Kohlhaas Oder Die Verhältnismäßigkeit Der Mittel

Und auch der Film­aka­demie würden Flug­blätter gut tun – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 88. Folge

»Es gibt keine Grenzen, aber man kann welche ziehen.«
Witt­gen­stein

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Es gibt ein Papier, das nicht Manifest genannt werden will, sondern Flugblatt. Viel­leicht hat man sich da inspi­rieren lassen von den Papier­flie­gern, die bei den dies­jäh­rigen Ober­hau­sener Kurz­film­tagen über die Leinwand huschten. Mit Flug­blät­tern beginnen Refor­ma­tionen und Revo­lu­tionen und so wollen wir diesem Papier Glück wünschen auf seinem Flug durch die Szene.

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Man kann es hier nachlesen und sollte es auch. Denn auch wer sich an manchen Unschärfen in Ausdruck, Ansicht und Stoß­rich­tung stört, oder den Begriff »Akti­vismus« doof findet, der wird doch zugeben müssen, dass die Ziel­rich­tung stimmt.
Die wichtigen Probleme werden benannt: die Lüge des Prag­ma­tismus. Das zum Stammeln herun­ter­ge­kom­mene Reden über Film. Beklagt wird da ganz selbst­kri­tisch der Verfall der Kritik, ihre Zurich­tung auf Dienst­leis­tungen, ihre erzwun­gene Anpassung an Markt­ge­ge­ben­heiten. Der Markt hat aber nicht recht, sondern ist der Feind, das wird hier deutlich.

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Während sich die inhaltliche Diskussion in Deutschland nach wie vor um die Frage dreht, wie man auch in unserer Fernsehlandschaft horizontal erzählte Serien mit nicht uneingeschränkt sympathischen Hauptfiguren erzählen könnte, geht die Entwicklung der Serien in den USA bereits einen Schritt weiter, wie Matt Zoller Seitz in einem äußerst lesenswerten Artikel auf Vulture zeigt.

Die Renaissance der Fernsehserie wurde letztlich durch das Aufbrechen der in sich geschlossenen Episodenstruktur hin zu staffelübergreifender, horizontaler Erzählweise ausgelöst, die es ermöglicht, wesentlich komplexere Geschichten und tiefere Figurenentwicklungen zu erzählen. Erst dadurch konnte das künstlerisch bis dato eher belächelte Erzählformat Fernsehserie eine erzählerische Kraft entfalten, die an die der besten Romane heranreicht.

Allerdings hat sich schnell gezeigt, dass die horizontale Erzählweise im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man eine Serie nicht mehr beliebig lang, open-end, fortsetzen kann. Denn wenn es eine horizontale Entwicklung der Figuren gibt, dann muss die auch irgendwann zu einem Ende kommen, wenn es  nicht hanebüchen werden soll. Weiterlesen

Belinde Ruth Stieve

Kürzlich las ich auf einer Zugfahrt die Titelstory von mobil (dem Magazin der Deutschen Bahn, Märzausgabe) „DER SCHON WIEDER“. Darin hieß es: „Wotan Wilke Möhring ist einer der meistbeschäftigten Schauspieler – und alle schauen hin. Wer so fleißig arbeitet, braucht eine kleine Auszeit. Die Drehpause nutzte mobil für ein entspanntes Gespräch über Kinder und Karriere, den deutschen Film und darüber, wie es sich anfühlt, von Beginn an einen Lauf zu haben.“

Möhring, 46 Jahre alt, hat 3 kleine Kinder und ist in der Tat in Film und Fernsehen zur Zeit sehr präsent, 2013 sah man ihn u.a. als norddeutschen Tatortkommissar (FEUERTEUFEL), als Hauptfigur in den Kinofilmen DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE und MANN TUT WAS MANN KANN, in der TV-Familiensaga DAS ADLON und allein sechs mal in den 2013er ZDF Fernsehfilmen der Woche: in OBENDRÜBER, DA SCHNEIT ES und in EINE FRAGE DES VERTRAUENS sowie in vier STRALSUND-Krimis.

Möhring gehört zu einer Minderheit, weil er viel dreht, und weil er drei Kinder hat. Denn 6 von 10 Schauspieler/innen in Deutschland sind kinderlos, von denen mit Kindern haben lediglich 14 % mindestens drei, und nur 2 % vier oder mehr Kinder (Bührmann und andere, 2010).

Dabei gibt es gerade unter den renommierten Schauspielern einige mit großen Familien: Devid Striesow (4 Kinder), Til Schweiger (4 Kinder), Axel Prahl (4 Kinder), Jan-Josef Liefers (4 Kinder) und Jürgen Vogel (5 Kinder) beispielsweise, und aus der älteren Generation kämen noch Uwe Ochsenknecht (4 Kinder) und Helge Schneider (6 Kinder) dazu.
Bei den Topschauspielerinnen sieht es anders aus, die meisten haben deutlich weniger oder gar keinen Nachwuchs. – da sind Maria Simon und Corinna Harfouch mit je 4 Kindern schon große Ausnahmen.

Woran liegt das? Dass wenn Väter drehen, ihre Partnerinnen für die Kinder da sind, aber umgekehrt nicht? Dass Väter nicht zwangsläufig mit (all) ihren Kindern zusammen leben, Mütter aber meistens schon, und so beide in ihrer Berufsausübung unterschiedlich beeinflusst sind? Dass Schauspielerinnen fürchten müssen, durch Babypause und Doppelbelastung zu lange von Bildschirm und Leinwand zu verschwinden, und so ihre beruflichen Chancen und die Dauer ihrer Karriere noch stärker zu verkürzen? (Die Altersschere: ab 40 nehmen Frauenrollen deutlich ab, Männerrollen erst 10 bis 15 Jahre später).

Im deutschen Fernsehen ist häufig von Familie die Rede: wenn es ums Programm geht, oder ums Publikum, und in der Werbung sowieso. Aber wie ist das innen, wie familienfreundlich ist das Fernsehen als Arbeitsplatz? Weiterlesen

Katharina Spiering & Markus Kunze

Unsere Reihe „Filmländer weltweit“ geht in die zweite Runde.

Letztes Jahr starteten wir die Reihe mit dem „Filmland China“. Als Interviewpartner stand uns Volker Helfrich, der als deutscher Schauspieler in China Fuß gefasst hat, zur Verfügung.

In diesem Jahr nehmen wir das „Filmland Russland“ unter die Lupe. Weiterlesen

Klaus Lemkes Kein Großes Ding, einer von vielen Filmen made in Berlin, die jetzt bei »achtung berlin« laufen

Erin­ne­rungen an Menschen am Sonntag und die Neunziger Jahre; der X-Filmpreis und der öffent­liche Selbst­mord des ZDF – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 85. Folge

Längst hat der Berlin-Hype ein Ende, auch unter Filme­ma­chern. Noch vor fünf Jahren gab es gute objektive Argumente für die Letzten der deutschen Filmszene, nach Berlin zu ziehen: Eine vibrie­rende, moderne, unspießige Haupt­stadt­kultur, dazu billige Mieten, billiges Leben, viele freie Wohnungen, und eine großzügige, vergleichs­weise stark an Kunst und Inde­pen­dent-Kultur inter­es­sierte Film­för­de­rung. Mit alldem ist es vorbei: Die Kultur hat schon lange den Charme der Wendezeit und der 90er verloren, der noch bis in die frühen Nuller­jahre anhielt. Heute muss man in den Kneipen von Berlin-Mitte – falls man da zwischen den ganzen Back­pa­ckern überhaupt einen Platz bekommen hat – und auch in Kreuzberg früher reingehen als in München, weil sonst die Nachbarn anrufen. Die Küche macht dann auch gleich zu. Die Mieten werden immer teurer, die Lokale immer doofer. Und die Film­för­de­rung, die vor Jahren noch stolz darauf war, »kleine schmut­zige Berlin-Filme« zu fördern, hat für derglei­chen kein Interesse mehr. Gefördert werden die Groß­kop­ferten von »X-Filme« und den zwei, drei anderen größeren Verlei­hern, die Firma Teamworxx und die Ameri­kaner. Aber selbst dieje­nigen Inde­pen­dent-Filme­ma­cher, die nach meiner Ansicht schon vor Jahren nur noch als Feigen­blatt die ganz anderen Pläne des Medien­board ein wenig verdecken sollten, bekommen heute ihre Projekte nicht mehr finan­ziert, von anderen erstaun­li­chen Entschei­dungen einmal ganz zu schweigen. Kein Wunder, wenn man allein schon daran denkt, dass der RBB der einzige soge­nannte »Haus­sender« des Medien­boards ist – lassen wir es mal bei dieser sach­li­chen Fest­stel­lung, ohne weiteren Kommentar.
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Arne Birkenstocks Beltracchi – Die Kunst der Fälschung

Die Kunst der Fälschung: Wie ein Doku­men­tar­film skan­da­li­siert wird – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 82. Folge

»Ein Kritiker muss dem Main­stream wider­stehen, er sollte die Seite stark machen, die in der öffent­li­chen Debatte gerade schwach ist. Ein Kritiker ist nur dann einer, wenn er sich als Anti-Esta­blish­ment versteht.«
Susan Sontag, mal wieder, diesmal in einer Szene in Martin Scorseses Untiteled New York Review of Books Project, der als »work in progres« auf der Berlinale lief.

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Empörung an sich mag vers­tänd­lich sein, ist aber immer auch etwas frag­wür­diges. Sehr nach­voll­ziehbar kriti­sierten gerade deutsche Medien in den letzten Jahren Empö­rungs­ten­denzen in der deutschen und inter­na­tio­nalen Öffent­lich­keit. Wenn es um die »Wutbürger« von Stuttgart ging, um Sarrazins Geschwätz von den Kopf­tuch­mä­dels, um euro­pa­feind­liche D-Mark-Freunde, um Recht­po­pu­listen oder zuletzt um Schweizer Frem­den­feinde – da standen die deutschen Jour­na­listen instinkt­si­cher gegen solch‘ vermeint­lich »gesundes Volks­emp­finden«, plädierten für Vernunft, Diffe­ren­zie­rung, Objek­ti­vität. Mit anderen Worten: Für Aufklä­rung.

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Gefähr­lich wird es dann aber schnell, wenn sich Jour­na­listen einmal selbst empören. Dann kennen sie keine Gnade, dann trieft Moral und Recht­schaf­fen­heit aus jeder ihrer Zeilen, so, als sei man froh, endlich einmal das offenbar so schwere Joch der Skepsis abwerfen und ganz subjektiv drauf­los­le­dern zu dürfen. So, als fürchte man auch ein wenig die eigenen Zweifel, den eigenen Verstand, und müsse daher um so lauter sich krakee­lend gebärden. Weil es natürlich sie selbst betrifft.

So geschehen vor Jahren beim »Fall Tom Kummer«, jenem SZ-Jour­na­listen, der Inter­views frei erfunden hatte. Dass dazu immer auch ein paar Leute gehörten, die sie ihm gern und gegen alle Zweifel abkauften, wurde schnell vergessen. Erst recht die Frage, ob diese Inter­views womöglich gut und inter­es­sant zu lesen waren, ob sie in gewissem Sinn »Kunst­werke« waren, und ob die ganze Geschichte womöglich einige tiefere Wahr­heiten über den Medien­be­trieb verriet.
Noch einmal ging es so, als dann ein Film über Kummer gemacht wurde.

Und jetzt gibt es endlich wieder einen Anlass: Diesmal sind es vor allem Kunst­kri­tiker und Kunst­jour­na­listen, die mit Schaum vorm Mund und wie gleich­ge­schaltet, mit unter auch recht hirnlos und in jedem Fall ohne eine Spur Humor und Gelas­sen­heit über einen Film reden und schreiben: Die Kunst der Fälschung ist ein Doku­men­tar­film, der kommende Woche in die deutschen Kinos kommt. Er handelt von dem Fall des Malers und Kunst­händ­lers Wolfgang Belt­racchi und all den inter­es­santen Geschichten, die dazu­gehören: Belt­racchi hat über Jahrzehnte Gemälde erfunden und diese Werke als angeb­liche Originale für hohe Summen verkauft. 2010 flog der Fall auf, 2011 wurde Belt­racchi wegen gewerbs­mäßigen Betrugs zu sechs Jahren Haft verur­teilt, und in der Öffent­lich­keit zum »Jahr­hun­dert­fäl­scher« erklärt.

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Korinna Kraus als Fräulein Else | © HFF & Anna Martinetz 2013

Soll das wirklich die Zukunft des deutschen Kinos sein? Große Vorbilder, Deutsche und die Filmwelt, Genre­mo­tive und verspielte Zukunft: Das beste deutsche Kino liegt jenseits der Arte-Povera – und andere Beob­ach­tungen beim beim 36. »Festival Max-Ophüls-Preis« – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 80. Folge

»War is an uncertain thing. The enemy has a brain, they adapt and adjust, and as Dwight Eisenhower said ‚the planning is important, but the plan is nothing.’«
Donald Rumsfeld

»Aber ich liebe Euch doch alle!«
Erich Mielke

»…und dann und wann ein weißer Elephant.«
Rilke

Schwarze Tage an der Börse, mal wieder. Else, ein Mädchen aus gutem Haus, verwöhnt gewiss, aber weder dumm noch abgehoben, wird von ihren Eltern den Gläu­bi­gern zum Fraß vorge­worfen: Sie soll einen Reichen heiraten, damit der Kredit der Alten weiter fließt – ein Opfergang von ganz irdischem, also unge­heurem Ausmaß. Arthur Schnit­zler schrieb seine auch heute noch atem­be­rau­bende Novelle Fräulein Else im Jahr 1924, also noch vor der großen Welt­wirt­schafts­krise – voller Vorahnung und auch als Kunstwerk seiner Zeit voraus, handelt es sich doch um den ersten inneren Monolog der Lite­ra­tur­ge­schichte. Das ist schwer für Filme­ma­cher und im Gegensatz zu anderen Schnit­zler-Stoffen wurde diese Novelle kaum verfilmt. Nur Paul Czinners Stummfilm von 1928, noch zu Schnit­z­lers Lebzeiten mit Elisabeth Bergner, blieb im Gedächtnis.

Anna Martinetz hat es jetzt für ihren Münchner Regie-Abschluss gewagt, mit wunder­barem Ergebnis, den die Regis­seurin nicht zuletzt ihrem Mut zu verdanken hat. Im Wett­be­werb des Saar­brü­cker »Festival Max-Ophüls-Preis« hatte Martinetz‘ Version jetzt Premiere, die den Stoff unter Deutschen in einem post­ko­lo­nial-deka­denten, zugleich pracht­voll traum­ver­wun­schenen Indien spielen lässt, in dem alles dem Verfall preis­ge­geben scheint – bis auf die Natur, die hier in Gestalt von Tigern und Elefanten so wild wie überlegen auftritt. Dies ist so phan­tas­tisch wie klug wie fürs Publikum mitreißend – es stach zudem ins Herz der Zeit, weil Martinetz eine moralisch korrupte Eltern­ge­ne­ra­tion zeigt, die die Zukunft ihrer Kinder verspielt. Nicht die Erben sind das Problem, sondern die Erblasser.

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Dieser beste Film im Wett­be­werb wurde aber leider von der Jury ebenso ignoriert, wie Johanna Moders High Perfor­mance, der immerhin den Publi­kums­preis bekam und Rick Oster­manns Wolfs­kinder, High­lights in einem starken Saar­brü­cker Jahrgang, der viele Filme voller Kraft, Spiel­freude, Farben und Liebe zum Kino bot.
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Thomas Schmuckert

Motiv: Thomas Schmuckert | Credit: Katja Kuhl & Deutscher Schauspielerpreis

Wir sprachen mit Thomas Schmuckert (BFFS-Vorstand) über den Deutschen Schauspielerpreis, der am 10. Februar im Rahmen der Berlinale verliehen wird.

Der Deutsche Schaupielerpreis
Die Grundidee:
Der Deutsche Schauspielerpreis wurde vor zwei Jahren vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V. (BFFS) ins Leben gerufen und während der Berlinale 2012 zum ersten Mal verliehen. Die Preisverleihung ist eine Non-Profit-Veranstaltung, die nur durch ein breites ehrenamtliches Engagement der Schauspielerinnen und Schauspieler, zahlreicher Freunde und Unterstützer, Förderer und Sponsoren ermöglicht wird.

Er ist eine Auszeichnung von Schauspielern für Schauspieler, er spiegelt den besonderen Blickwinkel von Schauspielern und würdigt Persönlichkeiten, die in besonderer Weise und nachhaltig inspirieren, die Raum für Kreativität schaffen und Horizonte erweitern, die sich für den deutschen Film als Kulturgut und für die Schauspielkunst einsetzen.

Link zum Interview:
www.casting-network.de

Otto Gebühr in der Rolle Friedrich des Großen

Der Schau­spieler denkt, die Rolle lenkt: Aneig­nungen, Abgren­zungen, Verschmel­zungen – wenn Schau­spieler unter die Haut von Promi­nenten schlüpfen – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 79. Folge

Bevor wir uns heute mal komplett der Kunst des Schau­spiels zuwenden, ist ein drin­gender Hinweis nötig: Auf die Howard Hawks Retro­spek­tive, die noch bis zum 30. Januar im Berliner Arsenal zu sehen ist. Wem der Weg zu weit ist, dem empfehlen wir den Gang zur Videothek. Denn bei Hawks kann man auch viel über Schau­spiel­füh­rung lernen. Und das ist unser Thema.

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Der Mensch ist das nach­ah­mende Tier. Auch wenn Forschungen längst belegt haben, dass Nach­ah­mung bei Tieren nicht vorkommt, gilt weiterhin: Das »Nachäffen« wird Kindern schon verboten, die Schau­spieler müssen es im Fall des Falles mühsam lernen. Ihnen zu Hilfe kommt die Masken­kunst, neuer­dings auch Compu­ter­technik. Der Mensch also – ein masken­bil­dender Affe?

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Der Mensch, schrieb der protes­tan­ti­sche Pfarrer Johann Caspar Lavater im 18. Jahr­hun­dert in seinen »Physio­gno­mi­schen Frag­menten«, bestehe aus Ober­fläche und Inhalt. Das Äußere sei aller­dings nichts als der Ausdruck des Innern. Auch wenn Lavater diese Grund­an­nahme dann zu einer eher schlichten Moral­theorie weiter­ent­wi­ckelte, die allzug­rad­linig vom »Häss­li­chen« aufs »Böse« schloss, lohnt es sich, einen Moment bei ihr zu verweilen.
Nicht nur enthält sie implizit eine frühe Theorie des »Method Acting« – die hat Lavaters Schema nur umgedreht, und demzu­folge mehreren Schau­spiel­er­ge­ne­ra­tionen weis­ge­macht, um einen Charakter wirklich gut spielen zu können, müsse auch der Darsteller selbst sich in ihn verwan­deln, müsse er die Leiden, die Traumata oder das Glück seiner Figur selbst empfinden und also weniger »spielen« als »sein«. Das ging in der Praxis dann bekannt­lich bis zu körper­li­chen Entstel­lungen: Fress- oder Abnehmor­gien, antrai­nierte Muskeln und abtrai­niertes Fett schinden bei Schau­spiel­preis­jurys bis heute oft mehr Eindruck, als Nuancen und Subti­litäten.

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Kosta Rapadopoulos - Credit: Puppet Empire

Auch bekannt als der Wallraff Griechenlands warnt Kosta zum Auftakt des Jahres mit dem „Zwergengedicht“: Vercastet Euch nicht!

PLAYLIST
1. KOSTAS NEUJAHRSGRÜßE
2. DAS ZWERGENGEDICHT

Weitere Infos zu den Protagonisten des Films:
Samy Challah
Jasin Challah

Präsentiert in unserem neuen casting-network-Kanal auf youtube!

Hier geht es zum Kosta Rapadopoulos-Kanal auf youtube!

Fack Ju Göhte

Warum Edgar Reitz die Film­för­de­rung abschaffen will, die Perver­tie­rung der Kultur­po­litik und unsere Liebe zur Kontroll­ge­sell­schaft – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 78. Folge

Fack ju Göhte wurde bisher von knapp 5.5 Millionen Zuschauern gesehen. Gefördert wurde der Film von den verschie­denen Insti­tuten der deutschen Film­för­de­rung mit mindes­tens 2,6 Millionen Euro – also etwas mehr als 50 Cent pro zahlendem Zuschauer. Diese Förder­gelder setzen sich folgen­der­maßen zusammen: 900.000 Euro vom DFFF (Deutscher Film­för­der­fonds), 800.000 Euro vom FFF (Film Fernseh Fonds Bayern), 650.000 Euro vom Medien­board Berlin-Bran­den­burg, 300.000 Euro von der FFA (Film­för­der­an­stalt), sowie weiteren 200.000 Euro Verleih­för­de­rung von der FFA und weiteren 150.000 Euro FFF-Geldern, ebenfalls als Verleihf örderung.

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Man braucht nicht viel Einfüh­lungs­ver­mögen, um darauf zu tippen, dass sich die deutsche Film­för­de­rung die Tatsache, dass Bora Dagtekins Film bisher fast 5.5 Millionen Besucher bekam, als einen Erfolg ihres Wirkens zurechnen dürfte. Schließ­lich gilt Fack ju Göhte als »erfolg­reichster Film« des Jahres 2013, und bei dieser enormen Summe hat die Film­för­de­rung dieses Ergebnis in gewisser Weise überhaupt erst möglich gemacht.
Genau genommen aller­dings handelt es sich bei diesem Ergebnis eher um die endgül­tige Perver­tie­rung dieser Förderung – denn schließ­lich wurde das, was wir bislang noch »die deutsche Film­för­de­rung« nennen, obwohl sie diesen Namen von Tag zu Tag weniger verdient, vor rund 50 Jahren einmal gegründet, um dem Kommer­zkino ein kultu­relles Gegen­ge­wicht an die Seite zu stellen.

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Vom 1. bis 31. Dezember waren alle crew united Member aufgerufen, die Fairness Ihrer Produktionen 2013 zu bewerten. Hier das Ergebnis, wobei nur Produktionen berücksichtigt werden, bei denen mindestens 15 Beteiligte abgestimmt haben:

Note    Titel Sparte Ausführende Produktion
1.29 Rico, Oskar und die Tieferschatten   NOMINIERT Kinospielfilm Lieblingsfilm GmbH
1.31 Polizeiruf 110 – Liebeswahn   NOMINIERT TV-Film (Reihe) filmpool fiction GmbH
1.38 Die Gruberin   NOMINIERT TV-Film die film gmbh
1.48 Buddy   NOMINIERT Kinospielfilm herbx film- und fernsehproduktion GmbH
1.50 Im Schleudergang (Folge 7-12) TV-Serie Infafilm GmbH Manfred Korytowski
1.50 Schoßgebete Kinospielfilm Little Shark Entertainment GmbH
1.50 Dyslexie (aka. Analphabetismus) TV-Film Tellux Film GmbH
1.54 Wer hat Angst vorm weißen Mann? TV-Film die film gmbh
1.63 SOKO Stuttgart (Folge 96-120) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
1.63 Mara und der Feuerbringer Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
1.75 Charleen macht Schluss Kinospielfilm IMBISSFILM Stehle & Rehbock GmbH & Co. KG
1.76 Die Rosenheim-Cops (Folge 276-305) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
1.85 Die Vampirschwestern 2 und das große Herzflattern Kinospielfilm Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH
1.85 Der Koch Kinospielfilm Senator Film Köln GmbH
1.91 Als wir träumten Kinospielfilm Rommel Film e.K.
1.94 SOKO Wismar TV-Serie Cinecentrum Berlin Film- und Fernsehproduktion GmbH
1.95 Bornholmer Straße TV-Film UFA FICTION GmbH
2.00 Polizeiruf 110 – Familiensache TV-Film (Reihe) filmpool fiction GmbH
2.00 The Cut Kinospielfilm bombero international GmbH & Co KG
2.00 Vaterfreuden Kinospielfilm Pantaleon Films GmbH
2.00 Lichtjahre Kinospielfilm Heimatfilm GmbH + Co KG
2.00 Die Pfefferkörner (Folge 118-130) TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.06 Nicht mein Tag Kinospielfilm Westside Filmproduktion GmbH
2.06 Die Bücherdiebin Kinospielfilm Zwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.08 Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss Kinospielfilm HUPE Film- und Fernsehproduktion, Brauer Roelly Winker GbR
2.08 Freundinnen TV-Film Neue Bioskop Television GmbH
2.12 The Voices Kinospielfilm Vertigo Entertainment [us]
2.12 Herzensbrecher – Vater von vier Söhnen (Folge 1-10) TV-Serie ITV Studios Germany GmbH
2.17 Let’s go TV-Film Eikon Süd GmbH
2.17 Stereo (aka. Schatten) Kinospielfilm Frisbeefilms GmbH & Co KG
2.17 Mona kriegt ein Baby TV-Film Ninety-Minute Film GmbH
2.19 The Monuments Men Kinospielfilm Zweiundzwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.22 Die goldene Gans TV-Film Kinderfilm
2.23 Der Fall Ritter TV-Film FFP New Media
2.24 Landauer TV-Film Zeitsprung Pictures GmbH
2.25 Doc meets Dorf (Folge 5-8) TV-Serie teamWorx Television & Film GmbH
2.26 Die Chefin (Folge 9-16) TV-Serie NETWORK MOVIE Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG.
2.33 Irre sind männlich (aka. Die Therapie Crasher) Kinospielfilm Chestnut Films GmbH & Co.KG
2.35 The Business Trip Kinospielfilm Vierundzwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.36 Tatort – Mord auf Langeoog TV-Film (Reihe) Wüste Medien GmbH
2.38 SOKO Köln TV-Serie NETWORK MOVIE Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG.
2.38 Bibi & Tina Kinospielfilm DCM Productions GmbH
2.40 WhoAmI Kinospielfilm Wiedemann & Berg Film GmbH & Co. KG
2.42 Zwischen Welten Kinospielfilm Independent Artists Filmproduktion
2.48 The Grand Budapest Hotel Kinospielfilm Neunzehnte Babelsberg Film GmbH
2.50 Der Kriminalist (Folge 55-62) TV-Serie Monaco Film GmbH
2.53 Saphirblau Kinospielfilm Lieblingsfilm GmbH
2.57 Coming In Kinospielfilm Summerstorm Entertainment GmbH
2.59 In aller Freundschaft TV-Serie Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH
2.62 Ein Schnitzel für alle TV-Film Colonia Media Filmproduktion GmbH
2.64 Notruf Hafenkante TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.65 V8 – Die Rache der Nitros Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
2.67 Männerhort Kinospielfilm die film gmbh
2.67 Heldt (Folge 7-18) TV-Serie Sony Pictures Film und Fernseh Produktions GmbH
2.69 Tatort – Kalter Engel TV-Film (Reihe) FFP New Media
2.71 Tatort – Großer Schwarzer Vogel TV-Film (Reihe) Ziegler Film GmbH & Co. KG
2.72 SOKO Leipzig TV-Serie UFA Fernsehproduktion GmbH
2.73 Die Kanzlei (vormals Der Dicke) TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.78 Fack Ju Göhte Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
2.83 Beste Bescherung TV-Film Roxy Film GmbH
2.92 Heiter bis tödlich – Alles Klara (Folge 22-35) TV-Serie ndF – neue deutsche Filmgesellschaft mbH
2.92 Heiter bis tödlich – Akte Ex (Folge 9-16) TV-Serie Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH
2.92 Tatort – Kopfgeld TV-Film (Reihe) Constantin Television GmbH
2.92 Hin und weg Kinospielfilm Majestic Filmproduktion GmbH
2.92 Sils Maria Kinospielfilm CG Cinéma SA [fr]
2.93 Die Auserwählten TV-Film ndF – neue deutsche Filmgesellschaft mbH
3.00 Beauty and the Beast / La belle & la bête Kinospielfilm Eskwad [fr]
3.00 Heiter bis tödlich – München 7 (Folge 17-25) TV-Serie Akzente Film- und Fernsehproduktion GmbH
3.00 Die Familiendetektivin (Folge 1-10) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
3.05 Wir sind jung. Wir sind stark. Kinospielfilm teamWorx Television & Film GmbH
3.07 Im Labyrinth Kinospielfilm Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH
3.08 Konrad & Katharina TV-Film Ziegler Film GmbH & Co. KG
3.16 Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei TV-Serie action concept Film- und Stuntproduktion GmbH
3.32 Ich und Kaminski Kinospielfilm X Filme Creative Pool GmbH
3.33 Alles auf Anfang TV-Film Ninety-Minute Film GmbH
3.38 SOKO 5113 (Folge 510-534) TV-Serie UFA Fernsehproduktion GmbH
3.44 Letzte Spur Berlin (Folge 12-18) TV-Serie Novafilm Fernsehproduktion GmbH
3.50 Dora Heldt – Unzertrennlich TV-Film (Reihe) M.I.M. made in munich movies GmbH
3.87 Dessau Dancers Kinospielfilm Boogiefilm
3.90 Freistatt Kinospielfilm Zum Goldenen Lamm Filmproduktion GmbH & Co.Kg
4.00 Da muss Mann durch Kinospielfilm NFP
4.08 Letzte Spur Berlin (Folge 19-30) TV-Serie Novafilm Fernsehproduktion GmbH
4.15 Kückückskind TV-Film Dor Film Köln GmbH
4.77 LenaLove Kinospielfilm Rafkin Film Produktion GmbH
5.00 Rockabilly Requiem Kinospielfilm Neue Mira Filmproduktion GmbH

Alle Mitarbeiter der 4 nominierten Produktionen werden von Die Filmschaffenden – Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e.V. nochmals befragt, um die diesjährige Gewinnerproduktion zu ermitteln.

Der Gewinnerproduktion und allen daran beteiligten Mitarbeitern wird die Auszeichnung während der Berlinale am 8. Februar 2014 in einem Festakt überreicht.  In der Laudatio durch den Schauspieler Dietrich Mattausch wird die Idee dieses Awards noch einmal dargestellt, und die individuellen Gegebenheiten der ausgezeichneten Produktion werden hervorgehoben.

Die Bewertungskriterien waren:

Arbeitszeiten und Arbeitsschutz
Die Arbeits-, Pausen, -Ruhe und Reisezeiten werden team- und familienfreundlich gestaltet. Das Arbeitszeitgesetz, die Regelungen der Tarifverträge zur Arbeitszeit und die Arbeitsschutzgesetze und -Vorschriften werden eingehalten.

Vertrag, Gagen und Entgelte
Der Vertrag wird rechtzeitig und persönlich verhandelt und die wichtigsten Eckdaten werden umgehend schriftlich (Dealmemo) festgehalten und ausgehändigt. Der endgültige Arbeitsvertrag liegt möglichst noch vor Arbeitsbeginn vor. Es werden mindestens Tarifgagen gezahlt, die tarifvertraglichen Regelungen werden als Mindeststandards eingehalten. Leistungen von Freischaffenden, Dienstleistern und Filmschaffenden, für deren Beruf es noch keinen Gagentarifvertrag gibt, werden nach branchenüblichen Standards entlohnt. Kreativität wird angemessen vergütet. Urheber- und Leistungsschutzrechte bleiben gewahrt. Gagen und Entgelte werden pünktlich ausgezahlt.

Kommunikation und Arbeitsklima
Das Arbeitsklima ist geprägt von der gemeinsamen Anstrengung, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Die Kommunikation zwischen Gewerken und Hierarchien ist ergebnisorientiert, gewaltfrei, offen, motivierend, respektvoll, funktional und strukturiert. Jeder Projektbeteiligte trägt seinen „wichtigen“ Teil zum Ganzen bei und wird dafür wertgeschätzt. Eine angemessene Versorgung mit Essen, Trinken, evtl. Wärmekleidung, Schutzkleidung usw. wird unaufgefordert gewährleistet.

Professionalität
Das Filmprojekt wird unter Berücksichtigung der finanziellen, organisatorischen und gesetzlichen Möglichkeiten und Grenzen fachmännisch geplant, vorbereitet, gestaltet und durchgeführt. Dazu kommt professionelles Personal zum Einsatz, reguläre Positionen werden nicht durch Praktikanten besetzt.

Konflikte
Konflikte werden zeitnah, direkt und zielorientiert im Sinne des Projekts gelöst. Entscheidungen, die das gesamte Team betreffen (z.B. unerwarteter Überstundenfall) werden nicht nur mit Teilen des Teams besprochen.

Gleichbehandlung
Projektpersonal, Dienstleister und weitere Ressourcen werden nach Qualifikation und ökonomischer Notwendigkeit ausgewählt und eingesetzt. Eine Diskriminierung aufgrund Herkunft, Geschlecht, Sexualität oder Religion findet nicht statt.

 

 

Toll! „Spiegel TV“?macht Kino im Web – „legal und gratis”. Nur die Urheber wundern sich.


Tolle Sache das, denkt man: Das Angebot von „Spiegel TV“ wird mit Dokumentarfilmen ausgebaut, wie kürzlich in einer Pressemitteilung zu lesen war. Ab sofort kann man dort auch Produktionen des NDR-Fernsehens auf zwei Kanälen schauen: Weltreisen und 45 Min sind seit drei Wochen auf Sendung. „Spiegel TV“ betrachtet das Zusatzangebot als Ergänzung zum bestehenden Programm, das bereits jetzt schon neben eigenen Produktionen auch Dokumentationen der britischen BBC und des internationalen Medienhauses VICE beinhaltet. Mehr als 2.000 Reportagen, Magazin-Beiträge und Dokumentationen sind im Laufe der Jahre zusammengekommen, die im Spiegel-eigenen Web-TV kostenlos zur Verfügung stehen.
Bei einer Erhebung unter den Nutzern von „Spiegel TV“ stellte sich heraus, dass längere Dokumentationen populärer sind als kürzere. Darauf reagieren die Macher der Plattform nun mit den genannten neuen Kanälen. Alle der dort gezeigten Filme haben eine Länge zwischen 25 und 45 Minuten und kommen vom NDR sowie von der ARD.
„Investigativ, emotional und immer klar”, so lautet der Anspruch der NDR-Redaktion, die für die 45 Minuten langen Dokumentationen verantwortlich ist. In den Filmen erfahren die Zuschauer Hintergründe zu alltäglichen Themen. Zum Start des Kanals auf „Spiegel TV“ waren sechs Folgen des Formats online zu sehen. Den Auftakt machten Dokumentationen zu Themen wie Mülltrennung, Aspirin und Hula-Tänzerinnen und Netzfischer auf Hawaii. Wie für das gesamte Angebot von „Spiegel TV“ gilt im Fall der beiden neuen Kanäle: Dank der Apps sind alle Filme auch auf Smartphones und Tablets zu sehen.
Die Frage ist, wie die Verwertung dieser Filme rechtlich einzuordnen ist. Der Berliner Dokumentarfilmer Reinhard Schneider nahm die Pressemitteilung auf „Spiegel TV“ zum Anlass, eine Anfrage an den Sender zu stellen. Weiterlesen

Erfolgreichster deutscher Film 2013: Fack ju Göhte. Foto: Constantin Film

Kommerz und Kunst – nur nichts dazwischen. Das deutsche Kino ist in der Krise. Die Filmproduzenten sind gegenüber den Verwertern im Nachteil, die Filmförderung liegt im Argen.

Der Kinofilm ist zweierlei: ein wirtschaftliches und ein kulturelles, manchmal sogar künstlerisches Gut. Beide Seiten sind dabei nicht voneinander zu trennen – ob der hohen Produktionskosten und der im Erfolgsfall möglichen weitreichenden gesellschaftlichen Wirkung.

Zum Ende des Jahres sorgt der phänomenale Erfolg von „Fack Ju Göhte“ dafür, dass der Marktanteil des deutschen Films in diesem Jahr sich wieder über 20 Prozent einpendeln wird, nachdem er 2012 unter diese Marke gerutscht war. Auf der anderen Seite der Medaille glänzt die „Berliner Schule“ – sie wurde gerade im Museum of Modern Art in New York mit einer kleinen Werkschau geehrt. Es scheint alles gut zu laufen beim deutschen Film, die Kasse stimmt und höhere Weihen wurden in dem Tempel der Kunst der Moderne empfangen. Und doch lenken gerade diese Erfolge umso mehr den Blick auf die Krise des deutschen Films.

Es fehlt an regelmäßigen guten Produktionen

Es fehlen in Deutschland seit langem Spielfilme, die sich zwischen den Polen von wirtschaftlicher und kultureller Ausrichtung positionieren. Es fehlt an regelmäßigen guten und erfolgreichen Filmproduktionen, die an einem Begriff von Film festhalten, der populär und anspruchsvoll zugleich ist. Die dafür dringend benötigten filmischen Geschichtenerzähler arbeiten in der Regel für das Fernsehen. Dort sind sie finanziell noch einigermaßen ausreichend ausgestattet, müssen aber lernen, mit den eher dürftigen inhaltlichen Ansprüchen klar zu kommen. Da die derzeit in den USA, Großbritannien oder Skandinavien blühende Serienform in Deutschland inhaltlich wie ökonomisch komplett unterentwickelt ist, bleibt den kreativen Urhebern und Produzenten in der Regel nur der Brotjob beim TV. Die Arbeit am Kinofilm ist für die meisten in der Branche zu einem gelegentlich stattfindenden nostalgischen Ausflug geworden, den man sich ab und zu leisten kann.

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La grande bellezza: Großer Abräumer beim Europäischen Filmpreis

Warum Sabotage und Verrat die Tugenden unseres Zeit­al­ters sind; wie die Bundes­re­pu­blik Schind­luder mit Kino-Meis­ter­werken treibt; und was passiert eigent­lich, wenn jemand ein Attentat auf die Bundes­kan­z­lerin verübt? – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 77. Folge

Genies setzen sich immer durch, hieß es letzte Woche in der Süddeut­schen. Wobei gerade das Feuilleton der SZ ja oft wie der Gegen­be­weis zu dieser These wirkt. Aber um so mehr muss man einen wirklich nach­ge­rade genialen Text loben, der ebenfalls vorige Woche in der SZ zu lesen war. Unser Lieb­lings­kri­tiker Fritz Göttler schrieb dort ganz offen darüber, dass er noch niemals in New York war. Vor allem outete er sich, dass er gar nicht dahin will, weil er die Stadt längst kennt – aus dem Kino natürlich. Und dort sieht sie besser aus als in natura. Darum hat man keine Lust hinzu­fahren. »Die Wirk­lich­keit der Stadt liegt darin, dass sie Projek­ti­ons­fläche bleibt«, schreibt Göttler, »den einzig­ar­tigen Eindruck des Fremden und des Heimi­schen möchte ich nicht der Zers­tö­rung durch die Wirk­lich­keit aussetzen.«

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Wer SPD-Mitglied ist und noch nicht abge­stimmt hat, den kann man nur auffor­dern, es schleu­nigst zu tun – bis morgen Abend muss die Stimme bei der SPD sein. Stimmen sollte man m.E. unbedingt mit Nein. Dies nicht allein aus staats­po­li­ti­schen Gründen, nicht nur, weil diese größte Koalition aller Zeiten, die jetzt droht, als Ausdruck gewordene Alter­na­tiv­lo­sig­keit bereits als solche der poli­ti­schen Kultur schadet. Die staats­po­li­ti­sche Verant­wor­tung fordert von der SPD gerade, eine Konstel­la­tion abzu­lehnen, bei der die Republik von einer Elefan­ten­ko­ali­tion aus über 80 Prozent der Bundes­tags­ab­ge­ord­neten regiert wird – denn gerade in Krisenz­eiten braucht das Land eine starke Oppo­si­tion. Und warum sollte man das Monopol auf eine linke Oppo­si­tion um Gregor Gysi über­lassen?

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Gerade in Fragen von Bildungs- und Kultur­po­litik droht von der GroKo Ungemach. Denn der Koali­ti­ons­ver­trag bedeutet Politik auf Kosten der Zukunft und der zukünf­tigen Gene­ra­tionen, und ist das Dokument einer No-future-Haltung: Hier konnte sich die SPD mit keiner einzigen ihrer zentralen bildungs­po­li­ti­schen Forde­rungen durch­setzen. Zwar sind laut Vertrag angeblich Bildung, Wissen­schaft und Forschung »Kern­an­liegen« der Koalition. Aber es gibt kein Ganz­tags­schul­pro­gramm, die Bafög-Erhöhung fällt ersatzlos weg, ebenso die verläss­liche Verbes­se­rung der Finan­zie­rung der Hoch­schulen, die die SPD gefordert hatte, darin im Gleich­klang mit dem Wissen­schaftsrat, der eine Stei­ge­rungs­rate in Höhe des Infla­ti­ons­aus­gleichs plus 1 Prozent für dringend erfor­der­lich. Alles bleibt unkonkret. Das Gerede von der »Bildungs­re­pu­blik« bleibt hohle Rhetorik. Weiterlesen