Träumen Menschen eigentlich von elektrischen Schafen? Gedanken in der Pandemie, Folge 122.
„Wir sind auf alles programmiert/ Und was du willst, wird ausgeführt Wir sind die Roboter/ Wir sind die Roboter“ Kraftwerk „Die Roboter“; 1978
„Das Nebensächliche ist das Wesen der Kommunikation – folglich des Denkens. Es bildet das Fleisch und das Blut des Wortes und der Schrift. Darauf verzichten wollen hieße soviel, wie mit einem Skelett huren.“
E. M. Cioran
„Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“
Sepp Herberger
Letzte Woche lag die Inzidenz in Deutschland bei etwa 9, heute liegt sie bei 5,6. In Italien und Österreich fallen die letzten Einschränkungen. Weiterhin gute Nachrichten also. Aber weiterhin ist der deutsche Corona-Diskurs von Sorge, Warnung, Verbotsideen und Narzissmus geprägt. Zum Narzissmus gehört die dauernde Nabelschau, der Unwille, sich wirklich für andere Länder zu interessieren, die Fixierung auf uns selber.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-06-28 23:26:162021-06-29 01:00:40Gedanken in der Pandemie 122: „Wir sind die Roboter …“
Deutschland in Sorge, zwischen Trash-Science-Fiction und Nanny-Staat Flanieren an der Seine – Gedanken in der Pandemie, Folge 121.
Inzwischen liegt die Corona-Tagesinzidenzrate nur noch bei 9. Am höchsten ist sie in Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Hessen.
Was bei diesen guten Nachrichten gerade vollkommen in Vergessenheit gerät: Monatelang wurde uns öffentlich in regierungsamtlichen Verlautbarungen wie im Talkshow-Gerede der jeweiligen Gäste, ob Politiker oder Virologen, fortwährend eingeredet, dass das Senken der Inzidenzrate das Allerwichtigste sei. Und warum das? Weil man dann wenn die Rate „erstmal unter 35″ sei, „und besser noch unter 10″, weil man dann „endlich wieder alle Einzelfälle nachverfolgen könne.“ Jetzt liegt die Rate schon seit Wochen unter 35 und seit ein paar Tagen unter 10, und ich bin mir ganz sicher, dass jetzt die Gesundheitsämter munter nachverfolgen, und jeden einzelnen Corona-Fall mit seinem Dutzenden Kontakten mit Bleistift auf ihren Notizblöcken eintragen, und das dann irgendwelche armen Praktikanten in Spahns Ministerium oder beim RKI digitalisieren müssen. Das schafft bestimmt Arbeitsplätze und macht sicher Laune, und ist ganz sicher ungemein effektiv und sinnvoll in der Pandemie-Eindämmung. Denn mit diesen Daten können die Forscher jetzt endlich forschen, und die Gesundheitsämter jetzt endlich – wonach sie sich schon so lange sehnen – alle Kontakte abtelefonieren.
Die mit dem Feuer spielen … Gedanken in der Pandemie, Folge 120.
„Dämmernd liegt der Sommerabend/ Über Wald und grünen Wiesen; Goldner Mond im blauen Himmel/ Strahlt herunter, duftig labend. An dem Bache zirpt die Grille,/ Und es regt sich in dem Wasser, Und der Wandrer hört ein Plätschern/ Und ein Atmen in der Stille. Dorten, an dem Bach alleine,/ Badet sich die schöne Elfe; Arm und Nacken, weiß und lieblich,/ Schimmern in dem Mondenscheine.“
Heinrich Heine, Animateur
„Vielleicht lacht man über Deinen Zweifel …“
Friedrich Nietzsche, Unternehmensberater
Rückkehr zur Normalität heißt auch, dass die Themen wieder normaler und vielfältiger werden.
+++
549 lautet die Zahl der Neuinfektionen heute – erstmals nach acht Monaten unter 1.000 in Deutschland. Unterschätzen wir nicht, wie großartig diese Nachricht ist. Das heißt jetzt nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Es heißt aber, dass es schon mal viel schlimmer war und wir uns alle ein bisschen entspannen dürfen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-06-14 22:40:412021-06-14 22:40:41Gedanken in der Pandemie 120: Leben mit dem Tod
Kehren wir in mittelalterliche Verhältnisse zurück? Wie Corona die Tendenz zu dritten Räumen und dritten Zeiten verschärft – Gedanken in der Pandemie, Folge 119.
„Je planvoller die Organisation ist, desto weniger haben die Menschen noch miteinander zu tun.[…] Das junge Volk, das in den breiten Schichten zwischen dem Proletariat und dem Bürgertum aufwächst, passt sich mehr oder weniger leicht dem Betrieb an. Viele lassen sich unwissend treiben und machen mit, ohne noch zu ahnen, dass sie eigentlich gar nicht dazugehören.[…] Sie möchten ihre eigenen Empfindungen ausdrücken; sie widersetzen sich dem System, das ihr Dasein zu bestimmen sucht, und werden doch von dem System übermannt.“ Siegfried Kracauer, „Die Angestellten“ (1929)
Sachsen-Anhalt hat gewählt! Die für viele überraschenden Resultate wurden am Montagmorgen im Deutschlandfunk bei „Kontrovers“ debattiert. In der hochinteressanten Diskussion mit Hörerbeteiligung skizzierte der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke die derzeitige politische Lage aus seiner Sicht: „Wir erleben eine gespaltene Öffentlichkeit“. Es gebe die Debatte der städtischen Bevölkerung, wo man sich für Klimaschutz, Digitalisierung, korrekte Sprache und ähnliches interessiere, und dann gebe es die Debatten der Landbevölkerung: Dort braucht man ein privates Auto und Arbeitsplätze, sorgt sich um soziale Themen und möchte nicht gleich als Rassist beschimpft werden, wenn man sich darum sorgt, dass möglicherweise zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Wenn man dann noch wie die Grünen in der Woche vor der Wahl in einem Flächenstaat eine Benzinpreisdiskussion beginnt, darf man sich nicht wundern, wenn das Wahlergebnis enttäuschend ausfällt.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-06-07 23:02:162021-06-07 23:02:16Gedanken in der Pandemie 119: Leben, um zu arbeiten oder: Die Kolonisierung des Privatlebens
Corona-Moralismus, Corona-Hedonismus, Corona ist eine kollektive Erfahrung – Gedanken in der Pandemie 118.
„Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisieren aller Vorgänge desselben.“
Friedrich Nietzsche
„Ich sehe als Liberaler eine große Verantwortung für das, was man in Freiheit schaffen kann. Und man muss überraschend sein. Nehmen Sie die ,Taz’-Kolumnistin, die Polizisten auf den Müll wünscht. Darüber, dass diese Kolumnistin jetzt Werbung für Luxusmode macht, schreibe ich: Wunderbar, sie hat kapiert, wie die Ökonomie der Aufmerksamkeit funktioniert.“ Ulf Poschardt, Autor und Journalist
„Freiheiten sind nicht rechtfertigungsbedürftig.“ Robert Habeck
Liebe Leser, habt ihr schon „Lockdown-Schmerz“? Also sehnt ihr euch schon nach dem allmählich verblassenden Lockdown zurück? Als alles so schön ruhig war? Als man nicht ins Museum musste? „Als alles noch viel schöner war.“
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-06-02 11:50:502021-06-02 11:50:50Gedanken in der Pandemie 118: Als wir noch quer denken durften
Oft verteufelt und doch vermisst: „Am Set habe ich arbeiten gelernt“, meint unsere Autorin. Und noch einiges mehr. | Stockfoto
Schlechtes Wetter, kleine Katastrophen und hinten läuft die Zeit … Unsere Gastautorin vermisst die Zeit beim Dreh. Wirklich.
[Wunsch und Anmerkung der Autorin: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.]
Ich möchte eine bekannte Geschichte erzählen, die jeder so oder so ähnlich nachvollziehen kann, der mal am Set gearbeitet hat. Ich war ein junges Mädchen Anfang 20, das mit ihrem ersten Studiengang auf die Schnauze geflogen ist. Zuviel gefeiert, zu wenig gelernt, das erste Mal von Zuhause raus. Da blieb nicht viel Zeit fürs Studium – und schon kamen auch die ersten Zweifel auf. Wollte ich nicht lieber was mit Medien machen? So wie alle? Das ist doch heutzutage angesagt und cool. Die Entscheidung stand. Der Studiengang sollte gewechselt werden, doch erstmal war Sommer. Ein Besuch bei der Familie und eine Tante, die in der Filmbranche tätig ist. So bekam ich ein Praktikum am Filmset. Ohne überhaupt je darüber nachgedacht zu haben, dass es so etwas wie Filmsets überhaupt gibt, stand ich auch schon mittendrin.
Im Podcast des „Freitag“ diskutierte dessen Verleger Jakob Augstein mit dem „Focus“-Kolumnisten Jan Fleischhauer über die Rolle des Journalismus nicht nur in Corona-Zeiten. | Screenshot
15 Monate Lockdown, Mitleid mit den Grünen, Impfneid und der trübe „Tagesspiegel“ – Gedanken in der Pandemie 117.
„Satire darf alles!“
Kurt Tucholsky, 1919
„Satire darf alles. Außer Corona und Medien.“
Harald Martenstein, 2021
„Man kann über Jan Fleischhauer alles Mögliche sagen, aber dass er die Dinge besser machen will – eher nicht. Fleischhauer gehört zu der Sorte altmodischer Journalisten, die nicht der Auffassung sind, dass ihre Aufgabe darin besteht, die Dinge besser zu machen. Sondern darin, sie zu kritisieren, zu erklären, zu begleiten, sich darüber lustig zu machen. Der jüngere, moderne, zeitgemäßere Journalist würde heute wahrscheinlich eher seine ,gesellschaftliche Verantwortung’ in den Mittelpunkt stellen. Also Rettung des Klimas, Einhaltung der Coronaregeln, Gleichberechtigung der Frauen, Kampf gegen den Rassismus – und das sind ja auch alles wichtige Dinge und Themen, um die man sich kümmern muss. Es ist vielleicht nur die Frage, ob es gerade die Aufgabe von Journalisten ist, sich darum zu kümmern.“ Jakob Augstein im Podcast-Gespräch mit Jan Fleischhauer
„Der Tagesspiegel“ hat sich für seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen entschuldigt. Nicht richtig, aber zumindest verdruckst ein bisschen. Das Blatt gesteht „handwerkliche Fehler“ und Versäumnisse ein, und sieht zusätzlichen Aufklärungsbedarf.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-05-17 23:25:362021-05-19 14:58:59Gedanken in der Pandemie 117: Die Zerstörung der Freude im Namen des Lebens
Bei der Diskussion entschuldigte sich der „Tagesspiegel“ bei Paul Brandenburg (großes Fenster, Mitte), dem sie „antidemokratische Äußerungen“ unterstellt hatte. | Screenshot
„Der Tagesspiegel“ hat sich vorige Woche „mit spitzen Lippen“ („Perlentaucher“) korrigiert: Seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen habe selbst eine Kontroverse ausgelöst. Im Klartext: „Der Tagesspiegel“ hatte behauptet, Paul Brandenburg sei Mitinitiator des Projekts – was dieser dementiert. Keine*r der vier Autor*innen, die dazu rechercherierten, hatte mit Brandenburg gesprochen. Dafür waren die Vorwürfe gegen ihn umso heftiger: „Diese Recherchen haben zahlreiche neue Hintergründe aufgezeigt, wurden vielfältig zitiert und wir führen sie weiter. Allerdings sind uns dabei auch handwerkliche Fehler unterlaufen, für die wir um Entschuldigung bitten. Paul Brandenburg ist mehrfach in alternativen Medien aufgetreten, die auch Verbindungen zur Querdenker-Szene haben. Wir haben ihn mit Äußerungen aus diesen Auftritten zitiert und diese als ,antidemokratisch‘ bezeichnet. Dieser Begriff ist durch Brandenburgs Äußerungen nicht gedeckt. Online haben wir das korrigiert. Zudem haben wir Paul Brandenburg vor der Publikation nicht um eine Stellungnahme gebeten – eigentlich ein journalistisches Muss.“
Am Dienstag diskutierten die Journalisten des „Tagesspiegel“ auf einem virtuellen Podium mit Brandenburg über die Berichterstattung.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2021-05-17 21:32:392021-05-18 01:54:13#allesdichtmachen – Folge 6: Zu weit recherchiert
Gedanken in der Pandemie 122: „Wir sind die Roboter …“
Rüdiger Suchsland, Unsere Gäste„The Trouble with Being Born“ ist Sandra Wollners Abschlussarbeit an der Filmakademie Ludwigsburg. Der Film ist eine Zumutung. Man sollte sie sich antun“, meint der Kritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. | Foto © Panama Films
Träumen Menschen eigentlich von elektrischen Schafen? Gedanken in der Pandemie, Folge 122.
„Wir sind auf alles programmiert/ Und was du willst, wird ausgeführt
Wir sind die Roboter/ Wir sind die Roboter“
Kraftwerk „Die Roboter“; 1978
„Das Nebensächliche ist das Wesen der Kommunikation – folglich des Denkens. Es bildet das Fleisch und das Blut des Wortes und der Schrift. Darauf verzichten wollen hieße soviel, wie mit einem Skelett huren.“
E. M. Cioran
„Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“
Sepp Herberger
Letzte Woche lag die Inzidenz in Deutschland bei etwa 9, heute liegt sie bei 5,6. In Italien und Österreich fallen die letzten Einschränkungen. Weiterhin gute Nachrichten also. Aber weiterhin ist der deutsche Corona-Diskurs von Sorge, Warnung, Verbotsideen und Narzissmus geprägt. Zum Narzissmus gehört die dauernde Nabelschau, der Unwille, sich wirklich für andere Länder zu interessieren, die Fixierung auf uns selber.
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Gedanken in der Pandemie 121: „Delta 121 greift an!!!“
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDie Viren heißen jetzt anders. „Delta“ heißt die zurzeit schlimmste Mutation – und der Name war auch schon für zahlreiche Action-Filme gut. Szenenfoto aus „Delta Force“ (1986). | Foto © Scotia
Deutschland in Sorge, zwischen Trash-Science-Fiction und Nanny-Staat Flanieren an der Seine – Gedanken in der Pandemie, Folge 121.
Inzwischen liegt die Corona-Tagesinzidenzrate nur noch bei 9. Am höchsten ist sie in Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Hessen.
Was bei diesen guten Nachrichten gerade vollkommen in Vergessenheit gerät: Monatelang wurde uns öffentlich in regierungsamtlichen Verlautbarungen wie im Talkshow-Gerede der jeweiligen Gäste, ob Politiker oder Virologen, fortwährend eingeredet, dass das Senken der Inzidenzrate das Allerwichtigste sei. Und warum das? Weil man dann wenn die Rate „erstmal unter 35″ sei, „und besser noch unter 10″, weil man dann „endlich wieder alle Einzelfälle nachverfolgen könne.“ Jetzt liegt die Rate schon seit Wochen unter 35 und seit ein paar Tagen unter 10, und ich bin mir ganz sicher, dass jetzt die Gesundheitsämter munter nachverfolgen, und jeden einzelnen Corona-Fall mit seinem Dutzenden Kontakten mit Bleistift auf ihren Notizblöcken eintragen, und das dann irgendwelche armen Praktikanten in Spahns Ministerium oder beim RKI digitalisieren müssen. Das schafft bestimmt Arbeitsplätze und macht sicher Laune, und ist ganz sicher ungemein effektiv und sinnvoll in der Pandemie-Eindämmung. Denn mit diesen Daten können die Forscher jetzt endlich forschen, und die Gesundheitsämter jetzt endlich – wonach sie sich schon so lange sehnen – alle Kontakte abtelefonieren.
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Gedanken in der Pandemie 120: Leben mit dem Tod
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDie Eidgenoss*innen haben abgestimmt und eine CO2-Abgabe abgelehnt. Der Klimawandel wird in der Schweiz erstmal verschoben. | Foto © SRF
Die mit dem Feuer spielen … Gedanken in der Pandemie, Folge 120.
„Dämmernd liegt der Sommerabend/ Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond im blauen Himmel/ Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,/ Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern/ Und ein Atmen in der Stille.
Dorten, an dem Bach alleine,/ Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,/ Schimmern in dem Mondenscheine.“
Heinrich Heine, Animateur
„Vielleicht lacht man über Deinen Zweifel …“
Friedrich Nietzsche, Unternehmensberater
Rückkehr zur Normalität heißt auch, dass die Themen wieder normaler und vielfältiger werden.
+++
549 lautet die Zahl der Neuinfektionen heute – erstmals nach acht Monaten unter 1.000 in Deutschland. Unterschätzen wir nicht, wie großartig diese Nachricht ist. Das heißt jetzt nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Es heißt aber, dass es schon mal viel schlimmer war und wir uns alle ein bisschen entspannen dürfen.
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Gedanken in der Pandemie 119: Leben, um zu arbeiten oder: Die Kolonisierung des Privatlebens
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDer Independent-Regisseur John Carpenter ist jetzt auch schon 73. Arte widmet ihm ab heute einen Programmschwerpunkt samt Dokumentation. | Foto © Arte
Kehren wir in mittelalterliche Verhältnisse zurück? Wie Corona die Tendenz zu dritten Räumen und dritten Zeiten verschärft – Gedanken in der Pandemie, Folge 119.
„Je planvoller die Organisation ist, desto weniger haben die Menschen noch miteinander zu tun. […] Das junge Volk, das in den breiten Schichten zwischen dem Proletariat und dem Bürgertum aufwächst, passt sich mehr oder weniger leicht dem Betrieb an. Viele lassen sich unwissend treiben und machen mit, ohne noch zu ahnen, dass sie eigentlich gar nicht dazugehören. […] Sie möchten ihre eigenen Empfindungen ausdrücken; sie widersetzen sich dem System, das ihr Dasein zu bestimmen sucht, und werden doch von dem System übermannt.“
Siegfried Kracauer, „Die Angestellten“ (1929)
Sachsen-Anhalt hat gewählt! Die für viele überraschenden Resultate wurden am Montagmorgen im Deutschlandfunk bei „Kontrovers“ debattiert. In der hochinteressanten Diskussion mit Hörerbeteiligung skizzierte der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke die derzeitige politische Lage aus seiner Sicht: „Wir erleben eine gespaltene Öffentlichkeit“. Es gebe die Debatte der städtischen Bevölkerung, wo man sich für Klimaschutz, Digitalisierung, korrekte Sprache und ähnliches interessiere, und dann gebe es die Debatten der Landbevölkerung: Dort braucht man ein privates Auto und Arbeitsplätze, sorgt sich um soziale Themen und möchte nicht gleich als Rassist beschimpft werden, wenn man sich darum sorgt, dass möglicherweise zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Wenn man dann noch wie die Grünen in der Woche vor der Wahl in einem Flächenstaat eine Benzinpreisdiskussion beginnt, darf man sich nicht wundern, wenn das Wahlergebnis enttäuschend ausfällt.
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Gedanken in der Pandemie 118: Als wir noch quer denken durften
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeBeim Ausmisten im Lockdown fallen einem mitunter Fundstücke aus der alten Normalität in die Hände. Zum Beispiel ein „Arte-Magazin“ von 2010, als das Wort „Querdenker“ noch als Kompliment galt. | Foto © Rüdiger Suchsland
Corona-Moralismus, Corona-Hedonismus, Corona ist eine kollektive Erfahrung – Gedanken in der Pandemie 118.
„Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisieren aller Vorgänge desselben.“
Friedrich Nietzsche
„Ich sehe als Liberaler eine große Verantwortung für das, was man in Freiheit schaffen kann. Und man muss überraschend sein. Nehmen Sie die ,Taz’-Kolumnistin, die Polizisten auf den Müll wünscht. Darüber, dass diese Kolumnistin jetzt Werbung für Luxusmode macht, schreibe ich: Wunderbar, sie hat kapiert, wie die Ökonomie der Aufmerksamkeit funktioniert.“
Ulf Poschardt, Autor und Journalist
„Freiheiten sind nicht rechtfertigungsbedürftig.“
Robert Habeck
Liebe Leser, habt ihr schon „Lockdown-Schmerz“? Also sehnt ihr euch schon nach dem allmählich verblassenden Lockdown zurück? Als alles so schön ruhig war? Als man nicht ins Museum musste? „Als alles noch viel schöner war.“
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Ein Brief ans Filmset
Theresa Annika, Unsere GästeOft verteufelt und doch vermisst: „Am Set habe ich arbeiten gelernt“, meint unsere Autorin. Und noch einiges mehr. | Stockfoto
Schlechtes Wetter, kleine Katastrophen und hinten läuft die Zeit … Unsere Gastautorin vermisst die Zeit beim Dreh. Wirklich.
[Wunsch und Anmerkung der Autorin: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.]
Ich möchte eine bekannte Geschichte erzählen, die jeder so oder so ähnlich nachvollziehen kann, der mal am Set gearbeitet hat. Ich war ein junges Mädchen Anfang 20, das mit ihrem ersten Studiengang auf die Schnauze geflogen ist. Zuviel gefeiert, zu wenig gelernt, das erste Mal von Zuhause raus. Da blieb nicht viel Zeit fürs Studium – und schon kamen auch die ersten Zweifel auf. Wollte ich nicht lieber was mit Medien machen? So wie alle? Das ist doch heutzutage angesagt und cool. Die Entscheidung stand. Der Studiengang sollte gewechselt werden, doch erstmal war Sommer. Ein Besuch bei der Familie und eine Tante, die in der Filmbranche tätig ist. So bekam ich ein Praktikum am Filmset. Ohne überhaupt je darüber nachgedacht zu haben, dass es so etwas wie Filmsets überhaupt gibt, stand ich auch schon mittendrin.
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Gedanken in der Pandemie 117: Die Zerstörung der Freude im Namen des Lebens
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeIm Podcast des „Freitag“ diskutierte dessen Verleger Jakob Augstein mit dem „Focus“-Kolumnisten Jan Fleischhauer über die Rolle des Journalismus nicht nur in Corona-Zeiten. | Screenshot
15 Monate Lockdown, Mitleid mit den Grünen, Impfneid und der trübe „Tagesspiegel“ – Gedanken in der Pandemie 117.
„Satire darf alles!“
Kurt Tucholsky, 1919
„Satire darf alles. Außer Corona und Medien.“
Harald Martenstein, 2021
„Man kann über Jan Fleischhauer alles Mögliche sagen, aber dass er die Dinge besser machen will – eher nicht. Fleischhauer gehört zu der Sorte altmodischer Journalisten, die nicht der Auffassung sind, dass ihre Aufgabe darin besteht, die Dinge besser zu machen. Sondern darin, sie zu kritisieren, zu erklären, zu begleiten, sich darüber lustig zu machen.
Der jüngere, moderne, zeitgemäßere Journalist würde heute wahrscheinlich eher seine ,gesellschaftliche Verantwortung’ in den Mittelpunkt stellen. Also Rettung des Klimas, Einhaltung der Coronaregeln, Gleichberechtigung der Frauen, Kampf gegen den Rassismus – und das sind ja auch alles wichtige Dinge und Themen, um die man sich kümmern muss.
Es ist vielleicht nur die Frage, ob es gerade die Aufgabe von Journalisten ist, sich darum zu kümmern.“
Jakob Augstein im Podcast-Gespräch mit Jan Fleischhauer
„Der Tagesspiegel“ hat sich für seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen entschuldigt. Nicht richtig, aber zumindest verdruckst ein bisschen. Das Blatt gesteht „handwerkliche Fehler“ und Versäumnisse ein, und sieht zusätzlichen Aufklärungsbedarf.
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#allesdichtmachen – Folge 6: Zu weit recherchiert
out takes, Peter HartigBei der Diskussion entschuldigte sich der „Tagesspiegel“ bei Paul Brandenburg (großes Fenster, Mitte), dem sie „antidemokratische Äußerungen“ unterstellt hatte. | Screenshot
„Der Tagesspiegel“ hat sich vorige Woche „mit spitzen Lippen“ („Perlentaucher“) korrigiert: Seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen habe selbst eine Kontroverse ausgelöst. Im Klartext: „Der Tagesspiegel“ hatte behauptet, Paul Brandenburg sei Mitinitiator des Projekts – was dieser dementiert. Keine*r der vier Autor*innen, die dazu rechercherierten, hatte mit Brandenburg gesprochen. Dafür waren die Vorwürfe gegen ihn umso heftiger: „Diese Recherchen haben zahlreiche neue Hintergründe aufgezeigt, wurden vielfältig zitiert und wir führen sie weiter. Allerdings sind uns dabei auch handwerkliche Fehler unterlaufen, für die wir um Entschuldigung bitten. Paul Brandenburg ist mehrfach in alternativen Medien aufgetreten, die auch Verbindungen zur Querdenker-Szene haben. Wir haben ihn mit Äußerungen aus diesen Auftritten zitiert und diese als ,antidemokratisch‘ bezeichnet. Dieser Begriff ist durch Brandenburgs Äußerungen nicht gedeckt. Online haben wir das korrigiert. Zudem haben wir Paul Brandenburg vor der Publikation nicht um eine Stellungnahme gebeten – eigentlich ein journalistisches Muss.“
Am Dienstag diskutierten die Journalisten des „Tagesspiegel“ auf einem virtuellen Podium mit Brandenburg über die Berichterstattung.
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