Wie war’s in Cannes? Die Feuilletons begeistern sich an der „Goldenen Palme“. Am Festival selbst gibt’s manches zu mäkeln.
Die Filmfestspiele von Cannes gingen am Samstag zu Ende, und Jurypräsident Spike Lee machte 48 Sekunden Filmgeschichte, als er gleich zu Beginn der Gala den Hauptgewinn ausplauderte. Zum zweiten Mal in 74 Ausgaben hat eine Frau die „Goldene Palme“ erhalten. Die erste hatte 1993 Jane Champion mit „Das Piano“ gewonnen, aber die musste sich den Preis damals noch teilen. Julia Ducournau hat ihn alleine gewonnen: Mit „Titane“, ihrem zweiten Langfilm, war die 37-jährige Französin eine von vier Regisseur*innen im Wettbewerb mit 24 Filmen.
Verdi hat gefragt, Festivalmitarbeiter*innen haben geantwortet: Das Kinofest Lünen ist das fairste Filmfestival Deutschlands.
Die AG Festivalarbeit in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hat erstmals ihren „Fair Festival Award“ verliehen (die Veranstaltung im Rahmen des Dresdner Filmfests ist hier im Stream zu sehen). Auf den folgenden Rängen erhielten das Pornfilmfestival Berlin, die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, das Kurzfilm Festival Hamburg, das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln und das Filmfestival Max-Ophüls-Preis das Prädikat „Faires Festival“.
Für die erste Ausgabe wurden in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg ausführlich die Arbeitsbedingungen bei 49 deutschen Filmfestivals abgefragt; auf einer vierstufigen Skala wurden Kriterien wie Vertrag, Arbeitsbedingungen, Kommunikation, Führung, Arbeitsklima, Mitbestimmung, Chancengleichheit, Gleichbehandlung und Entlohnung bewertet. 14 Festivals, für die mindestens drei Bewertungen vorlagen, wurden in einer zweiten Runde eingehender betrachtet.
Ziel der Umfrage war nicht nur, das fairste Filmfestival zu küren, „sondern auch das nur spärlich dokumentierte Feld der Arbeitsbedingungen bei Filmfestivals zu untersuchen, das bisher wissenschaftlich kaum erschlossen ist. Das entstandene Branchenbild vermittelt eine erste anschauliche Skizze über die Arbeitsverhältnisse in der deutschen Filmfestival-Landschaft und gibt einen Einblick in die Strukturen, auch wenn es nicht repräsentativ für die gesamte Branche ist und so den Bedarf für weitere Forschung verdeutlicht.“ Deutlich sei, dass die Filmfestivalbranche zu prekären und geschlechterungerechten Arbeitsverhältnissen beiträgt: 39 Prozent der befragten Festivalarbeiter*innen können nicht allein von dieser Arbeit leben – die Karriereverläufe von Frauen und Männern weichen stark voneinander ab.
Mit knapp 200 vollständigen Antworten war der Rücklauf „überschaubar“, heißt es in der Dokumentation zur Umfrage. Dies sei zwei Faktoren geschuldet: „Zum einen hat der Beginn der Corona-Pandemie, kurz nach Start der Erhebungsphase, die Pläne vieler Festivals durchkreuzt. Zum anderen ist der ,Fair Festival Award‘ als neue Auszeichnung noch unbekannt.“ Das nächste Mal soll der Preis zur Berlinale 2022 vergeben werden.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2021-07-19 21:00:482021-07-19 21:00:48Lünen ist das fairste Festival in Deutschland
Freiheit der Presse, Luther als Medienphänomen und Lisa Herzog über Arbeit in Corona-Zeiten – Gedanken in der Pandemie, Folge 124.
„Die Furcht selbst, die Angst vor der eigenen Freiheit hält die Menschen gefangen.“
Lukas Baerfuss: „Luther“
Peter R. de Vries ist tot. Am Dienstag vor zwei Wochen wurde der mutige niederländische Investigativjournalist von einem Attentäter niedergeschossen, am vergangenen Donnerstag starb er an den Folgen.
De Vries hatte er zur Drogenmafia in seinem Land recherchiert, ihren internationalen Verknüpfungen, ihren Verdienstmodellen und Auftragsmorden. In der „Welt“ schreibt Dirk Schümer, der de Vries kannte, über den Fall: „Bedrohte, verfolgte, ermordete Journalisten – wir stellen uns solche Zustände eher in autokratischen Regimen vor. […] Der Mord an Peter de Vries zeigt erneut, dass wir uns nur fälschlich in Sicherheit wiegen. Die gefestigte Demokratie Niederlande wird herausgefordert von einem Mörderkartell, das Bürgermeister und Richter bedroht, ganze Branchen wie den Rotterdamer Hafen oder den Blumenexport für Schmuggel und Geldwäsche infiltriert. […] Europas Kriminelle korrumpieren Richter und Polizisten, bestechen Politiker, töten Journalisten – und fordern den Rechtsstaat zum Duell.“
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-07-19 20:35:062021-07-19 20:35:06Gedanken in der Pandemie 124: „Sinnvolle, würdevolle und gerecht bezahlte Arbeit ist möglich“
Die erste Studie zur Situation und Förderung der Nachwuchsfilmschaffenden hat der Produzentenverband vorgestellt. Sie „zeigt nun faktenbasiert systemische Schwachstellen auf.“
Eigentlich und insgesamt scheint für den Filmnachwuchs doch alles zu laufen. Zahlreiche Filmhochschulen bilden in Deutschland aus, Sender reservieren Programmplätze für die Debüts, Förderer einen Teil ihrer Budgets … Ein anderes Bild zeigt der Produzentenverband, nach eigenen Angaben „die maßgebliche Vertretung der unabhängigen Kino-, Streaming- und Fernsehproduzent*innen in Deutschland“. Auf dem Filmfest München stellte der Verband vorigen Mittwoch seine „Nachwuchsstudie“ vor – die erste Studie zur Situation und Förderung der Nachwuchsfilmschaffenden in Deutschland.
Zwischen August und November 2020 wurde eine „Stichprobe“ von 488 Nachwuchs-Filmschaffende und Absolvent:innen der Bereiche Regie, Drehbuch und Produktion befragt. Ebenso die Förderer, Sender (private und öffentlich-rechtliche), Streamer, Verleiher und Filmhochschulen. Die Zahlen sollen die Grundlage für einen „breit angelegten Branchendialog“ bieten, der in den kommenden Monaten unter dem Banner „Zukunft Nachwuchs“ stattfinden werde, so der Produzentenverband. „In kollaborativen Formaten und einem ergebnisoffenen aber ergebnisorientierten Prozess“ gemeinsam an bessere Bedingungen gearbeitet werden – „für mehr Kreativität, Innovation und Diversität“, und um „dem filmischen Nachwuchs zu ermöglichen, nachhaltig in der Branche Fuß zu fassen.“ Denn die Hindernisse seien seit seit Jahren dieselben, meinen die Leiterinnender Nachwuchssektion des Produzentenverbands. Weiterlesen
Über die Filmfestspiele und die Pandemie. Und leider nochmal zum Wahlkampf der Grünen –Gedanken in der Pandemie, Folge 123.
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“ Astrid Lindgren
Halbzeit bei den Filmfestspielen von Cannes. Mein Cannes-Tagebuch mit Impressionen und Filmberichten kann man bei „Artechock“ nachlesen. Aber auch Corona ist hier an der Cote d’Azur ein Thema. Man muss den Verantwortlichen gratulieren, denn es ist ihnen geglückt, ein Filmfestival für rund 20.000 Besucher auf die Beine zu stellen, dass dem Normalfall zum Verwechseln ähnlich sieht.
Man hat dafür direkt neben dem Festivalpalais ein eigenes Testzentrum aufgebaut, das allen Gästen kostenlos offen steht. Jeder Festivalbesucher muss, um überhaupt Einlass zu bekommen, entweder vollständig geimpft sein, oder – da das nur selten der Fall ist – einen negativen PCR-Test nachweisen, der nicht länger als 48 Stunden alt ist.
Das gilt nur nicht für jene Kinos, deren Zugänge außerhalb des eigentlichen Festivalgeländes liegen. Denn in Frankreich sind im Gegensatz zu Deutschland Kinos besonders gesetzlich privilegierte Orte – und das bedeutet: frei! Der Zugang für alle Bürger darf auch nicht durch möglicherweise sinnvolle Zwangstests beschränkt oder gar verwehrt werden. Der zu einem Filmfestival schon, weil das ein Arbeitsort ist, auch ein Ort der Medien und der Vermarktung, also weniger heilig als der Kunsttempel Kino.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2021-07-13 00:40:522021-07-13 00:40:52Gedanken in der Pandemie 123: Kinogott in Frankreich
Das ZDF bekommt einen neuen Intendanten. Norbert Himmler gewann im dritten Wahlgang. Zuvor hatte sich Mitbewerberin Tina Hassel von der Wahl zurückgezogen, weil sie doch eigentlich das Gleiche wollen: „einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.
Norbert Himmler ist am Freitag zum ZDF-Intendanten gewählt worden. „Eine hervorragende Nachricht ist das“, findet die „Süddeutsche Zeitung“. „Das Signal: Da wird im nächsten März einer Senderchef, der seit Jahren Programmdirektor ist, also schon jetzt bestimmt, was im Fernsehen kommt. Einer, der den Laden kennt. Und der ein Zögling des jetzigen Intendanten Thomas Bellut ist, der vorher ebenfalls Programmdirektor war. Wie langweilig – zum Glück. Denn damit endet schon die Beständigkeit der Verhältnisse. Die Karriere von Himmler ist geprägt davon, dass er das ZDF-Programm nicht durch ,Traumschiff‘-Gefilde, sondern durch die erste Welle der Digitalisierung, den großen Umbruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelotst hat. Wenn das ZDF heute in vielem moderner wirkt und technisch oft weiter ist als die ARD-Sender, hat das auch viel mit Strategien des Duos Bellut/Himmler zu tun. Man traut der Anstalt mit ihm eine ähnlich ruhige, aber radikale Entwicklung zu.“
Rund acht Monate mussten die Lichtspielhäuser in der Pandemie geschlossen bleiben. Seit heute haben sie bundesweit wieder geöffnet.
Es ist der 1. Juli 2021. Die Wiedergeburt des Kinos in Deutschland hat begonnen. Auch Universal freut sich und hat zur Einstimmung ein kleines Video zusammengeschnitten.
Das ganz große Vergnügen dürfte der Kinobesuch noch nicht werden, denn die Auflagen sind streng. Für Hamburg etwa erklärt die dortige FilmförderungMoin: Eintritt gibt es nur für Geimpfte, Genesene oder Geteste samt Kontaktdaten. Nur jeder zweite Platz wird besetzt, eine medizinische Maske muss auch auf dem Sitzplatz getragen werden, sie „darf zum Essen oder Trinken jedoch abgenommen werden.“
Die Bedingungen sind „teilweise noch ungeklärt, intransparent oder nicht verhältnismäßig“, hatte der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino) am Montag beanstandet und an die Länder appelliert, bis zum 1. Juli noch nachzubessern. Dabei geht es dem Verband der Kinobetreiber um vier Punkte: Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2021-07-01 23:29:212021-07-02 01:12:02Neustart der Kinokultur
Die neue Programmdirektorin hat große Pläne für die ARD. Das wird aber nur klappen, wenn die Senderfamilie ihren Umgang mit den Kreativen ändere, meinen die Drehbuchautor*innen.
Mehr Qualitätsfernsehen fordern Kontrakt 18 und der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) in einem gemeinsamen Offenen Brief an die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Die vormalige Chefin der ARD-Spielfilmtochter Degeto hatte im April der Deutschen Presse-Agentur ihre Pläne skizziert (cinearte 510). Darunter mehr „international konkurrenzfähige Serien-Projekte“ wie „Babylon Berlin“. Strobl: „Ich glaube, dass wir regelmäßig diese Art von Programmen brauchen. […] Ich glaube, wir brauchen ein bis zwei Formate dieser Größenordnung pro Jahr.“ Und auch vor der Streaming-Konkurrenz zeigt sie vor dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ keine Angst: „Es muss unser Anspruch sein, unsere Geschichten zu erzählen, die unverwechselbar in Deutschland und Europa stattfinden. Das kann Netflix zum Beispiel nicht.“
Cannes 2021: Von weiblichen Blicken
out takes, Peter HartigSorry, das Bild muss so sein. Schließlich war „Titane“ der gewagteste Film des Festivals und umstritten wie kein anderer, schwärmen vor allem die Kritiker. | Foto © Carole Bethuel
Wie war’s in Cannes? Die Feuilletons begeistern sich an der „Goldenen Palme“. Am Festival selbst gibt’s manches zu mäkeln.
Die Filmfestspiele von Cannes gingen am Samstag zu Ende, und Jurypräsident Spike Lee machte 48 Sekunden Filmgeschichte, als er gleich zu Beginn der Gala den Hauptgewinn ausplauderte. Zum zweiten Mal in 74 Ausgaben hat eine Frau die „Goldene Palme“ erhalten. Die erste hatte 1993 Jane Champion mit „Das Piano“ gewonnen, aber die musste sich den Preis damals noch teilen. Julia Ducournau hat ihn alleine gewonnen: Mit „Titane“, ihrem zweiten Langfilm, war die 37-jährige Französin eine von vier Regisseur*innen im Wettbewerb mit 24 Filmen.
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Lünen ist das fairste Festival in Deutschland
out takes, Peter HartigVorletztes Jahr in Lünen. Das Kinofest gilt jetzt offiziell als fairstes Festival im Lande. | Foto © Kinofest Lünen
Verdi hat gefragt, Festivalmitarbeiter*innen haben geantwortet: Das Kinofest Lünen ist das fairste Filmfestival Deutschlands.
Die AG Festivalarbeit in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hat erstmals ihren „Fair Festival Award“ verliehen (die Veranstaltung im Rahmen des Dresdner Filmfests ist hier im Stream zu sehen). Auf den folgenden Rängen erhielten das Pornfilmfestival Berlin, die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, das Kurzfilm Festival Hamburg, das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln und das Filmfestival Max-Ophüls-Preis das Prädikat „Faires Festival“.
Für die erste Ausgabe wurden in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg ausführlich die Arbeitsbedingungen bei 49 deutschen Filmfestivals abgefragt; auf einer vierstufigen Skala wurden Kriterien wie Vertrag, Arbeitsbedingungen, Kommunikation, Führung, Arbeitsklima, Mitbestimmung, Chancengleichheit, Gleichbehandlung und Entlohnung bewertet. 14 Festivals, für die mindestens drei Bewertungen vorlagen, wurden in einer zweiten Runde eingehender betrachtet.
Ziel der Umfrage war nicht nur, das fairste Filmfestival zu küren, „sondern auch das nur spärlich dokumentierte Feld der Arbeitsbedingungen bei Filmfestivals zu untersuchen, das bisher wissenschaftlich kaum erschlossen ist. Das entstandene Branchenbild vermittelt eine erste anschauliche Skizze über die Arbeitsverhältnisse in der deutschen Filmfestival-Landschaft und gibt einen Einblick in die Strukturen, auch wenn es nicht repräsentativ für die gesamte Branche ist und so den Bedarf für weitere Forschung verdeutlicht.“ Deutlich sei, dass die Filmfestivalbranche zu prekären und geschlechterungerechten Arbeitsverhältnissen beiträgt: 39 Prozent der befragten Festivalarbeiter*innen können nicht allein von dieser Arbeit leben – die Karriereverläufe von Frauen und Männern weichen stark voneinander ab.
Mit knapp 200 vollständigen Antworten war der Rücklauf „überschaubar“, heißt es in der Dokumentation zur Umfrage. Dies sei zwei Faktoren geschuldet: „Zum einen hat der Beginn der Corona-Pandemie, kurz nach Start der Erhebungsphase, die Pläne vieler Festivals durchkreuzt. Zum anderen ist der ,Fair Festival Award‘ als neue Auszeichnung noch unbekannt.“ Das nächste Mal soll der Preis zur Berlinale 2022 vergeben werden.
Gedanken in der Pandemie 124: „Sinnvolle, würdevolle und gerecht bezahlte Arbeit ist möglich“
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeDie Stiftung Warentest hat zum zweiten Mal FFP2-Masken untersucht. Alle 20 taugen, aber nur vier seien wirklich stark. | Foto © Stiftung Warentest/Thomas Vossbeck
Freiheit der Presse, Luther als Medienphänomen und Lisa Herzog über Arbeit in Corona-Zeiten – Gedanken in der Pandemie, Folge 124.
„Die Furcht selbst, die Angst vor der eigenen Freiheit hält die Menschen gefangen.“
Lukas Baerfuss: „Luther“
Peter R. de Vries ist tot. Am Dienstag vor zwei Wochen wurde der mutige niederländische Investigativjournalist von einem Attentäter niedergeschossen, am vergangenen Donnerstag starb er an den Folgen.
De Vries hatte er zur Drogenmafia in seinem Land recherchiert, ihren internationalen Verknüpfungen, ihren Verdienstmodellen und Auftragsmorden. In der „Welt“ schreibt Dirk Schümer, der de Vries kannte, über den Fall: „Bedrohte, verfolgte, ermordete Journalisten – wir stellen uns solche Zustände eher in autokratischen Regimen vor. […] Der Mord an Peter de Vries zeigt erneut, dass wir uns nur fälschlich in Sicherheit wiegen. Die gefestigte Demokratie Niederlande wird herausgefordert von einem Mörderkartell, das Bürgermeister und Richter bedroht, ganze Branchen wie den Rotterdamer Hafen oder den Blumenexport für Schmuggel und Geldwäsche infiltriert. […] Europas Kriminelle korrumpieren Richter und Polizisten, bestechen Politiker, töten Journalisten – und fordern den Rechtsstaat zum Duell.“
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Nachwuchsförderung: Systematische Schwachstellen
out takes, Peter HartigFür den Nachwuchs müsste viel mehr getan werden! Auf dem Filmfest München stellte der Produzentenverband die Zahlen zur These vor. Von links: Moderator Urs Spörri und die Leiterinnen der Nachwuchssektion im Produzentenverband, Alexandra Krampe und Saralisa Volm. | Foto © Kurt Krieger
Die erste Studie zur Situation und Förderung der Nachwuchsfilmschaffenden hat der Produzentenverband vorgestellt. Sie „zeigt nun faktenbasiert systemische Schwachstellen auf.“
Eigentlich und insgesamt scheint für den Filmnachwuchs doch alles zu laufen. Zahlreiche Filmhochschulen bilden in Deutschland aus, Sender reservieren Programmplätze für die Debüts, Förderer einen Teil ihrer Budgets … Ein anderes Bild zeigt der Produzentenverband, nach eigenen Angaben „die maßgebliche Vertretung der unabhängigen Kino-, Streaming- und Fernsehproduzent*innen in Deutschland“. Auf dem Filmfest München stellte der Verband vorigen Mittwoch seine „Nachwuchsstudie“ vor – die erste Studie zur Situation und Förderung der Nachwuchsfilmschaffenden in Deutschland.
Zwischen August und November 2020 wurde eine „Stichprobe“ von 488 Nachwuchs-Filmschaffende und Absolvent:innen der Bereiche Regie, Drehbuch und Produktion befragt. Ebenso die Förderer, Sender (private und öffentlich-rechtliche), Streamer, Verleiher und Filmhochschulen. Die Zahlen sollen die Grundlage für einen „breit angelegten Branchendialog“ bieten, der in den kommenden Monaten unter dem Banner „Zukunft Nachwuchs“ stattfinden werde, so der Produzentenverband. „In kollaborativen Formaten und einem ergebnisoffenen aber ergebnisorientierten Prozess“ gemeinsam an bessere Bedingungen gearbeitet werden – „für mehr Kreativität, Innovation und Diversität“, und um „dem filmischen Nachwuchs zu ermöglichen, nachhaltig in der Branche Fuß zu fassen.“ Denn die Hindernisse seien seit seit Jahren dieselben, meinen die Leiterinnen der Nachwuchssektion des Produzentenverbands.
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Gedanken in der Pandemie 123: Kinogott in Frankreich
Rüdiger Suchsland, Unsere GästeCorona ist auch in Cannes ein Thema. Gleich neben dem Festivalpalais steht ein eigenes Testzentrum allen Gästen kostenlos offen. | Foto © Rita Molnár/CC BY-SA 3.0
Über die Filmfestspiele und die Pandemie. Und leider nochmal zum Wahlkampf der Grünen – Gedanken in der Pandemie, Folge 123.
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“
Astrid Lindgren
Halbzeit bei den Filmfestspielen von Cannes. Mein Cannes-Tagebuch mit Impressionen und Filmberichten kann man bei „Artechock“ nachlesen. Aber auch Corona ist hier an der Cote d’Azur ein Thema. Man muss den Verantwortlichen gratulieren, denn es ist ihnen geglückt, ein Filmfestival für rund 20.000 Besucher auf die Beine zu stellen, dass dem Normalfall zum Verwechseln ähnlich sieht.
Man hat dafür direkt neben dem Festivalpalais ein eigenes Testzentrum aufgebaut, das allen Gästen kostenlos offen steht. Jeder Festivalbesucher muss, um überhaupt Einlass zu bekommen, entweder vollständig geimpft sein, oder – da das nur selten der Fall ist – einen negativen PCR-Test nachweisen, der nicht länger als 48 Stunden alt ist.
Das gilt nur nicht für jene Kinos, deren Zugänge außerhalb des eigentlichen Festivalgeländes liegen. Denn in Frankreich sind im Gegensatz zu Deutschland Kinos besonders gesetzlich privilegierte Orte – und das bedeutet: frei! Der Zugang für alle Bürger darf auch nicht durch möglicherweise sinnvolle Zwangstests beschränkt oder gar verwehrt werden. Der zu einem Filmfestival schon, weil das ein Arbeitsort ist, auch ein Ort der Medien und der Vermarktung, also weniger heilig als der Kunsttempel Kino.
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Ein neuer Chef fürs ZDF
out takes, Peter HartigÜber zwei Runden lieferten sich Tina Hassel und Norbert Himmler ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Schließlich nahm Hassel das Ergebnis vorweg, indem sie Ihre Kandidatur zurückzog. | Fotos © Markus Hintzen/ZDF | WDR/Max Kohr
Das ZDF bekommt einen neuen Intendanten. Norbert Himmler gewann im dritten Wahlgang. Zuvor hatte sich Mitbewerberin Tina Hassel von der Wahl zurückgezogen, weil sie doch eigentlich das Gleiche wollen: „einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.
Norbert Himmler ist am Freitag zum ZDF-Intendanten gewählt worden. „Eine hervorragende Nachricht ist das“, findet die „Süddeutsche Zeitung“. „Das Signal: Da wird im nächsten März einer Senderchef, der seit Jahren Programmdirektor ist, also schon jetzt bestimmt, was im Fernsehen kommt. Einer, der den Laden kennt. Und der ein Zögling des jetzigen Intendanten Thomas Bellut ist, der vorher ebenfalls Programmdirektor war. Wie langweilig – zum Glück. Denn damit endet schon die Beständigkeit der Verhältnisse. Die Karriere von Himmler ist geprägt davon, dass er das ZDF-Programm nicht durch ,Traumschiff‘-Gefilde, sondern durch die erste Welle der Digitalisierung, den großen Umbruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelotst hat. Wenn das ZDF heute in vielem moderner wirkt und technisch oft weiter ist als die ARD-Sender, hat das auch viel mit Strategien des Duos Bellut/Himmler zu tun. Man traut der Anstalt mit ihm eine ähnlich ruhige, aber radikale Entwicklung zu.“
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Neustart der Kinokultur
out takes, Peter HartigEmsige Kinogänger waren die Deutschen schon vorher nicht. Es wird spannend, ob sie nach der Pandemie überhaupt noch vom Sofa runter wollen. | Foto © Adobe Stock
Rund acht Monate mussten die Lichtspielhäuser in der Pandemie geschlossen bleiben. Seit heute haben sie bundesweit wieder geöffnet.
Es ist der 1. Juli 2021. Die Wiedergeburt des Kinos in Deutschland hat begonnen. Auch Universal freut sich und hat zur Einstimmung ein kleines Video zusammengeschnitten.
Das ganz große Vergnügen dürfte der Kinobesuch noch nicht werden, denn die Auflagen sind streng. Für Hamburg etwa erklärt die dortige Filmförderung Moin: Eintritt gibt es nur für Geimpfte, Genesene oder Geteste samt Kontaktdaten. Nur jeder zweite Platz wird besetzt, eine medizinische Maske muss auch auf dem Sitzplatz getragen werden, sie „darf zum Essen oder Trinken jedoch abgenommen werden.“
Die Bedingungen sind „teilweise noch ungeklärt, intransparent oder nicht verhältnismäßig“, hatte der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino) am Montag beanstandet und an die Länder appelliert, bis zum 1. Juli noch nachzubessern. Dabei geht es dem Verband der Kinobetreiber um vier Punkte:
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ARD: Drehbuchautor*innen fordern „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“
out takes, Peter HartigDie ARD kann es mit der Streaming-Konkurrenz aufnehmen, glaubt die neue Programmdirektorin Christine Strobl. Da müsse sich aber grundsätzlich etwas am Umgang mit den Kreativen ändern, meinen die Drehbuchautor*innen in einem Offenen Brief: „In Deutschland hinkt man den international gängigen Standards hinterher.“ | Foto © ARD/Laurence Chaperon
Die neue Programmdirektorin hat große Pläne für die ARD. Das wird aber nur klappen, wenn die Senderfamilie ihren Umgang mit den Kreativen ändere, meinen die Drehbuchautor*innen.
Mehr Qualitätsfernsehen fordern Kontrakt 18 und der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) in einem gemeinsamen Offenen Brief an die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Die vormalige Chefin der ARD-Spielfilmtochter Degeto hatte im April der Deutschen Presse-Agentur ihre Pläne skizziert (cinearte 510). Darunter mehr „international konkurrenzfähige Serien-Projekte“ wie „Babylon Berlin“. Strobl: „Ich glaube, dass wir regelmäßig diese Art von Programmen brauchen. […] Ich glaube, wir brauchen ein bis zwei Formate dieser Größenordnung pro Jahr.“ Und auch vor der Streaming-Konkurrenz zeigt sie vor dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ keine Angst: „Es muss unser Anspruch sein, unsere Geschichten zu erzählen, die unverwechselbar in Deutschland und Europa stattfinden. Das kann Netflix zum Beispiel nicht.“
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