Gedanken in der Pandemie 122: „Wir sind die Roboter …“

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„The Trouble with Being Born“ ist Sandra Wollners Abschlussarbeit an der Filmakademie Ludwigsburg. Der Film ist eine Zumutung. Man sollte sie sich antun“, meint der Kritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. | Foto © Panama Films


Träumen Menschen eigentlich von elektrischen Schafen? Gedanken in der Pandemie, Folge 122.

„Wir sind auf alles programmiert/ Und was du willst, wird ausgeführt
Wir sind die Roboter/ Wir sind die Roboter“
Kraftwerk „Die Roboter“; 1978

„Das Nebensächliche ist das Wesen der Kommunikation – folglich des Denkens. Es bildet das Fleisch und das Blut des Wortes und der Schrift. Darauf verzichten wollen hieße soviel, wie mit einem Skelett huren.“
E. M. Cioran

„Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“
Sepp Herberger

Letzte Woche lag die Inzidenz in Deutschland bei etwa 9, heute liegt sie bei 5,6. In Italien und Österreich fallen die letzten Einschränkungen. Weiterhin gute Nachrichten also. Aber weiterhin ist der deutsche Corona-Diskurs von Sorge, Warnung, Verbotsideen und Narzissmus geprägt. Zum Narzissmus gehört die dauernde Nabelschau, der Unwille, sich wirklich für andere Länder zu interessieren, die Fixierung auf uns selber.

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Jetzt ist der erste Corona-Film fertig. Ihn hat tatsächlich die ARD gemacht, jedenfalls finanziert. Gleich mehr als eine ganze Handvoll Sender steht, wie sonst nur bei einer Nico-Hofmann-Produktion oder einem Amphibien-Film der Constantin, auf dem Abspann.

Er stammt von Volker Heise und heißt „Schockwellen – Nachrichten aus der Pandemie“. Am Mittwochabend, demnach ohne EM-Fußball-Konkurrenz läuft der Film, der trotz seiner 88 Minuten also einer klassischen Filmlänge, nicht ins deutsche Kino kommt, und auch nicht bei ausländischen Festivals laufen oder überhaupt im Ausland zu sehen sein wird – ein klassischer deutscher Fernsehfilm – in der ARD. Um 22.50 Uhr direkt nach den Tagesthemen. 

Was ich darüber gelesen und gehört habe, lässt mich optimistisch sein. Und wenn ich höre dass der Film die Zeit seit Anfang 2020 ausschließlich mit Nachrichten Material und ohne Kommentar dokumentiert, und weiß dass er von Andrew Bird (dem Editor unter anderem  von Fatih Akin) geschnitten wurde, dann freue ich mich schon jetzt auf den Film.

Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt, wenn das einst Aktuelle, Zufällige zum Repräsentativen wird: Archivmaterial, „direkt, unvermittelt, ungefiltert. Nachrichten, Reportagen, Talkshows, Live-Schalten und Videoblogs bilden zusammen die Grundlage für einen vielstimmigen Chor, der die Geschichte der Pandemie anstimmt, sie verdichtet und ihr folgt, von Januar 2020 bis heute, mit einem Fokus auf Deutschland. Zu sehen ist eine Gesellschaft in Zeiten der Krise, erfasst von den Schockwellen der Pandemie.“ (ARD Pressetext)

Aus den letzten Sätzen liest man dann auch wieder mindestens thematisch die Gefahr der Nabelschau. 

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Wer der vorbeugen will, der muss in Deutschland schon aktiv etwas tun. In den TV-Nachrichten, auch in den sogenannten Qualitätsmedien jenseits des Radios findet sehr viel „Deutschland“ statt, auch noch ein bisschen „Europa“ – allerdings vor allem unter dem Fokus der „Lage des westlichen Bündnisses“ – aber sehr wenig übrige Welt. 

Sehr verlässlich informiert, allerdings im besseren Sinne des Wortes „konservativ“, wird man von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“; dem regierungsnahen und sehr selten regierungskritischen, aber gut informierten undifferenzierten Think Tank für Außenpolitik und internationale Politik. Dort war schon im vergangenen Jahr zum Beispiel etwas über „Eurasiens Wirtschaft und Covid-19“ zu erfahren. Zu Lateinanerika informiert der „Lateinamerikaverein“.

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Mit den Fußball-EM-Spielen wurde auch die Welt wieder angepfiffen. Nach ungezählten Monaten und gefühlten Ewigkeiten in einem Ausnahmezustand, der einem das Gemüt zermürbt und die Nerven müde gemacht hat, kommt langsam eine Andeutung von Normalität zurück, und eine Normalität, in der man sich den Ausnahmezustand selber wählen kann. Zum Beispiel in Form der Europameisterschaft. Endlich wird einem einmal nichts verordnet und aufgedrängt, endlich darf man sich infizieren und zwar mit der Begeisterung des frei gewählten Wahnsinn, der Fußball immer auch ist. Nach den Geisterspielen in leeren Stadien, in denen es Siege und Niederlagen nur ohne Applaus gab, aber vor Tausenden von schweigende Stühlen, füllen sich die Plätze wieder mit jubelnden Fluch Enden und bunt gekleideten Fanscharen.

Sie strömen zurück, kommen aus der Isolation ihrer Wohnungen und ergießen sich auf die Zuschauerränge – selbst wenn jeder zweite Platz frei bleiben muss, weil selbst die Massen bei Massen Ereignissen zurzeit noch bescheiden sein sollen. Aber dennoch: Das Menschen-Vakuum löst sich auf, Gesellschaft wird wieder das, was sie sein soll, nämlich analog und gesellig, nicht virtuell und isoliert. Das Publikum kehrt wieder, und es ist hungrig auf die Unmittelbarkeit und dem kollektiven Überschwang – erst recht nach den Erfahrungen des Stillstands und der Vereinzelung der letzten Monate. 

Die Grazer Schriftstellerin Valerie Fritsch schreibt dazu: „Die EM-Spiele sind auch unbewusste Katharsis-Festspiele für Euphorie und die Fröhlichkeit unverrückbarer Meinungen, für Abstiegs-Wut, Gegnerhass, Schimpfwörterfreude, einen Ton, eine Lautstärke und selbstvergessene Lebendigkeit, die man sich schon lange nicht mehr guten Gewissens erlauben durfte. Man lässt es emotional krachen. Die Welt geht endlich wieder live, und mit den Gefühlen geht es los.“

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Klar dass solche Ansicht solche Euphorien zu viel positives Denken nicht von allen geteilt wird. Ganz warm war mal wieder Claudia Roth von den Grünen, die ich wirklich nicht gerne „Verbotspartei“ nenne,  die mir aber doch immer wieder dazu Anlass geben.

Ganz unkommentiert möchte ich hier einfach Roths Interview im Deutschlandfunk verlinken, in dem sie erklärt warum man diese EM nie hätte so veranstalten dürfen. Viel Vergnügen!

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Auch drei Links in eigener Sache: Bei „Telepolis“ schreibe ich regelmäßig über die Fußball-EM. Schon geschrieben habe ich über den deutschen Angriff auf die Sowjetunion vor 80 Jahren in zwei Teilen.

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Die Kinos machen wieder auf, die die es noch gibt jedenfalls, und die, die nicht von den Corona-Hilfsmaßnahmen mehr profitieren, als vom Normalgeschäft. Tatsächlich denke ich jetzt eine einige konkrete Beispiele unter den Kinobetreibern stellvertretend für alle anderen. Darunter sind aber auch sehr sympathische Menschen, die ich wirklich schätze, deswegen traue ich mich jetzt nicht, konkrete Namen zu nennen. Aber ich finde es grundsätzlich überhaupt nicht richtig, dass die Kinoschließung subventioniert wird und nicht die Kinoöffnung. Man sollte zumindest jetzt in diesem kurzen Zeitfenster zwischen dem Abflachen der englischen Mutante und dem Ende des Acht-Monats-Lockdowns und dem wahrscheinlichen Beginn der nächsten Welle und dem  nächsten Lockdown in den Wochen nach der Bundestagswahl,  nicht diejenigen belohnen, die zu bleiben und die auf ihre Angst hören, sondern diejenigen die Mut haben und etwas ausprobieren.

Also: Die Kinos machen auf. Man kann darüber so schreiben, wie gestern Peter Körte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ : „Das Kino ist wieder da! Nach acht langen Monaten Wartezeit ist es endlich so weit: Am 1. Juli werden die Kinos in Deutschland wiedereröffnet. Mit Abstand, mit Maske, teilweise auch mit Tests. Aber es gibt viele neue, lohnende Filme. Große und laute, kleine und kühle, berührende und romantische, dokumentarische, preisgekrönte und politische – Filme, die zeigen, warum wir das Kino brauchen.“ 

Man kann auch, bei aller Freude über die Tatsache der Öffnung auf das hinweisen, was mit ihr einhergeht: Ein massiver Verdrängungswettbewerb und die groteske Situation, dass allein in diesem Juli an fünf Startdonnerstagen 88 Filme (Stand heute) von den Verleihen ins Kino gebracht werden. 

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Das Thema der Künstlichen Intelligenz und der Verschmelzungen von Mensch und Maschine ist zwar alles andere als neu, wird aber zurzeit gerade neu thematisiert. Nicht nur im neuen Roman von Kazuo Ishiguru, sondern auch in zwei Filmen, die an diesem Donnerstag (zusammen mit 25 anderen) starten.

Das Buch der Stunde stammt von Kazuo Ishiguru, dem in England lebenden Japaner, der 2017 den Nobelpreisträger bekam, und gleich zwei Romane schrieb, die die Vorlage zu großartigen Filmen lieferten: „The Remains of the Day“ von James Ivory (1993) und „Never Let Me Go“ von Mark Romanek (2010). Auch „Klara and the Sun“ (“Klara und die Sonne“), der gerade erschienen ist, schreit nach einer Verfilmung, gerade weil es bei Ishiguru nicht um grelle Special-Effects geht, sondern auch die Welt der Zukunft so aussieht, wie die Gegenwart. 

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Das Thema des künstlichen Menschen gehört seit seinen ersten Jahrzehnten zu den großen Topoi des Kinos. Beginnend mit Paul Wegeners „Golem“ und Fritz Langs „Metropolis“, in dessen Zentrum bereits eine sexualisierte Maschinen-Frau steht, bis zur Gegenwart ist dieser Maschinenmensch immer zugleich Bedrohung durch seine Überlegenheit gegenüber seinem Schöpfer und schutzbedürftiges Wesen, das sich in der menschlichen Welt nur eingeschränkt zurecht findet. Das Sujet kreist vor allem um die Frage, was eigentlich der Platz ist, den solche Android-Roboter in unserem Leben haben?

Die österreichische, in Berlin lebende Regisseurin Sandra Wollner erzählt in ihrem zweiten Spielfilm nun diese Geschichte komplett aus der Sicht des Roboters, einem Wesen in Teenagergestalt. 

Wollner gehört zu jenen Filmemacherinnen aus Österreich, bei denen man zwar sofort an Michael Haneke denken kann, doch das „Österreichische“ liegt hier weniger in einem Interesse für das Schräge, Böse, Absonderliche, Wahnsinnige, Hässliche der „bürgerlichen Gesellschaft“. Sondern in einer Konsequenz des Schauens, Inszenierens und Erzählens, die dem größten Teil des deutschen Kinos, weit über den Mainstream hinaus, unverständlich ist. 

Was man sich oft als „Kälte“ oder gar „Zynismus“ österreichischen Filmemachens vom Leibe hält, erweist sich gerade bei Wollner als Empathie anderer Art.

Wollners neuer Film „The Trouble With Being Born“ ist in seinem Blick tastend und experimentell, deutlich an neuem Terrain interessiert. Es gibt immer wieder langsame, vorsichtige Drehungen der Perspektive, des Sinns, der Stimmungen und Beziehungen. Es überwiegt Unsicherheit der Figuren. Visuell bedienen sich Wollner und Kameramann Timm Kröger eindeutig aus dem Arsenal des Horrorfilms.Trotzdem ist „The Trouble with Beeing Born“ kein Horrorfilm. Sondern die Betrachtung der Rolle, die Erinnerung für das Wesen des Menschen spielen. 

Bei der Berlinale 2020 gewann der Film den Preis in der Sektion „Encounters“, jetzt, zur langersehnten Kinoöffnung  nach dem Lockdown, kommt er in die Kinos. 

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An den Fragen, was den Mensch zum Mensch und die Maschine zur Maschine macht, und ob Maschinen nicht die besseren Menschen seien, ist Wollner genauso interessiert wie Maria Schrader in ihrer Komödie „Ich bin Dein Mensch“. Sie geht mit ihnen allerdings ganz anders um und auf anderem Niveau. Sie bewertet ihre Figuren nicht, sondern sieht ihnen einfach zu.

In diesem herausragenden, stilsicheren und in jeder Hinsicht originellen Film erleben wir den Emanzipationsprozeß einer Maschine. Indem Wollner die Geschichte der Maschine erzählt, erzählt sie überraschenderweise auch etwas darüber, was menschliche Individuen und individuelle Maschinen möglicherweise gemeinsam haben: Sie sind immer auf der Suche. Sie müssen immer wieder aufbrechen. Auch wenn dieser Aufbruch einer nach Nirgendwo ist. 

Wollners tastender atmosphärischer Stil lässt uns daran teilhaben, dass sich zu verirren und zu verlieren auch ein besonderes Potenzial des Kinos ist, dass wir nicht geringschätzen und schon gar nicht abwehren sollten.

In letzter Zeit begegnet man im Kino immer öfter Maschinen, die alles besser wissen, die empathischer sind, und dadurch sympathischer, moralisch besser als die Menschen. Vielleicht ist aber genau dies die wahre Horrorvision? 

Sandra Wollner holt jedenfalls den Schrecken zurück in die Erzählungen vom Aufstieg der Maschinen.

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Im  kommenden Monat erscheint ein Buch, in dem Moritz Schularick unter dem Titel „Der entzauberte Staat“ erklärt, „was Deutschland aus der Pandemie lernen muss“. Im Klappentext klingt das so: „Wie soll ein Staat, der es nicht schafft, Lüfter in die Klassenzimmer seiner Schulen einzubauen, im kommenden Jahrzehnt den komplexen ökologischen Umbau der Wirtschaft steuern? Dafür brauchen wir einen vorausschauenden, risikobereiten und handlungsstarken Staat, der die richtigen Anreize setzt und in neuen Situationen flexibel reagieren kann. Also genau das, was uns in der Pandemie fehlte. Dieses Buch zeigt die Defizite im Management der Krise auf und beschreibt, was sich ändern muss, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen wollen.“ Deutschland erscheint hier als „Das Land der begrenzten Möglichkeiten“.

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Man kann es kaum glauben, aber die deutschen gehören tatsächlich zu den innovativsten Nationen der Welt. Dies behauptet zumindest die jährliche Rangliste des „Bloomberg Index“, die Deutschland 2021 auf Platz 4 führt.

Hinter Südkorea auf Platz 1, Singapur und der Schweiz, und nur ein Platz vor Schweden, Dänemark, Israel und Finnland, aber weit vor den USA (11), Japan (12), Frankreich (13). Kleiner Wermutstropfen: 2019 lag Deutschland noch auf Platz 1. Aber immerhin! Keine Ahnung, was genau die Kriterien besagen, aber offenbar hat man über 200 Volkswirtschaften ausgewertet, und nach „den sieben gleich-gewichteten Kategorien R&D Intensity (Research & development expenditure), Manufacturing value-added, Productivity, High-tech density, Tertiary Efficiency, Researcher Concentration und Patent Activity Punkte vergeben. Weitere Informationen hier. 

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Zumindest in einer Hinsicht stimmt das mit der Innovation nicht so einfach. Denn so toll die Geschichte von Biontech, so traurig ist die von CureVac. Im Rückblick wirkt es billig, trotzdem schreibe ich erstmal hin, dass ich es immer schon merkwürdig empfunden habe, wie sehr der CureVac-Gründer Ingmar Hoerr von den deutschen Medien, auch bei dem sonst so besonnenen „Markus Lanz“ abgefeiert wurde. 

In der „Taz“ wird der Fall sehr kritisch kommentiert, und einige wichtige Fragen werden gestellt. Überraschend hart ist auch das Urteil über Hoerr persönlich: „Nachvollziehbare Details über die Forschungen des Tübinger Unternehmens sind jedoch schwer einzusehen, denn die dort tätigen Wissenschaftler publizieren nur wenig. So hat Ingmar Hoerr, auf dessen Forschung das Impkonzept von Curevac aufbaut, im Laufe seiner Karriere lediglich an einem guten Dutzend Originalpublikationen mitgewirkt, als Forscher ist er damit so gut wie nicht existent. Die Zahl seiner Patente beläuft sich dafür auf 600, so steht es in einem gerade erschienenen Buch über Hoerr und seine Karriere. Ein Kapitel darin heißt ,Road to Stockholm’“.

Dazu passt, dass es zwar noch keinen Impfstoff gibt, der funktioniert, aber schon ein Buch, das unglaublich unkritisch klingt zumindest von seinem Klappentext und seinem pompösen Titel: „Der Mann der das Impfen neu erfand“. Ganz so wohl doch nicht.

Da muss man schon lachen, um nicht zu weinen.

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Schlecht geht es auch den Hotels in Deutschland. Erste Ketten machen pleite oder müssen Häuser verkaufen. Zum  Beispiel auch die renommierten „Maritim Hotels“. Das „Handelsblatt“ berichtet. 

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Außer über die Kinoeröffnung hat Peter Körte auch einige treffende Sätze über zwei  vermeintliche Publikumslieblinge geschrieben. „Chloé Zhaos ,Nomadland’ hat nun zwar einen Spielfilm-,Oscar’ bekommen, ist aber, streng genommen, ein Hybrid aus Spielfilm und Dokumentation. Darin liegt seine Originalität im Mainstream – und das ist zugleich seine Schwäche. […] Der romantisierende Blick erfasst leider nicht allein die Natur. Er greift auf die Menschen über. McDormand ist fast die einzige Schauspielerin unter lauter Laien, die sich selbst spielen, die ihre Geschichten erzählen, und auf Grund dieser Lebensgeschichten wurden sie auch für den Film gecastet. Zugleich werden diese Geschichten immer wieder der Dramaturgie unterworfen, die die Story vorgibt. Man muss deshalb nicht behaupten, dass der Film diese modernen Nomaden und ihre Welt ausbeute; aber er funktionalisiert sie für eine Fiktion, die das Leben und die Einsamkeit an den gesellschaftlichen Rändern mit leicht verklärendem Blick schildert. Der Film hat die besten Absichten, aber das ist manchmal nicht genug.“

Und weiter: „Wenn im Kino Androiden, Roboter und Replikanten auftauchen, wollen Menschen wissen, wer sie sind. Zum Beispiel, ob das angebliche Mängelwesen glücklicher wäre, wenn es seine Mängel in einer besseren Version seiner selbst kompensieren könnte; oder ob nicht gerade Imperfektion und Unberechenbarkeit den Menschen zum Menschen machen und ein perfekter Android nur eine Bedrohung wäre. Der Titel von Maria Schraders Film „Ich bin dein Mensch“ scheint eher den Geltungsanspruch des Androiden zu formulieren, der uns ebenbürtig sein will. […] Das ist nicht ohne Situationskomik. Und Maren Eggert, die den Darstellerpreis der Berlinale erhielt, überzeugt ebenso wie Dan Stevens, der seinen Humanoiden souverän auf dem Grat zwischen zu viel und zu wenig Künstlichkeit hält. Es ist nur alles ein wenig zu ausgewogen, zu schematisch ausgedacht, als sei beim Drehbuch auch ein Algorithmus im Spiel gewesen. Almas seniler Vater muss als Repräsentant für Kontingenz und Menschlichkeit herhalten, und der Junge, für den Alma als Pubertierende schwärmte, soll noch immer ihre große Sehnsucht verkörpern. Da kann auch das beste Update für den Androiden nicht viel ausrichten. Und dass am Ende Alma ihr Gutachten aus dem Off spricht, in dem alles erklärt und gesagt wird, was jeder schon längst kapiert hat, macht den Film dann doch zu einer eher faden Angelegenheit.“

Da sollte man doch besser in „The Trouble with Being Born“ gehen. Meint auch Körte: „Der Titel des Films kaschiert, dass er auf ein Buch des großen Pessimisten Emil Cioran anspielt: ,Vom Nachteil, geboren zu sein’. Es ist Sandra Wollners Abschlussarbeit an der Filmakademie Ludwigsburg. Man kann den Film im heißen Sommer sehen und frösteln; da ist ein Unbehagen, das so schnell nicht vergeht. Doch er hat die visuelle und akustische Form, die diese Geschichte verlangt. Er ist eine Zumutung. Man sollte sie sich antun.“

Viel Spaß!

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