das sind die anderen“ aus Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ (1944) noch eine ganz andere Bedeutung bekommt: In einer Situation, in der jeder erstmal auf sich selbst achten muss, ist der andere zunächst nur eine weitere Last.
Wie hält man dort einen Lockdown mit Ausgangssperren aus? Ein eigenes Zimmer ist ein Luxus, den sich dort die wenigsten leisten können. Wie soll man sich aus dem Weg gehen? Wie soll man ein sauberes Klo finden? Die Hände mit Wasser und Seife waschen? Lächerlich. Tag und Nacht eingesperrt in der stickigen Enge, wer soll das aushalten?
Zugleich die Frage, ob Covid-19 mehr Opfer kosten wird, oder die Anti-Corona-Politik, die Millionen Tagelöhner in den Abgrund treibt?
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2020-06-08 21:20:092020-06-08 21:20:09Gedanken in der Pandemie 51: Kalkutta liegt am Ganges, und Kairo liegt am Nil …
Eine Milliarde für die Kultur! Das gibt’s sonst nirgends auf der Welt, betont die BKM, und auch viele Verbände freuen sich. Da wollen wir auch nicht meckern, aber doch anmerken, dass die Kulturbranche trotzdem weit unter Wert gehandelt wird. Und für ihre Werktätigen am Ende doch nur die Grundsicherung vorgesehen ist. Die müssen die Hoffnung trotzdem nicht fahren lassen: Der Bundesrat hat für sie heute bessere Lösungen gefordert.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
Lange wurde gerungen, dann war er da: der „Wumms“. Damit beschreibt Olaf Scholz das neue Superriesenkonjunkturpaket, mit dem die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus abgefedert werden sollen. Das war jetzt ein langer umständlicher Satz, aber so ist das mit der Pandemie: es ist kompliziert. Eine eindeutige Ansage hat der Koalitionsausschuss dennoch in Punkt 53 geschrieben: „Die Corona-Pandemie endet, wenn ein Impfstoff für die Bevölkerung zur Verfügung steht.“
Statt „Bazooka“ nun also der „Wumms“ – das klingt etwas sportlicher und scheint tatsächlich so ziemlich alles abzuarbeiten, was in den vergangenen Wochen in der Diskussion war. Naja, fast: Für die Kulturarbeiter*innen ohne Arbeit gibt’s weiterhin nur die „Grundsicherung“, die wird aber bis zum 30. September verlängert. Das reicht nicht, sagen heute die Länder dazu und denken an eine monatliche Pauschale. Doch der Reihe nach:
Faschismus und der liberale Selbstbetrug: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 50.
„We’re all living in Amerika Coca-Cola, sometimes war We’re all living in Amerika Amerika ist wunderbar.“
Rammstein
Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es lustig: Donald Trump, immer noch US-Präsident, ist der „Disruptor in Chief“. In knapp vier Jahren ist es ihm gelungen, die Politik völlig in ihr Gegenteil zu verkehren – nicht die US-Politik oder die des Westens, sondern die Politik der Welt an sich. Er kann es sich leisten, sich im Stil eines Wutbürgers über die von ihm selbst geführte Regierung zu beschweren.
Wie ein böser düsterer Forrest Gump stellt sich dieser Politiker immer wieder irgendwo hin, wo er nicht hingehört, schreibt er sich in Szenarien der US-Geschichte ein, kapert die historischen Kulissen, und gefällt sich zugleich darin, seine Ahnungslosigkeit zur Schau zu tragen.
Die Globalisierungskritikerin Naomi Klein hat kürzlich über ihn gesagt: „Donald Trump ist ein Idiot, aber unterschätzen Sie nicht, wie gut er darin ist.“ Das muss man ernst nehmen. Es meint genau diese Besonderheit der Trumpschen Auftritte, die man seine Performance-Qualität nennen könnte. Auf seinen Auftritt mit der Bibel vor der Kirche gegenüber vom Weißen Haus wäre niemand außer ihm gekommen.
Würde man Trump nicht als Politiker sondern als Komiker und Performer wahrnehmen, müsste man zugeben: Seine Empfehlung, Desinfektionsmittel gegen Corona zu trinken, wäre im Slapstick-Film ein guter Gag. Trump hat große Fähigkeiten zur Improvisation, und ein gewisses Bühnen-Potenzial. Er ist in der Lage, unmittelbar auf seine Umgebung zu reagieren – das ist auch ein seltenes Talent.
Das alles ist keineswegs zynisch gemeint, sondern mein Versuch, zu verstehen, warum die öffentliche Figur Trump funktioniert?
Der Filmregisseur Federico Fellini hat einmal die zwei Clownsfiguren der Commedia dell’arte, den „Dummen August“ und den „Weißen Clown“, und ihr Zusammenspiel, ihre gegenseitige Bedingtheit, auf die Weltgeschichte übertragen und behauptet, dass sich Weltgeschichte immer wieder in Form des Widerstreits dieser beiden Figuren abspielt. In Fellinis Lesart war Hitler der Weiße Clown und Mussolini der Dumme August.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2020-06-05 20:57:372020-06-05 21:02:23Gedanken in der Pandemie 50: Amerika vor dem Staatsstreich?
Vorige Woche hatte ich von der Einladung zur ersten Pressevorführung nach der Schließung der Kinos erzählt. In Berlin wäre der Termin heute gewesen. Die Vorführung wurde jedoch abgesagt. Präziser, sie musste abgesagt werden, wenn ich das richtig verstanden habe. Nur in Hamburg, wo bereits Kinos wieder geöffnet wurden, darf auch eine Pressevorführung stattfinden. In Berlin öffnen die Filmsäle erst ab dem 30. Juni. Ein Kino, das vor diesem Termin den Betrieb aufnimmt, kann mit einer saftigen Strafe, bis zu 10.000 Euro, rechnen. Zwar hätten sich die entsprechenden Kinos bemüht, herauszufinden, ob für journalistische Veranstaltungen der Betrieb erlaubt wäre, aber man habe keine gültige Antwort bekommen. Die Kinobetriebe und Verleiher haben bereits mehrfach kommuniziert, was sie brauchen, um zu spielen (Vorlauf, Planungssicherheit etc.), dazu gehört auch Marketing und Presse. Jetzt sitzen Filmkritiker und Filmkritikerinnen zwar zu Hause und streamen, was die Leitung hergibt, aber machen wir uns nichts vor: Filme gehören in der Regel auf die Leinwand und auch wenn einige von uns noch zögern (ich gebe zu, ich gehöre dazu) wollen wir irgendwann wieder zurück und die Filme wirklich so sehen, wie sie zu sehen sein sollten. Doch auch wir haben Vorlauf, einige mehr, andere weniger.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Elisabeth Nagyhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgElisabeth Nagy2020-06-05 20:05:462020-06-05 20:05:46Kino in Zeiten von Corona 11
In den vergangenen Tagen bestimmte nicht mehr allein das Virus die Nachrichten – alle Aufmerksamkeit gilt den Demonstrationen in den USA, die zeigen, dass auch die alten Probleme noch nicht gelöst sind. Die Nachrichten aus der Filmwelt sind in diesen Tagen spärlich.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
Er wuchs selbst in Brooklyn auf, und dort ist auch sein Film „Do The Right Thing“ verortet: Der US-amerikanische Schauspieler und Filmemacher Spike Lee hat 1989 ein aufwühlendes Drama über das explosive Potenzial von ganz alltäglichem Rassismus geschaffen. Der Filmtipp auf „Kino Zeit“.
„Wie mein Vater Zeit seines Lebens erklärt hat, ist Randale die Sprache der Ungehörten“, twitterte der Sohn des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King. „Natürlich dauerte es nicht lange, bis er von Massen weißer Männer erklärt bekam, dass sein Vater das ganz anders gemeint hatte und nur friedliche Proteste gute Proteste seien“. schreibt Michalis Pantelouris in „Übermedien“.
Die Branche regt sich und plant – es ist Zeit, das eigene Profil auf Crew United auf den aktuellen Stand zu bringen und die Verfügbarkeit einzutragen. Das heißt: Bitte das Feld „beschäftigt bis“ mit dem betreffenden Datum ausfüllen. Dann können Suchende danach filtern. „Gerade jetzt, wo viele Produktionen wieder beginnen, wäre das eine große Arbeitserleichterung und würde den Personalsuchenden viele unnötige Telefonate ersparen“, schreiben uns die Personalsuchenden selbst.
Und ein Tipp für die Produktionen: Einfach unter „Jobs“ Inserate schalten. Dann werden umgehend alle Premium Member per SMS informiert, die darauf passen. Dann rufen die an, die können, und auch so werden viele unnötige Telefonate erspart.
Wie war das mit der Solidarität? Mit Sicherheitskonzepten allein ist es nicht getan, wenn es an der richtigen Einstellung fehlt. Ein erster Erfahrungsbericht eines*r Filmschaffenden zeigt, wie ein Dreh unter Corona-Bedingungen nicht ablaufen sollte. Namen spielen dabei keine Rolle – es geht um Grundsätzlicheres.
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler glaubt nicht wirklich, dass durch die Krise plötzlich alles anders wird. Wirkliche Veränderungen brauchen über eine Generation. | Screenshot
In der Krise braucht man Zuversicht: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 49.
Heute ist der Corona-Blog mal ein bisschen anders als gewohnt. Denn ausnahmsweise besteht er aus einem Interview, das ich bereits Anfang April mit Herfried Münkler geführt habe – einem der (aus meiner Sicht) interessantesten deutschen Intellektuellen, Wissenschaftler und Beobachter des Zeitgeschehens:
Münkler, Jahrgang 1951, wuchs in Bad Nauheim bei Frankfurt auf, studierte in Frankfurt, wo er mit dem Buch „Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz“ (Fischer, Frankfurt 1984) promovierte, das bis heute als Standardwerk gilt. Von 1992 bis 2018 lehrte er als Professor für Theorie der Politik an der Berliner Humboldt-Universität.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Werken entstanden in dieser Zeit auch bei Rowohlt Bücher für ein breiteres Publikum, unter anderem „Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten.“(Berlin 2005); „Die Deutschen und ihre Mythen“ (Berlin 2008); „Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918“ (Berlin 2013); „Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648“ (Berlin 2017) und zuletzt gemeinsam mit Marina Münkler: „Abschied vom Abstieg. Eine Agenda für Deutschland“ (Berlin 2019).
Herr Münkler, zu Beginn eine Frage, die gar nichts mit Seuchen und Pandemien und der aktuellen Lage zu tun hat: Sie sind Politikwissenschafter, Literatur benutzen sie ja in Ihren Büchern oft als Quellen – aber wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Film? Nein, die verwende ich gar nicht. Ich hatte in meinem aktiven Berufsleben nie die Zeit, viel in Filme zu gehen. In mancher Hinsicht konkurrieren Bücher und Filme auch miteinander, um Zeit nämlich. Insofern habe ich zwar manche Filme gesehen, aber um mich zu unterhalten, nicht unter dem Gesichtspunkt, um durch sie eine Vorstellung von der kulturellen Veränderung dieser Gesellschaft zu bekommen.
Das ist schade … Ja, ich weiß. Aber es gibt so Dinge, die funktionieren eben nur so. Es liegt wohl auch meiner Generation. Meine Frau ist achteinhalb Jahre jünger und da schon anders aufgestellt. Sie hat in Dresden an der TU ein paar Kollegen, die auch in der Literaturwissenschaft sehr viel mehr mit Filmen arbeiten. Wenn ich in dieser Hinsicht irgendetwas mitbekommen will, dann zapfe ich diese Quellen an.Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2020-06-03 21:32:232020-06-03 21:03:09Gedanken in der Pandemie 49: „Die Exekutive kann auch Schiffbruch erleiden“
Mit Sicherheitskonzepten allein ist es nicht getan, wenn es an der richtigen Einstellung fehlt. Ein erster Erfahrungsbericht eines*r Filmschaffenden zeigt, wie ein Dreh unter Corona-Bedingungen nicht ablaufen sollte. Namen spielen dabei keine Rolle – es geht um Grundsätzlicheres.
Jetzt, da sich der Corona-bedingte Stillstand aufzulösen scheint, möchte ich das Forum nutzen, um Missstände anzusprechen, die durch den neuerlichen Aufbruch verursacht werden können. Einerseits dürfen wir froh sein, dass es vielen von uns wieder möglich ist, Geld zu verdienen. Andererseits sollten wir dabei aber auch nicht unsere Gesundheit und unsere Rechte aus den Augen verlieren: eben nicht arbeiten um jeden Preis. Deswegen möchte ich eine Begebenheit schildern, die mich zutiefst erschüttert hat und mir gezeigt hat, dass trotz der „Normalisierung“ Vorsicht geboten ist. Daraus ergibt sich dann auch die Frage, wie wir Filmschaffende uns vor ähnlichen Fällen schützen können.
Mein Filmprojekt, das aufgrund der Corona-Pandemie für sechs Wochen unterbrochen wurde, hatte die Dreharbeiten wieder aufgenommen, um das Projekt in zwei Wochen abzudrehen. Alle Mitarbeiter*innen mussten vor Beginn die „Arbeitsanweisung Covid-19“ unterschreiben, die für jede einzelne Abteilung die vorgeschriebenen Sicherheit- und Hygiene-Maßnahmen aufgelistet hat (Sicherheitsabstände, Mund-Nasen-Schutz, Handhygiene etc.). Mit der Unterschrift haben wir uns verpflichtet, unbedingt und in jedem Falle diese Regeln einzuhalten. Darüberhinaus wurden wir jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen (Corona-Test etwa, vor Ort bleiben am Wochenende oder ähnliches) aufgefordert. Lediglich die Schauspieler wurden getestet (der Haupt-Cast vor Drehbeginn, Episodenrollen vor ihrem jeweiligen Drehtag).
Nachdem das Drehpensum weitgehend reibungslos bewältigt wurde, trat ein Vertreter der Produktionsfirma nach der letzten Klappe vor das Team und teilte uns mit, dass am Vortag ein Schauspieler am Set anwesend war, der am Folgetag positiv getestet wurde. Er forderte uns auf, „ruhig zu bleiben“ und uns „diskret zu verhalten“. Wir sollten den Wiederholungstest am folgenden Tag abwarten, denn wahrscheinlich würde es sich um einen „ja relativ häufig auftretenden Falsch-Positiv-Test“ handeln. Allerdings sollten sich alle Personen am Set in eine Liste eintragen, die den Mindestabstand zu diesem Kollegen nicht konsequent eingehalten hatten.
Mittlerweile weiss ich aus sicherer Quelle, dass die Produktionsfirma zirka sechs Stunden vor dem Ende des Drehtags und der Teamansprache von dem Positiv-Test des Schauspielers erfahren hat. Sie hat zugelassen, dass zwei Schauspieler, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Set waren, weil sie später disponiert waren, ans Set kamen und ihre Einstellungen drehten.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2020-06-03 20:32:362020-06-03 20:32:36Dreh unter Corona: Wie war das mit der Solidarität?
Emsig wird daran gearbeitet, zur Normalität zurückzukehren. Zeitungsberichte und Petitionen erinnern aber auch daran, dass noch einiges nachzuarbeiten ist – besonders bei den Hilfen für Branche und Beschäftigte.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
Seit gestern ist wieder mehr Kultur in Baden-Württemberg möglich. Theatervorstellungen, Konzerte und Kinoaufführungen mit weniger als 100 Besuchern sind wieder erlaubt – wenn die inzwischen üblichen Abstands- und Hygienevorschriften eingehalten werden können.Eben dafür stellt das Förderprogramm„Kultur Sommer 2020“ 2,5 Millionen Euro für „kleinere analoge Veranstaltungen“ bereit. Weitere 7,5 Millionen Euro sind im Programm „Kunst trotz Abstand“ fürAngebote und Formate vorgesehen, die eine längere Planung benötigen. Die Rechtsverordnung und Fragen und Antworten dazu.
Berlin gibt den Kinobetrieb erst ab 30. Juni frei, meldete „Blickpunkt Film“. Der späte Termin entspreche aber auch den Planungen der Kinobetreiber. Nur Open-Air-Veranstaltungen bis 200 Personen sind seit heute wieder möglich, Autokinos waren eh schon erlaubt.
Gedanken in der Pandemie 51: Kalkutta liegt am Ganges, und Kairo liegt am Nil …
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeEs wird zuviel nur übers Virus diskutiert, meint der Historiker Michael Wolffsohn. Er vermisst die eigentlichen Fragen in der Pandemie. | Foto © BR
Liebe, Musik und Politik: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 51.
„Wir leben derzeit unter dem virologischen Imperativ. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Übertragen wir also diesen biblischen Spruch auf die Pandemiesituation! Es kann doch das Leben nicht nur darauf begrenzt sein, dass wir überleben. Zum Leben gehört eben sehr viel mehr. Und das eindimensionale Fixieren auf das, was virologisch richtig oder falsch ist, kann es nicht sein.“
Michael Wolffsohn, Historiker
„Der Hecht,
Er macht der Pläne viel.
Ich werd, so sagt er, besuchen
den Ganges und den Nil,
den Tajo und den Tiber dann
und darauf den Jangstekiang.
Ich werde, da ich ungebunden,
gut nutzen meine freien Stunden.“
Robert Desnos
Wir haben gut reden und regeln und lockern mit Corona. Aber wie läuft es damit in den anderen, ärmeren Regionen der Welt?
Indien mit seinen 1,3 Milliarden Menschen hat der Lockdown auf die schwerste Probe seit der Unabhängigkeit gestellt. Zum Beispiel: Dharavi. So heißt ein Slum im indischen Bombay. „Slumdog Millionär“ wurde dort gedreht. Auf einem Quadratkilometer leben dort 270.?000 Menschen, also etwa 60-mal so viele wie in einer deutschen Großstadt. Die Behörden kennen nicht einmal die genaue Zahl der Einwohner. Im Slum teilen sich acht oder zwölf Menschen eine aus Müll zusammengenagelte Hütte, vielleicht drei mal drei Meter groß. Die Verhältnisse sind so dicht, dass der berühmte Satz „Die Hölle, das sind die anderen“ aus Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ (1944) noch eine ganz andere Bedeutung bekommt: In einer Situation, in der jeder erstmal auf sich selbst achten muss, ist der andere zunächst nur eine weitere Last.
Wie hält man dort einen Lockdown mit Ausgangssperren aus? Ein eigenes Zimmer ist ein Luxus, den sich dort die wenigsten leisten können. Wie soll man sich aus dem Weg gehen? Wie soll man ein sauberes Klo finden? Die Hände mit Wasser und Seife waschen? Lächerlich. Tag und Nacht eingesperrt in der stickigen Enge, wer soll das aushalten?
Zugleich die Frage, ob Covid-19 mehr Opfer kosten wird, oder die Anti-Corona-Politik, die Millionen Tagelöhner in den Abgrund treibt?
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Corona: Brancheninfo 54
out takes, Peter HartigKinos im Stillstand 18: Im „Bundesplatz Studio“ in Berlin blüht schon die Hoffnung. | Foto © Elisabeth Nagy
Eine Milliarde für die Kultur! Das gibt’s sonst nirgends auf der Welt, betont die BKM, und auch viele Verbände freuen sich. Da wollen wir auch nicht meckern, aber doch anmerken, dass die Kulturbranche trotzdem weit unter Wert gehandelt wird. Und für ihre Werktätigen am Ende doch nur die Grundsicherung vorgesehen ist. Die müssen die Hoffnung trotzdem nicht fahren lassen: Der Bundesrat hat für sie heute bessere Lösungen gefordert.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
Lange wurde gerungen, dann war er da: der „Wumms“. Damit beschreibt Olaf Scholz das neue Superriesenkonjunkturpaket, mit dem die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus abgefedert werden sollen. Das war jetzt ein langer umständlicher Satz, aber so ist das mit der Pandemie: es ist kompliziert. Eine eindeutige Ansage hat der Koalitionsausschuss dennoch in Punkt 53 geschrieben: „Die Corona-Pandemie endet, wenn ein Impfstoff für die Bevölkerung zur Verfügung steht.“
Statt „Bazooka“ nun also der „Wumms“ – das klingt etwas sportlicher und scheint tatsächlich so ziemlich alles abzuarbeiten, was in den vergangenen Wochen in der Diskussion war. Naja, fast: Für die Kulturarbeiter*innen ohne Arbeit gibt’s weiterhin nur die „Grundsicherung“, die wird aber bis zum 30. September verlängert. Das reicht nicht, sagen heute die Länder dazu und denken an eine monatliche Pauschale. Doch der Reihe nach:
Am Mittwochabend hat sich die Große Koalition auf ein schweres Konjunkturprogramm geeinigt: Rund 130 Milliarden Euro sollen die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder zum Laufen bringen. Eine Milliarde davon ist dezidiert für die Kultur gedacht.
Das ist beinahe ein ganzes Prozent – der Anteil der Branche am Bruttoinlandsprodukt war im vergangenen Jahr viermal so hoch, besagt der Monitoringbericht des Bundeswirtschaftsministeriums. Dasselbe gilt für den Anteil der Kultur-Beschäftigten unter den 44,8 Millionen Erwerbstätigen im Land, laut Statistischem Bundesamt.
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Gedanken in der Pandemie 50: Amerika vor dem Staatsstreich?
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeTrump plant den Putsch, raunt es an manchen Stellen immer lauter. Edward Zwick hatte schon vor 22 Jahren den Film dazu gedreht: „Ausnahmezustand“! | Foto © 20th Century Fox
Faschismus und der liberale Selbstbetrug: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 50.
„We’re all living in Amerika
Coca-Cola, sometimes war
We’re all living in Amerika
Amerika ist wunderbar.“
Rammstein
Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es lustig: Donald Trump, immer noch US-Präsident, ist der „Disruptor in Chief“. In knapp vier Jahren ist es ihm gelungen, die Politik völlig in ihr Gegenteil zu verkehren – nicht die US-Politik oder die des Westens, sondern die Politik der Welt an sich. Er kann es sich leisten, sich im Stil eines Wutbürgers über die von ihm selbst geführte Regierung zu beschweren.
Wie ein böser düsterer Forrest Gump stellt sich dieser Politiker immer wieder irgendwo hin, wo er nicht hingehört, schreibt er sich in Szenarien der US-Geschichte ein, kapert die historischen Kulissen, und gefällt sich zugleich darin, seine Ahnungslosigkeit zur Schau zu tragen.
Die Globalisierungskritikerin Naomi Klein hat kürzlich über ihn gesagt: „Donald Trump ist ein Idiot, aber unterschätzen Sie nicht, wie gut er darin ist.“ Das muss man ernst nehmen. Es meint genau diese Besonderheit der Trumpschen Auftritte, die man seine Performance-Qualität nennen könnte. Auf seinen Auftritt mit der Bibel vor der Kirche gegenüber vom Weißen Haus wäre niemand außer ihm gekommen.
Würde man Trump nicht als Politiker sondern als Komiker und Performer wahrnehmen, müsste man zugeben: Seine Empfehlung, Desinfektionsmittel gegen Corona zu trinken, wäre im Slapstick-Film ein guter Gag. Trump hat große Fähigkeiten zur Improvisation, und ein gewisses Bühnen-Potenzial. Er ist in der Lage, unmittelbar auf seine Umgebung zu reagieren – das ist auch ein seltenes Talent.
Das alles ist keineswegs zynisch gemeint, sondern mein Versuch, zu verstehen, warum die öffentliche Figur Trump funktioniert?
Der Filmregisseur Federico Fellini hat einmal die zwei Clownsfiguren der Commedia dell’arte, den „Dummen August“ und den „Weißen Clown“, und ihr Zusammenspiel, ihre gegenseitige Bedingtheit, auf die Weltgeschichte übertragen und behauptet, dass sich Weltgeschichte immer wieder in Form des Widerstreits dieser beiden Figuren abspielt. In Fellinis Lesart war Hitler der Weiße Clown und Mussolini der Dumme August.
Wer ist in dieser Struktur nun Donald Trump?
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Kino in Zeiten von Corona 11
Elisabeth Nagy, Unsere GästeAus aktuellem Anlass zeigt Salzgeber Raoul Pecks „I Am not Your Negro“ von 2016. Die „beißende Analyse der Repräsentation von Afro-Amerikanern in der US-Kulturgeschichte“ war für einen „Oscar“ nominiert. | Foto © Salzgeber
Die Kinostarts und Streams der Woche.
Vorige Woche hatte ich von der Einladung zur ersten Pressevorführung nach der Schließung der Kinos erzählt. In Berlin wäre der Termin heute gewesen. Die Vorführung wurde jedoch abgesagt. Präziser, sie musste abgesagt werden, wenn ich das richtig verstanden habe. Nur in Hamburg, wo bereits Kinos wieder geöffnet wurden, darf auch eine Pressevorführung stattfinden. In Berlin öffnen die Filmsäle erst ab dem 30. Juni. Ein Kino, das vor diesem Termin den Betrieb aufnimmt, kann mit einer saftigen Strafe, bis zu 10.000 Euro, rechnen. Zwar hätten sich die entsprechenden Kinos bemüht, herauszufinden, ob für journalistische Veranstaltungen der Betrieb erlaubt wäre, aber man habe keine gültige Antwort bekommen. Die Kinobetriebe und Verleiher haben bereits mehrfach kommuniziert, was sie brauchen, um zu spielen (Vorlauf, Planungssicherheit etc.), dazu gehört auch Marketing und Presse. Jetzt sitzen Filmkritiker und Filmkritikerinnen zwar zu Hause und streamen, was die Leitung hergibt, aber machen wir uns nichts vor: Filme gehören in der Regel auf die Leinwand und auch wenn einige von uns noch zögern (ich gebe zu, ich gehöre dazu) wollen wir irgendwann wieder zurück und die Filme wirklich so sehen, wie sie zu sehen sein sollten. Doch auch wir haben Vorlauf, einige mehr, andere weniger.
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Corona: Brancheninfo 53
out takes, Peter Hartig„Do the Right Thing“ drehte Spike Lee (Mitte) vor mehr als 30 Jahren. Der Film ist leider immer noch aktuell. | Foto © UIP
In den vergangenen Tagen bestimmte nicht mehr allein das Virus die Nachrichten – alle Aufmerksamkeit gilt den Demonstrationen in den USA, die zeigen, dass auch die alten Probleme noch nicht gelöst sind. Die Nachrichten aus der Filmwelt sind in diesen Tagen spärlich.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
Er wuchs selbst in Brooklyn auf, und dort ist auch sein Film „Do The Right Thing“ verortet: Der US-amerikanische Schauspieler und Filmemacher Spike Lee hat 1989 ein aufwühlendes Drama über das explosive Potenzial von ganz alltäglichem Rassismus geschaffen. Der Filmtipp auf „Kino Zeit“.
„Wie mein Vater Zeit seines Lebens erklärt hat, ist Randale die Sprache der Ungehörten“, twitterte der Sohn des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King. „Natürlich dauerte es nicht lange, bis er von Massen weißer Männer erklärt bekam, dass sein Vater das ganz anders gemeint hatte und nur friedliche Proteste gute Proteste seien“. schreibt Michalis Pantelouris in „Übermedien“.
Die Branche regt sich und plant – es ist Zeit, das eigene Profil auf Crew United auf den aktuellen Stand zu bringen und die Verfügbarkeit einzutragen. Das heißt: Bitte das Feld „beschäftigt bis“ mit dem betreffenden Datum ausfüllen. Dann können Suchende danach filtern. „Gerade jetzt, wo viele Produktionen wieder beginnen, wäre das eine große Arbeitserleichterung und würde den Personalsuchenden viele unnötige Telefonate ersparen“, schreiben uns die Personalsuchenden selbst.
Und ein Tipp für die Produktionen: Einfach unter „Jobs“ Inserate schalten. Dann werden umgehend alle Premium Member per SMS informiert, die darauf passen. Dann rufen die an, die können, und auch so werden viele unnötige Telefonate erspart.
Wie war das mit der Solidarität? Mit Sicherheitskonzepten allein ist es nicht getan, wenn es an der richtigen Einstellung fehlt. Ein erster Erfahrungsbericht eines*r Filmschaffenden zeigt, wie ein Dreh unter Corona-Bedingungen nicht ablaufen sollte. Namen spielen dabei keine Rolle – es geht um Grundsätzlicheres.
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Gedanken in der Pandemie 49: „Die Exekutive kann auch Schiffbruch erleiden“
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDer Politikwissenschaftler Herfried Münkler glaubt nicht wirklich, dass durch die Krise plötzlich alles anders wird. Wirkliche Veränderungen brauchen über eine Generation. | Screenshot
In der Krise braucht man Zuversicht: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 49.
Heute ist der Corona-Blog mal ein bisschen anders als gewohnt. Denn ausnahmsweise besteht er aus einem Interview, das ich bereits Anfang April mit Herfried Münkler geführt habe – einem der (aus meiner Sicht) interessantesten deutschen Intellektuellen, Wissenschaftler und Beobachter des Zeitgeschehens:
Münkler, Jahrgang 1951, wuchs in Bad Nauheim bei Frankfurt auf, studierte in Frankfurt, wo er mit dem Buch „Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz“ (Fischer, Frankfurt 1984) promovierte, das bis heute als Standardwerk gilt. Von 1992 bis 2018 lehrte er als Professor für Theorie der Politik an der Berliner Humboldt-Universität.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Werken entstanden in dieser Zeit auch bei Rowohlt Bücher für ein breiteres Publikum, unter anderem „Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten.“ (Berlin 2005); „Die Deutschen und ihre Mythen“ (Berlin 2008); „Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918“ (Berlin 2013); „Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648“ (Berlin 2017) und zuletzt gemeinsam mit Marina Münkler: „Abschied vom Abstieg. Eine Agenda für Deutschland“ (Berlin 2019).
Herr Münkler, zu Beginn eine Frage, die gar nichts mit Seuchen und Pandemien und der aktuellen Lage zu tun hat: Sie sind Politikwissenschafter, Literatur benutzen sie ja in Ihren Büchern oft als Quellen – aber wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Film?
Nein, die verwende ich gar nicht. Ich hatte in meinem aktiven Berufsleben nie die Zeit, viel in Filme zu gehen. In mancher Hinsicht konkurrieren Bücher und Filme auch miteinander, um Zeit nämlich. Insofern habe ich zwar manche Filme gesehen, aber um mich zu unterhalten, nicht unter dem Gesichtspunkt, um durch sie eine Vorstellung von der kulturellen Veränderung dieser Gesellschaft zu bekommen.
Das ist schade …
Ja, ich weiß. Aber es gibt so Dinge, die funktionieren eben nur so. Es liegt wohl auch meiner Generation. Meine Frau ist achteinhalb Jahre jünger und da schon anders aufgestellt. Sie hat in Dresden an der TU ein paar Kollegen, die auch in der Literaturwissenschaft sehr viel mehr mit Filmen arbeiten. Wenn ich in dieser Hinsicht irgendetwas mitbekommen will, dann zapfe ich diese Quellen an. Weiterlesen
Dreh unter Corona: Wie war das mit der Solidarität?
out takes, Peter HartigTrotz Abstand: 1999, bei „Eyes Wide Shut“, sah der Dreh mit Maske noch anders aus. | Foto © Warner Brothers
Mit Sicherheitskonzepten allein ist es nicht getan, wenn es an der richtigen Einstellung fehlt. Ein erster Erfahrungsbericht eines*r Filmschaffenden zeigt, wie ein Dreh unter Corona-Bedingungen nicht ablaufen sollte. Namen spielen dabei keine Rolle – es geht um Grundsätzlicheres.
Jetzt, da sich der Corona-bedingte Stillstand aufzulösen scheint, möchte ich das Forum nutzen, um Missstände anzusprechen, die durch den neuerlichen Aufbruch verursacht werden können. Einerseits dürfen wir froh sein, dass es vielen von uns wieder möglich ist, Geld zu verdienen. Andererseits sollten wir dabei aber auch nicht unsere Gesundheit und unsere Rechte aus den Augen verlieren: eben nicht arbeiten um jeden Preis. Deswegen möchte ich eine Begebenheit schildern, die mich zutiefst erschüttert hat und mir gezeigt hat, dass trotz der „Normalisierung“ Vorsicht geboten ist. Daraus ergibt sich dann auch die Frage, wie wir Filmschaffende uns vor ähnlichen Fällen schützen können.
Mein Filmprojekt, das aufgrund der Corona-Pandemie für sechs Wochen unterbrochen wurde, hatte die Dreharbeiten wieder aufgenommen, um das Projekt in zwei Wochen abzudrehen. Alle Mitarbeiter*innen mussten vor Beginn die „Arbeitsanweisung Covid-19“ unterschreiben, die für jede einzelne Abteilung die vorgeschriebenen Sicherheit- und Hygiene-Maßnahmen aufgelistet hat (Sicherheitsabstände, Mund-Nasen-Schutz, Handhygiene etc.). Mit der Unterschrift haben wir uns verpflichtet, unbedingt und in jedem Falle diese Regeln einzuhalten. Darüberhinaus wurden wir jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen (Corona-Test etwa, vor Ort bleiben am Wochenende oder ähnliches) aufgefordert. Lediglich die Schauspieler wurden getestet (der Haupt-Cast vor Drehbeginn, Episodenrollen vor ihrem jeweiligen Drehtag).
Nachdem das Drehpensum weitgehend reibungslos bewältigt wurde, trat ein Vertreter der Produktionsfirma nach der letzten Klappe vor das Team und teilte uns mit, dass am Vortag ein Schauspieler am Set anwesend war, der am Folgetag positiv getestet wurde. Er forderte uns auf, „ruhig zu bleiben“ und uns „diskret zu verhalten“. Wir sollten den Wiederholungstest am folgenden Tag abwarten, denn wahrscheinlich würde es sich um einen „ja relativ häufig auftretenden Falsch-Positiv-Test“ handeln. Allerdings sollten sich alle Personen am Set in eine Liste eintragen, die den Mindestabstand zu diesem Kollegen nicht konsequent eingehalten hatten.
Mittlerweile weiss ich aus sicherer Quelle, dass die Produktionsfirma zirka sechs Stunden vor dem Ende des Drehtags und der Teamansprache von dem Positiv-Test des Schauspielers erfahren hat. Sie hat zugelassen, dass zwei Schauspieler, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Set waren, weil sie später disponiert waren, ans Set kamen und ihre Einstellungen drehten.
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Corona: Brancheninfo 52
out takes, Peter HartigClint Eastwood ist am Sonntag 90 geworden! Wir gratulieren. | Foto © Warner Bros. Entertainment, Claire Folger
Emsig wird daran gearbeitet, zur Normalität zurückzukehren. Zeitungsberichte und Petitionen erinnern aber auch daran, dass noch einiges nachzuarbeiten ist – besonders bei den Hilfen für Branche und Beschäftigte.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können.
„Der Hüne mit sanfter Stimme wird 90“. Die „Berliner Zeitung“ gratuliert Clint Eastwood zum Geburtstag.
Auch die „Frankfurter Rundschau“ feiert den Schauspieler und Regisseur, obwohl der doch keine Geburtstage mag.
Tipps vom Altstar gibt’s in Text und Videos hier [auf Englisch].
Seine fünf besten Filme empfiehlt der Deutschlandfunk.
Seit gestern ist wieder mehr Kultur in Baden-Württemberg möglich. Theatervorstellungen, Konzerte und Kinoaufführungen mit weniger als 100 Besuchern sind wieder erlaubt – wenn die inzwischen üblichen Abstands- und Hygienevorschriften eingehalten werden können. Eben dafür stellt das Förderprogramm „Kultur Sommer 2020“ 2,5 Millionen Euro für „kleinere analoge Veranstaltungen“ bereit. Weitere 7,5 Millionen Euro sind im Programm „Kunst trotz Abstand“ für Angebote und Formate vorgesehen, die eine längere Planung benötigen. Die Rechtsverordnung und Fragen und Antworten dazu.
Berlin gibt den Kinobetrieb erst ab 30. Juni frei, meldete „Blickpunkt Film“. Der späte Termin entspreche aber auch den Planungen der Kinobetreiber. Nur Open-Air-Veranstaltungen bis 200 Personen sind seit heute wieder möglich, Autokinos waren eh schon erlaubt.
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