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Seit Jahrzehnten ringt die Branche um bessere Arbeitsbedingungen. Meist vergeblich, weil’s angeblich nicht anders geht. In der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“ kommen sie zu anderen Antworten. Auf dem Podium (von links): Judith Frahm, Fritzie Benesch, Christine Günther, Katja Rivas Pinzon und Oliver Zenglein. | Foto © Oliver Dietze

Wenn wir gute Filme machen wollen, muss auch das Umfeld stimmen. Gute Idee. Beim Max-Ophüls-Festival wurde diskutiert, wie das aussehen sollte. 

Für den deutschsprachigen Filmnachwuchs ist Saarbrücken die erste Adresse: Schon drei Wochen vor der Berlinale präsentiert der Max-Ophüls-Preis „junge Talente aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“. Allein um die Entdeckung geht’s dem Nachwuchs offenbar nicht mehr. Mit Problemen in der Filmkunst hatten sich schon frühere Panels beschäftigt. Doch hier ging’s um Grundsätzliches: um „soziale Nachhaltigkeit und wie wir miteinander arbeiten wollen“. Und das Panel war gut besucht an einem Samstagmorgen um 10. 

Es war bereits die fünfte Veranstaltung in der Diskussionsreihe „Ausnahmezustand Film?!“, die Judith Frahm und Fritzie Benesch erst im November an der Filmuniversität Babelsberg gestartet hatten. Der Titel klingt reißerisch, trifft aber nur die Realität. Darauf stimmten die beiden Produktionsstudentinnen mit ein paar Zahlen aus Großbritannien ein („Varieté“ [auf Englisch] berichtete ausführlich): Neun von zehn Menschen, die dort in der Filmbranche arbeiten, hätten Probleme mit mentaler Gesundheit. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Angststörung zu leiden, sei doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung, 20 Prozent mehr Menschen seien  im Vergleich zur Gesamtbevölkerung an einer Depression erkrankt. „Das fanden wir ganz schön krass und dachten, wir öffnen mal mit diesen kleinen Zahlen unsere Gespräche.“

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Der Fachkräftemangel wir die Filmbranche noch für Jahre beschäftigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Fallstudie. Es fehle vor allem an Konzepten für die Aus- und Weiterbildung, meint der Weiterbildungsverbund Media Collective. | Foto © EPI

Der Branche fehlen die Arbeitskräfte. Das liege vor allem an der Aus- und Weiterbildung, findet eine neue Fallstudie des Erich-Pommer-Instituts. Es fehle ein „strukturiertes Qualifizierungskonzept“ für alle Gewerke. 

Der Fachkräftemangel wir die Filmbranche noch für Jahre beschäftigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Fallstudie des Weiterbildungsverbunds Media Collective des Erich-Pommer-Instituts. Grundlage ist eine bundesweite Befragung, unter anderem von zahlreichen Verbänden und Institutionen der Branche. Am Netzwerk beteiligen sich unter anderem die beiden Verbände der Produzent*innen, der Bundesverband Produktion, die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, Medienboard Berlin-Brandenburg, Netflix, Studio Babelsberg, die Ufa und der RBB.

95 Unternehmen und 414 Filmschaffende hatten geantwortet. Dabei wurden unterschiedliche Fragebögen verwendet, wird eingangs erklärt, „um eventuelle Unterschiede in der Wahrnehmung der Situation festzustellen und die Formulierungen auf die jeweilige Befragtengruppe anzupassen. Es ließen sich aber im Ergebnis keine signifikanten Unterschiede feststellen. Die Antworten beider Zielgruppen ergänzten sich größtenteils.“ 45 Seiten hat das Papier, zehn „Kernfakten“ werden herausgestellt:

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Hinter den Kulissen wird wieder gestritten. Gewerkschaft und Schauspielverband haben mit Netflix verhandelt – mehrere Berufsverbände sehen sich ausgegrenzt. | Foto © Adobe Stock

Gleich dreimal in zwei Wochen hat der Regieverband gegen die Abmachungen zwischen Netflix und Verdi protestiert: Die Berufsverbände würden ausgegrenzt, das Ergebnis sei „ziemlich mau“. Statt der Gewerkschaft antwortete jetzt der Schauspielverband. 

Der Zank um Netflix geht weiter. Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatten mit dem Streamer vor zwei Jahren Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) bei Netflix-Serien ausgehandelt. Vor zwei Wochen meldete Verdi: Netflix zahlt jetzt bei Serien nach Tarif. Und, ach ja, „außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“

Der Bundesverband Regie (BVR) protestierte. Und das gleich dreimal. Wobei die Vorwürfe gleich bleiben – sie werden aber zunehmend heftiger und ausführlicher vorgebracht.  Verdi repräsentiere nicht die Regie, und das Ergebnis sei „noch dazu ziemlich mau“, hieß es in einer ersten Reaktion (wir berichteten auf „Outtakes“). 

Sechs Tage später wurde der BVR heftiger: „Die Gewerkschaft verkauft die deutschen Regisseurinnen und Regisseure an Netflix“, schrieb der Verband über seine Stellungnahme. Und noch größer darüber: „Raus aus Verdi“. Der Berufsverband, dem rund 450 Fiction-Regisseur*innen angehören, hatte selbst zwei Jahre lang mit Netflix verhandelt. Die Verhandlungen waren vor wenigen Wochen gescheitert, die verpflichtende Schlichtung steht noch an. „Dass Verdi ohne Beteiligung des BVR nun Tarifgagen für die Regie festlege, sei „ein starkes Stück, das dieses Prozedere direkt angreift.“ Was die Regie betrifft, seien die bisherigen Verhandlungsergebnisse von Verdi in Deutschland die schlechtesten in ganz Europa, so der Regieverband. „Offenbar ist es Verdis Ziel, Deutschland als Billiglohnland gegen die europäischen Nachbarn zu positionieren.“ 

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Jella Haase in der neuen Netflix-Serie „Kleo“. Eigentlich eine gute Nachricht: Der Streamer produziert seine Serien jetzt nach Tarif. Drum fragen wir auch nicht, wie es wohl vorher war. | Foto © Netflix/Svenja Terjung

Der Streamingriese Netflix und die Gewerkschaft Verdi haben Mindestgagen für die Beteiligten von Serienproduktionen vereinbart. Man habe damit die „Sozialpartnerschaft für faire Produktionsbedingungen“ ausgebaut.

Netflix will Beteiligte an Serienproduktionen in Deutschland künftig besser bezahlen, meldet „Der Spiegel“ via DPA und mutmaßt sogleich: „Dazu dürfte wohl auch ein Fachkräftemangel beigetragen haben.“ 

Bereits Anfang Juni hatten sich Netflix und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) darauf geeinigt: Seit dem 1. Juli macht der Streamer den Tarif- und den Gagentarifvertrag zwischen Verdi und der Produzentenallianz zur formellen Grundlage bei seinen Serienproduktionen. Das teilte Verdi heute mit. 

Demnach will Netflix sogar noch weiter gehen: „Filmschaffende mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung über den bestehenden Gagentarifvertrag hinaus: Bei Folgenbudgets über 1,2 Millionen Euro werden die Mindestgagen um 5 Prozent angehoben und bei Folgenbudgets über 2,5 Millionen Euro um 7,5 Prozent. Außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“ Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) zu erfolgsbasierten Zusatzvergütungen hatten Netflix und Verdi bereits vor zwei Jahren beschlossen. Es sei „das erste Abkommen dieser Art mit einem Streamingdienst in Deutschland und daher ein Meilenstein für die Film- und Fernsehbranche“, meinte Verdi damals. 

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Wenn’s vor der Kamera intim wird, geht es oft nicht sehr professionell zu, finden die meisten Schauspieler*innen in einer Befragung. Intimitätskoordinator*innen am Set halten die meisten für sinnvoll. Szenenfoto aus „Uhrwerk Orange“ (1971). | Foto © Warner Bros.

Der Bundesverband Schauspiel hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt. Die Antworten zeichnen kein gutes Bild von der Branche.

Auf dem Münchener Filmfest hatte der Bundesverband Schauspiel (BFFS) am Donnerstag einen neuen Beruf vorgestellt: „Intimacy Coordinating und die Professionalisierung der Darstellung von Intimität“. Die Aufzeichnung ist im Youtube-Kanal des BFFS zu sehen. 

Bei der Veranstaltung stellte der Verband auch die Ergebnisse einer Umfrage vor. Der BFFS hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt, die Daten wurden am Institut für Medienforschung der Universität Rostock ausgewertet, das auch hinter den Diversitätsstudien der Malisa-Stiftung und den Diversitätsberichten des Regieverbands steht.

Dem BFFS hatten 417 Schauspieler*innen geantwortet. Neunmal so viele Mitglieder hat der Verband nach eigenen Angaben – so richtig „repräsentativ“ sind die Ergebnisse also nicht. Sie zeichnen gleichwohl ein Bild der Branche („die Ergebnisse sind binär, da nur wenige non-binäre Personen unter den Befragten waren und so kein auswertbares Sample geschaffen werden konnte“, wird eingangs erklärt). „Die Ergebnisse sind ernüchternd, nein, sie sind erschütternd“, schreibt Joachim Huber im „Tagesspiegel“.  

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Am Anfang wollte Katharina Mückstein auf Instagram nur ihre eigenen Erfahrungen in der Branche schildern. Dann sammelte die Regisseurin die Berichte, die ihr Kolleg*innen zuschickten. Sie zeigen ein System an Übergriffen und Machtmissbrauch. | Screenshot

Österreich hat vorige Woche seine Filmpreise verliehen. Doch die Branche beschäftigt Anderes: Auf Instagram berichten Betroffene von Übergriffen und Machtmissbrauch an Filmsets und Theaterbühnen.

Nach fünf Jahren hat „#MeToo“ auch Österreich  erreicht, berichtete Magdalena Miedl vorige Woche beim ORF.  Den Anstoß gab die Regisseurin Katharina Mückstein. Auf Instagram hatte sie aufgerufen, über sexualisierte Übergriffe und Gewalt in der Kulturbranche zu sprechen. „Die Fälle, die über Mücksteins Instagram-Account bekannt werden, rangieren von unangenehm bis zu schwer traumatisierend – und in vielen Fällen sind sie ein Zeichen äußerster Respektlosigkeit und Unprofessionalität: Da ist etwa der renommierte Regisseur und Professor, der in der Schauspielausbildung sagt, dass Schauspieler ,bei Sexszenen eine echte Erektion haben müssen, und das auszuhalten oder auch zu genießen zum Berufsbild einer Schauspielerin’ gehöre. Da ist auch der Schauspieler, der eine Kollegin überredet, zum Textlernen in sein Hotelzimmer zu kommen, und ihr dann Nackenmassage und Oralverkehr vorschlägt. Wieder andere Fälle seien zu heftig, um sie wörtlich auf ihrem Instagram-Kanal zu teilen, so Mückstein […] Das Echo ist gewaltig, die Medienberichte zahlreich, die Reaktionen heftig – und vielfach auch verständnislos.“

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Die BKM stockt die Förderung für Serien auf – eine „Zweckentfremdung vom Kulturmillionen“ nennt das die AG Verleih. Und fragt, wozu das überhaupt gut sein soll? Szenenfoto aus „Berlin Station“, gefördert über den German Picture Motion Fund, kurz GMPF. | Foto © Studio Babelsberg

15 Millionen Euro will die BKM für die Produktion von Serien drauflegen. Für Kinos und Filmverleih fehlt derweil das Geld. 

Eigentlich ist sowas ja eine gute Nachricht: 15 Millionen Euro mehr will die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) für die Produktion von Serien ausgeben. Das kündigte Claudia Roth vorigen Freitag beim Deutschen Produzententag der Produzentenallianz in Berlin an. Stutzig macht allenfalls die Begründung in der Pressemitteilung der BKM: „Sie machte deutlich, dass es sich um eine letztmalige Erhöhung aufgrund einer besonders hohen Nachfrage in diesem Bereich handelt.“

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Nur selten sind Schauspieler*innen mit Behinderung in Hauptrollen zu sehen. Mit der RTL-Komödie „Weil wir Champions sind“ scheint das Thema endlich auch im Mainstream-Fernsehen angekommen zu sein und soll „Mut machen für weitere Projekte dieser Art.“ | Foto © Constantin TV/ Tom Trambow

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch viel zu selten zu sehen. Schon beim Einstieg in die Branche stehen sie vor hohen Hürden. „Cast me in“ soll Schauspieler*innen mit Behinderung  und Entscheider*innen zusammenbringen.

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch weitgehend unsichtbar. Etwa 6 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine sichtbar schwere Behinderung – vor und hinter der Kamera sind sie deutlich unterrepräsentiert. Das zeigte im vergangenen Jahr die Umfrage zur „Vielfalt im Film“: In den Berufen mit „Besetzungsmacht“ (die entscheiden, wer vor und hinter der Kamera arbeiten darf), sind Schwerbehinderte gerade mal mit 2,5 Prozent vertreten. „Gestaltungsmacht“ (also welche Geschichten erzählt werden) haben 2,1 Prozent. Da überrascht es nicht, dass auch vor der Kamera lediglich 2 Prozent der Schauspieler*innen sichtbar schwerbehindert sind.

Das wiederum trifft aber nicht mal auf 0,4 Prozent der Protagonist*innen und Hauptakteur*innen in Film und Fernsehen zu, sagt die Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität „Sichtbarkeit und Vielfalt“, die die Malisa-Stiftung im Februar vorgestellt hatte. 

Der Zugang zum Film wird ihnen aber auch nicht leicht gemacht. Die meisten staatlichen Schauspielschulen verlangen fürs Studium nicht nur Talent, Schulabschluss und Beherrschung der deutschen Sprache, sondern (weiter hinten, im Kleingedruckten) auch ein ärztliches Attest über einen „unbedenklichen“ oder „physisch und psychisch stabilen Gesundheitszustand“.  Die gängigsten „5 Mythen über Schauspieler*innen mit Behinderung“ hatten Judyta Smykowski und Jonas Karpa vor drei Jahren auf „Leidmedien“ auseinandergenommen. 

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Seit einem Jahr ist Crew United auch auf Polnisch online. Die Nutzung ist rasant gestiegen. | Screenshot

Anfang Februar 2021 ging die Website von Crew United Polska online. Irena Gruca-Rozbicka und Anna Rembowska betreuen die polnische Version der Plattform – und ziehen eine kleine Zwischenbilanz.

Seit einem Jahr gibt es Crew United auch in Polen. Wie läuft es nach dem ersten Jahr?
Irena Gruca-Rozbicka: Wir haben heute einen Blick auf die Website-Statistiken geworfen. Es schaut gut aus! Der Verkehr von polnischen Nutzer*innen ist um 445 Prozent gestiegen! Mehrere hundert polnische Filmemacher*innen und Schauspieler*innen haben uns bereits ihr Vertrauen geschenkt. Auf Crew United befinden sich schon fast zweitausend polnische Projekte aller Genres, die von registrierten Nutzern und unserem Redaktionsteam eingetragen wurden. Darunter auch Produktionen, die sich in der Vorbereitungs- und Finanzierungsphase befinden – das ist eine wertvolle Informationsquelle für viele registrierte Nutzer und Unternehmen. 

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Roland Dressel beim Dreh von „Wengler & Söhne – Eine Legende“. | Foto © Defa-Stiftung/Wolfgang Ebert

Roland Dressel war einer der bedeutendsten Filmkameramänner der Defa. Rund 30 Filme hatte er bis zum Ende der DDR gedreht, im wiedervereinigten Land gewann er den „Deutschen Filmpreis“. Am 5. Dezember ist er mit 90 Jahren gestorben.

Geduldig, engagiert und leise – so würdigt der Berufsverband Kinematografie (BVK) „einen der bedeutendsten Filmkameramänner der Defa“: Am 5. Dezember ist Roland Dressel mit 90 Jahren gestorben. „Ein hellwacher Beobachter seiner Umgebung und ein künstlerisch Wagemutiger, der nach der ,Wende‘ – wie so viele Filmschaffende aus der Defa – im westdeutsch geprägten Medienbetrieb des neu-vereinten Landes völlig zu Unrecht keine angemessene öffentliche Wahrnehmung mehr erfuhr. Wir alle müssen uns zurechnen lassen, daß ein bedeutender Teil des deutschen Filmschaffens weitgehend vergessen ist.“ Filmgeschichte machte er trotzdem. Und so ganz kam auch das vereinte Deutschland nicht an Dressel vorbei. Für „Abschied von Agnes“ (Regie: Michael Gwisdek) erhielt er 1994 den „Deutschen Filmpreis“.

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Benedict Hoermann (2. von rechts) beim Dreh von „Euphoria“. Hoermann hat als 1st AD an an internationalen Koproduktionen wie „Resistance“ oder „Trautmann“ gearbeitet. Mit Inken Janssen ist er Erster Vorstand der Assistant Directors Union mit rund 100 Mitgliedern. | Foto © Jürgen Olcyk/Tatfilm

Bei Dreharbeiten in den USA kam die Kamerafrau Halyna Hutchins ums Leben, weil eine Requisiten-Waffe geladen war. Ein solcher Unfall lasse sich nur vermeiden, wenn die Sicherheit an erster Stelle steht, meint Benedict Hoermann, 1st AD und Vorstand der Assistant Directors Union. Dafür brauche es aber gute Planung, mehr Schulungen und klarere Hierarchien. 

Herr Hoermann, Platzpatronen kenne ich nur vom Fasching. Wie kann es, technisch gesehen, überhaupt zu solch einem tödlichen Unfall kommen?
Das ist schwierig zu sagen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen sind. Was ich bisher gelesen habe: Dass bei einer Probe oder beim Dreh sich ein oder mehrere Schüsse aus einem Revolver gelöst haben, der zuvor von dem 1st AD als „Cold Weapon“, also ungeladene Waffe bezeichnet wurde. Es ist nicht unüblich, dass der 1st AD diese Ansage laut macht. Dies ist sogar sehr sinnvoll, weil dann alle Umstehenden genau wissen, dass diese Waffe ungefährlich ist.
Im gegenteiligen Fall, also wenn etwa eine Waffe mit einer oder mehreren Platzpatronen geladen ist, macht man direkt vor der Übergabe die Ansage „Hot Weapon“ und weist noch einmal Crew und Cast klar und deutlich darauf hin, dass die Waffe mit Platzpatronen geladen ist, äusserst gefährlich ist und niemals auf Personen gerichtet werden darf, es sei denn sie sind extra durch schussfeste Scheiben oder ähnliches geschützt.
Platzpatronen kommen in der Regel nur zum Einsatz, wenn es zu teuer und aufwendig wäre, das Mündungsfeuer einer Pistole und die Bewegung der Mechanik einer Waffe beim Schuss erst im Nachhinein mit VFX zu generieren. Das ist meist der Fall, wenn sich grössere Teile an einer Waffe beim Auslösen bewegen; oder wenn die Waffe im Dunklen abgefeuert wird und der Lichteffekt sehr deutlich zu sehen ist; oder wenn die Waffe sich recht nah vor der Kamera befindet.
Was natürlich niemals passieren darf: Dass ein*e 1st AD eine Waffe übergibt – das muss stets über eine*n Waffenmeister*in, die Fachkraft am Set, geschehen. Und natürlich darf ein*e 1st AD die Ansage „Cold Weapon“ auch erst machen, nachdem der*die Waffenmeister*in den leeren Lauf der Waffe und die leere Kammer gezeigt hat und gesagt hat, dass die Waffe leer ist.

Muss denn der 1. AD nochmals kontrollieren?
Ja. auf jeden Fall. Ich fühle mich in der Regel für alles verantwortlich, und jedes Problem ist auch mein Problem. Demnach ist vor allem wichtig, bei allen Dingen die Kontrolle zu haben. Und das geht nur, indem man, gerade bei sicherheitsrelevanten Dingen, jeden Schritt und jedes Department noch einmal selbst hinterfragt und kontrolliert. Das heißt natürlich nicht das ich alles selbst tue. Aber an einem Set sollte nichts passieren und geschehen, dass nicht genau so läuft, wie es von AD und Production Assistant angesagt wurde. Das bedeutet eine große Verantwortung, aber dafür hat man als AD bei Sicherheitsentscheidungen auch das letzte Wort: Wenn ein AD in Großbritannien sagt, „Nein, das ist nicht sicher“ oder „So wird es nicht gedreht“ dann gilt das und kann auch nicht von Regie oder DoP übergangen werden. Weiterlesen

Beim Dreh zum Western „Rust“ erschoss der Hauptdarsteller versehentlich die Kamerafrau. Im Fokus von Ermittlungen und Berichten stehen zurzeit die Waffenmeisterin und der 1st AD. | Screenshot

Beim Dreh zum Western „Rust“ erschoss der Schauspieler Alec Baldwin versehentlich die Kamerafrau und verletzte den Regisseur. Anscheinend wurden Sicherheitsprotokolle nicht eingehalten. Filmschaffende hatten sich zuvor über Arbeitsbedingungen und mangelnde Sicherheit beschwert. 

Ein tödlicher Unfall ereignete sich vorigen Donnerstag bei Dreharbeiten zu dem Western „Rust“ im US-Bundesstaat New Mexico. Der Schauspieler Alec Baldwin hatte eine Requisitenpistole abgefeuert, die laut Polizeibericht versehentlich geladen war. Die Kamerafrau Halyna Hutchins starb im Krankenhaus an ihren Verletzungen, der Regisseur Joel Souza wurde ebenfalls getroffen und verletzt. 

Die Ermittlungen fokussieren sich auf eine Waffenmeisterin und den Regieassistenten, berichtet „Der Spiegel“. Mit „Regieassistent“ meint das Nachrichtenmagazin den 1st AD, Dave Halls (den Unterschied erklärt die Assistant Directors Union). Für die Waffen war Hannah Gutierrez-Reed verantwortlich: Sie „ist die Tochter des langjährigen Hollywood-Waffenmeisters Thell Reed. Die 24-Jährige hatte sich in einem Podcast im September über ihren ersten Filmauftrag für den Western ,The Old Way’ mit Nicolas Cage geäußert. ,Ich war anfangs wirklich nervös und hätte den Job beinahe nicht angenommen, weil ich nicht sicher war, ob ich bereit bin. Aber als ich ihn machte, lief alles glatt’, sagte sie.“

Wenigstens zwei Kolleg*innen hätten das anderes gesehen, zitiert die Nachrichtenseite „Daily Beast“ [auf Englisch] ihre Quellen: Im Vergleich zu anderen Sets sei bei „The Old Way“ erheblich weniger auf Schusswaffensicherheit geachtet worden. Gutierrez-Reed habe einer elfjährigen Schauspielerin eine Waffe gegeben, ohne sie vorher ordnungsgemäß zu prüfen. Erst als Crew-Mitglieder eingriffen und den Dreh abbrechen wollten, habe sie das nachgeholt. 

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Die Antworten sind ausführlicher, eine Tabelle fasst sie zusammen: So stellen sich die Parteien die Zukunft des Films vor. | Screenshot

Sechsmal werden wir noch wach – dann wird gewählt. Ein schneller Überblick, was die Parteien mit der Filmkultur vorhaben.

Dass ohne Kultur gar nichts geht, hatte im in den vergangenen anderthalb Jahren fast jede Partei im Bundestag gepredigt. Indes gingen Hilfsprogramme an vielen Kulturschaffenden vorbei, andere mußten monatelang auf die Nothilfen warten oder wurden gleich in die „Grundsicherung“ verwiesen. Und als wieder geöffnet wurde, galten für Kulturstätten strengere Regeln – auch sie mussten länger warten. 

Wer Schlimmes vermutet, wird im Wahlkampf bestätigt: Die Kultur spielt in den Diskussionen keine Rolle. Der „Wahl-O-Mat“ findet in seinen 38 Fragen keinen Platz für die Kulturpolitik – die Alternativen ebensowenig.

Auch für den Film ist die Zukunft ungewiss. Die dringend erwartete Neufassung des Filmförderungsgesetzes (FFG) wurde wegen Corona vertagt – eine Behelfsnovelle gilt für die nächsten zwei Jahre. Welche Vorstellungen die Parteien von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur haben, wollte die Initiative Zukunft+Film wissen und stellte  für ihre Wahlprüfsteine „acht grundlegende Fragen“ zur Filmpolitik. Auf „Outtakes“ hatten wir die Antworten von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linke, FDP und Freien Wählern veröffentlicht. Zum Abschluss und schnellen Überblick fasst eine Tabelle die Positionen zusammen.

Die Union bestimmt seit 16 Jahren die Filmpolitik des Bundes. Und so stellt sie sich das in Zukunft vor. | Montage © cinearte

Mit ihren „Wahlprüfsteinen“ befragt die Initiative Zukunft Kino+Film zur Bundestagswahl sieben Parteien: Acht Fragen zu ihren Visionen von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur. Zum Abschluss der Reihe antworten CDU und CSU.

1. Welchen Stellenwert hat für Ihre Partei die Film- und Kinokultur im Kontext der Künste? Werden Sie sich für eine Erhöhung des Filmetats im Kulturhaushalt einsetzen?
Für CDU und CSU steht die Filmförderung des Bundes für Qualität und Vielfalt des Filmschaffens in Deutschland und Europa. Diese gilt es zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir stärken den Filmstandort Deutschland und damit nicht nur die Kultur, sondern auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Dazu führen wir die Filmförderung fort und werden die Förderinstrumente von Bund, Ländern und der Filmförderungsanstalt stärker aufeinander abstimmen. Mit dem Zukunftsprogramm Kino wollen wir insbesondere die Kultur auf dem Land unterstützen.

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Heute skizziert die deutsche Sozialdemokratie ihre Zukunftspläne für Film und Kino. | Montage © cinearte

Zur Bundestagswahl fragt die Initiative Zukunft Kino+Film sieben Parteien nach ihren Visionen von der Zukunft des Kinos und der Filmkultur. Auf die acht Fragen antwortet heute die SPD.

1. Welchen Stellenwert hat für Ihre Partei die Film- und Kinokultur im Kontext der Künste? Werden Sie sich für eine Erhöhung des Filmetats im Kulturhaushalt einsetzen?
Film und Kinos sind wichtige Teile deutschen Kulturguts. Sie tragen wesentlich zur kulturellen Ausstrahlung Deutschlands in der Welt bei. Unsere vielfältige Kinolandschaft wollen wir erhalten durch die dauerhafte Etablierung der Kinoförderung, welche wir investiv wie auch im Hinblick auf Programme ausgestalten wollen. Wir wollen die Produktion von audiovisuellen Inhalten am Standort Deutschland fördern, um so zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Wir werden Zukunftskonzepte für die Filmförderung gemeinsam mit der Film-Community entwickeln.

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