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„Ganz oder gar nicht“? Im Kino war’s ja noch lustig vorm Arbeitsamt die Hosen runterzulassen. Im wahren Leben haben die Künstler oft nur die zweite Wahl. | Foto © 20th Century Fox

Allmählich wird auch außerhalb der Künste erkannt, dass die Finanzhilfen an vielen vorbeigehen.  Die versprochene „schnelle und unbürokratische Hilfe“ bedeutet für Freischaffende und Projektarbeiter oft: Hartz IV.  Und in Nordrhein-Westfalen denkt darum auch schon die SPD-Opposition an eine Art „vorübergehendes staatliches Grundeinkommen“. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare – und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

„Frust, Wut und Fassungslosigkeit“ titelte gestern abend die „Süddeutsche Zeitung“, nachdem sie näher auf die „unbürokratische Hilfe von Bund und Ländern“ geschaut hatte: Freischaffende Künstler*innen erhalten meist keine. Die meisten werden ans Hartz IV verwiesen.

Die Zahl der Anträge auf Hartz IV wächst stark, meldete die „Süddeutsche Zeitung“. Etwas untertrieben: Im Jobcenter Fürstenfeldbruck, das die Zeitung als Beispiel anführt, haben sich die Neuanträge versechsfacht! Wer wegen der Corona-Krise ohne Einkommen ist, soll allerdings von den strengen Regeln der „Grundsicherung“ ausgenommen sein: Keine Maßnahmen, keine Kürzungen,  keine Vermögensprüfung – rückwirkend zum 1. März und bis 30. Juni.

Aus diesem Anlass nochmals die Links zur Kurzumfrage zur Situation der befristet Angestellten in der Filmbranche und zur Petition zum ALG1.

Verwertungsgesellschaften kassieren Hunderte Millionen Euro – doch kleine Labels und Kreative fühlen sich benachteiligt. „Die GVL sitzt auf dem Geld der kleinen Musiker“, schreibt der „Spiegel“.

Betroffen sind aber nicht nur Musiker. Der Schauspieler und Synchronsprecher Frank Röth hatte schon vor Wochen in einem Offenen Brief die GVL kritisiert, sie sitze „seit langem auf einem hohen dreistelligen Millionenbetrag, der uns Künstlern zusteht und längst hätte ausgeschüttet werden müssen.“ Die Antwort zitierte er zwei Tage später. 

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„Coronoia“ – ein Mini-Noir-Filmchen von und mit Robert Sigl. Kamera: Rostislav Stepanek, Musik: Markus Urchs. Auf Youtube. | Screenshot

Lauter gute Nachrichten: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 14. 

 

„Gründonnerstag 29 März 2018. Der Frankfurter Hauptbahnhof wurde von milder Abendsonne geflutet, die wartenden Passagiere an Gleis 9 warfen lange Schatten. Auf die Minute pünktlich um 18 Uhr 30 fuhr Tanja Arnheim mit ICE 375 aus Berlin ein. Als Jerome Daimler, der eine Tüte mit frischen Backwaren in der Hand hielt, Tanja auf Höhe des Bistros aussteigen sah, überlegte er für einen Moment, ob er ihr entgegen laufen sollte, aber dann fand er es charmanter, einfach stehen zu bleiben.“
Leif Randt: „Allegro Pastell“, Anfangssätze

 

Ein Prozent aller Deutschen ist gerade infiziert. Auch wenn morgen Karfreitag ist und es da noch die ganze Zeit ums Opfer geht, bevor danach dann die Wiederauferstehung dran ist, möchten wir uns heute mal auf ein paar gute Nachrichten konzentrieren. 

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Wer kennt Robert Sigl? Vermutlich viel zu wenige von Euch, die jetzt lesen. Denn Sigl ist einer der großen Unbekannten des deutschen Kinos, und das selbstredend zu Unrecht. Jetzt hat der Münchner Regisseur einen schönen witzigen stillen Kurzfilm gemacht. Er heißt „Coronoia“, und steht auf YouTube.

Das ist eine gute Gelegenheit, um nachdrücklich auf Sigl Regiedebüt hinzuweisen. Es heißt „Laurin“ und hätte es damals die verdiente Aufmerksamkeit bekommen – die deutsche Filmgeschichte wäre anders und vermutlich besser verlaufen. 

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Kai Zwettler unterrichtete ein Jahr lang Deutsch an einer Schule im chinesischen Wuhan. Und drehte einen Kurzfilm wider antiasiatischen Rassismus. | Foto © Kai Zwettler

Noch ein Riesenhilfsprogramm soll nun den Mittelstand retten. Soloselbständige werden derweil von den Hilfen abgeschnitten. Die Kulturstaatsministerin findet, dass alles funktioniert, die Betroffenen sehen das zum Teil anders. Und Studio Babelsberg kann nun doch kurzarbeiten. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Anregungen, Fragen und Kommentare. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Wuhan vor Corona: Von 2012 bis 2013 lebte Kai Zwettler ein Jahr lang im chinesischen Wuhan und unterrichtete Deutsch an einer Schule. Bis heute hat er viele Freunde in der Stadt. In der Corona-Krise richtet er sich nun mit einem Dokumentarfilm gegen antiasiatischen Rassismus.

Wer doch noch mal lachen will, mag sich beim „Postillon“ informieren. Danke für den Tipp.

 

Und was ist mit den vielen Tausend kurzzeitig befristeten Angestellten unter uns, die sich vergessen fühlen? Und denen die zwischen zwei Projekten Arbeitslosengeld 2 (auch „Grundsicherung“ oder „Hartz 4“ genannt) beziehen? Fragen wie diese erreichen uns jeden Tag … Am vorigen Donnerstag hatte die Arbeitsagentur die Bedingungen fürs Arbeitslosengeld 1 gelockert, vollständig beantwortet werden die Fragen durch die ersten Erklärungen aber nicht. Laut der Website der Arbeitsagentur wird der Bezug von Arbeitslosengeld 2 automatisch bis zum 30. August verlängert. Wir hatten die Behörde am Freitag um Klarstellung gebeten. Eine Antwort wurde uns für morgen zugesagt.

Die Situation für Filmschaffende ist schwer zu überschauen. Die Münchner Filmwerkstatt will morgen mit einem kostenlosen Online-Seminar etwas Licht ins Dunkel bringen. Zwei Stunden lang wird der Fachanwalt für Arbeitsrecht Steffen Schmid-Hug über Kündigungen, Kurzarbeit und mehr informieren. Das Seminar startet am morgigen Dienstag, 7. April, um 18 Uhr. Anmeldungen werden bis 12 Uhr an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen) erbeten.

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Kreativ in der Krise: Der slowenische Designer Jure Tovrljan hat bekannte Marken-Logos auf die Pandemie umgestaltet. | Grafik © Jure Tovrljan

Der Run auf die Hilfsprogramme ist groß. Wir haben einen ersten Erfahrungsbericht und erste Stellungnahmen der Verbände zum Thema Kurzarbeit. 

 

Ein wenig Kurzweil zum Einstieg: Der slowenische Designer Jure Tovrljan hat bekannte Marken-Logos auf die Pandemie umgestaltet.

 

Einen Run auf die Hilfskredite für Unternehmen und Selbstständige verzeichnen die Wirtschaftsministerien der Länder. Weitere Maßnahmen werden diskutiert.

Der Andrang auf staatliche Soforthilfen in der Corona-Krise für kleinere Betriebe mit Finanznot ist in Hessen riesig, meldete die „Hessenschau“ gestern Abend. Zeitweise waren die Server überlastet.

 

Wir baten um Erfahrungsberichte mit den Hilfsprogrammen. Hier ist der erste, von einem Filmemacher aus dem Südwesten:

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Wir wollen nicht angeben mit unserer Collage. Sondern uns damit einfach mal zurückbedanken für die vielen Dankeschöns auf unsere Brancheninfos. Das spornt uns an. | Collage © cinearte

Die überall angekündigten Hilfsprogramme sind da (oder zumindest fast), Unsicherheit herrscht weiterhin in Sachen Kurzarbeit. Und wir schildern ein Beispiel, wie man die Krise zum Guten nutzen kann. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Der Bundespräsident hat heute das Gesetzespaket mit den Milliardenhilfen in der Corona-Krise unterzeichnet. Die Gesetze müssen jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, dann soll die Hilfe rollen. 

Doch wie funktionieren diese und ähnlich Hilfsmaßnahmen in der Praxis? Wir bitten alle, die bereits Erfahrungen mit den Soforthilfen aller Art gemacht haben, um eine Einschätzung beziehungsweise einen Erfahrungsbericht.

 

Seit dieser Woche gibt es einen Kurzarbeit-Tarifvertrag für die Branche. Und der schafft weitere Unsicherheit. Die Berufsverbände prüfen noch, Juristen auf beiden Seiten sehen Probleme und zu viele offene Fragen. Und wie viele Fragen tatsächlich noch offen sind, erfahren wir seitdem in ratlosen E-Mails von Betroffenen. Die Antworten wissen wir auch nicht. Zum Ende der Woche scheinen uns aber folgende Hinweise für Betroffene, also alle Filmschaffende, die einen laufenden Vertrag haben, hilfreich zu sein:

# Überstürzt nichts.
# Erstmal keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung unterschreiben, die sich auf diesen Tarifvertrag beziehen, denn die Gageneinbußen und die „Anordnung“ scheinen zu groß zu sein. Für Verdi-Mitglieder kann die Kurzarbeit natürlich angeordnet werden.
# Die Entwicklung der nächsten Tage und die Einschätzungen und Empfehlungen der Berufsverbände abwarten.
# Solange keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung vom Filmschaffenden unterschrieben wurde, läuft der Gagenanspruch in vereinbarter Höhe weiter. Erst durch eine Kurzarbeitergeld-Vereinbarung verliert man diesen.
# Lieber keine Kurzarbeitergeld-Vereinbarungen unterschreiben, die irgendeine Änderung oder Verkürzung der Vertragslaufzeit zur Folge haben könnten. Die Verträge laufen ja nicht etwa zu dem in den Verträgen meistens „voraussichtlich“ genannten Termin aus, sondern erst mit der tatsächlichen Fertigstellung des Films. Es handelt sich bei den Verträgen in der Regel nicht um zeitlich befristete Verträge, sondern um „zweckbefristete“. Erst mit der Fertigstellung der Produktion wird deren Zweck erreicht und das Arbeitsverhältnis beendet. Daher heißt der Tarifvertrag ja auch „für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende“.
# Vor dem Unterschreiben die Vereinbarung möglichst von einem Rechtsanwalt oder einer Einrichtung, die rechtsberatend tätig sein darf, prüfen lassen.

 

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Tom Hanks ist einer der prominentesten Corona-Infizierten. Der Schauspieler sammelt auch Schreibmaschinen – hier eine „Skyriter“ von Smith Corona, zu sehen im Dokumentarfilm „California Typewriter“ von 2016. | Foto © New KSM

Heute forderte der Produzentenverband NRW einen bundesweiten Drehstopp für Fiction-Produktionen. Produzentenallianz und Verdi einigten sich auf einen Tarifvertrag für die Kurzarbeit. Und die Kulturstaatsministerin glaubt, dass durch die Corona-Krise der Stellenwert von Kultur allmählich besser begriffen werde. Solche Hoffnungen hegt auch unser Kolumnist zum Abschluss der heutigen Nachrichten. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Heute beginnen wir gleich mit einer Richtigstellung. „Liebe Freunde von crew united, danke für euer Engagement und die Brancheninfos, ich weiß es zu schätzen. Doch die Kulturstaatsministerin (BKM) heißt immer noch Monika Grütters, nicht Rüttgers. Nix für ungut.“

Mist! Das wußten wir doch, sind zerknirscht und bitten auch die Kulturstaatsministerin um Verzeihung. Heute schreiben wir sie wieder richtig. 

Zum Glück hat niemand unseren anderen kleinen Patzer bemerkt … Und schon haben alle wieder etwas zu tun in der unfreiwilligen Pause. 

 

Auf einer interaktiven Deutschlandkarte können alle ablesen, wie sich das Corona-Virus in ihrer Region ausbreitet. „Zeit Online“ sammelt die Daten direkt bei den 401 Stadt- und Landkreisen ein und aktualisiert sie laufend.

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caption=“Auch das Deutsche Filmmuseum ist wegen Corona geschlossen. Stattdessen bietet es jetzt Filmkultur online. | Screenshot“

Immer lauter wird der Ruf nach einem allgemeinen Drehstopp. Viele Produktionen haben bereits selbst reagiert. Es gibt keine einheitlichen Regelungen. Derweil werden weitere Hilfspakete versprochen. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen). Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen. Aber man wird wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen genauso weiterführen, wie man sie jetzt gestartet hat. Man wird nachjustieren können und müssen. Man muss dann einzelne Dinge zurückfahren. Aber während der ersten Phase von jetzt bis zur Woche nach Ostern muss man wirklich konsequent handeln und gleichzeitig die Fallentwicklung beobachten“, sagt der Virologe Christian Drosten heute im Interview mit der „Zeit“. Ein Gespräch über Ausgangssperren, die Dauer der Krise – und wie sie unser Leben verändert.

In Bayern gelten ab morgen Ausgangsbeschränkungen. Damit prescht Bayern vor, doch der drastische Schritt wurde auch von der Bundesregierung diese Woche nicht mehr ausgeschlossen. Weil zu viele Menschen die Lage immer noch nicht ernst nehmen und sich draußen in Gruppen treffen. Dies sei nicht zu akzeptieren, meinte  Ministerpräsident Markus Söder für Bayern. 

 

Die Filmbranche könnte solche klaren Ansagen gebrauchen. Noch sind Dreharbeiten nur im öffentlichen Raum untersagt, aber auch das anscheinend noch nicht überall. Die zuständigen Institutionen pendeln zwischen Hilflosigkeit und Ignoranz.

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Corona: Das Virus unterm Mikroskop als Computergrafik. | Foto © WDR

Das Coronavirus hat auch die Filmbranche erreicht. In einem ersten Überblick versucht wir zusammenzufassen, was das für die Beschäftigten und die Produktionen bedeutet. Vollständig ist diese Aufstellung noch nicht, sie soll aber in den nächsten Tagen fortlaufend aktualisiert werden. Wir danken Ihnen für Ihre Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. 

„Die Lage ist ernst“, sagte Ministerpräsident Markus Söder am heutigen Montag in einer Pressekonferenz, die ausschließlich als Livestream stattfand. Im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus (Covid-19) hat Bayern heute den den Katastrophenfall ausgerufen. Das öffentliche Leben wird drastisch eingeschränkt, besonders Gastronomie und Einzelhandel kommen bis auf eine Grundversorgung zum Erliegen. 

Noch am frühen Nachmittag teilte der FFF Bayern in einer Rund-Mail die Konsequenzen für die Filmbranche mit: Bis 19. April sind im gesamten Bundesland Veranstaltungen unabhängig von der Personenzahl untersagt. Dreharbeiten auf öffentlichem Grund gelten dabei als Veranstaltungen. Bisherige Genehmigungen sind ab dem morgigen Dienstag, 17. März, außer Kraft. Updates zur Entwicklung veröffentlicht die Filmförderung hier.

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Die Deutsche Filmakademie fordert einen echten Neuanfang des Fördersystems: „Spätestens jetzt muss allen Beteiligten klar werden, dass die jahrzehntelange Politik des mehr oder weniger ,Immer-weiter-so‘ gescheitert ist.“ | Foto © Florian Liedel, Deutsche Filmakademie

Die Deutsche Filmakademie hatte schon früh Stellung zum anstehenden Filmförderungsgesetz genommen. Im April 2019 hatte sie ein düsteres Bild der deutschen Filmlandschaft skizziert. Das sollte aber noch nicht alles gewesen sein: ein zweiter Teil mit konkreten Vorschlägen sollte folgen, wenn die Diskussion der Kinofilmverbände in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) gelaufen ist. Auch die Deutsche Filmakademie gehört dem Dachverband von 20 Interessen- und Berufsverbänden an. Darauf nimmt sie in ihrer Stellungnahme allerdings wenig Rücksicht.
Die Ausgangssituation, die die Filmakademie schildert, ist bekannt: Das Publikum, vor allem das Jüngere, zieht es immer weniger ins Kino und erst recht nicht in deutsche Filme. Die Konkurrenz „durch die neuen Formen des ,Home-Entertainments‘ verschärft den Abwärtstrend – und ist selbst für Filmemacher attraktiver. Auf der anderen Seite sinkt das Budget der Filmförderungsanstalt (FFA) und wird noch weiter sinken. Damit habe sie noch weniger Möglichkeiten, „,die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films‘ nach den Vorstellungen der Filmbranche selber zu fördern.“

Kurz: „Der schleichenden finanziellen Krise der FFA entspricht in vielfältiger Weise auch eine inhaltliche Schwächung des Kinofilms.“

Das muss nicht so sein! Die Deutsche Filmakademie glaubt ganz fest an das Kino, der Film sei „als genuine erzählerische Form noch lange nicht ,tot‘“. Andere Länder und hin und wieder ein Erfolgsfilm aus heimischer Produktion machten es ja vor. Auch vor dem Streaming-Boom hat die Filmakademie keine Angst: „In den hervorragenden Beispielen deutscher Serienproduktion für die neuen Plattformen erkennen wir eine Chance für das Kino, da diese Serien von der Kraft und dem Einfallsreichtum deutscher Filmemacherinnen und -macher im globalen Wettbewerb um das Publikum zeugen.“

Kurz: Die Zuschauer*innen würden schon tolle Kinofilme ansehen, die Filmemacher*innen könnten sie schon drehen. An beiden liegt es anscheinend nicht.

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Mehrmals bekennen sich ARD und ZDF in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zur Filmförderung des Bundes. Sie fordern aber auch, sie an „die neuen ­Herausforderungen“ anzupassen. | Foto: ZDF

Mehrmals bekennen sich ARD und ZDF in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zur Filmförderung des Bundes. Sie fordern aber auch, sie an „die neuen ­Herausforderungen“ anzupassen. | Foto: ZDF

„Der Kinofilm ist wesentlicher Bestandteil unserer Kultur und des gesellschaftlichen Diskurses. Er spiegelt unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben, er eröffnet uns neue Perspektiven und fordert uns heraus.“ Schöner hätte es die AG Kino nicht schreiben können. Doch wer da so vom Kino schwärmt, ist das Fernsehen, öffentlich-rechtlich: ARD und ZDF [PDF].

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Mit dem alljährlichen Kurzfilmtag am 21. Dezember bringt die AG Kurzfilm ihre Formate zum Publikum, jenseits der gewohnten Abspielstätten wird Filmkultur gelebt. Auch Kurzfilmfeste melden regen Zulauf. Doch bei der Filmförderung sitzen die kleinen Filme am Katzentisch. | Foto © AG Kurzfilm

Mit dem alljährlichen Kurzfilmtag am 21. Dezember bringt die AG Kurzfilm ihre Formate zum Publikum, jenseits der gewohnten Abspielstätten wird Filmkultur gelebt. Auch Kurzfilmfeste melden regen Zulauf. Doch bei der Filmförderung sitzen die kleinen Filme am Katzentisch. | Foto © AG Kurzfilm

Die AG Kurzfilm kommt in ihrer Stellungnahme [PDF] zum neuen Filmförderungsgesetz (FFG) gleich zur Sache. Nicht mal eine halbe Seite braucht die Präambel, dann folgen schon die konkreten Vorschläge. Das ist schade, denn der Verband gilt als erster Ansprechpartner zum Thema Kurzfilm, setzt sich auf vielfältige Weise dafür ein und hat so einiges anzumerken. Bloß ist das im Kleingedruckten versteckt, wo an den Details gefeilt wird.

Dabei bietet die Präambel den Lobby-Gruppen doch gerade die Gelegenheit, wie sie sich die Zukunft des Deutschen Films vorstellen und woran es ihrer Meinung nach krankt. Andere tun das auch, zum Teil ausgiebig wie die AG Kino, einige beschränken sich darauf, Schieflagen zu schildern, manche versuchen gar, neue Themen zu setzen und Richtungen zu weisen. Bei der AG Kurzfilm liest sich das folgendermaßen (die Präambel ist kurz, darum zitieren wir sie in voller Länge):
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Wie hältst du’s mit dem Tarifvertrag? Die Filmförderungsanstalt (FFA) wollte es wissen, die Produzentenallianz ließ anders fragen, und antworten konnte jeder, wie er wollte. Ergebnis: 72 Prozent der Produktionsunternehmen orientieren sich „immer“ oder „überwiegend“ am Gagentarifvertrag. Die FFA druckte das anstelle einer echten statistischen Auswertung nach. | Grafik © cinearte

Seit zwei Jahren hat die Filmförderungsanstalt (FFA) des Bundes eine weitere Aufgabe erhalten, nämlich „darauf hinzuwirken, dass in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal zu sozialverträglichen Bedingungen beschäftigt wird.“

Wie und wann das geschehen soll, wird nicht erklärt. Lediglich eine konkrete Handlungsanweisung gibt das Filmförderungsgesetz (FFG) [PDF] von 2017 der FFA: Der jährliche Förderbericht soll fortan „eine statistische Auswertung der Informationen zur Anwendbarkeit von Branchentarifverträgen oder vergleichbaren sozialen Standards“ enthalten, besagt Paragraf 169.

Doch der Geschäftsbericht 2017, der erste unter dem aktuellen Gesetz, enthielt nichts dergleichen. Die „genannten Daten werden mit der Schlussprüfung erhoben, normalerweise zwei bis drei Jahre nach der Förderzusage“, erklärte die FFA im Mai auf Nachfrage von cinearte. „Eine statistische Auswertung ist also frühestens 2019 möglich und wird dann im entsprechenden Förderbericht veröffentlicht.“  

Der Geschäftsbericht 2018 erschien am 11. Juli dieses Jahres – wieder ohne die verlangte Statistik, weil „belastbare Daten aus den seit 2017 geförderten Produktionen erst frühestens Mitte 2019 vorliegen werden“, schreibt die FFA wieder als Erklärung dazu. Um der Verpflichtung des Paragrafen 169 dennoch nachzukommen, griff sie einfach auf die „Produzentenstudie 2018“ zurück, die bereits im vorigen Herbst erschienen ist, und druckte den „entsprechenden Abschnitt“ einfach nach [PDF].

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Schlecht gemacht und am Publikum vorbei!?So harsch urteilt die Deutsche Filmakademie über den deutsche Filme. Schuld habe das ­gegenwärtige Fördersystem. | Foto © Foto: Deutsche Filmakademie, Franziska Krug

Schlecht gemacht und am Publikum vorbei!?So harsch urteilt die Deutsche Filmakademie über den deutsche Filme. Schuld habe das ­gegenwärtige Fördersystem. | Foto © Deutsche Filmakademie, Franziska Krug

„Alle vier Jahre gibt es eine Fußballweltmeisterschaft, jedes Jahr einen Sommer, jede Woche zwei neue Netflix-Serien – und die Filmbranche trifft sich alle vier bis fünf Jahre zur FFG-Novelle.“ So richtig glaubt man bei der Deutschen Filmakademie wohl nicht an Besserung. Zumindest nicht durch das FFG. Nun wird es also im „52. Jahr zum 13. Mal“ überarbeitet, derweil „nicht davon auszugehen“ sei, „dass sich die Situation des deutschen Kinos und des deutschen Kinofilms fundamental verbessern wird.“

Derart fatalistisch beginnt die Deutsche Filmakademie ihre Stellungnahme zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG), das 2022 in Kraft treten soll. Vier Punkte macht sie als Problem aus und beginnt gleich mit einem Paukenschlag: 

1. Viele deutsche Kinofilme hätten „eine häufig zu niedrige Qualität“ und „fehlende Publikumsaffinität“ (übersetzt: sie sind schlecht gemacht und uninteressant). 

Nanu! Streut sich da gerade jemand Asche aufs Haupt? Schließlich stellen doch die Sektionen Drehbuch, Regie und besonders Produktion den größten Teil der Akademie-Mitglieder. Doch von Ideenlosigkeit oder fehlendem Wagemut ist hier nicht die Rede. Das Problem hat für die Filmakademie allein einen betriebswirtschaftlichen Grund: „Viele interessante deutsche Kinofilmprojekte sind zum Zeitpunkt der Finanzierung unterentwickelt und gehen unterfinanziert in die Produktion.“

Also sind nur die Produzent*innen schuld? „Von einem Filmproduzenten spricht man, wenn er die wirtschaftliche und technische Verantwortung für die Produktion trägt, ihre Durchführung organisiert und sie inhaltlich beeinflusst“, erklärt die Wikipedia. 

Aber nein, auch sie können in der Erklärkette der Filmakademie auch nichts dafür, denn …

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Verarschen können wir uns selber??Die BKM kann’s besser. | Foto © API, Michael Tinnefeld für Deutsche Filmakademie

Im neuen Jahr soll auch ein neues Filmförderungsgesetz (FFG) gelten, und offenbar gefällt allen, was am 10. November nach zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschlossen wurde. Natürlich hat die Opposition zu meckern: Es sei „die Chance vertan, die deutsche Filmlandschaft vielfältiger und gerechter zu gestalten“, sagt die filmpolitische Sprecherin der Grünen, doch schon ihr Kollege von der Linken gibt sich koalitionsbereiter und nennt es „zaghafte Schritte in die richtige Richtung.“

Im Dezember soll das neue Gesetz auch den Bundesrat passieren und gibt dann für die nächsten fünf Jahre die Rahmenbedingungen für die Filmförderungsanstalt (FFA) vor. Und womöglich nicht nur für die, denn auch Fördereinrichtungen der Länder orientieren sich mehr oder weniger daran. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, selbst nannte das Gesetz „ausgewogen und gelungen“ und lobte bei der Gelegenheit den Deutschen Film: Mit einem Besucheranteil von 27,5 Prozent habe er 2015 nicht nur das beste Ergebnis seit Erfassung dieser Daten erzielt, lässt sie in einer Pressemitteilung verbreiten, sondern auch internationale Strahlkraft. Beleg dafür ist das Mantra dieses Sommers: „Toni Erdmann“, „der jetzt für einen Auslands-,Oscar‘ nominiert ist.”

Hier irrt die Kulturstaatsministerin: Nominiert ist noch gar keiner, „Toni Erdmann“ ist lediglich als deutscher Kandidat eingereicht worden – neben denen von 84 weiteren Ländern. Über die fünf Nominierungen wird bekanntlich immer erst im Januar entschieden. Bislang ist die Strahlkraft, was den „Oscar“ angeht, also eher nur national und ein kühner Wunsch. Stattdessen hätte Grütters ja darauf hinweisen können, dass der Film von Maren Ade auch bei den „Europäischen Filmpreisen“ im Dezember antritt, die auch ganz schön international sind. Da ist „Toni Erdmann“ sogar richtig nominiert und das gleich in sechs Kategorien.

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Von links nach rechts: Jörg Winger, Simone Stewens, Annette Reeker, Carola Raum, Gesine Enwaldt, Birgit Kniep-Gentis

Wir schließen die Reihe mit dem 1. Panel: Nachwuchsförderung vs. Altersdiskriminierung / Über Kollegialität und Konkurrenz

Moderation: Annette Reeker, Produzentin (nominiert für: „Cape Town“)

Teilnehmer:

Birgit Kniep-Gentis, Szenenbildnerin (nominiert für: „Schwarzach und die Hand des Todes“)

Carola Raum, Kostümbildnerin (nominiert für: „Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel“)

Jörg Winger, Produzent (nominiert für: „Deutschland 83“)

Simone Stewens, Geschäftsführerin, ifs internationale filmschule köln gmbh

Gesine Enwaldt, freie Autorin (nominiert für: „Fast perfekt – Anke Engelke und die Selbstoptimierer“)

Herzlichen Dank an die Akademie und an Preproducer, dass wir die Aufzeichnung hier auch für alle, die nicht dabei sein konnten, zeigen können.