Abstand! Maske! Worauf muss man denn noch alles achten beim Filmemachen in diesen Tagen? Da können die Regeln ganz schön durcheínandergehen. | Foto © Columbia Tristar

Wo ist die Solidarität der Filmbranche, von der neulich noch alle gesprochen haben? Die Corona-Krise hat viele Schwachstellen des Systems wieder deutlich aufgezeigt.

In vielen Artikeln wird davon gesprochen, wie wunderbar die Filmbranche doch „zusammengerückt“ sei in dieser schwierigen Zeit. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt sicherlich Produktionen, die das ganz großartig gemeistert haben, die keine Kosten gescheut und sogar das Pensum reduziert haben. Doch die Corona-Krise hat auch viele Schwachstellen unseres Systems wieder ganz deutlich aufgezeigt. Auf Messers Schneide bewegen wir uns durch den Dschungel der ohnehin schon fragwürdigen Arbeitsbedingungen, hangeln uns von Maßnahme zu Maßnahme im Busch der Hygieneauflagen und versuchen die Missstände, die auch vorher schon existiert haben, zu vertuschen. Jeder macht, was er für angebracht hält, von einer geraden Linie kann nicht die Rede sein. An einem Set werden nur die Schauspieler und Komparsen auf Covid-19 getestet, am andere das ganze Team. Beim nächsten wird das Team zwar getestet, aber nur einige Male und Zusatzpersonal kann durch diesen Umstand leider nicht gewährt werden. Wieder woanders ist der Gruppentest der Renner: Man teilt etwa Schauspieler, die inhaltlich am meisten miteinander zu tun haben, in Gruppen und testet diese zusammen. Wenn ein positiver Test vorliegt, wird die ganze Gruppe isoliert. 

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Tyrion, Bechdel-Wallace, Mako-Mori: Hinter diesen Namen stehen Tests, die Filme auf Diversität hin prüfen – und zeigen, wo sie fehlt.

Vor einigen Jahren saß ich bei der re:publica (Deutschlands größter Konferenz für Menschen, die irgendwas mit Internet am Hut haben) – auf einem Podium, um über die Darstellung von Menschen mit Behinderung in den Medien zu sprechen. Wir hoben positive Beispiele aus dem englischsprachigen Ausland hervor, diskutierten darüber, welche Stereotype es in der Darstellung immer noch gibt und formulierten Wünsche an Produktionsteams und Redaktionen.

Im anschließenden Publikumsgespräch meldete sich eine Mitarbeiterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und erklärte uns, das sei ja alles schön und gut, aber: Die Leute wollten das nicht sehen. Die Zuschauer*innen wären ihrer Meinung nach damit überfordert, wenn Menschen mit Behinderung in den Medien repräsentiert werden würden, ohne die Behinderung zu erklären oder Mitleid anklingen zu lassen. 

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Überwachen und schlafen: Die Entpowerungs-Gesellschaft und ihre Wächter: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 69.

„Die gegenwärtige Gleichgültigkeit im Umgang mit der Privatsphäre lässt ahnen, wie Staat und Konzerne in Zukunft über uns verfügen werden, sollten wir Ihnen erlauben, noch umfassendere Instrumente der Kontrolle einzuführen. Dann wird es allerdings zu spät sein zum Widerstand.“
Juli Zeh/Ilija Trojanow: „Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte“

„Am Sport fällt zunächst die extreme Reduktion weiterreichender Sinnbezüge auf  […] vielmehr scheint sich der Körper geradezu als als Fluchtpunkt der Sinnlosigkeit zu eignen, wenn er nicht in der puren Faktizität beharrt, sondern unter dem Gesichtspunkt von Sport zum Ausgangspunkt einer eigenen Sinnsphäre dient. Der Sport braucht  […] keine Ideologie.  […] Er präsentiert den nirgendwo sonst mehr so recht in Anspruch genommenen Körper. Er legitimiert das Verhalten zum eigenen Körper durch den Sinn des Körpers selbst.“
Niklas Luhmann: „Soziale Systeme“

„Ich bin in Partystimmung geh mir aus dem Weg./
Ich feier, ich pöbel, ich spring durch den Club und dreh ab./
Ich bin ein braves Mädchen, aber nicht heute Nacht.“
Kitty Kat: „Braves Mädchen“

 

Wer profitiert davon, wenn Bürger gesund leben? Natürlich die Bürger, möchte man antworten. Aber nicht sie allein. Mindestens genauso, vielleicht sogar noch mehr, profitieren davon die Krankenkassen, die Arbeitgeber, die Versicherungen, und der öffentliche Gesundheitshaushalt. Freilich müsste man in diese Rechnung auch die Kosten der Rentenzahlungen miteinberechnen. Trotzdem gilt einstweilen: Ein kranker Mitarbeiter oder ein kranker Versicherter ist teurer, als ein gesunder. 

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Der Schauspieler Matthias Brandt hat ein Buch geschrieben. Unser Autor ist bezaubert. |  Foto © ZDF, Oliver Vaccaro

Viele brave Bürger, die Naivität von Christian Drosten und der staatliche Eingriff in die Gesichter aller Menschen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 68.

„Was ist eigentlich eine zweite Welle? Das ist gar nicht so genau definiert.“
Christian Drosten, Virologe

„Die Welt war jung und Deutschland ein Wort/ Und Squash war noch gar kein Sport
Da machte Urlaub noch richtig Spaß/ Und im Fernseh’n gab’s ,Wünsch Dir was!’
Als Willy Brandt Bundeskanzler war / Hatte Mutti noch goldenes Haar
Waren Cindy und Bert noch ein Paar / Als Willy Brandt Bundeskanzler war“
Funny van Dannen

 

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ – mit diesem Gedicht schrieb sich Paul Celan auf immer in die deutsche Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Celan ist einer der rätselhaftesten (oder verrätseltsten?) und womöglich undurchschaubarsten Dichter deutscher Sprache. In den 60er-Jahren genoss er den Ruhm eines Popstars des Bürgertums, Idol der postfaschistischen Heideggerianer genauso wie der neuen jungen Dichter der Moderne, die ihn zu ihren Tagungen der „Gruppe 47“ einluden – aus denen wiederum über den Auschwitz entkommenen Siebenbürger Juden auch das boshafte Bonmot übermittelt ist: „Der liest ja wie Goebbels“. Celans Vortagsstil stammt aus einem ganz anderen, komplett verschwundenen Deutschland; der Sound seiner Gedichte aber ist universal und wird von jeder Generation neu entdeckt. 

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Alles Kino und noch mehr: Die Woche vom 16. Juli 2020. 

„Dein Kino vermisst dich“. Das muss mal gesagt werden. Der Spot kommt von der Initiative „Zurück ins Kino“ und kann von den Kinos in NRW eingesetzt werden.

Die Kinos haben kaum Filme, mit denen sie das große Publikum erreichen können, mit denen ein Betrieb zumindest ansatzweise rentabel machbar wäre. Die Charts zeigen, dass der neue Film der „Conni“-Reihe, „Meine Freundin Conni – Geheimnis um Kater Mau“, auf Platz 2 abstieg und dafür, ebenfalls ein Kinderanimationsfilm, „Paw Patrol: Mighty Pups“ sich an die Spitze setzte. Ein erwachsenes Publikum, sofern ohne Kleinkinder, werden beide Titel nicht ansprechen. Auf Platz 3 („Filmecho“ listet die ersten fünf Plätze, die durch Comscore ermittelt werden) befindet sich „Scooby!“. Auch der ist ein Kinderfilm, ein Animationsfilm. Die Arthouse-Charts („Programmkino.de“ gibt die Auswertung von der AG-Kino weiter) bestätigen Petzolds „Undine“ weiterhin auf den ersten Platz. Platz 2 ist ein Neueinsteiger, „Eine größere Welt“, die Lebensgeschichte von Corine Sombrun.

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Es geht nicht darum, Diversität zu fördern, es geht darum, Diversität zu akzeptieren: Burhan Quarbani zeigt in „Berlin Alexanderplatz“ ein buntes Deutschland ohne zu romantisieren. | Foto © One Germany

Pflege, Familien, Ernährung, Diversität und Döblin: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 67.

„Lasst viele bunte Blumen blühen!“
Mao Tse Tung

„Versöhnen statt spalten.“
Johannes Rau 

 

„Die Koalition lässt Familien im Stich“ sagt Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die auch selbst Mutter zweier Kinder ist, im Gespräch mit dem Münchner Merkur. „Frauen verdienen ja oft weniger, arbeiten Teilzeit, und wer steckt dann zurück, wenn die Kita schließt? Die Frau.“ Und auf ein bislang übersehenes Thema macht Baerbock ebenfalls aufmerksam: „Heimische Betriebe, die verstärkt Schutzausrüstungen herstellen, damit Deutschland unabhängig von internationalen Lieferketten wird, lässt die Bundesregierung jetzt im Regen stehen.“

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Ein Dschungel der Kassen, Ämter und Dienste, im Ergebnis Verzweiflung. Während der Pandemie waren die Pflegekräfte und Betreuerinnen aus Polen plötzlich verschwunden. Seit einige Zeit dürfen sie wieder kommen, und der Druck nimmt ab – das hilft der Sache nicht. „Die Zeit“ schreibt über die Krise des Pflegesystems, die nichts mit Corona zu tun hat. Während Arbeit und Kinderkriegen heute deutlich besser vereinbar sind als früher, wurden Pflegende und Pflegebedürftige politisch vernachlässigt. 

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Höchst bedauerlich, dass deutsche Filme nicht mal zehn Prozent des intellektuellen Niveaus haben, das man in zeitgenössischer Architektur findet, findet unser Kolumnist. | Screenshot

Wir sollten lernen, mit Corona zu leben: Zukunft für alle, Discount Visions, The Power of Later: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 66.

„Alles Denken, welches nicht zur Utopie führt, ist nur ein Suchen nach anderen Organisationsformen innerhalb derselben symbolischen Ordnung, in der die Misere erst entstanden ist.“
Peter Grundmann, Architekt 

„Dass wir letzten Spätsommer nicht auf die Idee gekommen sind, eine ansteckende Krankheit zu erfinden, die das Wirtschaftsleben weltweit zumindest lahmlegen könnte, werfe ich uns irgendwie schon vor. Es wäre das viel, viel einfachere Szenario gewesen.“
Toni Fluid, Utopie-Designerin, Agentur „Infinite Data Studios“ 

 

Corona wird uns nicht verlassen. Sie wird Teil unseres Lebens werden, und wir werden uns an Corona gewöhnen. Wir werden bald nicht mehr alle überall und jederzeit diese Masken tragen, obwohl viel mehr von uns Masken tragen werden, als in der Zeit vor dem Februar dieses Jahres, öfters und an mehr Orten.

Es wäre schön, wenn wir einen Impfstoff hätten, aber es ist eher falsch, mit einem zu rechnen. Hoffen darf man natürlich (vgl. Pandora), aber die Enttäuschung ist programmiert. Wir sollten unsere Impfstofffixierung abstreifen, und vielmehr beginnen, mit Corona zu leben. Denn vielleicht wird uns Corona nie mehr verlassen. 

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Die erste Corona-Serie ist auch schon in Entwicklung. Sie soll von einem Covid-19-Ausbruch in einer großen Fleischfabrik erzählen. Originell!

Corona-Serien, Diversity-Check, Buchtips: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 65.

„All inferences from experience suppose, as their foundation, that the future will resemble the past, and that similar powers will be conjoined with similar sensible qualities. If there be any suspicion that the course of nature may change, and that the past may be no rule for the future, all experience becomes useless, and can give rise to no inference or conclusion. It is impossible, therefore, that any arguments from experience can prove this resemblance of the past to the future; since all these arguments are founded on the supposition of that resemblance.“
David Hume: „An Enquiry Concerning Human Understanding“

 

„Husten und niesen Sie in die Armbeuge.“ Das sagt mir der „Münchner Verkehrs Verbund“, weil sie dort offenbar nicht glauben, dass ein erwachsener Mensch, selber weiß, wie er husten könnte. Der Nanny-Staat wird alltäglich. Wie in einem ganz schlechten Science-Fiction. 

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Kleine Erinnerung: Vor vier Monaten, Ende Februar, gab es in Italien die ersten Corona-Fälle. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte damals, Corona sei „bei weitem nicht gefährlicher als die Grippe“. Der Charité-Chefvirologe Christian Drosten sagte, er würde „natürlich“ weiterhin nach Italien reisen. Der Lausanner Epidemiologe Marcel Salathé meint, er sehe seiner geplanten Italienreise „relaxed“ entgegen.

Moral: So kann man sich täuschen. Auch als Experte. 

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Harriet Tubman hatte Hunderte von Sklaven zur Freiheit verholfen. Eigentlich sollte sie deshalb dieses Jahr auf einen Dollarschein kommen. Doch unter dem gegenwärtigen US-Präsidenten gehe das nicht, meint sein Finanzminister. So kommt „Harriet“ erstmal ins Kino. | Foto © Universal

Alles Kino und noch mehr in dieser Woche vom 9. Juli 2020.

Alles normal, oder? Das Kinopublikum kehrt zurück. S&L Research, das zu dem Unternehmen S&L Medienproduktion gehört und über Moviepanel Kinomarktforschung betreibt, legt die Ergebnisse eines dritten Umfragepakets vor. Dabei wurden die Antworten zwischen dem 25. Juni und dem 30. Juni unter 939 deutschen Kinogängern ab 16 Jahren ausgewertet. Demnach wollen 58 Prozent der Befragten erst einmal abwarten, „wie sich die Situation in den Kinos entwickelt“. 49 Prozent haben dabei überhaupt auf dem Schirm, dass die Kinos wieder öffnen dürfen. 53 Prozent wissen, „ob speziell ihr Lieblingskino bereits wieder geöffnet hat“. Jetzt wo die Kinos wieder geöffnet haben, sagen 87 Prozent der aktuellen KinobesucherInnen an, „während des Kinobesuchs ein gutes Gefühl gehabt zu haben.“ 81 Prozent haben sich im Vorfeld über „das Thema Hygiene im Kino informiert“. „7 Prozent empfinden die aktuellen Restriktionen als negativen Einfluss auf das Kinoerlebnis“. Programmkino.de gibt die Pressemitteilung im Granzen weiter. Die Ergebnisse der ersten und der zweiten Umfrage verlinken wir direkt.

Manche Kinos lassen sich aber auch was einfallen. Zum Beispiel das neu eröffnete „Klick“ in Berlin-Charlottenburg. Das Wochenende der offenen Tür war wohl ein voller Erfolg. Eine Kollegin, die es geschafft hatte, reinzukommen, erzählte, dass die Plätze, die aus Gründen freigehalten werden sollten, mit den Kuscheltier-Kreationen einer lokalen Künstlerin besetzt worden waren. Auf einem Instagram-Post des Kinos kann man das auch sehen.

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Das Smartphone ist unser Freund – nicht nur im Kino bei „Her“. Im wahren Leben schützt es uns vor der Pandemie. | Foto © Wild Bunch

„Söder ante portas“, Polizei und RTL und die Tracing-App: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 64. 

„Brennt das Land nieder. Reißt das Gebäude ein. Holt die Guillotine aus dem Keller, tötet Hunderttausende! Plündert, vergewaltigt! Hungert und friert! Und wenn ihr dazu nicht bereit seid, gebt Ruhe. Ihr könnt euch feige nennen oder vernünftig. Haltet euch für Privatmänner, für Mitläufer oder Anhänger des Systems. Für unpolitisch oder individuell. Für Verräter an der Menschheit oder treue Beschützer des Menschlichen. Es macht keinen Unterschied. Tötet oder schweigt. Alles andere ist Theater.“
Juli Zeh: „Corpus Delicti“, 2009

„Die Statistik ist etymologisch die Kenntnis des Staates, die Kenntnis der Kräfte und der Ressourcen, die einen Staat in einem gegebenen Moment charakterisieren […] Das ist es, was man damals die ,Arcana Imperii‘, die Geheimnisse der Macht, nannte und was eindeutig ein Bestandteil der Staatsraison war. Und insbesondere die Statistiken sind lange Zeit als Geheimnisse der Macht, die nicht veröffentlicht werden dürfen, behandelt worden.“
Michel Foucault: „Sicherheit, Territorium, Bevölkerung – Geschichte der Gouvernementalität“, 1978

„Der Zweck der Revolution ist die Abschaffung der Angst.“
Theodor W. Adorno, 1936

 

Ischgl ist die Stadt mit der größten Corona-„Durchseuchung“ der Welt – und 85 Prozent der Leute, die das Virus hatten, haben überhaupt keine Symptome. 

Das berichtet „Die Zeit“. Die Medizinische Universität Innsbruck hat demnach in einer umfassenden Studie untersucht, wie viele Bewohner des österreichischen Skiorts Ischgl Antikörper gegen das Corona-Virus entwickelt haben. Ihr Ergebnis: 42,4 Prozent der untersuchten Menschen wiesen Antikörper auf.

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Er war der Geschichtsphilosoph der Filmmusik: Der italienische Filmkomponist Ennio Morricone ist heute gestorben. Er wurde 91 Jahre alt. | Foto © CC BY 2.0

Wieder mal Maskendebatte, der Geschichtsphilosoph der Filmmusik und die Verlierer der Krise: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 63.

„Was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank.“
Bertolt Brecht

„Snyder: ,Wäre es nicht möglich, dieses viele Vieh, wenn es eh so wertlos ist, dass man’s verbrennen kann, den vielen, die da draußen stehen und die’s so gut gebrauchen können, einfach zu schenken?‘
Mauler: ,Lieber Herr Snyder, Sie haben den Kern der Lage nicht erfasst. Die vielen, die da draußen stehen: das sind die Käufer! […] Sie mögen niedrig scheinen, überflüssig, ja lästig manchmal, doch dem tiefen Blick kann nicht entgehen, dass sie die Käufer sind!’“
Bertolt Brecht

 

Er war der Geschichtsphilosoph der Filmmusik: Der große italienische Filmkomponist Ennio Morricone ist heute früh in Rom im Krankenhaus gestorben. Morricone wurde 91 Jahre alt und gehörte ganz ohne Zweifel zu den großen Filmmusikern. 

Berühmt wurde er mit den sogenannten Spaghetti-Western von Sergio Leone, mit Horrorfilmen von Dario Argento, bevor er mit Regisseuren wie Pier Paolo Pasolini, Bernardo Bertolucci, Henri Verneuil Brian De Palma und Quentin Tarantino zusammengearbeitet hat. Insgesamt hat Morricone die Musik für mehr als 500 Filme geschrieben. 

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New Work verspricht mehr Freiheit, mehr Sinn, mehr Verantwortung. Aber sind wir schon bereit fürs Home Office? | Foto © United Artists

Kosten und Nutzen des Home-Office: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 62. 

„… ich aber will nun endlich das amtlich verordnetes Schweigen in dieser Angelegenheit weichen. Die Maßnahmen, dessen bin ich sicher, waren seinerzeit so erfolgreich, dass der Öffentlichkeit kein anderer Schaden erwachsen kann, als ein durch Abscheu hervorgerufener Schock, wenn sie erfährt, was jene entsetzten Regierungsbeamten damals vorfanden.“
H. P. Lovecraft, „Schatten über Innmouth“

 

Es ist ein hochinteressanter Satz, mit dem der Roman „Schatten über Innsmouth“ eröffnet wird. Das Buch von H. P. Lovecraft ist eine Horrorgeschichte. Es geht dann um merkwürdige Geschehnisse und eine geheime Untersuchung der Beamten der Bundesregierung über „gewisse Zustände im alten Seehafen Innsmouth“, und dann geht es weiter: „Die Öffentlichkeit erfuhr zum ersten Mal im Februar davon, als zunächst eine Serie von Razzien und Verhaftungen stattfand und bald darauf unter entsprechenden Vorkehrungen eine sehr große Zahl morscher, wurmstichiger und offenbar leerstehender Häuser in dem verlassenen Hafenbezirk niedergebrannt oder gesprengt wurde.“ Dann ist die Rede von „Beschwerden von Seiten zahlreicher liberaler Organisationen. Sie führten zu langen vertraulichen Besprechungen, ihre Vertreter durften bestimmte Lager und Gefängnisse besichtigen. Daraufhin verhielten sich diese Gesellschaften überraschen passiv und zurückhaltend. 

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Kinos im Stillstand 21 – hoffentlich die Letzte: Das „Kant“ in Berlin freut sich schon auf heute. Die Fotos dieser Reihe gibt es jetzt auch in ausgewählten Kinos zu sehen. | Foto © Elisabeth Nagy

Alles Kino und noch mehr: Die Woche vom 2. Juli 2020.

 

Endlich. Das Känguru ist wieder da. Marc-Uwe Klings Roman über ein anarchisches Känguru im Biotop Berlin-Kreuzberg startete am 5. März 2020 in rund 700 Kinos und erreichte in knapp 10 Tagen 500.000 Zuschauer. Soweit die Pressemeldung. Dani Levy inszenierte das Drehbuch des Autors, dessen Vorlage wohl auch ein Publikum erreichte, das sonst nicht zum Buch griff. Das Alter-Ego des Autors lebt, nicht ganz freiwillig, mit ebenjenem Känguru in einer Art WG. Bei allem, was so passiert, ist ebenjenes immer klar in Aktion, währen Marc-Uwe irgendwie hinterherwurschtelt. Die Komödie machte sich dann auch ausgesprochen gut in den Autokinos, die überall auf den Parkplätzen hervorschossen. Bereits im März hatte aber der Verleih verkündet, man wäre sofort am Start, wenn die Kinos wieder öffnen. Und dann „Reloaded“. Jetzt ist es also soweit. Und ja, es gibt eine neue Fassung, leicht anders, mit einer zusätzlichen Szene, in 3D. Wie jetzt? Für eine Szene soll man jetzt auch noch an der Ausgabe von 3D-Brillen arbeiten?

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Dumm ist nur, wer Dummes tut, weiß Forrest Gump. Idioten können durchaus nützlich sein, weil sie Normen in Frage stellen, meint Zoran Terzic. Schließlich hat er ein Buch über „Leben und Handeln im Zeitalter des Idioten“ geschrieben. | Foto © Paramount

Die Kulturgeschichte der Idiotie  von der Antike bis Donald Trump: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 61. 

Zoran Terzic wurde in Banja Luka geboren, studierte Soziologie, Jazz Piano und Kommunikations-Design in Nürnberg und Wuppertal, Bildende Kunst in New York. 2006 promovierte er mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit. Seit 2001 lebt er als Autor, Musiker und Kurator in Berlin. Jetzt hat er eine Kulturgeschichte der Idiotie verfasst, die mittels philosophischer und kultureller Referenzen von der Antike über Rousseau bis Donald Trump führt. Neulich habe ich mit Terzic ein Gespräch über sein Buch geführt: 

 

Herr Terzic, Sie sind Literaturwissenschaftler und haben jetzt ein Buch mit dem Titel „Idiocracy. Leben und Handeln im Zeitalter des Idioten“ geschrieben. Es handelt sich um eine Kulturgeschichte der Idiotie von der Antike bis heute. Was hat sie überhaupt auf dieses Thema gebracht?

Nichts Konkretes, sondern eine grundsätzliche Stimmung. Das Thema schien mir naheliegend zu sein und ich dachte auch, es sei einfach [lacht]. Erst später habe ich herausgefunden, dass sich viele große Köpfe an dem Thema die Zähne ausgebissen haben. Mir geht es nicht um den Gegenstand des Schimpfworts und auch nicht um Kranke, die in einer Anstalt sind. 

Ihr Buch funktioniert auch als Lexikon der Idiotie. Obwohl es flüssig geschrieben ist und einen stringenten Argumentationsgang hat. Schon in der Einleitung kommen seriöse Menschen wie Lavater, Georg Büchner und antike Autoren zu Wort die das Motiv des Idioten beschreiben … Weiterlesen

Gar keine Frage: Es ist nicht lustig ist, in Deutschland Polizist zu sein. Im Kino aber schon ein bisschen – wir erinnern uns an „Knocking on Heaven’s Door“. | Foto © Buena Vista

Freunde und Helfer, zurück ins Office Office: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 60.  

„Angesehen werden heißt, sich als unbekanntes Objekt unerkennbarer Beurteilungen erfassen …“
Jean-Paul Sartre

 

Erstmals Zoomkonferenz als Host. 30 bis 40 Menschen schauen einen an, aber man kann nicht zurückschauen. Man kann sie auch nicht anschauen. Man wird angeschaut und kann nicht zurückblicken. 

Dabei wusste schon Jean-Paul Sartre, dass der Blick das entscheidende Medium des Menschlichen ist. In seinem Kapitel „Reflexion sur le regard“ in seinem Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ hat der französische Existenzphilosoph eingehend beschrieben, wie wir uns den Anderen mittels des Blicks unterwerfen oder von ihm unterworfen werden.

Sich nicht ansehen zu können, ist unmenschlich. Man kann nicht mehr durch Blicke und damit verbundene kleine Gesten kommunizieren. Wie kann man eigentlich flirten per Zoom?

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