Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler glaubt nicht wirklich, dass durch die Krise plötzlich alles anders wird. Wirkliche Veränderungen brauchen über eine Generation. | Screenshot

In der Krise braucht man Zuversicht: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 49. 

Heute ist der Corona-Blog mal ein bisschen anders als gewohnt. Denn ausnahmsweise besteht er aus einem Interview, das ich bereits Anfang April mit Herfried Münkler geführt habe – einem der (aus meiner Sicht) interessantesten deutschen Intellektuellen, Wissenschaftler und Beobachter des Zeitgeschehens: 

Münkler, Jahrgang 1951, wuchs in Bad Nauheim bei Frankfurt auf, studierte in Frankfurt, wo er mit dem Buch „Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz“ (Fischer, Frankfurt 1984) promovierte, das bis heute als Standardwerk gilt. Von 1992 bis 2018 lehrte er als Professor für Theorie der Politik an der Berliner Humboldt-Universität.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Werken entstanden in dieser Zeit auch bei Rowohlt Bücher für ein breiteres Publikum, unter anderem „Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten.“  (Berlin 2005); „Die Deutschen und ihre Mythen“ (Berlin 2008); „Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918“ (Berlin 2013); „Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648“ (Berlin 2017) und zuletzt gemeinsam mit Marina Münkler: „Abschied vom Abstieg. Eine Agenda für Deutschland“ (Berlin 2019). 

 

Herr Münkler, zu Beginn eine Frage, die gar nichts mit Seuchen und Pandemien und der aktuellen Lage zu tun hat: Sie sind Politikwissenschafter, Literatur benutzen sie ja in Ihren Büchern oft als Quellen – aber wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Film?
Nein, die verwende ich gar nicht. Ich hatte in meinem aktiven Berufsleben nie die Zeit, viel in Filme zu gehen. In mancher Hinsicht konkurrieren Bücher und Filme auch miteinander, um Zeit nämlich. Insofern habe ich zwar manche Filme gesehen, aber um mich zu unterhalten, nicht unter dem Gesichtspunkt, um durch sie eine Vorstellung von der kulturellen Veränderung dieser Gesellschaft zu bekommen.

Das ist schade …
Ja, ich weiß. Aber es gibt so Dinge, die funktionieren eben nur so. Es liegt wohl auch meiner Generation. Meine Frau ist achteinhalb Jahre jünger und da schon anders aufgestellt. Sie hat in Dresden an der TU ein paar Kollegen, die auch in der Literaturwissenschaft sehr viel mehr mit Filmen arbeiten. Wenn ich in dieser Hinsicht irgendetwas mitbekommen will, dann zapfe ich diese Quellen an.  Weiterlesen

Die erste Probe der Berliner Philharmoniker nach dem Zweiten Weltkrieg war am 25. Mai 1945. Bei Corona dauert es länger. | Foto © Stiftung Berliner Philharmoniker

Jeder ist ein Künstler; außer den Sklaven: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 48. 

„Good-morning, Revolution:
You’re the very best friend
I ever had.
We gonna pal around together from now on.“
Langston Hughes

 

Was es alles für Fragen gibt, über die man sich potenziell viele Gedanken machen muss. So zum Beispiel, ob man „jetzt“ mit dem Zug fahren darf? Oder ist der Zug zu voll, um dem Durchschnittsmenschen der wohlfahrtsstaatlichen Demokratie ausreichend Sicherheiten vor Infektion zu gewährleisten. Soll man besser erster Klasse fahren? Oder mit dem Auto? In der privaten PKW-Filterblase ist es vergleichsweise Corona-sicher, aber das Klima, das Klima … Zudem reden wir von einer Welt, in der die Wahrscheinlichkeit bei einem Autounfall, zu sterben, genauso hoch ist, wie die Covid-19 zu bekommen. Man muss mehrmals leben, damit einem das passiert – statistisch gesehen. 

Trotzdem wird über das eine viel geredet, werden Gedanken und Sorgen hin und her gewälzt, über das andere nicht. 

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In der SWR-Serie „Labaule & Erben“ spielte Irm Herrmann (rechts) ihre letzte Rolle. Sie ist noch in der Mediathek zu sehen. | SWR, Violet Pictures, Maor Waisburd

Und? Fake-Fakten und Flurfunk, Freiheitsparadox, Film- und Lektüretips für Pfingsten: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 47. 

„Es kam ein Brausen, wie wenn ein Sturm daherfährt, und es erschienen Feuerflammen, auf jeden ließ sich eine nieder.“
Apostelgeschichte 2.2-3

„Ich glaube nicht an eine Kunst, die auf einer Kompositionsidee basiert oder einer Form. Im Grunde ist es meine Idee, allem entgegenzuwirken, was ich je gelernt habe oder was man mir beibrachte, um etwas anderes zu finden.“
Eva Hesse, Künstlerin (1936-1970)

„Erstens: Erkenne die Lage.
Zweitens: Rechne mit deinen Defekten, gehe von deinen Beständen aus, nicht von deinen Parolen.

Drittens: Vollende nicht deine Persönlichkeit, sondern die einzelnen deiner Werke.“
Gottfried Benn

 

„Der Flurfunk fällt weg.“ Ein Freund erzählt mir, wie er das nach wie vor andauernde Arbeiten im Home-Office empfindet: „Gerhard Polt kommt manchmal rein, und sagt einfach nur: ,Und?’ Das löst alles aus.“ Und jetzt falle dieses ganze Nebensächliche weg. Das Weiche, Unstrategische. Die strategische Verhalten infiltriere auch noch das Private. Zur Gesprächskultur gehöre ja gerade, was Falsches zu sagen, ja auch was, worauf das Gegenüber beleidigt reagiert. In der Zoom-Konferenz aber funktioniere das alles nicht mehr. 

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Tatsächlich sind der Überschuss und der Exzess vielleicht das Wichtigste menschlicher Kommunikation. Man könnte also sagen, dass Corona in diesem Sinn durch das genannte Stromlinienförmig-Werden alles noch weiter neoliberalisiert, als es sowieso schon war. Es gibt aber sofort dazu auch eine Antithese. 

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„We Are One“ – das Youtube-Film-Festival ist ein Betrug am Zuschauer und ein Verrat am Kino: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 46.

„Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser geheilt werden.“
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

 

Morgen am Freitag geht es los. Ein „globales Filmfestival“. Alle wichtigen Filmfestivals sind dabei. Insgesamt 21 tun sich zusammen. Alle zeigen Filme. Dazu Aufzeichnungen von Podiumsdiskussionen, Masterclasses und Präsentationen. Und alles gratis. 

Begleitet von einer Spendenaktion für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und weitere lokale Charity-Organisationen. Die Berlinale ist natürlich auch dabei. 

Eine tolle Sache – oder? 

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Es klingt wahnsinnig menschlich: „We are one“ – „Wir sind eins“. So wie man sich die Welt eben wünscht, wenn man sie sich malen könnte, und wenn das Eine Einzige Übrigebleibende nicht gerade ein globaler Konzern, ein transnationaler Streamingdienst oder ein weltweites Online-Kaufhaus ist. 

„We are one“ das klingt fast so wie „We are the world. We are the children“ – sehr werbetauglich, sehr amerikanisch, sehr nach saccharingesüßter Humanität und aseptischen Gefühlen.

Machen wir uns bitte nichts vor: „We are one“ ist zuallererst einmal eine Marketingidee. Der Versuch einer Markenbildung. 

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Philipp Hartmann „66 Kinos“ sind zwar schon drei Jahre alt, aber der Film zur Stunde. Grandfilm bringt die Liebeserklärung jetzt ins Online-Kino. | Foto © Grandfilm

Die Streams der Woche. Von Elisabeth Nagy

Die Verwirrung war eine Weile lang komplett. Die Meldungen lauteten von Öffnungen mit Auflagen bis „jetzt noch nicht“. Was denn nun? Öffnen die Berliner Kinos nach dem 5. Juni oder steht es noch nicht fest? So oft ich den Rechner angeworfen hatte, sagten die Headlines etwas anderes. Die Tagespresse, die Fachpresse, die Brancheninfos. Puh. Bayern will ab dem 15. Juni den Kinobetrieb ermöglichen. Hamburg meldete am vergangenen Dienstag, dass am Mittwoch gespielt werden darf. Dazwischen reihen sich die Bundesländer fein säuberlich auf, jeden Tag ein bißchen mehr Kino. Oder doch nicht? Am Donnerstag, also heute, soll es eine weitere Sondersitzung geben, beziehungsweise wird es diese gegeben haben. Wie auch immer das Urteil für die Berliner Kinos ausfällt, unser Brancheninfo wird es dann wissen, zumindest eine Agentur hat hier bereits vor einigen Tagen Nägel mit Köpfen gemacht und zur ersten Post-Lockdown-Pressevorführung eingeladen. Hamburg – München – Berlin. Am 3. und am 4. Juni, also zumindest in Berlin und München vor den eigentlichen Öffnungen. Man muss sich anmelden. Nicht auszudenken, wenn sich jetzt 100 Kolleg*innen anmelden, und 50 müssen dann wieder ausgeladen werden. Auch hier soll gelten: Mund-Nasen-Schutz im Foyer, Abstand auf Anderthalb und Abgabe von Kontaktdaten, sprich E-Mail-Adresse und Telefonnummer. 

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Die süße Last des Schreibens zeigt Spike Jonze schon 2002 in „Adaptation“. | Foto © Columbus Tristar

Selbst wenn morgen die Welt unterginge: Selbstbestimmung und Anregungsunternehmen, und kein Verrat am Kino: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 45. 

„Lieber Rüdiger: Die 50. Gedanken in der Pandemie liegen noch vor uns, denn Du bist ja ein paar Tage später regelmäßiger und wichtiger Teil unserer Corona-Mail geworden: Deine Gedanken entspringen zumeist aus dem, was Du beobachtest, hörst, erlebst, wiederentdeckst, liest … Wie geht es denn eigentlich Dir selbst als ,Selbstständiger’, als Person und Mensch in dieser Pandemie? Hat sich Menge und Art der Aufträge geändert, haben sich Arbeitsweisen geändert, was vermisst Du besonders?“
Oliver Zenglein

 

Auf die oben zitiert Mail von Oliver Zenglein, einer der beiden Gründer von Crew United, habe ich es erst mit einer kurzen Antwort versucht. Aber ich wusste, dass er die Frage ernst meint. Daher wollte ich sie auch ernsthaft beantworten. 

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Lieber Oliver, zunächst mal: Mir geht es gut! Für mich persönlich ist die Krise auch eine sehr angenehme Erfahrung gewesen. Ich konnte länger schlafen, musste nicht zwangsläufig aus dem Haus, habe neue Techniken kennengelernt und viel telefoniert.

Wie relativ viele Journalisten gehöre ich, entgegen dem Trend, zu den Profiteuren der Krise. Denn so, wie so viele Leute wie seit Jahrzehnten gerade die „Tagesschau“ und die Spezial-Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender schauen, so wie extrem viele gerade auch die Talkshows zu Corona ansehen, Zeitungen lesen, ja sich sogar im Netz alle möglichen Corona-Blogs reinziehen oder die ersten Corona-Bücher kaufen, die ja auch zurzeit gerade schon auf den Markt geworfen werden (was das Publikum natürlich auch deswegen tut, weil im Augenblick viele Menschen sehr viel Zeit haben), so geht es mir dann so, dass ich dieses gestiegene Bedürfnis bedienen muss. und deswegen keineswegs zu wenig Aufträge bekomme. 

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Der heimliche CDU-Vorsitzende, der Stilpapst, und die Autorin mit dem siebten Sinn: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 44. 

„Derjenige aber wird weniger irren und das Glück für sich haben, der in seiner Handlungsweise mit der Zeit übereinstimmt, und jederzeit gemäß dem verfährt, wozu die Natur der Dinge ihn zwingt.“
Niccolò Machiavelli

„Wenn Europa überhaupt noch eine Chance haben will, muss es sich jetzt als solidarisch und handlungsfähig bewähren.“ 
Wolfgang Schäuble, Bundestagspräsident

 

Es sind hochspannende Zeiten, in denen wir leben. Dieser Blog aber sei zuletzt „ein bisschen langweilig geworden“, meinte ein Freund. Dem können wir abhelfen.

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Zum Beispiel mit alten weißen Männern. Der erste von ihnen ist Wolfram Siebeck, einer aus dem Dutzend, die für mich persönlich ein echtes, großes Vorbild sind. Ein Mann der Superlative: Siebeck, geboren 1928 und leider 2016 gestorben, war der berühmteste Essens- und Gastrokritiker der Deutschen nach dem Krieg. Von ihm konnten man lernen, dass Essen nicht zum Sattmachen da ist, was Stil bedeutete, wie man gut schreibt und warum Frankreich am Ende das liebenswerteste Land der Welt ist. Seinen Werdegang als Autor hatte Siebeck als Filmkritiker begonnen – keine schlechte Voraussetzung. Dann kam er zu „Twen“, der vermutlich stilprägendsten (Design: Willy Fleckhaus), allemal aber lässigsten Zeitschrift der alten Bundesrepublik. Es spricht nicht gegen Siebeck, dass er 1969 auch noch Will McBride, dem amerikanischen Hausphotografen von „Twen“ die Frau ausspannte – mit Barbara McBride blieb er bis zu seinem Tod verheiratet. 

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Kicken geht, Kino noch nicht – macht nichts: Fußball ist ja auch Kultur. | Foto © Buena Vista

Freiheit, Identität und Kultur: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 43. 

„Oder wir nehmen uns alle ein Beispiel an Robert Bressons Filmen, wo die Leute immer nur einzeln an einer Wand entlanggehen …“
Dominik Graf

„Ich glaube schon, dass das Geschichtenerzählen, dass Kultur, dass unser Beruf systemrelevant ist. Es ist einfach so: Zum täglichen Überleben braucht man keine Kinofilme, zumal keine neu produzierten, es gibt ja wahnsinnig viele Filme, die man sich erst noch anschauen kann. Also, man kann es für eine Zeit lang ohne Filme aushalten, aber irgendwann dann nicht mehr. Denn was ist das dann noch für ein Leben?“
Hans Christian Schmid

„People in free societies don’t have to fear the pathology of the state. We create our own frenzy, our own mass convulsions. The frenzy is barely noticeable most of the time. It’s simply how we live.“
Don DeLillo

 

So ganz kann ich tatsächlich nicht verstehen, was einige daran stört, dass jetzt die Fußball-Bundesliga wieder ihren Spielbetrieb aufgenommen hat. Die Affekte gegen Millionäre und Spitzenverdiener sind in dem Zusammenhang eh vor allem populistisch.

Ein Spiel mit Fans ist viel, viel besser, gar keine Frage. Schon alleine deshalb, weil die Fans eine Mannschaft aufbauen, aufpeitschen, also sie motivieren können, weil das Publikum einen Mehrwert ausmacht und sich das alles auf die Zuschauer überträgt. Gar keine Frage.

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Vom Neuanfang ist immer wieder mal die Rede. Warum eigentlich? Vorher war’s doch gar nicht so schlecht. | Foto © Warner Brothers, Jürgen Olczyk

Neuanfang wozu? Freiheit, Gleichheit, Eitelkeit: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 42. 

„Der Zweck des Staates ist die Freiheit.“
Spinoza

„Folglich sagen die, welche bloß zugeben, dass Alles gut sei, eine Dummheit: sie mussten sagen, dass nichts in der Welt besser sein kann, als es dermalen ist.“
Voltaire, „Candide – oder: Die beste aller Welten“

 

Baruch de Spinoza (1632-1677) war der Lieblingsphilosoph Goethes. Sein Werk lohnt die Beschäftigung, denn es ist eine Philosophie des Glücks, der Vernunft und der Selbstbestimmung. Und das Werk eines echten Europäers, der aus einer jüdischen, von der Inquisition aus Portugal vertriebenen Familie stammte, die in den Niederlanden – seinerzeit eine einsame republikanische Insel im Meer des Absolutismus, Zuflucht fand. Es ist nicht leicht sein Werk zu verstehen – aber im „Philosophie Magazin“ gibt es eine sehr schöne Einführung und vor Jahren hat Daniel Barenboim einmal in der „Welt“ erklärt, warum er Spinoza so mag.

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Ein Filmtipp fürs Wochenende: Michelangelos Antonionis „L’Avventura“ von 1960 ist Italiens Antwort auf die Nouvelle Vogue. | Foto © Archiv

Luxusprobleme, Risiken, und andere Sensibilitäten: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 41.

„Ein Leben mit absoluter Sicherheit – ohne jedes Risiko – ist eine Fantasie  […], lebendig zu sein bedeutet Risiko.“
Anne Dufourmantelle

 

Erstmal etwas Wunderschönes: Mit diesem Film begann die Moderne im Kino. Solche Sätze sind immer falsch. Und doch … Wie wunderbar Michelangelos Antonionis „L’Avventura“ von 1960 ist, ahnt man bei diesem historische Trailer. Und auch wer kein Italienisch versteht, spürt Energie und Verve dieses Films und seiner Ära, und begreift ein paar Schlüsselsätze: Italiens Antwort auf die Nouvelle Vague! 

Es war auch eine Zeit, in der „pervers“ noch ein lobendes Adjektiv war, oder zumindest eines, das neugierig macht. 

Und sieht Monica Vitti nicht großartig aus! Sie spielt eine Frau, deren beste Freundin plötzlich verschwindet. Einfach so, ohne Grund. Wie in einem Lynch-Film. Und die dann fast etwas mit dem Geliebten ihrer Freundin anfängt. 

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Die Frauen sind die Verlierer der Corona-Krise – darüber sind sich jetzt alle einig. Ist das wirklich so? wäre die erste Frage. Die zweite interessantere, wenn wir es mal als gegeben ansehen, dass die erste mit ja beantwortet werden muss, lautet: warum? 

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„Zatoichi, der blinde Samurai“ trifft „Léon, den Profi“: Neo-noir kämpft sich der „Man from Beirut“ durch Berlin. Diese Woche lief der deutsche Thriller in den Autokinos an. Nicht in Berlin – dort gibt es noch keins. | Foto © Filmwelt

Die Streams der Woche – und ein Start im Autokino. Von Elisabeth Nagy

Nichts Genaues weiß man nicht. Wann öffnen die Kinos? Wo öffnen die Kinos? In Hessen gibt es schon Spielbetrieb, berichteten wir in der Brancheninfo am Mittwoch. In Italien soll ab 15. Juni und in Österreich am 1. Juli die Kinos öffnen, habe ich im Newsticker von programmkino.de gelesen. Während eine Flut an Startmeldungen per E-Mail auf mich einprasselt, lese ich zumindest für die Autokinos nur Positives. Davon gibt es immer mehr und mehr und – und was macht man ohne Auto und ohne Autokino? Da gäbe es doch Freiluftkinos, die doch in der Regel, in normalen Zeiten, im Mai an den Start gehen. In Berlin gibt es drei davon. Die Betreiber, die Piffl Medien, haben ein Konzept vorgelegt und warten auf ein Go. Nur ein Viertel an Publikum könnte kommen, aber was in Kaufhäusern und Geschäften funktioniert, sollte doch an einem Ort, an dem man sich wahrlich nur zielgerichtet von A nach B bewegt, ohne weiteres machen lassen. 

Aber noch mal zu den Autokinos. Der Verleih Filmwelt bringt jetzt sogar einen Titel exklusiv für die Autokinos raus. Wobei „exklusiv“ nicht ausschließt, dass Kinos, die in manchen Bundesländern schon wieder dürfen, den Film nicht auch mieten könnten.

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Frappierend aktuell: Das „Deutsche Historische Museum“ hat jetzt der Philosophin Hannah Arendt eine große Einzelausstellung gewidmet. | Foto © Art Resource, New York, Hannah Arendt Bluecher Literary Trust

Eine Erklärung zur Arbeit, eine Erinnerung an Hannah Arendt und andere kluge Frauen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 40.

„Was wird aus einer Zivilisation, die hinter der Bereitschaft zum Risiko nur noch Heroismus, hellen Wahnsinn oder ein abstruses Verhalten zu sehen vermag?“
Anne Dufourmantelle, Eloge du Risque

„Jeden Morgen stehen Männer und Frauen – besonders auch die Angehörige von Minderheiten, Migrantinnen und Migranten und diejenigen in der informellen Ökonomie – auf, um denjenigen unter uns Dienste zu leisten, die in Quarantäne bleiben können. […] Ohne diejenigen, die ihre Arbeitskraft investieren, gäbe es keine Produktion und keine Dienstleistungen. […] Die Rentabilitätslogik kann nicht alles entscheiden, und bestimmte Bereiche müssen vor unregulierten Marktkräften geschützt werden, während gleichzeitig jedes Individuum Zugang zu einer Arbeit, die mit der eigenen Würde vereinbar ist, haben sollte.“
democratizingwork.org

 

Sie ist eine der interessantesten Denkerinnen ihrer Generation: Lisa Herzog. Philosophin, Sozialwissenschaftlerin, Ökomomieexpertin, hat die erst 36-jährige bereits eine beachtliche Karriere gemacht, und ein paar sehr interessante Bücher geschrieben: Zum Beispiel eine Verteidigung der Freiheit und eine Rettung des Liberalismus vor manchen selbsternannten Liberalen. Ihr letztes Buch heißt „Rettung der Arbeit“ und ist nach Corona eine noch interessantere Lektüre. Denn Herzog wirft eine ambivalenten Blick auf die Digitalisierung, die für sie Chancen wie Gefahren birgt. In der Konzentration von Kapital und Macht liege die Hauptgefahr der Digital-Ökonomie, in einer Monopolbildung, für die Amazon das beste aktuelle Beispiel bildet. An all das kann man in den nächsten Monaten, in denen wir unser Leben neu erfinden müssen, anknüpfen. 

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Herzog ist auch eine der Unterzeichnerinnen eines Offenen Briefs von mittlerweile über 3000 Wissenschaftlern aus aller Welt. Der Brief fordert eine grundsätzliche Demokratisierung der Arbeit. 

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Der „Kindergarten Cop“ hat es schon vor 30 Jahren vorgemacht: Das mit dem Abstand ist kinderleicht. Die Kitas können wieder öffnen! | Foto © UIP

Wortmeldungen und günstige Zahlen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 39.

„Jeden Abend ein bisschen Nichts ist eine ausgezeichnete Medizin.“
Michel Piccoli (1925-2020)

„Frauen und Kinder zuerst!“
Klassischer Grundsatz des Seerechts, inzwischen politisch unkorrekt wegen Diskriminierung

 

Osnabrück ist eine sehr besondere Stadt. Die Stadt des Westfälischen Friedens hat nicht nur die niedrigste Selbstmordrate von allen deutschen Städten. Sie ist auch Sitz einer der ganz Großen unter den deutschen Regionalzeitungen. Ist Euch schon einmal aufgefallen, wie oft die „Neue Osnabrücker Zeitung“ in Pressespiegeln in einem Atemzug mit der „Neuen Zürcher“, der „New York Times“, „Le Monde“ und ähnlichen Hochkalibern zitiert wird? Das liegt daran, dass die politische Redaktion der Zeitung extrem gut vernetzt ist, und deshalb früher als selbst mancher verschnarchte Großverlag an gute Geschichten, Top-Interviews und exklusive Stellungnahmen kommt. 

So auch an diesem Dienstag. Da berichtet die „NOZ“ exklusiv von einem gemeinsamen Aufruf von vier medizinischen Fachgesellschaften, drei davon auf Kinder- und Jugendmedizin spezialisiert. Darin wird gefordert, Kindergärten und Schulen sofort, umgehend und vollständig ohne Einschränkungen zu öffnen. 

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caption“Zombieserien wie „The Walking Dead“ spielen mit der „Angst vor der Leere“. Die klassischen Helden werden ersetzt durch Figuren, die nicht handeln, sondern meditieren und schweigen – „postheroische Helden.“ | Foto © Gene Page, AMC“

Anstrengungsverzicht kann sehr anstrengend sein: Fantasien des Shutdown im Kino und der weiße Clown in uns allen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 38.  

„Moral, Herr Schenk ist kein juristisch belastbares Kriterium.“
Aus dem „Tatort“ vom Sonntag

 

Fast hätte man Karl Lauterbach in eine Medien-Entzugsklinik einliefern müssen. Eine ganze Woche lang war er nicht auf dem Bildschirm gewesen, zum ersten Mal seit Mitte März hat ihn „Markus Lanz“ nicht in eine seiner drei wöchentlichen Sendungen eingeladen. Gott sei Dank aber erbarmte sich „Anne Will“ des Sozialdemokraten und lies ihn am Sonntag auftreten. 

Dort führte Lauterbach seine hübschesten Kunststückchen vor: „Wahrscheinlich wird eine zweite Welle kommen …“ Yeah! Szenenapplaus auf der Fernsehcouch. „Es könnte sein, dass …, wenn wir nicht …“ Bravo! So lieben wir ihn. Wenn das deutsche Fernsehen wie die Commedia dell’Arte ist, dann ist Lauterbach dort der „Weiße Clown“, der Pierrot, dem eine Träne fest unter das Auge gemalt ist, der versucht immer alles zu berechnen, und dessen Strategien immer unter dem Chaos des Lebens („der Lockerungen“) zugrunde gehen. 

Zur Freude des Publikums. Applaus! 

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Der Fussball darf wieder spielen, die Kinos aber nicht? Man sollte die Daumen drücken, denn wenn’s klappt, ist das Eis gebrochen: Der Sport als Kultur-Bazooka | Foto © ARD

Bei der nächsten Pandemie wird alles besser: Coronafunk und Kopfbälle, Brot & Spiele und die Rückkehr zum Normalfall: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 37.

„Leute von der Parkbank zu scheuchen, ist halt irre. Das ist mindestens so irre, wie da vorne zu stehen und zu sagen: Das war Bill Gates.“
Nikolaus Blome

„In der Demokratie gelingt Integration durch Streit.“
Ralf Dahrendorf

„Irgendwann holt uns der Sensenmann.“
Hermann Gerland, Fußballtrainer

 

Der Normalfall kehrt zurück. Ob das eine gute Nachricht ist? 

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Sie bekommen schon von allen Seiten viel zu viel und sehr unverdiente Aufmerksamkeit. Trotzdem muss ich mich noch einmal den sogenannten „Hygienedemos“ widmen, die uns vermutlich auch an diesem Wochenende wieder in den Großstädten der Republik beglücken dürften. 

Sie sind nicht nur Rattenfänger, Brunnenvergifter und Brandstifter, sie lügen und betrügen auch. Bereits gestern hatten wir beschrieben, dass sie einen nie genehmigten Text von Yanis Varoufakis in Druck und Internet für sich vereinnahmt und verbreitet haben. 

Das Gleiche gilt, in noch ärgerer Form, für den Venezianer Philosophen Giorgio Agamben. Wie sich heute über seine deutschen Verlage (Suhrkamp, Fischer, Matthes&Seitz) leicht ermitteln ließ, dementiert Giorgio Agamben jede Herausgeberschaft und anderweitige Mitarbeit beim sogenannten „Magazin Demokratischer Widerstand“. Im Gespräch mit dem linken Pop-Magazin „Melodie & Rhythmus“ betont Agamben zugleich, er sehe es als gefährlich an, dass „im gegenwärtigen Ausnahmezustand eine Art Monopol auf die Wahrheit“ zu bestehen scheine. „Jeder hat das Recht, seine Meinung zur Epidemie zu äußern.“ Der Italiener vertritt schon seit langem die These, der Ausnahmezustand werde zum „neuen Paradigma des Regierens“. 

Wenn die Kämpfer für den Normalzustand diesen allerdings nicht ohne Fake-News und falsche Herausgeber herbeiführen können, ist dieser noch die schlechtere Alternative. 

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