Corona: Brancheninfo 12

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Kreativ in der Krise: Der slowenische Designer Jure Tovrljan hat bekannte Marken-Logos auf die Pandemie umgestaltet. | Grafik © Jure Tovrljan

Der Run auf die Hilfsprogramme ist groß. Wir haben einen ersten Erfahrungsbericht und erste Stellungnahmen der Verbände zum Thema Kurzarbeit. 

 

Ein wenig Kurzweil zum Einstieg: Der slowenische Designer Jure Tovrljan hat bekannte Marken-Logos auf die Pandemie umgestaltet.

 

Einen Run auf die Hilfskredite für Unternehmen und Selbstständige verzeichnen die Wirtschaftsministerien der Länder. Weitere Maßnahmen werden diskutiert.

Der Andrang auf staatliche Soforthilfen in der Corona-Krise für kleinere Betriebe mit Finanznot ist in Hessen riesig, meldete die „Hessenschau“ gestern Abend. Zeitweise waren die Server überlastet.

 

Wir baten um Erfahrungsberichte mit den Hilfsprogrammen. Hier ist der erste, von einem Filmemacher aus dem Südwesten:

Mittwoch, 25. März. Am Abend ging die Seite der Corona-Soforthilfe in Baden-Württemberg online. Ich habe noch am selben Abend das wirklich gut zu verstehende, völlig unbürokratische, fünfseitige PDF-Formular in 15 Minuten ausgefüllt und versandt. Wenn man freier Regisseur ist, als Soloselbstständiger und damit Rechnungssteller kann man sogar zwei Seiten überspringen – also wirklich sehr simpel!

Donnerstag, 26. März. Nach nicht mal 24 Stunden wurde ich per E-Mail informiert, dass mein Antrag korrekt ausgefüllt und eingegangen ist.

Freitag, 27. März. Eine zweite E-Mail mit der Information: Mein Antrag wurde geprüft und an die Landesbank zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet.

Montag, 30. März. Eine weitere E-Mail mit der Bestätigung, dass ich die beantragte „Zuwendung“ voll erhalte.

Dienstag, 31. März. Der Betrag wird heute überwiesen.

Ich möchte laut und kräftig sagen: Großen Respekt! Die Soforthilfe in Baden-Württemberg funktioniert tatsächlich wie angekündigt – als eines der ersten Bundesländer! Schnell und unbürokratisch! Danke!

 

Die Sender sollen mehr Geld bekommen, vielen Produzenten aber droht das Aus: Dabei hätte die Politik die Möglichkeiten, der Branche zu helfen, rechnet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vor.

„Die Politik hat lange gezögert, klare Ansagen zu machen“, sagte gestern Constantin-Chef Martin Moszkowicz im Interview mit dem „Spiegel“: „Was jetzt enorm helfen würde, wäre, den nationalen Notstand auszurufen. Das hätte massive Veränderungen im Haftungsverhältnis zur Folge.“

Das ZDF bildet einen Hilfsfonds für seine Auftragsproduktionen:  Produzenten können ab sofort Abschlagszahlungen auf die in den Verträgen vorgesehene nächste Rate beantragen. Dafür stehen bis zu 15 Millionen Euro zur Verfügung. Voraussetzung ist eine Drehunterbrechung oder -verschiebung infolge der Corona-Pandemie.

In den vergangenen zwei Wochen war in mehreren Medien zu lesen, ProSiebenSat1 plane, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, die Auftragsproduktionen durch einen Drehstopp im Zuge der Corona-Maßnahmen entstehen. Konkreteres wurde seither nicht bekannt gegeben. Stattdessen berichteten uns betroffene Filmschaffenden, dass ProSieben eine solche Zusage generell für ungültig erklärt habe. Und zwar mit dem Hinweis auf den jüngsten Führungswechsel an der Unternehmensspitze.
Das stimmt nicht, antwortete der Sender auf unsere Nachfrage, wollte sich aber nicht äußern, was genau vorgesehen sei. „Wir bitten um Verständnis, dass wir hier jeweils im Einzelfall und im persönlichen Gespräch mit dem jeweiligen Produzenten entscheiden und keine generellen Aussagen über Gelder/Maßnahmen treffen wollen. Unser Ziel ist natürlich die Fertigstellung begonnener Produktionen.“ 

Unterdessen setzte ProSiebenSat.1 sein Zahlungsziel vorläufig auf 90 Tage hoch, um die eigene Liquidität zu sichern.

„Wir erwarten eine große Produktionslücke“: Der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) fordert einen  Krisenfonds in Höhe von 375 Millionen Euro.

Die „Taz“ berichtet aus Österreich: Wegen Corona wohnen 68 Angestellte des ORF in den Redaktionsräumen. So soll der Sendebetrieb aufrechterhalten bleiben.

 

In Babelsberg hatten zwei große US-Produktionen abgebrochen. Das Schicksal der zurückgelassenen Filmschaffenden schildert heute auch Hollywoods Branchenmagazin „Variety“.
„Wir fallen durch das Raster“. Auch der „Tagesspiegel“ berichtet über die verlassenen Filmschaffenden von Babelsberg.

„Jetzt steht Armut auf dem Spielplan“, schreibt die Schauspielerin Bettina Kenter-Götte in der „Jungen Welt“: Schauspielerinnen lebten lange in gut verstecktem Elend, nun stehen Tausende vor dem Nichts.

 

Dem Virologen Christian Drosten gefällt nicht, was die Medien aus der Wissenschaft machen. Bei „NDR Info“ sprach er eine deutliche Warnung aus: „Es muss wirklich aufhören.“

Welche Jobs Bullshit sind und welche systemrelevant, kann man leicht am Gehalt sehen, meint der Kapitalismuskritiker David Graeber. Das sollten wir nach der Corona-Krise nicht vergessen.

Wer’s etwas radikaler mag: Der Schauspieler und Ex-Terrorist Christof Wackernagel zog schon vorige Woche grundsätzlichere Lehren aus der Virus-Krise.

Besser eine textile Maske aus Extraherstellung als überhaupt keine Maske, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

 

Unsicherheit herrscht noch beim Thema Kurzarbeit: Der Rechtsanwalt Tobias Sommer, langjähriger Autor der Rechtskolumne in „cinearte“ erklärt es in Kürze:

Darum geht’s bei der Kurzarbeit: Das Risiko, einen Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, liegt beim Arbeitgeber. Juristen nennen das „Betriebsrisiko“. Arbeitgeber können jedoch ihr Risiko minimieren und versuchen Kurzarbeit anzuordnen. Hier kommt es dann auf die Umstände des Einzelfalls an, zum Beispiel auf die Arbeitsveträge, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und so weiter. In vielen Fällen dürfte eine Zustimmung des Arbeitnehmers erfoderlich sein oder eine sogenannte Änderungskündigung. Es kann auch gerichtlich überprüft werden, ob die Prognose zur Anordnung der Kurzarbeit stimmt, wie das Bundesarbeitsgericht 2018 entscheiden hat (Urteil vom 24.05.2018, Az: 6 AZR 116/17).

Vorteile: Freizeit. Zeitguthaben werden aufgebraucht oder es entstehen sogar Minusstunden, wenn das arbeits- oder tarifvertraglich zulässig ist (was im Einzelfall zu prüfen ist). Die Fürsorgepflicht bleibt bestehen, die Maßnahme muss laufend überprüft werden, die Bedingungen können sich ändern. Urlaub muss nicht immer zugestimmt werden. Es besteht die Möglichkeit zur Nachverhandlung, gegebenenfalls kann Folgebeschäftigung vereinbart werden. Liegen die Voraussetzungen für Kurzarbeit nicht vor, besteht der volle Gehaltsanspruch. In Absprache mit dem Arbeitgeber kann man die Chance auf eine Nebentätigkeit nutzen. 

Nachteile: Weniger Einkommen (nur 60 beziehungsweise 67 Prozent bei Beschäftigten mit Kind des entgangenen Nettoarbeitsentgelts). Keine betriebliche Mitbestimmung, wenn ein Notfall gemäß Paragraf 14 Arbeitszeitgesetz vorliegt. 

Was tun, wenn Kurzarbeit angeboten wird?
1. Informationen zum genauen Grund für Kurzarbeit einholen und Prognose erfragen.
2. Nachweislich mitteilen, dass die Bereitschaft zur Arbeitsleistung besteht (Arbeitskraft anbieten).
3. Keine Zustimmungen ohne Rechtsprüfung.
4. Verhandlungsmöglichkeiten nutzen.
5. Bei Unstimmigkeiten nachfragen, gegebenenfalls auch bei der Agentur für Arbeit, wo die Kurzarbeit beantragt werden muss.

Auf seiner Website gibt Tobias Sommer eine erste Orientierung, wenn in der Pandemie Verträge nicht erfüllt oder Veranstaltungen abgesagt werden. 

 

Fragen zur Kurzarbeit haben auch die Produzenten. Die Produzentenallianz erklärt den Tarifvertrag mit Fragen und Beispielrechnungen. Die Seite wird laufend aktualisiert. 

 

Wir haben die Berufsverbände heute gefragt, wie sie’s mit dem Thema Kurzarbeit halten:
1. Wie schätzt Ihr Berufsverband den Kurzarbeit-Tarifvertrag ein?
2. Was raten Sie Ihren Mitgliedern, denen Kurzarbeit angeboten wird?

Tja, manchmal kommt (die kurze Abschweifung sei uns erlaubt, auch wir träumen manchmal noch vom Kino) der Büroalltag wie ein Abenteuerfilm im Urwald: Als erstes antworteten die Locationscouts und die Stuntleute: „Da nahezu 98 Prozent der Locationscouts in Deutschland Freiberufler sind und weit überwiegend keine Angestellten haben, haben wir uns mit dem Kurzarbeit-Tarifvertrag bisher kaum beschäftigt. Er ist für uns de facto beinahe vollständig irrelevant“,  schreibt der Bundesverband Locationscouts (BVL). „Angestellte Stuntleute gibt es so gut wie keine, wenn doch, dann nur tageweise. Für uns spielt Kurzarbeit also fast gar keine Rolle“, antwortet die German Stunt Association (GSA). 

Die Locationscouts können daher zur zweiten Frage nichts sagen. Die Stuntleute schon: „Ein Unternehmen mit unter fünf Angestellten hat Kurzarbeit beantragt. Wenn alle Arbeit wegbricht, ja, dann würden wir raten, die Kurzarbeit anzunehmen. Lohnausgleich ist den Arbeitgebern erlaubt.“

Zur Geschwindigkeit, mit der der Kurzarbeit-Tarifvertrag zustande kam, hat die GSA allerdings auch etwas anzumerken: „Die Kompromissfähigkeit im Fall Corona ist in Hinblick auf andere zähe Verhandlungen etwas ernüchternd.“

Weitere Berufsverbände haben Ihre Antwort für morgen versprochen.

Heute antwortete außerdem der Filmverband Südwest, der alle Gewerke in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vereint: 

„Prinzipiell begrüßen wir es, dass sich die Vertragsparteien so schnell auf den neuen Tarifvertrag geeinigt haben. Allerdings sehen wir verschiedene Probleme: Zum einen ist er nur für eine relativ kleine Gruppe von Produktionsunternehmen und Filmschaffenden verpflichtend. Zum anderen haben viele schon vor dem 25. März 2020 Kurzarbeit angeordnet, sodass der Tarifvertrag für diese Filmschaffenden nach unserem Verständnis nach nicht verpflichtend ist.
Aus diesem Grund halten wir uns sehr stark zurück, unseren Mitgliedern verbindliche Empfehlungen zu erteilen, da die finanzielle Ausgangslage bei jedem anders ist und verschiedene Maßnahmen unterschiedlich greifen. Letztlich ist es immer eine Einzelfallempfehlung, die wir abgeben, die für unsere Mitglieder nicht pauschalisiert werden kann.
Dies liegt insbesondere daran, dass uns Vorständen die entsprechende Rechtskompetenz oftmals fehlt und unser Verbandsanwalt so stark ausgelastet ist, dass auch wir ihn kaum erreichen können.“

 

Was tun, wenn alles stillsteht? Am Freitag hatten wir von der Initiative einer Berliner Catering-Firma berichtet. Sie sammelt Spenden, um für alte Menschen, Obdachlose und Behinderte zu kochen. Die ersten Spenden sind eingetroffen, dankt Küchenchef Alexander Niki Gutsche. Am Montag konnte er mit seinem Team am U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz erstmals 100 Obdachlose bekochen. „Die nächsten fünf Tage werden wir jeweils 100 Personen versorgen können“, sagt Gutsche und bittet, weiter für die Aktion zu spenden. 

Gemeinsamer Filmabend trotz „Social Distancing“: Ein Kölner Hinterhof wird zum „Corona-Kino“ umfunktioniert, rund 60 Nachbarn schauen von Balkons aus zu.

Zehn Filmemacherinnen wollen eine Anthologie von zehnminütigen Kurzfilmen erstellen, die inmitten der Pandemie aus der Isolation heraus gedreht werden.

Wie man Künstlern und Kulturinstitutionen jetzt durchs eigene Verhalten helfen kann, beschreibt die „Süddeutsche Zeitung“. 

Arte taucht tief in seine Archive, um jeden Tag frei Haus einen Kurzfilm vorzustellen, und wir verabschieden uns bis morgen. Bleiben Sie gesund.

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