Auf 70mm nur fürs Kino gemacht: Tenet von Christopher Nolan
Warum in Frankreich das Kino funktioniert und wie in Deutschland die öffentliche Hand das Sterben des Mediums Kino finanziert – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogängers, 201. Folge
»Paris ist nicht bloß die Hauptstadt von Frankreich, sondern der ganzen zivilisierten Welt. … Versammelt ist hier alles, was groß ist durch Liebe und Hass, durch Fühlen und Denken, durch Wissen oder Können, durch Glück oder Unglück, durch Zukunft oder Vergangenheit.«
(Heinrich Heine)
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Der Filmemacher Christopher Nolan, ob man ihn nun richtig mag, oder nicht, ist ohne Frage der wichtigste, also kulturell einflussreichste Regisseur unseres Zeitalters. Nicht del Toro, nicht Tarantino, auch leider nicht mehr Godard und nicht mal, wer hätte es gedacht, Til Schweiger.
Jetzt wurde der erste Teaser seines neuen Films Tenet, eines Spionagethrillers veröffentlicht. Aber wir haben ihn noch nicht gesehen. Wir können ihn nicht sehen! Denn er wird bisher nur im Kino gezeigt. Ist das nun eine Frechheit gegenüber seinen Fans, zum Beispiel in München? Oder ist es nicht ganz wunderbar, dass dieser Regisseur das Kino und das Filmmaterial – Nolan dreht nicht digital, sondern in diesem Fall auf 70mm und im IMAX-Format –
wirklich verteidigt. Dass da einer ist, der es sich erlauben kann und der darum dem Kino ein Alleinstellungsmerkmal gibt, das diesem gebührt.
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Wir würden ja niemals der Kulturstaatsministerin Monika Grütters absprechen, dass auch sie sich wirklich ums Kino bemüht. Dass sie ein veritables und ernst gemeintes Interesse daran hat, den Standort Kino zu stärken. Vielleicht nicht mehr in fünf Jahren, aber jetzt. Was ich aber nicht glaube, ist, dass sie immer gut beraten und umfangreich informiert wird – sondern im Gegenteil ziemlich einseitig.
Das Grütters-Interview in der »Süddeutschen«, aus dem wir vergangene Woche schon zitiert hatten, war in der Hinsicht sehr aufschlussreich. Taktisch und rhetorisch war das Konzept klar: Die Dinge laufen schlecht, obwohl Grütters mehr Geld gibt, brechen die Zuschauer weg. Also »nennt« Grütters die Fehler und Probleme – dann kann sie ja nicht dran schuld sein, oder?
Vielleicht aber doch. Vielleicht sind die Erfolgskriterien genau so schräg, wie die der Länderförderer, und vielleicht trägt eine Förderpolitik, die auf »Leuchttürme« und Prestigeprojekte setzt und die Breite verdorren lässt, gehörig zur Misere bei. Vor allem ist auch die Förderei im BKM höchst widersprüchlich.
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Ein Beispiel hierfür: Beim vom BKM hoch geförderten Filmfestival von Berlin läuft der deutsche Film Ich war zuhause, aber… von Angela Schanelec im Wettbewerb und gewinnt sogar den Silbernen Bären für Beste Regie.
Dann beantragt der Verleiher beim BKM Verleihförderung. Diese wird nicht gewährt. Natürlich redet man sich beim BKM auf die »Unabhängigkeit der Juryentscheidung« heraus, und wer wollte schon etwas gegen unabhängige Jurys sagen?
Aber wie kann das sein?? Wie ist das in Gottes Namen möglich??? Das BKM ist ja nicht irgendeine von Tante Emma geführte Länderbutze, sondern angeblich die »kulturelle Filmförderung«. Ein schwieriger Film (den ich persönlich auch gar nicht besonders schätze, aber es geht ums Prinzip), ein schwieriger Film, der mehr als alle Wiedemann & Bergs & X- und Y-Filme zusammen auf kulturelle Förderung angewiesen ist, und der nebenbei die Behauptung widerlegen könnte, dass man in Deutschland nur mit Schrott im Kino Geld verdienen kann, und dass die Berlinale und ihre Preise eh nix wert sind, und an der Kasse nichts bringen, einem solchen Film verwehrt man das, was man allen möglichen Filmen zugesteht: Unterstützung bei Kinostart im schwierigen Gelände.
Warum pumpt man viel Geld in die Berlinale, sorgt aber nicht dafür, dass wenigstens die dort ausgezeichneten Filme auch vernünftige Startchancen bekommen?
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